KARDIALE ISCHÄMIEDIAGNOSTIK MIT MAGNETRESONANZTOMOGRAPHIE ● ● In der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit verfügt der Kardiologe heute über eine breite Palette von nichtinvasiven Verfahren: Anamnese, Ruhe- / Belastungs-EKG, Enzymdiagnostik sowie Ruhe- / Stress-Echokardiographie und Myokardperfusionsszintigraphie. Der zum Teil kombinierte Einsatz dieser Methoden erlaubt in der Regel eine exakte Diagnose, womit das weitere Vorgehen festgelegt werden kann. Dank der Entwicklung ultraschneller Messtechniken ist es in den letzten Jahren möglich geworden, das schlagende Herz auch mittels MRT (Magnetresonanztomographie) zu untersuchen. Dabei erlaubt die MRT, in einem einzigen Untersuchungsdurchgang umfassende Informationen zur Morphologie, Funktion, Durchblutung (Perfusion) und Vitalität zu gewinnen. Das Herz kann unabhängig vom Patientenhabitus in jeder gewünschten anatomischen Ebene überlagerungsfrei abgebildet werden. Der hohe Weichteilkontrast der MRT ermöglicht eine exakte Differenzierung zwischen den Bluträumen, dem normalen und geschädigten Myokard, dem Perikard und den extrakardialen, fetthaltigen Strukturen. Indikationsstellung Die Hauptindikation der MRT in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit besteht darin, die etablierten, nichtinvasiven Verfahren zu ergänzen, wenn diese die klinische Fragestellung nicht beantworten können (Patienten mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung / Emphysem, morbider Adipositas). Indikation und Bedeutung der MRT in der Diagnostik der koronaren Herzkrankheit – Nachweis und Ausdehnung eines Infarktes – Bestimmung der Vitalität – Nachweis einer belastungsinduzierten Myokardischämie (Dobutamin: Wandverdickung; Adenosin: Perfusion) – Präzise und reproduzierbare Volumen- und Muskelmassenberechnung bei: Herzinsuffizienz, Hypertonie, Therapieplanung – In naher Zukunft: Nichtinvasive Koronarangiographie, Charakterisierung atherosklerotischer Plaques, Koronarflussmessungen 300 51 34 250 200 67 17 150 100 50 84 1 0 a ➞ b ➞ ● Neue Methode zur Ischämie- und Vitalitätsdiagnostik Anatomische und funktionelle Informationen Ergänzung zu etablierten Verfahren Zukunftspotenzial: Plaquemorphologie, nichtinvasive Koronarangiographie ➞ ● a: Infarktnarbe. Semiquantitatives Summationsbild der Kontrastmittelanreicherung während dem ersten Kontrastmitteldurchgang («first pass»Technik) b: Kongruentes «late enhancement» der transmuralen Infarktnarbe: inferior (Pfeile) a b Abb. 2 Untersuchungsablauf Die Untersuchung im Magneten erfolgt in entspannter Rückenlage und nimmt in der Regel eine Stunde in Anspruch (Abb. 1). Eine EKG-Ableitung dient zur Triggerung der Aufnahmesequenzen. Zur erweiterten Patientenüberwachung werden ein Pulsoxymeter und eine Blutdruckmessung eingesetzt. Die Aufnahme der einzelnen Bildserien erfolgt im Atemstillstand und dauert 10 bis 25 Sekunden. In unserer Institution hat sich ein teamorientiertes Arbeiten bewährt. Dabei übernimmt der Kardiologe die Überwachung des Patienten und die Durchführung des pharmakologischen Stresses, während der Radiologe für den technischen Ablauf und die Aufnahme der Bildsequenzen zuständig ist. In einer gemeinsamen Sitzung wird die Untersuchung anschliessend analysiert, und es wird ein Bericht erstellt. Morphologie und Funktion Vor der eigentlichen Herzuntersuchung liefert eine Übersichtsdarstellung in zwei Minuten Informationen über die anatomischen Verhältnisse im gesamten Thorax. Mediastinale Raumforderungen und relevante Pathologien der grossen Gefässe lassen sich damit rasch ausschliessen. Abb. 1 Vorbereitung des Patienten zur MRT-Untersuchung des Herzens unter Belastung Das Herz wird zunächst in Ruhe in den Standardebenen abgebildet, welche in der Echokardiographie gebräuchlich sind. Dabei erlaubt die dynamische Aufnahme von Schnittbildern während des gesamten Herzzyklus eine exakte Beurteilung nicht nur der Morphologie der Herzkammern (Abb. 2), sondern auch der globalen und regionalen Ventrikelfunktion sowie der Wandkinetik. Durch die Gabe von Dobutamin in verschiedenen Belastungsstufen kann das Myokard analog zur Echokardiographie auch unter Stress untersucht werden. Die positiv inotrope Wirkung des Dobutamin führt zu einem erhöhten Sauerstoffbedarf, der im Fall einer signifikanten Koronarstenose eine Minderperfusion und konsekutive Wandbewegungsstörung induziert. Diese ist auf den Cine-MRTBildern als segmentale Störung der Wandbewegung und verminderte systolische Wandverdickung gut zu erkennen (Abb. 3). Eine MRT mit abgestuftem Dobutaminstress ist allerdings recht aufwändig. Daher gewinnt die einfacher durchführbare Perfusions-MRT mit Adenosin in der Ischämiediagnostik zunehmend an Bedeutung (siehe unten). Perfusion Die direkte Visualisierung der Myokarddurchblutung ist als «first pass»-Technik nach einem i.v. Bolus des Kontrastmittels Gadolinium-DTPA möglich. In der Regel werden drei bis vier Schichten in der kurzen Achse des linken Ventrikels simultan während des ganzen Kontrastmitteldurchlaufs über 45 bis 60 Sekunden aufgenommen. Minderperfundiertes Myokard zeigt im Vergleich zu gesundem Gewebe eine geringere und langsamer ansteigende Kontrastmittelaufnahme (Abb. 4). Dabei kann zwischen transmuraler und subendokardialer Minderdurchblutung unterschieden werden. Die Perfusionsmessung lässt sich sowohl in Ruhe als auch unter pharmakologi- c Abbildungen vom Institut für Radiologie/HerzZentrum Hirslanden Zürich. Abb. 2 Darstellung des Herzens in Diastole und Systole in den Standardebenen; Vierkammerblick (a); Zweikammerblick (b); kurze Achse (c) Abb. 3 a ➞ blick vor (a) und nach (b) Dobutamin- ➞ ➞ Inferiorer Myokardinfarkt. Zweikammer- b Abb. 3 scher Belastung mit Adenosin durchführen. Durch das Stressmedikament werden die normalen Koronararterien stark erweitert, was im Gebiet einer stenosierten Arterie über einen Steal-Effekt zu einer verminderten Perfusion führt. Die Analyse der regionalen Myokardperfusion erfolgt qualitativ und zum Teil semiquantitativ (siehe Titelbild). Sie lässt Rückschlüsse auf die Präsenz und hämodynamische Relevanz einer Koronarstenose zu. Eigene Erfahrungen An der Klinik Hirslanden Zürich führen wir kardiale MRT-Untersuchungen seit Sommer 2001 durch; in einer Anfangsphase von sechs Monaten musste eine perfekte Bildqualität basierend auf einer einwandfreien EKG-Triggerung erarbeitet werden. Seit 2002 haben wir bei 45 Patienten mit entsprechender Indikation eine kardiale MRTUntersuchung durchgeführt; der Zeitaufwand für die komplette MRT betrug im Mittel 60 Vitalität Minuten. Die MRT-Befunde konnten mittels Die kardiale MRT wird beim Patienten mit Koronarangiographie bestätigt werden, dies koronarer Herzkrankheit in der Regel mit einer bei Patienten, bei denen die Stressechokardiomyokardialen Vitalitätsprüfung abgeschlossen. graphie/Myokardperfusionsszintigraphie nicht 10 bis 15 Minuten nach i.v. Kontrastmittelgabe möglich oder nicht konklusiv waren. Bis heute werden statische Aufnahmen angefertigt. traten keine Komplikationen auf. Sie zeigen im chronisch infarzierten Myokard eine vermehrte Kontrastmittelanreicherung, Zusammenfassung und Ausblick wahrscheinlich aufgrund einer Anreicherung Die MRT wird die etablierten und zum im vergrösserten Extrazellulärraum der MyoTeil kostengünstigeren Verfahren in der Diakardnarbe (Abb. 5). Da dieses «late enhance- gnostik der koronaren Herzkrankheit auf ment» nur bei chronisch infarziertem Myokard absehbare Zeit nicht ersetzen, sondern in zu beobachten ist, kann eine ischämische bestimmten Situationen sinnvoll ergänzen. Region mit reversibler Dysfunktion von einem Potenzielle Vorteile der kardialen MRT gegenirreversibel geschädigten Myokardsegment über anderen nichtinvasiven Verfahren liegen unterschieden werden. künftig in der Möglichkeit, die Koronarien nichtinvasiv darzustellen und die Morphologie der atherosklerotischen Plaques zu charakte- stimulation. Beachte die fehlende Verdickung der Hinterwand (Pfeile) ➞ ➞ ➞ ➞ Abb. 4 ➞ ➞ a b Abb. 5 Adenosininduzierter subendokardialer Perfusionsdefekt septal (Pfeile) nach Kontrastmittelgabe in eine Armvene. Der Kontrastmittelbolus befindet sich in der rechten Herzkammer (a) und nach Passage der Lunge in der linken Herzkammer respektive im Myokard (b) Abb. 5 Infarktnarbe posterobasal (Pfeile). Beim «late enhancement» reichert sich das Kontrastmittel in einer Infarktnarbe an risieren. Die Kosten für eine kardiale MRT bewegen sich zwischen jenen einer nuklearmedizinischen Untersuchung und einer Stressechokardiographie. In Zukunft werden technische Entwicklungen wie schnellere «real time»-Aufnahmeverfahren, höhere Magnetfeldstärken und neuartige Kontrastmittel die Aussagekraft von MRT-Untersuchungen stetig verbessern. Dr. med. Katharina Bertschinger ([email protected]) Dr. med. Dominik Huber Institut für Radiologie Klinik Hirslanden, Zürich Dr. med. Urs Knutti Dr. med. Manfred Ritter HerzZentrum Hirslanden Zürich