BUSONI. Freiheit für die Tonkunst!

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BUSONI. Freiheit für die Tonkunst!
Einführung in die Ausstellung
Ferruccio Busoni (1866–1924) gilt als einer der bedeutendsten Virtuosen
seiner Zeit. Zu Unrecht ist der Pianist, Komponist, Bearbeiter, Musiktheoretiker und Sammler in Vergessenheit geraten. Seine musikalischen Werke, seine Texte, Briefe und Zeichnungen verdeutlichen in ihrer Bandbreite
an Themen und Begabungen den Umbruch in das Jahrhundert der Moderne. Fortwährend übersetzt Busoni seine Beobachtungen in neue
künstlerische Ideen. Es ist dieser umfassende Blick auf die Dinge, der
noch heute den Kosmopoliten und leidenschaftlichen Künstler erkennen
lässt.
BUSONI. FREIHEIT FÜR DIE TONKUNST!
4. SEPTEMBER 2016 - 8. JANUAR 2017
Eine Ausstellung der Kunstbibliothek
der Staatlichen Museen zu Berlin, der
Staatsbibliothek zu Berlin und des
Staatlichen Instituts für Musikforschung
in Kooperation mit dem Musikfest der
Berliner Festspiele.
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KATRIN HERZOG
STAATLICHES INSTITUT FÜR
MUSIKFORSCHUNG
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Die Ausstellung BUSONI. Freiheit für die Tonkunst! spürt den vielen Seiten dieser Persönlichkeit nach. Anlässlich seines 150. Geburtstags zeigen
die Musikabteilung der Staatsbibliothek zu Berlin, das Staatliche Institut
für Musikforschung und die Kunstbibliothek Facetten aus dem Leben und
Wirken Busonis: Briefe, Manuskripte, Partituren und Fotografien aus seinem Nachlass, den seit 1925 die Staatsbibliothek zu Berlin verwahrt, sind
umgeben von Kunstwerken, mit denen sich Busoni zeitlebens beschäftigt
hat. So wird in der Ausstellung der Austausch zwischen den Künsten lebendig, wie ihn Busoni selbst sowohl in seinem Werk als auch in seinem
persönlichen Umfeld gepflegt hat.
Stationen der Ausstellung
Wunderkind
Musik bestimmt Ferruccio Busonis Leben von Anbeginn. Sein Vater Ferdinando ist ein gefragter Solo-Klarinettist, die Mutter Anna Weiss-Busoni
eine gefeierte Pianistin. Während eines Konzerts in der Triester Sala
Schiller 1873 stellen sie den siebenjährigen, hochmusikalischen Sohn
erstmals dem Publikum vor. Zu dieser Zeit entstehen erste Kompositionen
für Klavier. In Wien beeindruckt er Anton Rubinstein und Franz Liszt mit
seinem phänomenalen Klavierspiel. Nach dem Studium bei dem Grazer
Komponisten Wilhelm Mayer wird Busoni Mitglied der Accademia Filarmonica di Bologna; zahlreiche Konzertreisen bilden nun den Mittelpunkt
seines Lebens. Der Zwiespalt zwischen dem Anspruch des Konzertmarkts
und der persönlichen Entwicklung zu einem unabhängigen Tonkünstler,
kristallisiert sich jedoch zunehmend als unüberwindbarer Widerspruch
heraus. Die musikalische Interpretation genügt Busoni nicht; er befasst
sich frühzeitig mit Transkriptionen und Bearbeitungen der aufgeführten
Werke.
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BUSONI. FREIHEIT FÜR DIE TONKUNST!
4. SEPTEMBER 2016 – 8. JANUAR 2017
Lehrer
Zeitlebens ist Ferruccio Busoni als Lehrender tätig. Er beginnt seine Laufbahn als Klavierlehrer in Helsinki. Professuren in Moskau und Boston
folgen. Viel gefragte Meisterkurse gibt er in Weimar, in der Nachfolge
Franz Liszts, Wien und Basel. Später, seit dem Exil in Zürich, tritt der
Kompositionsunterricht in den Vordergrund, gekrönt von der Berufung als
Leiter einer Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste in
Berlin, wo Philipp Jarnach, Wladimir Vogel und Kurt Weill zu seinen Schülern gehören. Es ist nicht leicht, sich eine Vorstellung von Busoni als Lehrer zu machen. Für das Klavier hat er die ambitionierte Klavierübung in
zehn Büchern hinterlassen; für den Kompositionsunterricht sind keine
schriftlichen Zeugnisse überliefert. Man wird sich eine Stunde bei Busoni,
der in Berlin stets bei sich zu Hause am Viktoria-Luise-Platz unterrichtete,
wohl am ehesten als intensive Reflexion und Diskussion über die vorgelegten Kompositionen denken können; letztlich ging es um Kunstverständnis auf höchstem Niveau.
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Orchesterabende
Die Stadt Berlin wird für den Italiener Ferruccio Busoni 1894 zur wichtigsten Wirkungsstätte und Wahlheimat. Spätestens seit 1898, als er hier an
vier Abenden sein Programm Haupterscheinungen auf dem Gebiete des
Clavierconcerts aufführt, gilt er vielen Zeitgenossen als der bedeutendste
Pianist seiner Zeit. Wie die Stadt selbst steht auch Busonis künstlerisches
Schaffen im Spannungsfeld von Tradition und Moderne. Nach der Jahrhundertwende sorgt er mit seiner „Experimentierbühne für neue und selten aufgeführte Werke“, die von den Berliner Philharmonikern gespielt
werden, für Aufsehen in der kaiserlichen Metropole. Neben seinem eigenen Concerto op. 39 für Klavier, Orchester und Männerchor kommen dort
Kompositionen von Jean Sibelius, Claude Debussy, Camille Saint-Saëns
und Béla Bartók zur Aufführung.
Exil
Der Erste Weltkrieg verändert Ferruccio Busonis Leben radikal. Nachdem
Italien am 23. Mai 1915 auf der Seite der Entente in den Krieg eingetreten
ist, steht seine Wahlheimat Deutschland mit seinem Vaterland im Krieg.
Eine Rückkehr von seiner Amerika-Tournee nach Berlin kommt für Busoni
nicht mehr infrage. Die neutrale Schweiz bietet ihm einen Ausweg: Volkmar Andreae, Direktor des Züricher Konservatoriums und Erster Dirigent
der Tonhalle-Gesellschaft, bindet den berühmten Virtuosen in das Konzertleben der Stadt ein. Höhepunkt seines Schweizer Schaffens ist die
Oper Arlecchino, die zusammen mit seiner Oper Turandot am 11. Mai
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1917 im Züricher Stadttheater zur Uraufführung kommt. Die zahlreichen
Glückwünsche berühmter Persönlichkeiten zu seinem 50. Geburtstag im
Jahr 1916 dokumentieren, dass Busoni auch im Exil nicht in Vergessenheit gerät.
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Oper
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Schon als Neunjähriger sieht Ferruccio Busoni in der Wiener Hofoper
einige Bühnenwerke Wolfgang Amadeus Mozarts. Die Zauberflöte bezeichnet er als die Oper „schlechtweg“, in der sich das „Erzieherische,
Spektakelhafte, Weihevolle und Unterhaltsame“ ideal widerspiegele. In
vielen Abhandlungen schreibt Busoni über den besonderen Zusammenhang von Textbuch und Komposition: Durch die Musik werde das Libretto
erst verständlich; sie sei jedoch überflüssig, wenn sie das Bühnengeschehen nur wiederhole. Vier Opern Busonis kommen zur Aufführung,
alle nach selbst verfassten Libretti. Die Brautwahl wird 1912 in Hamburg
uraufgeführt. Unter der Bezeichnung La Nuova Commedia Dell’Arte fasst
er den Einakter Arlecchino und das chinesische Märchendrama Turandot
zusammen. Die Uraufführung findet am 11. Mai 1917 in Zürich statt. Die
bedeutendste Oper Busonis ist Doktor Faust. Die nachgelassene Partitur
vollendet sein Schüler Philipp Jarnach anhand von Skizzen. Am 21. Mai
1925 findet die Uraufführung in Dresden statt.
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Doktor Faust
Das Libretto zu Doktor Faust schreibt Ferruccio Busoni selbst. Karl Simrocks Puppenspiel und Christopher Marlowes Drama liefern ihm die
Grundlage für einen autobiografisch gefärbten Text. Besonders reizt
Busoni die protestantisch-altdeutsche Gelehrtenwelt in Wittenberg. Aus
ihr bricht Faust aus, indem er die Herzogin von Parma verführt und einen
Sohn zeugt. Doktor Faust ist Fragment geblieben: Zu zwei Stellen fehlt
Busonis Musik. Sowohl die Vision der Helena als Verkörperung makelloser Schönheit als auch Fausts Tod und mystische Wiedergeburt in seinem Sohn sind Metaphern für Vollkommenheit. Statt in romantischer Tradition einer Ästhetik des Fragments zu folgen und auf das Vollkommene
zu verweisen, arbeitet sich Busoni an dessen Darstellung auf der Bühne
ab. Heute existieren zwei ergänzte Versionen: eine mit gekürztem Text
von Philipp Jarnach (1925) und eine weitere von Antony Beaumont (1985)
mit von Busoni vorgesehenem Material für den Schlussmonolog.
Ästhetik
1907 erscheint im Triester Verlag von Ferruccio Busonis Jugendfreund
Carlo Schmidl der Entwurf einer neuen Aesthetik der Tonkunst. Eine eng-
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lische und eine russische Ausgabe folgen 1911 und 1912. Verbreitung
weit über Kennerkreise hinaus findet der Entwurf in einer revidierten, stark
erweiterten Neuausgabe, die 1916 in der populären „50-Pfennig-Reihe“
der Insel-Bücherei erscheint. Im progressiven wie im konservativen Lager
löst sie heftige Reaktionen aus: Arnold Schönberg und Paul Hindemith
hinterließen reich annotierte Exemplare; Hans Pfitzners Erwiderung in
dem Pamphlet Futuristengefahr (1917) lässt die Auflage weiter nach oben
schnellen, sodass innerhalb eines Jahres an die 10.000 Exemplare des
Entwurfs verkauft werden. Die locker gereihten Abschnitte der Schrift
fügen sich mosaikartig zur Vision einer zukünftigen freien Musik, die alle
Fesseln der von Busoni so genannten „Gesetzgeber“ abstreift, indem sie
jedweden Zwang von Gattung, Form und Instrumentarium, von Notationsund Tonsystem hinter sich lässt.
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Bearbeiter
Das Spektrum an Komponisten und Werken, die Ferruccio Busoni einer
musikalischen Bearbeitung unterzieht, ist enorm. Es schließt Mozart und
Beethoven, Mendelssohn und Schumann ebenso ein wie Chopin und
Liszt oder Schönberg und Weill. Es umfasst Opern, Sinfonien, Messen,
Instrumentalkonzerte, Orgel-, Klavier- und Kammermusik sowie Lieder in
vielfältigen Formen und Besetzungen. Den breitesten Raum nimmt dabei
Musik von Johann Sebastian Bach ein. Nirgends ist die Auseinandersetzung konstanter und intensiver. Unermüdlich trägt Busoni dessen Musik
vor, betätigt er sich als Herausgeber der Klavierwerke von Bach, transkribiert er dessen Orgelschaffen auf dem ihm angestammten Instrument,
dem Konzertflügel, bearbeitet er die Werke, arbeitet sie um und dichtet sie
nach, bis am Ende der Skala dieser schöpferischen Auseinandersetzung
die Autorennamen einander aufheben: Darin liegt die Bedeutung der
Formel „Bach-Busoni“, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu
einer Art Markenzeichen wird.
Titelblatt
Fünf seiner eigenen Notentitel sind für den Komponisten Ferruccio Busoni
von besonderer künstlerischer Bedeutung: Der um 1900 sehr erfolgreiche
Graphiker Josef Sattler entwirft die Titelblätter zu Fantasie und Fuge sowie zur Geharnischten Suite. Das Titelblatt zur Orchester Suite Turandot
stammt von dem für seinen Japonismus berühmten Emil Orlik. Die graphische Ausführung des Titelblatts zum Concerto per un pianoforte op. 39
übernimmt Heinrich Vogeler aus Worpswede. Über das Titelblatt zur Berceuse élégiaque schreibt Busoni am 10. November 1909 an seinen Verlag Breitkopf & Härtel: „Zu diesem Werke […] habe ich eine Titelskizze
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gemacht, die ein hochbegabter junger Künstler ausführt. Diese Zeichnung
(nebst einer Strophe) gehört zu der Idee des Stückes und bildet erst zusammen das vollständige“. Der junge Künstler ist Hans Meid, dessen
Lithographie nach der heute verlorenen Skizze zu seinen ersten graphischen Arbeiten zählt.
Sammler
Als leidenschaftlicher Leser und Sammler besitzt Ferruccio Busoni eine
Bibliothek, die über 5.000 Büchern umfasst. Ungewöhnlich ist sein Interesse für fantastische Literatur, etwa von E. T. A. Hoffmann, Edgar Allan
Poe, Jules Verne oder H. G. Wells. Den wertvollsten und in den Kreisen
der Verleger, Literaten und Künstler bewunderten Teil seiner Bibliothek
bilden die vielen illustrierten Ausgaben des Don Quijote von Miguel de
Cervantes. Im Gegensatz zur „Bibliothek Ferruccio Busoni“ ist über seine
Kunstsammlung kaum etwas bekannt, mit einer Ausnahme: Nachdem
Busoni am 18. März 1912 in der Londoner Sackville Gallery eine Ausstellung der Futuristen gesehen hat, entschließt er sich als einer der ersten
Sammler überhaupt zum Kauf des futuristischen Gemäldes Die wachsende Stadt von Umberto Boccioni. Dieser malt später ein Porträt des Komponisten. Es ist ein Zeichen der Freundschaft mit dem Sammler.
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Reisen
Zahlreiche Konzertreisen führen Ferruccio Busoni in alle Welt. Seine
Tourneen und Gastauftritte in Europa und den USA tragen entscheidend
zu seinem musikalischen Erfolg bei. Busoni hält Meisterkurse in Weimar,
Wien und Basel ab und wirkt als Professor für Klavier in Helsinki, Moskau
und Boston. Vor allem seine vier Amerika-Tourneen bringen lange Monate auf Reisen mit sich, die mit allerhand Strapazen verbunden sind. Beinahe täglich schreibt er an seine Frau Gerda und hält seine Eindrücke
fremder Landschaften, Architekturen und Menschen in humorvollen
Zeichnungen und Notizen fest. Neben Busonis internationalem Erfolg
kommt in den Briefen aber auch die Kehrseite des Lebens als reisender
Virtuose zum Vorschein: von Routenplanungen kreuz und quer durch die
Vereinigten Staaten über den Zwang, trotz Krankheit auftreten zu müssen, bis hin zu ungeliebten gesellschaftlichen Verpflichtungen.
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