stehen, diese aber zugleich auch fugenartig durch die verschiedenen Stimmen laufen lässt. Ein Verfahren, das auch Brahms im Prinzip verfolgte, das hier aber in besonderer Strenge gehandhabt wird. Hinzukommt, dass das Eingangsthema des 1. Satzes auch in den Folgesätzen anklingt und mitschwingt. Dass sich manche thematischen Züge des Werkes aus Vorbildern der Kammermusik von Brahms herleiten lassen, mag dem Kundigen ein zusätzlicher Reiz sein. So gibt es durchaus auch Bezüge zu dem nach der Pause erklingenden »Klavierquintett op. 34«. JOHANNES BRAHMS (1833 –1897) KLAVIERQUINTETT F-MOLL OP. 34 ALLEGRO NON TROPPO ANDANTE, UN POCO ADAGIO SCHERZO. ALLEGRO FINALE. POCO SOSTENUTO – ALLEGRO NON TROPPO – PRESTO NON TROPPO Joachim es mehrmals durchprobiert hatte, schrieb er an Brahms: »Ungern gebe ich das Quintett aus den Händen, ohne es Dir vor­ gespielt zu haben. Es wäre das beste, ja das einzige Mittel gewesen, Dir dabei zu nützen. Denn an Einzelheiten schulmeistern möchte ich bei einem Werk nicht, das in jeder Zeile Zeugnis einer fast übermütigen Gestaltungskraft gibt... Klangreiz, um’s annähernd mit einem Wort zu bezeichnen, ist’s, was einem zum ungetrübten Genuß fehlt.« Brahms entschloss sich, nachdem er das Werk selbst in dieser Fassung gehört hatte, die Gestalt des Streichquintetts aufzugeben und fasste das Werk 1863/64 als Sonate für zwei Klaviere. Diesmal reagierte Clara Schumann: »Das Werk ist so wundervoll großartig, aber es ist keine Sonate, sondern ein Werk, dessen Gedanken Du wie aus einem Füllhorn über das ganze Orchester ausstreuen könntest – müsstest. Eine Menge der schönsten Gedanken geht auf dem Klavier verloren ... Mir ist nach dem Werk, als habe ich eine große tragische Geschichte gelesen. Aber, bitte, lieber Johannes, folge nur diesmal, arbeite das Werk nochmals um ...!« Brahms nimmt den Rat an, und im Herbst 1865 ist die endgültige Fassung als Klavierquintett fertiggestellt. Die Zeitgenossen loben es als »Meisterwerk von Kammermusik, wie wir seit dem Jahre 1828 [Anm. Schuberts Todesjahr] kein zweites aufzuweisen haben ...«. VORSCHAU Das nächste Kammerkonzert findet am Sonntag, den 5. Februar 2017 im Funkhaus Wallrafplatz statt und beginnt um 11.00 Uhr. FLÖTE + Maurice Ravel Sonatine en trio für Harfe, Flöte und Violoncello Domenico Scarlatti/Jean Françaix 3 Sonaten für Quintett gesetzt Claude Debussy Sonate für Flöte, Viola und Harfe Jean Cras Quintett für Harfe, Flöte, Violine, Viola und Violoncello Jean Françaix Quintett Nr. 2 Michael Faust Flöte Andreas Mildner Harfe Slava Chestiglazov Violine Eva Maria Klose Viola Johannes Wohlmacher Violoncello Karl Kemper Johannes Brahms kam als Sohn eines vielbeschäftigen Kontrabassisten, der es schließlich bis zur Anstellung im Städtischen Orchester brachte, in Hamburg zur Welt. Früh schon zog er mit dem Vater bei dessen Aufritten durch diverse Restauants und Lokale, erfuhr aber bald auch eine solide instrumentale Ausbildung bei einem angesehenen Hamburger Klavierlehrer. Der Begabung und Neigung des zehnjährigen Jungen entsprechend, erweiterte sich diese Ausbildung wenig später um ein musiktheoretisches und kompositorisches Studium bei Eduard Marxsen. Brahms wuchs hier in einer Tradition heran, die wesentlich vom Schaffen eines Bach, Haydn, Mozart und Beethoven bestimmt war. Brahms’ Musikverständnis wurde darüber hinaus aber zunehmend von dem Bestreben geprägt, ein an Beethoven geschultes Formbewusstsein mit seinem romantischem Ausdrucksdrang zum Einklang zu führen. Das »Klavierquintett f-moll op. 34« ist dafür ein hervorragendes Beipiel. Wenn sich das an dieser Stelle auch nicht im Einzelnen aufzeigen lässt, ist es allemal eindrucksvoll zu erspüren. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang wohl auch die Entstehungsgeschichte des Werkes. Zunächst komponierte Brahms 1862 eine Fassung für Streichquintett. Als der befreundete Geiger Joseph BILDNACHWEIS HERAUSGEBER Titel: Instrument © shutterstock/ nayneung1; Holz © Getty Images/ malerapaso Innenteil: Portraits © WDR/Overmann; Tobias Koch © Marion Koell/ Avi-Service for music Westdeutscher Rundfunk Köln Marketing Appellhofplatz 1 50667 Köln Verantwortliche Redaktion Patricia Just Redaktion und Produktion des Konzerts Siegwald Bütow September 2016 Änderungen vorbehalten BRAHMS @BUSONI KAMMERKONZERT SO 6. November 2016 11.00 Uhr Funkhaus Wallrafplatz, Köln KAMMERKONZERT mit Mitgliedern des WDR Sinfonieorchesters FERRUCCIO BUSONI Suite für Klarinette und Streichquartett g-moll BV 176 Streichquartett Nr. 2 d-moll op. 26 BV 42 Nicola Jürgensen Klarinette Brigitte Krömmelbein Violine Johanne Stadelmann Violine Mischa Pfeiffer Viola Gudula Finkentey-Chamot Violoncello Pause JOHANNES BRAHMS Klavierquintett f-moll op. 34 Carola Nasdala Violine Adrian Bleyer Violine Katharina Arnold Viola Sebastian Engelhardt Violoncello Tobias Koch Klavier FERRUCCIO BUSONI (1866 –1924) SUITE FÜR KLARINETTE UND STREICHQUARTETT G-MOLL BV 176 ANDANTINO – VIVACE ASSAI MODERATO VIVACE E MARCATO Sein Biograph Hans Heinz Stuckenschmidt hat Ferruccio Busoni als eine jener außergewöhnlichen Künstlerpersönlichkeiten charakterisiert, »deren ganzes Wesen von der Spannung innerer Vielstrebigkeit vibriert, von dem unablässigen Wettstreit, den vielerlei Wesenszüge, Begabungen und geistige Triebe in ihnen miteinander ausfechten«. Aus eben dieser Wesensart resultiert ein breit angelegtes Lebenswerk. Es umfasst neben einer herausragenden pianistischen Karriere und intensivem dirigentischem Einsatz eine umfängliche Lehrtätigkeit. Hinzukommen nahezu 500 Kompositionen, die von vokalem Schaffen über Klavier-, Orgel- und Kammermusiken, konzertante und sinfonische Werke bis zu Opern reichen. Zu seinen Bühnenwerken schuf er zudem auch die Libretti selbst. Von seinen zahlreichen Schriften zur Musik steht die zukunftsweisende Arbeit »Entwurf einer neuen Ästhetik der Tonkunst« von 1906 an vorderster Stelle. Nicht unerwähnt bleiben sollte schließlich, dass Busoni als leidenschaftlicher Buchfreund über eine mehr als 5000 Bände umfassende Bibliothek verfügte. Geboren wurde Busoni im toskanischen Empoli als Sohn eines italienischen Vaters, der ein angesehener Klarinettist war, und einer deutschstämmigen Mutter, einer Pianistin. Damit waren zugleich wesentliche Voraussetzungen für die gezielte Förderung des hoch­ begabten Kindes gegeben. Eine zusätzlich prägende Wirkung dürfte dabei wohl auch die Herkunft der Eltern aus unterschiedlichen Kulturräumen, eben diesseits und jenseits der Alpen, gehabt haben. Busoni war 10 Jahre alt, als der gestrenge österreichische Musik­ kritiker Eduard Hanslick bei einem Konzert in Wien auf seine ganz außergewöhnliche Doppelbegabung als Pianist und Komponist aufmerksam wurde. In der Presse vermerkte er: »Seit langer Zeit hat uns kein Wunderkind so sympathisch angesprochen wie der kleine Ferruccio Busoni, gerade weil er so wenig von einem Wunderkind an sich hat, hingegen viel vom guten Musiker, sowohl als Pianist wie auch als angehender Compositeur.« Die weitere kompositorische Ausbildung erfolgte bei einem namhaften Dozenten in Graz und fand ihren erfolgreichen Abschluss 1881, als Busoni gerade einmal 15 Jahre alt war. Noch im selben Jahr wurde er – wie schon seinerzeit der vierzehn­jährige Mozart – in die berühmte Königlich-Philharmonische Gesellschaft in Bologna aufgenommen. Aus dieser Zeit stammt die »Suite für Klarinette und Streichquartett«. Ihr war bereits eine Fülle von Arbeiten insbesondere im Bereich der Klavier-und Kammermusik vorausgegangen, von der es vereinzelt auch schon Veröffentlichungen gab. Entstanden war die Suite für eine Konzertreise des Vaters, bei der sie auch ihre Uraufführung erlebte. Sie erweist sich als ein Werk von bemerkenswerter Reife, das die melodisch-klangliche Eigenart der Klarinette wirkungsvoll zur Geltung bringt und zugleich auf natürlichste Weise in das Geschehen bei den Streichern einbindet. Der Tonfall mag vereinzelt an Busonis großes Vorbild Johannes Brahms erinnern, hat aber nicht minder entschieden eigene Züge. Sie zeigen sich auch darin, dass Busoni die umfängliche Folge von Tänzen einer traditionellen Suite auf nur knappe drei Sätze konzentriert, die er zudem ohne jeden unmittel­ baren tänzerischen Bezug läßt. STREICHQUARTETT NR. 2 D-MOLL OP. 26 BV 42 ALLEGRO ENERGICO ANDANTE CON MOTO VIVACE ASSAI ANDANTINO – ALLEGRO CON BRIO Es war Johannes Brahms, der den jungen Busoni 1886 als Dozenten an das Leipziger Konservatorium empfahl. Damit trat neben umfängliches Konzertieren eine rege Lehrtätigkeit, die ihn nachfolgend zu entsprechenden Positionen in Helsinki, Moskau und Boston führte, bis er sich 1894 schließlich in Berlin niederließ. Die »Stiftung preussischer Kulturbesitz« verwaltet hier auch seinen umfänglichen Nachlass und zeigt übrigens seit dem vergangenen September aus Anlass des 150. Geburtstages des Komponisten eine große Ausstellung mit dem Titel »Busoni. Freiheit für die Kunst«. Die rastlose schöpferische Arbeit des Meisters stand für die breitere Öffentlichkeit lange im Schatten seiner außergewöhnlichen pianistischen Karriere. Das Interesse blieb hier in starkem Maße eingeengt auf seine kongenialen Bach-Transkriptionen. Brahms hatte dies von Anfang an klarsichtig erkannt. So soll er doch begeistert erklärt haben: »Ich werde für Busoni tun, was Schumann für mich getan hat.« Dass Busoni umgekehrt in Brahms ein bewundertes Vorbild sah, deutete sich bereits bei der »Suite für Klarinette und Streichquartett« an. Es fand seinen Niederschlag auch in Zueignungen wie etwa den »Etüden« von 1883. Zutage tritt es auch im »Streichquartett op. 26«. Mit diesem Werk schloss Busoni die Reihe seiner frühen Arbeiten insofern ab, als er sich der Kammermusik im engeren Sinne von nun an nur noch vereinzelt annahm und sich größeren instrumentalen Formationen und besonders auch der Oper zuwandte. Von der Uraufführung dieses Quartetts 1888 in Leipzig berichtet kein Geringerer als Peter Tschaikowsky: »Ich besuchte ein Kammerkonzert, in dem das Quartett von einem wunderbar begabten italienischen Komponisten namens Ferruccio Busoni gespielt wurde. Das namentliche Stück wurde durch das vom Konzertmeister des Gewandhaus­ orchesters Henri Petri gegründete und geleitete Petri-Quartett vorge­tragen, und das allgemeine Fazit lautete, ein neues Genie sei am musikgeschichtlichen Horizont erschienen. Sehr bald wurden wir Freunde«. Das Werk kennzeichnet eine äußerste Verdichtung der strukturellen Vorgänge, indem es nach dem Prinzip der entwickelnden Variation immer wieder melodisch-thematische Kontinuität ent-