Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf

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Ferruccio BUSONI
Briefwechsel mit dem Verlag Breitkopf & Härtel
EDITION
12-1
Ferruccio Busoni im Briefwechsel mit seinem Verlag Breitkopf & Härtel / hrsg. von Eva Hanau. - Wiesbaden [u.a.] :
Breitkopf & Härtel. - 21 cm. - (Busoni-Edition). - Best.-Nr. BV
318. - ISBN 978-3-7651-0318-6 : EUR 126.00
[#2493]
Bd. 1. Briefe 1883 - 1914. - 2012. - XVII, 734 S.
Bd. 2. Briefe 1915 - 1924 ; Kommentare. - 2012. - VI, 834 S.
Daß ein bedeutender Komponist sein Schaffen quasi ausschließlich einem
Verlag anvertraut, ist zwar nicht singulär (vgl. etwa Hindemith und Schott),
aber doch in dieser Konsequenz eher selten. Daher ist der Briefwechsel,
der die gesamte Schaffensperiode Busonis umfaßt, auch in beiden Richtungen - hinsichtlich des Verlags wie des Komponisten - von hohem Interesse,
dazu auch für die musikalische Situation in Europa und Nordamerika in jener Zeit. Außerdem umfaßt er praktisch die ganze Schaffenszeit Busonis
(1866 - 1924). Vom Umfang her übertrifft ihn nur noch der Briefwechsel mit
seiner Frau.1
Es ist sinnvoll, die Einleitung des Kommentarteils (II, 469ff.) nach dem Vorwort zu den beiden Bänden zu lesen, da sie die Gliederung des Briefwechsels und die äußeren Umstände erläutert sowie einen Abschnitt zur Kaufkraft der Geldbeträge enthält, die im Briefwechsel bei Honorarfragen eine
ständige Rolle spielen.
Es läßt sich viel über die Persönlichkeit Busonis aus den Briefen erkennen:
Sein aristokratischer Stil, stolze Bemerkungen über seine italienische Nationalität (I, 136), seine Empfindlichkeit (I, 186, besonders auch der große Brief
I, 566ff. mit dem Zwiespalt, für den Lebensunterhalt Klavierspielen zu müssen und beim Verlag anscheinend seine Bearbeiter- mehr als seine Komponistentätigkeit geschätzt zu sehen; die Auseinandersetzung verschärft
sich bis zur Einigung I, 606 und zum verstimmtem Nachklang I, 613ff.), sein
Einsatz für andere uam. So führte er z.B. frühzeitig Sibelius auf (zur 4. Sin1
Briefe an seine Frau / Ferruccio Busoni. Hrsg. von Friedrich Schnapp. - Erlenbach-Zürich : Rotapfel-Verlag, 1935. - XXVI, 404, [4] S. : Ill., [1] Faks. - Eine komplette Neuausgabe dieser Auswahledition der Briefe in der Qualität der hier zu besprechenden Briefausgabe wäre ein Desiderat.
fonie: „eine kleine Wunderblüthe der Empfindung, des Klanges u. der Form“
II, 112); I, 288 kommt „der junge und hochbegabte Béla Bártók“ [sic] vor
(Busonis Einsatz für diesen hatte allerdings beim Verlag keinen Erfolg). Die
Kenntnisnahme von Schönbergs Drei Klavierstücken op. 11 (I, 340, ebenfalls ohne Verlagskonsequenz) führte ja zu einer Konzertbearbeitung des
zweiten Stücks. Daß er Middelschulte in Chicago „entdeckte“ war schon
durch seinen einschlägigen Aufsatz Die „Gotiker“ von Chicago, Illinois
bekannt.2 Hier ist es im Zusammenhang der Fantasia contrappuntistica
auch werkgeschichtlich wichtig.3 Aber auch zu O. Schoeck, Jarnach u.a.
finden sich viele interessante Hinweise. Daß Pfitzner 1913 (I, 556) Busoni
aufführte und damals noch keine „Futuristengefahr“ sah (obwohl der Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst ja schon 1907 erschienen war),
ist auch aufschlußreich.
Urteile über „große“ Komponisten sind zurückhaltender, interessant aber
etwa zu Wagner: „R.W. hat mich zur Bewunderung gezwungen u. mich in
Manchem belehrt; aber ich habe eine unwillkürliche Abneigung niemals völlig überwunden und glaube, mich auch nicht an ihn gelehnt zu haben. (Für
Männer meiner Generation ein seltener Fall.)“ (II, 115).
Eine Geschäftskorrespondenz wird durch viele Kleinigkeiten interessant.
Daß Busoni Charles Tournemire kennenlernte (I, 6174) und ihm die Orgelversion seiner Fantasia contrappuntistica schicken läßt, ist nicht unbedingt
zu erwarten, die Adressaten von Klavierwerken wie Rubinstein, Paderewski
und d’Albert (I, 18) schon eher; beim Violinkonzert sind es über 20 Namen
(I, 94f. und weitere im folgenden). Bei vielen Werken finden sich interessante Querverbindungen durch die Nennung von Adressaten, die diese vom
Verlag zugeschickt bekommen sollten.
Interessant sind auch die recht offenen Beurteilungen mancher Werke, etwa
der Konzertetüden von Max Jentsch (I, 985) oder auch - im positiven Fall ebd. zu Alkan6. Sarkastisch die Beurteilung eines Bach-Manuskripts von
Eva Siegfried (I, 104): „Auf die Architektur übertragen würde das analytische
System von der gelehrten Dame etwa folgenderweise klingen: Die Front besteht aus zwei Stockwerken, von welchen das untere tiefer liegt als das obere. Von links nach rechts gesehen ist zuerst ein Fenster, dann noch ein
Fenster, dann noch ein Fenster …“ usw. Vielleicht läßt sich das auch unter
„Gender studies“ abbuchen, wenn man etwa folgendes dazunimmt: „Frau
2
Von der Einheit der Musik, von Dritteltönen und junger Klassizität, von
Bühnen und Bauten und anschliessenden Bezirken : verstreute Aufzeichnungen / Ferruccio Busoni. - Berlin : M. Hesse, [1923]. - VII, 376 S. : Ill. ; kl. 8°. - (Max
Hesses Handbücher ; 76). - Hier S. 132 - 136.
3
Vgl. aber auch Briefe an seine Frau, S. 184f., 188, 190.
4
Kein Bewunderer seiner Ästhetik, vgl. Raymond Petit in: L’orgue : revue trimestrielle. - 115 (1965), S. 125.
5
Da derlei Urteile nur am Material zu prüfen sind, sei auf die inzwischen großartigen Angebote in der Petrucci music library (http://imslp.org/) hingewiesen. Eine
der Konzertetüden findet sich auch hier.
6
Vgl. auch dessen Hervorhebung in der Liszt-Ausgabe (S. 345f.).
Gisella Selden ist eine Componistin von männlicher Begabung“ (I, 622). Die
Berufswelt ist damals eben eine Männerwelt.
Auffällig ist das Zurücksenden von Verlagsausgaben in den ersten Jahren
(Bänden von Gesamtausgaben), die zu Bearbeitungszwecken zugesandt
wurden (I, 99). Heute würde die Abwägung zwischen dem materiellen Wert
und dem Porto vielleicht anders ausfallen …
Die Hochschätzung des „von mir jedem anderen vorgezogenen Verlag[es]“
(I, 103) wird an vielen Stellen deutlich. Und in der Tat ist der Briefwechsel
auch ein Zeugnis für ein souveränes verlegerisches Handeln.
Die schon genannten Empfindlichkeiten ändern das nicht. Besonders das
Verhältnis zu Oskar von Hase ist in allen Facetten, die sich in den Briefen
spiegeln, eindrucksvoll - bis zum Übersenden von Büchern von dessen Vater Karl August [von] Hase an Busoni (II, 284: „gern schließe ich mich dem
Geschäftsbriefe auch persönlich an …“). Daß die Verhältnisse sich in der
letzten Phase ändern - nach dem Ausscheiden und Tod Oskar von Hases
und in der wirtschaftlich problematischen Nachkriegszeit - und ab 1919 kein
Brief Busonis mehr vorliegt, die Korrespondenz auch mit einem Mißklang
endet, ist in der Einleitung zum Kommentarteil dargestellt.
Viele Details zum eigenen Werk sind wichtig. Interessant sind die ausführlichen Ausführungen über die Verlegung des Klavierkonzertes (I, 137ff.), da
der Verleger erhebliche Schwierigkeiten hat, das „Schöngetüm“ (I, 143) auf
wirtschaftliche Weise zu bewältigen, der Komponist zu keinem anderen Verlag gehen will und schließlich beide einen Ausgleich finden.
Das Selbstbewußtsein Busonis äußerst sich in Aussagen wie „das bedeutendste einsätzige Clavierwerk, etwa nach Liszt’s Sonate“ (I, 417) zu seiner
Fantasia contrappuntistica. Andere Beispiele ließen sich anführen. Verbunden ist das in diesem Fall mit einer Honorarforderung von 2.000 Mark, was
nach der Geldwertübersicht II, 480 wohl um die 10.000 Euro wären. Die Forderung wird mit einem (abgewiesenen) Angebot des New Yorker Verlags
Schirmer begründet. Breitkopf & Härtel sieht sich nicht imstande, auf diese
Forderung einzugehen. Busoni wiederum möchte nicht erneut auf Schirmer
zugehen und argumentiert damit, daß ihm eine halbe Stunde Klavierspiel so
viel einbrächte. Man einigt sich schließlich auf die Hälfte. In den folgenden
Briefen wird die Vorbereitung der Publikation, die Ungeduld Busonis, der bei
seinen Meisterkursen das Werk vorliegen haben möchte und schließlich die
Ankündigungsnotiz durch den Komponisten mitgeteilt (I, 449).
À propos Selbstbewußtsein: Der Satz „Es scheint mir, dass - wenn man die
kleinen blassen französischen Erscheinungen abrechnet - die Klavierliteratur augenblicklich in meinen Händen liegt u. vorläufig bleibt“ (16.07.1912, I,
538), ist doch wohl ein wenig überheblich: Debussy vollendete gerade den
zweiten Band seiner Préludes, Ravel hatte seine größeren Werke bereits
vorgelegt, soeben auch die Valses nobles et sentimentales, Fauré publizierte seine späteren Nocturnes, Barcarolles und Impromptus … Aber auch Reger hatte gerade die letzten Hefte Aus meinem Tagebuch und sein Klavierkonzert publiziert und wird bald seine Telemann-Variationen veröffentlichen
… Vielleicht ist der Satz dann doch eher eine Unterstützung einer HonorarForderung, die der Komponist hier einmal dem Verlag überläßt - und die er
dann mit kleiner Aufbesserung annimmt, „um unwürdige Argumente zu vermeiden“ (I, 540).
Auch andere Korrespondenzteile sind werkgeschichtlich aufschlußreich, etwa zur Entstehung der Elegien, die ursprünglich Nach der Wendung heißen
sollten (neuer Titel I, 271). Statt ihrer hatte der Verlag leichter verkäufliche
und als Werbeträger gebrauchte Klavierbearbeitungen zu Busonis Turandot
erwartet zur breiteren Durchsetzung dieses Werkes, die zu seiner Enttäuschung nicht kamen (wenngleich in zwei Fällen in den Elegien enthalten).
Der Verleger versucht es (I, 257) mit Hinweis auf Liszts Fantasie und Schaffenskraft in solchen Fällen, ohne Busoni beeinflussen zu können usw.
Schließlich kommt noch der letzte nachträgliche siebte Beitrag zu den ursprünglich fünf Stücken hinzu.
Auch nicht durchgeführte Pläne finden sich: „In 3-4 Tagen erhalten Sie,
nebst der Figarofantasie, das MS einer Sonatina Seconda von mir für Clav.
geschrieben. Die erste dieser Sonatinen (Vorboten beide einer gross geplanten Sonate) …“ (I, 535), - die freilich auch nach sechs Sonatinen nicht
komponiert wurde.
Interessant sind auch die ästhetischen Vorstellungen des „Bibliophylen“ (II,
48) Busoni zur Ausstattung der Notenbände. Titelzeichnungen von Carl
Sattler, Heinrich Vogeler, Emil Orlik, Hans Meid, Aldo Cosomati u.a. werden
verwendet; Busonis Sohn Rafaello wird in dieser Funktion auch dem Verlag
empfohlen; bei der Liszt-Gesamtausgabe legt Busoni Wert auf geeignete
Abbildungen7 uam. Vom Verlag läßt er sich in einzelnen Fällen „Prachtausgaben“ herstellen oder wünscht etwa: „ich möchte Sie um die Gefälligkeit
bitten, mir ein Ex. der Kontrap. Fant. in großem Format herstellen zu lassen,
damit ich es meinen übrigen Werken gleichmäßig einreihen könne“
(08.11.1910; I, 451), - was der Verleger „gern“ (I, 452), aber mit der Bitte um
etwas Geduld, durchführen will. Schon am 16.12. schreibt Busoni: „Noch
glaube ich Ihnen nicht gedankt zu haben für die freundl. Sendung des wunderschön gedruckten Ex. der Fantasia contr.“ (I, 455) - von Entschleunigung
kann man da wohl nicht sprechen. Dem „herzlichst“ zugesandten Dank fügt
Busoni aber gleich hinzu: „Ein wenig mehr Anzeigen waeren wünschenswerth.“ I, 457 antwortet der Verleger auch darauf. So ganz leicht hatte es
der Verlag nicht!
Hochinteressant ist die Mitarbeit Busonis an der Liszt-Gesamtausgabe, die
ebenfalls schön bibliophile Neigungen Busonis zeigt (I, 107). Als sie sich
verzögert, entwickelt Busoni konkurrierende Pläne für das Klavierwerk Lists
(I, 196ff). Dann liest sich sehr instruktiv die Vorbereitung der (nie abgeschlossenen) Liszt-Gesamtausgabe („Carl-Alexander-Ausgabe“ nach Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach); schließlich gibt es
eine Fülle von Briefen zur Durchführung der von Busoni edierten EtüdenBände. Den Unterschied zu heutigen derartigen Unternehmungen mögen
auch Busonis Bemerkungen zum Revisionsbericht andeuten (I, 316f.: „halte
ein solches Verzeichnis für ganz überflüssig u. unkünstlerisch, ausserdem
7
Da diese Ausgabe von der BSB-München qualitätvoll digitalisiert ist, kann man
sich hiervon leicht ein Bild machen.
für vergeblich, da es niemand liest“). Aber auch die Vorgehensweisen etwa
zur Ermittlung von Lisztschen Revisionen und Änderungen in Handexemplaren seiner Schüler sind oft interessant. Schließlich beurteilt ein Brief anläßlich der Frage praktischer Ausgaben wegen des damals bevorstehenden
Endes des Urheberrechtsschutzes aufschlußreich die verschiedenen LisztSchüler unter den Pianisten (und die Gegner; II, 98 - 100).
Ausführliche Hinweise erhält man auch zur Entstehung der Busonischen
Ausgabe der Klavierwerke Bachs und zum Versuch, seine BachBearbeitungen bei Breitkopf & Härtel zu vereinigen. Die Wichtigkeit letzterer
für Busoni ist ein eigenes Thema. Nebenbei erfährt man, daß Busonis Ausgabe der Bachschen Inventionen im Jahre 1916 mit 26.077 Abzügen „in allen fünf Weltteilen“ (II, 144) das auflagenstärkste mit Busonis Namen verbundene Werk bei Breitkopf & Härtel waren.
Geschäftsbriefe sind meist kein Ausweis des Stils, aber einige Kabinettstükke gibt es dennoch, etwa I, 497ff. die Vorstellung der von ihm entwickelten
Notenschrift nach musikalischem Formaufbau: Introduction - Tema [sic] Durchführung - Coda - Post-Ludium - Variationes posthumae. Daneben finden sich viele einzelne geistvolle oder stilistisch raffinierte Bemerkungen
oder gelungene Vergleiche. Nur ein Beispiel zu einer Bach-Auswahlausgabe im Verlag der großen Gesamtausgabe: „Es ist eine Übertragung
vom Monumentalen in’s Häusliche: Michelangelo’s David in die Form eines
Briefbeschwerers gebracht“ (I, 530) - die Auslassungen gehen noch länger
weiter.
Es ließen sich noch manche Themen ansprechen, zum Beispiel das der
Kriegsfolgen. So schreibt Busoni 1915 aus New York, nach der Kriegserklärung Italiens: „… ich bin - neben Anderem - auch der deutsche Verfasser
von Ausgaben deutscher Werke. Es ist gegen jede Menschlichkeit u. Ordnung, mich als ‘Feind’ zu betrachten u. ich hoffe, daß in Ihnen diese Erkenntnis niemals erwachte. Doch bin ich ‘offiziell’ als ein Solcher hingestellt
und die Rückkehr in mein Heim (das ich während 20 Jahre [sic] in Berlin
aufgebaut) ist mir versperrt!“ (II, 16).
Der Durchgang mag gezeigt haben, wie vielfältige Informationen aus dieser
Korrespondenz in vielerlei Richtung zu ziehen sind.
Noch einige Bemerkungen, Korrekturen und Fragen: Erläuterungen zu Namen in den Briefen sind - soweit ermittelt - im Namenregister verzeichnet
und dort - nicht im Kommentar - aufzusuchen. „Fräulein Adele Lewing“ (I,
36) bringt es dort nur zu einem Fragezeichen. Daß es sich um eine deutsche Pianistin, Komponistin und Musikpädagogin handelt (* 06.08.1866 in
Hannover, † 16.02.1943 in New York) hätte sicher ein freundlicher Bibliothekar im Lexikon der Frau (Zürich. - Bd. 2. 1954, Sp. 411) gefunden. Bei
der gescholtenen Eva Siegfried wäre zusätzlich zum Fragezeichen im Namenregister vielleicht noch auf einschlägige Publikationen zur Musik hinzuweisen (NZfM, Monographien). Bei Müller-Hartung wäre im Register noch
der Vorname „Carl“ zu ergänzen, bei dem Geiger Albert Geloso ist das Todesjahr wohl 1919. Ettore Cosomati ist in Mailand gestorben, wo auch wohl
sein Hauptwirkungsort war (gegen Thieme-Becker nach Dizionario biografico degli italiani. - Roma. - Bd. 30. 1984); Aldo Cosomati ist (laut bri-
tishcouncil.org) 1895 geboren. Die falsche Schreibweise „Vidor“ I, 550 hätte
man wohl im Kommentar korrigieren müssen (wenn schon nicht im Brieftext). Im Namensverzeichnis findet sich korrekt Widor. Zur Nennung
„Schweitzer“ II, 87 (20./21.12.1915) hätte man im Kommentar eine Erläuterung erwartet; daß es sich um Albert Schweitzer handelt, ermittelt man
durch Nachschlagen im Namenregister. Handelt es sich um die Zusendung
seines J. S. Bach, le musicien-poète (erschienen bei Breitkopf & Härtel
1915)? Die Kommentierung ist oft zu spartanisch. In einigen Fällen auch
nicht ganz stimmig. So stimmt der Hinweis (mit Fragezeichen), daß die
Konzertetüden von Jentsch 1902 bei Breitkopf erschienen sind (I, 508) nicht
mit der Angabe des Verlags I, 96 von 1899 überein (die 6. Etüde enthält den
Copyright-Vermerk von 1899). Ähnliches gilt im Kommentar für Busonis
Fantasia nach J. S. Bach, die dort mit 1916 angegeben ist (II, 566), im
Werkverzeichnis aber richtig mit 1909 (II, 812). Der Verlagshinweis I, 111 zu
den Beiträgen zu einer Hochschule des Klavierspiels wird m.E. II, 513
zu Unrecht auf die Übungs-Regeln … im Brief an seine Frau vom
29.07.18988 bezogen. Busoni bezeichnet in den Vorworten seiner BachAusgaben bzw. -Bearbeitungen diese selbst als solche „Hochschule“. Kleinere Unstimmigkeiten werden nicht aufgelöst - so die Zusendung der BachAusgabe Bd. 40 für die Bearbeitung von Choralvorspielen, die aber allesamt
aus dem Orgelbüchlein sind, das in Bd. 25,2 der Ausgabe enthalten ist.
Was der „technische Bericht“ des Verlags beinhaltet (II, 513), wäre wohl
auch einen Hinweis wert. Einige Hinweise ließen sich vielleicht auch anders
deuten, so muß das ‘sehr schöne, interessante und überzeugende Bachbild’
I, 130 nicht unbedingt eine - im Nachlaß nicht nachweisbare - bildliche Darstellung sein. In diesem Jahr erschien der erste Band des BachJahrbuches bei Breitkopf! Etwas mehr Erläuterung hätte man auch zu Busonis Versuch einer organischen Klavier-Notenschrift … (1910) gewünscht. Das Heft ist bibliothekarisch wenig nachgewiesen. Eine Abbildung
wäre hier hilfreich gewesen. Wahrscheinlich wollte man die umfangreiche
Edition durch weitere Kommentierung nicht aufblähen, aber vielleicht hätte
man den Kommentar durch Zusammenfassung der formalen Angaben und
Weglassungen von Wiederholungen, die schon im Hauptteil stehen, platzsparender anlegen und dafür einige zusätzliche Hinweise noch abdrucken
können. Aber das sind luxuriöse Wünsche. Sie sind bei einem solch umfangreichen, aufwendig recherchierten und minutiös durchstrukturierten
Werk Kleinigkeiten, über die man anderer Meinung sein kann. Die Hinweise
sollen hier nur die aufmerksame Lektüre dokumentieren und die Unabschließbarkeit einer solchen Aufgabe. Busoni drückte es so aus: „Kritik ist
bei mir ein Zeichen der Theilnahme“ (II, 274). Der Wert der Bände liegt ohnehin vor allem in der äußerst sorgfältigen Briefedition.
Der Druck ist aufwendig. Es finden sich einzelne Abbildungen und Faksimiles. Den (doch meist kurzen) Briefen sind Zeilennummern beigegeben, die
im Kommentar benutzt werden. Die Anhänge umfassen das genannte Namenregister mit Kurzangaben zu den Personen, ein Werkverzeichnis führt
8
A.a.O., S. 19f.
zu den Briefnummern, in denen die Werke behandelt werden. Siglen und
Abkürzungsverzeichnisse sowie eine Signaturen-Konkordanz der Briefe beschließen die Bände.
Für jede Beschäftigung mit Busoni, dem Musikverlagswesen, der Kulturgeschichte der vorletzten Jahrhundertwende und für jede Bibliothek mit entsprechenden musikwissenschaftlichen Beständen sind diese Bände aufschlußreich bzw. unverzichtbar.
Albert Raffelt
QUELLE
Informationsmittel (IFB) : digitales Rezensionsorgan für Bibliothek und
Wissenschaft
http://ifb.bsz-bw.de/
http://ifb.bsz-bw.de/bsz358682177rez-1.pdf
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