3 Energiebilanz 3.1 Energie 3.1.1 Formen der Energie • Innere Energie: U - thermisch - latent • Äußere Energien: - kinetisch Ekin Ea - potentiell Epot ⇒ Gesamtenergie: E = U + Ekin + Epot 3.1-1 3.1.2 Die Innere Energie U Wie der Druck, das Volumen und die Temperatur ist auch die innere Energie eine Zustandsgröße. Es besteht deshalb z. B. der funktionale Zusammenhang Eine solche Beziehung heißt kalorische Zustandsgleichung. Die innere Energie ist eine Zustandsgröße. Über die thermische Zustandsgleichung sind Volumen, Druck und Temperatur voneinander abhängig, so dass die innere Energie auch wahlweise als Funktion der anderen Zustandsgrößen geschrieben werden kann. 3.1-2 Da die Innere Energie eine Zustandsfunktion ist, besitzt sie ein vollständiges Differential. Falls die Innere Energie als Funktion der Temperatur und des spezifischen Volumens gegeben ist lautet das vollständige Differential: oder: 3.1-3 Spezialfall: Die kalorische Zustandsgleichung des idealen Gases Beim idealen Gas beschreibt die innere Energie die thermische Energie des Systems auf Grund der Bewegung von Molekülen (Billardkugelmodell). Innere Energie Molare innere Energie . Für ein einatomiges, ideales Gas hatten wir gefunden: Es folgt für die molare innere Energie und für die spezifische innere Energie: Für ein ideales Gas ist daher die innere Energie nur eine Funktion der Temperatur. 3.1-4 3.1.3 Energietransfer durch Arbeit und Wärme • Transfer von Energie über die Systemgrenze durch - Arbeit - Wärme - Massenfluss • Arbeit und Wärme sind keine Energien sondern Energietransfers • Arbeit und Wärme sind keine Zustandsfunktionen • Arbeit und Wärme sind Wegfunktionen oder Prozessgrößen Beispiel: Erwärmen von Wasser bei konstantem Druck mit und ohne Pause Zustand 1: 1 bar, 20 ΟC, Zustand 2: 1 bar, 50 ΟC 3.1-5 • Vorzeichenkonvention: - Arbeit/Wärme kann dem System von der Umgebung zugeführt werden: W, Q > 0 - Arbeit/Wärme kann vom System an die Umgebung abgegeben werden: W, Q < 0 Beispiel: Erwärmung eines Teigs durch Rühren betrachtetes System – Teig: Arbeit W durch Rührer positiv Wärme Q wegen Wärmeabgabe an die Umgebung negativ Grafische Darstellung: 3.1-6 3.2. Energietransfer 3.2.1 Arbeit Arbeit einer Kraft Die auf dem Weg von 1 nach 2 geleistete Arbeit berechnet sich durch Integration entlang der Bahnkurve von 1 nach 2: 3.2-1 Arbeit und kinetische Energie Nach Newton sind für ein Inertialsystem Beschleunigung und Kraft verknüpft durch Definition Geschwindigkeit: Definition Beschleunigung: Es gilt mit der Kettenregel: Arbeit der Kraft: 3.2-2 Definition kinetische Energie: Damit ist in der Mechanik die Arbeit der Kraft mit der Änderung der kinetischen Energie des Massenpunktes verknüpft: Arbeit Änderung der kinetischen Energie 3.2-3 Beispiel: Bremsweg eines PKW bei konstanter Bremskraft (68iger Modell, Bremsen vorne kaputt) Die Arbeit der Bremskraft erwirkt eine Änderung der kinetischen Energie Befreiung des Systems PKW Bremsweg 3.2-4 Arbeit und potentielle Energie Um einen Körper im Schwerefeld zu verschieben ist eine der Gewichtskraft entgegengesetzte Kraft nötig Falls z2 > z1 ist die von der Kraft am System (Masse m) geleistete Arbeit positiv: 3.2-5 Definition der potentiellen Energie: (Energie der Lage, die im System gespeichert) Wir erhalten damit für die Arbeit der Kraft: Arbeit Änderung der potentiellen Energie Die potentielle Energie ist wegen die negative Arbeit der Gewichtskraft (vergl 3.2-5). 3.2-6 Beispiel: Pendelversuch von Galilei Zustand 0: Zustand 1: Fadenkraft leistet keine Arbeit am System, da sie stets senkrecht auf der Bahnkurve steht ⇒ Energieerhaltung: Zustand 2: Freischnitt des Systems in allgemeiner Lage Eine Kenntnis der Zwischenzustände ist nicht nötig! 3.2-7 Arbeit und Federenergie Arbeit zur Veränderung der Länge der Feder (Annahme: ideal elastisch) (x = 0: ungespannte Länge, k: Federkonstante) Arbeit Änderung der Federenergie 3.2-8 Volumenänderungsarbeit (Verschiebearbeit) und Nutzarbeit Betrachtet wird exemplarisch ein System aus Zylinder und Kolben. Die Kraft an der Kolbenstange leistet die Arbeit Bei quasistatischer, reversibler Zustandsänderung durchläuft das System eine Reihe von Gleichgewichtszuständen. Die träge Masse des Kolbens spielt dann keine Rolle. Eine Kräftebilanz am Kolben liefert deshalb für die Kraft: 3.2-9 Nutzarbeit und Volumenänderungsarbeit Die an die Kolbenstange abgeführte Arbeit, die Nutzarbeit, bei quasistatischer, reversibler Zustandsänderung ist daher: Der erste Term ist die Volumenänderungsarbeit des im Zylinder eingeschlossenen Gases: oder da m=const: Die Volumenänderungsarbeit des eingeschlossenen Gases wird bei Volumenvergrößerung von diesem an die Umgebung abgegeben: 3.2-10 Volumenänderungsarbeit Volumenänderungsarbeit führt zu einer Änderung der inneren Energie! Sonderfälle • Isobar (nebenstehendes Beispiel) • Isochor 3.2-11 Verschiebearbeit Der zweite Term ist die von der Umgebung aufgenommene Verschiebearbeit Sie entspricht der Volumenänderungsarbeit der Umgebung, wenn, wie in der Skizze angedeutet, die Umgebung als Bilanzsystems herangezogen wird. Die Verschiebearbeit ist also die Volumenänderungsarbeit gegen einen konstanten Druck. Der Begriff tritt bei vom Fluid durchströmten Systemen, also offenen Systemen, nochmals in Erscheinung (vgl. 4.2-14). Die Nutzarbeit ist nur ein Teil der vom System abgegebenen Arbeit. Ein Anteil der vom Gas abgegebenenVolumenänderungsarbeit wird als Verschiebearbeit an die Umgebung übergeben und kann nicht genutzt werden. 3.2-12 Volumenänderungsarbeit als reversible Arbeit Die gegebene Definition zur Volumenänderungsarbeit zeigt, dass sich die Volumenänderungsarbeit durch Umkehrung der Kolbenbewegung vollständig zurückgewinnen lässt. Solche Vorgänge werden als verlustlos oder reversibel bezeichnet. Die Volumenänderungsarbeit ist also eine reversible Arbeit. Die Umkehrbarkeit des Kompressionsprozesses für das System „Gas“ setzt voraus, dass keine Verwirbelung durch innere Reibung im Gas auftritt. Die Kolbenbewegung muss dazu sehr langsam, eigentlich unendlich langsam erfolgen. Es besteht zu jedem Zeitpunkt mechanisches Gleichgewicht. Bemerkung: Der Verluste durch Reibung zwischen Kolben und Wand spielt für das System „Gas“ keine Rolle. Der Kolben gehört ja gar nicht zum System! Erst bei der Betrachtung der Nutzarbeit am System „Kolben“ macht diese Reibung ihren Einfluss geltend und verringert die erzielbare Nutzarbeit. Der Terminus „reibungsfreier Kolben“ meint oft lax die Vernachlässigung aller Verluste. 3.2-13 Elektrische Arbeit Zum Beispiel durch Zufuhr elektrischer Energie an Motor M aus der Umgebung Wel > 0 oder Abgabe an ein Leitungsnetz außerhalb des Systems erzeugt durch einen Generator G innerhalb des Systems Wel < 0. Oder elektrische Heizarbeit: 3.2-14 Wellenarbeit Übertragen durch eine über die Systemgrenze ragende Welle Eine Welle, angetrieben von einem außerhalb des Systems stehenden Motor M, wird Arbeit ins System einspeisen W > 0. Eine Welle, die einen Generator G außerhalb des Systems antreibt, entzieht dem System Arbeit W < 0. Durch die Welle eines Rührwerks wird von außen Arbeit in das System Welle übertragen W > 0. 3.2-15 3.2.2 Wärmeströme Physikalische Deutung des Wärmestroms über Wände ins Bilanzsystem Wärmestrom J/s , 1 J = 1 Nm Wärmeleitung (Fouriersches Gesetz) , z. B. in der ebenen Wand Wärmeleitfähigkeit: λ [λ] = J/(msK) 3.2-16 Wärmestrom bei Konvektion Wärmeübertragung Wärmeübergangskoeffizient α [α] = J/(m2sK) Temperaturprofil T(r) wird durch die mittlere Temperatur Tm ersetzt, α wird empirisch für verschiedene Strömungen bestimmt. 3.2-17 Wärmestrom durch Wärmestrahlung Stehen zwei Körpern verschiedener Temperaturen T1 > T2 gibt der heißere Körper 1 den auf die Austauschfläche A bezogenen Wärmestrom ab. Die Konstante heißt Stefan-Boltzmann-Konstante: Definition: Ein System heißt wärmedicht oder adiabat, wenn keine Wärmeströme über die Systemgrenzen treten. 3.2-18 Wärmetransport und Irreversibilität Die vorgenannten Prozesse der Wärmeübertragung haben, wie die Erfahrung lehrt, eine eindeutige, vorgegebene Richtung. Wärme fließt stets vom heißeren zum kälteren Körper. Zwischen dem thermodynamischen System und der Umgebung wird es zu einem Temperaturausgleich kommen. Die dargestellten Prozesse der Wärmeleitung und Konvektion sind also nicht umkehrbar oder irreversibel. 3.2-19 Reversibler Wärmetransport Dieser Begriff erscheint nach der vorstehenden Bemerkung sinnlos. Wir werden aber sehen, dass er für theoretische Konzepte eine wichtige Rolle spielt. Reversibler Wärmetransport erfordert eine verschwindende Temperaturdifferenz ΔT zwischen System und Umgebung. Der Wärmestrom tendiert mit ΔT → 0 selbst gegen Null. Damit geht aber ein unendlich langsamer Temperaturausgleich einher. Sind praktisch keine Temperaturunterschiede vorhanden, ist der Wärmefluss im Prinzip umkehrbar. System und Umgebung sind bei der reversiblen Wärmezufuhr zu jedem Zeitpunkt im thermischen Gleichgewicht. (Vergl. auch die Bemerkung zur reversiblen Arbeit Folie 4.2-13) Wir werden bei der späteren Quantifizierung von Irreversibilitäten darauf geführt, dass das Maß für die Irreversibilitäten proportional zu ΔT 2 ist und damit von höherer Ordnung gegen Null tendiert als der Wärmestrom (Abschnitt 5). 3.2-20 3.2.3 Energietransfer durch Massenfluss Beispiel: stationär durchströmte, adiabate Drossel Wie groß ist die mit dem Massenstrom transportierte Energie? 3.2-21 Betrachte Einlass in zwei Schritten: 1. Vergrößern des Systems um Massenelement dm mit dem Zustand 1: 2. Verschieben von dm am geschlossenen System durch gedachten Kolben → Volumenänderung, Verschiebearbeit Für das System gilt insgesamt: 3.2-22 Für das System gilt insgesamt: Definition der Enthalpie: h = u+pv Ergebnis: Beim Einströmen einer Masse dm werden die Enthalpie H=h dm und die mitgeführten kinetischen und potentiellen Energien in den Bilanzraum eingebracht. 3.2-23 Übergang vom geschlossenen System zum offenen Kontrollraum Die am geschlossenen System abgeleiteten Verschiebearbeiten pro Zeiteinheit können als Arbeitsströme gedeutet werden, die zu jedem Zeitpunkt einem System mit durchströmter Bilanzhülle (Kontrollraum), dem offenen System , zu- bzw. abgeführt werden. Für den Energietransfer durch Massenflüsse am durchströmten System Sind ein- und austretende Massenflüsse gleich groß, ergibt sich 3.2-24 Die Enthalpie H Wir definieren die Summe aus innerer Energie U und Verschiebearbeit pV als neue Größe: Die molaren und spezifischen Größen lauten: Wie die innere Energie ist auch die Enthalpie eine Zustandsgröße: Sie besitzt deshalb wie diese ein vollständiges Differential (vergl. 3.1-3): 3.2-25 Spezialfall: ideales Gas Aus folgt mit der thermischen Zustandsgleichung des idealen Gases und der inneren Energie sofort, dass auch die Enthalpie beim idealen Gas nur eine Funktion der Temperatur ist: 3.2-26 Totalenthalpie Als Summe aus Enthalpie und kinetischer und potentieller Energie wird auch die Totalenthalpie eingeführt: Für die molaren und spezifischen Größen gilt: Entsprechend wird der Energietransfer durch Massenflüsse am Kontrollvolumen noch kompakter darstellbar: 3.2-27