Darstellung der Augendominanzkolumnen im primären visuellen Kortex des Menschen durch separate Kartierung augenspezifischer Aktivierungen Peter Dechent und Jens Frahm Biomedizinische NMR Forschungs GmbH, 37070 Göttingen; [email protected] EINLEITUNG: Neben der funktionellen Spezialisierung einzelner Hirnregionen zeigt insbesondere der Kortex des somatosensorischen und visuellen Systems eine kolumnare Organisation von Neuronen mit ähnlichen Eigenschaften [1−3]. Aus Untersuchungen solcher Einheiten des menschlichen visuellen Kortex mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz−Tomografie (fMRT) [4−6] resultierten Aktivierungen, welche mit Bandenbreiten von 0.75 − 1 mm der Struktur der Augendominanzkolumnen entsprechen. Diese Studie erweitert vorangegangene Arbeiten durch eine völlig unabhängige Kartierung augen− spezifischer Aktivierungen mittels zweier getrennter Experimente sowie durch eine nochmalige Steigerung der räumlichen Auflösung. METHODEN: Vier gesunde Probanden wurden mit der blutsauerstoffsättigungs−empfindlichen (BOLD) fMRT bei 2.0 T (Siemens Vision, Erlangen, Deutschland) untersucht. Es wurde eine Multi−Echo−FLASH− Technik [6] (5 Echos pro HF−Anregung, mittleres TE = 43 ms, TR = 105 ms, Kippwinkel 15°) mit einer zeitlichen Auflösung von 4 s verwendet. Um eine hohe räumliche Auflösung zu erzielen, wurde eine sagittale Schicht (2 mm Schichtdicke) nahe des Inter− hemisphärenspaltes gewählt (Abb. A), welche die Fissura calcarina mit einer Auflösung von 0.25 x 0.25 mm² abbildete (interpoliert von 0.5 x 0.5 mm², Datenmatrix: 190 x 256, Meßfeld: 96 x 128 mm²). Um Einfaltungen zu verhindern, wurde die Sequenz um eine räumliche Vorsättigung ergänzt. PARADIGMA: Zur visuellen Stimulation wurde ein invertierendes schwarz−weißes Schachbrettmuster (Frequenz 5 Hz) entweder dem linken oder − in einem separaten Experiment − dem rechten Auge im Vergleich mit einem schwarzen Bild präsentiert. Ein Experiment beinhaltete vier Zyklen monokularer Stimulation (12 s) und Kontrolle (24 s) und dauerte etwa 2.5 min für jedes Auge. DATENANALYSE: Statistisch signifikant aktivierte Bildelemente wurden durch Kreuz−Korrelation unter Verwendung einer Referenzfunktion identifiziert, welche die Stimulus− präsentation um ein Bild verschob (4 s, um der hämo− dynamischen Verzögerung Rechnung zu tragen). Die Datenanalyse beinhaltete einen 1−2−1 zeitlichen Filter und war auf eine Region im primären visuellen Kortex entlang der Fissura calcarina beschränkt. Diese Region wurde durch eine retinotope Kartierung individuell identifiziert [7]. Aktivierungskarten wurden mit einer statistischen Analyse unter Verwendung von Fehlerwahrscheinlichkeiten von p ≤ 0.05 für Aktivierungszentren und p ≤ 0.3 für direkt benachbarte Bildelemente generiert [aus 8 angepasst]. ERGEBNISSE UND DISKUSSION: Eine monokulare Stimulation resultierte in einem verstärkten BOLD fMRT Signalintensitätsanstieg, der eine regionale neuronale Aktivität mit hoher Augendominanz wiederspiegelt (Abb. C und E). Die prozentuale fMRT Signaländerung von etwa 24 % zwischen den beiden funktionellen Zuständen liegt weit über den üblicherweise erhaltenen 6 % bei schlechterer räumlicher Auflösung, aber sonst vergleichbaren Meßbedingungen [9]. Da Makrovaskulatur sowohl durch technische Einstellungen als auch durch visuelle Inspektion der anatomischen und BOLD fMRT Rohbilder ausgeschlossen wurde, spiegelt dieses Ergebnis eine Zunahme des funktionellen Kontrast− Rausch−Verhältnisses bei hoher räumlicher Auflösung durch Reduktion von Partialvolumeneffekten wieder [10]. Die Überlagerung augenspezifischer Aktivierungs− karten (Abb. D und F) resultiert in einer Karte komplementärer Aktivierungen (Abb. B) mit Banden− breiten von 0.5 − 1.25 mm und nur einer geringen Anzahl überlappender Bildelemente. In dem gezeigten Beispiel waren nach Stimulation des linken bzw. rechten Auges 55 % bzw. 58 % aller aktivierten Bildelemente involviert. Die Anzahl überlappender Bildelemente (12 %) liegt deutlich unter dem erwarteten Wert für zufälliges Rauschen (31 %). Diese zu vernachlässigende Überlappung bestätigt die Identi− fizierung räumlich getrennter, augenspezifischer, funktioneller Einheiten. ZUSAMENFASSUNG: Diese Arbeit zeigt, dass mit der BOLD fMRT bei einer Auflösung im Submillimeter−Bereich funktionelle Einheiten kartiert werden können. Hier wurde dieser Ansatz für eine Darstellung der Augendominanz− kolumnen durch Generierung zweier unabhängiger Aktivierungskarten in separaten Experimenten demonstriert. Grundsätzlich bietet dieser Ansatz die Möglichkeit, auch andere spezialisierte Neuronenpopulationen mit ähnlichen räumlichen Dimensionen zu charakterisieren und einen Zugang zur funktionellen Architektur des lebenden menschlichen Gehirns zu eröffnen. LITERATUR: 1. Hubel, D.H. und Wiesel, T.N., J Physiol (Lond), 160, 106, 1962 2. Hubel, D.H. und Wiesel, T.N., J Physiol (Lond), 195, 215, 1968 3. Frostig, R.D. et al., Proc Natl Acad Sci USA, 87, 6082, 1990 4. Menon, R.S. et al., J Neurophysiol, 77, 2780, 1997 5. Menon, R.S. et al., Magn Reson Med, 41, 230, 1999 6. Dechent, P. et al., Neuroreport, 11, 3247, 2000 7. Sereno, M.I. et al., Science, 268, 889, 1995 8. Kleinschmidt, A. et al, J Int Imag Sys Technol, 6, 238, 1995 9. Fransson, P. et al, Magn Reson Med, 39, 912, 1998 10. Frahm, J. et al, Magn Reson Med, 29, 139, 1993 Abbildung: Die Kartierung der Augendominanzkolumnen durch monokulare Stimulation in separaten Experimenten. A Die sagittale Schichtführung beinhaltet die Fissura calcarina. B Die Überlagerung der separaten Aktivierungskarten nach Stimulation des linken (rot/schwarz) und rechten Auges (gelb/weiß) bei einer räumlichen Auflösung von 0.25 x 0.25 mm² und 2 mm Schichtdicke mit nur geringem Anteil an Überlappungen (blau). C Der BOLD fMRT Signalintensitätszeitverlauf aller aktivierten Bildelemente durch die Stimulation des linken Auges und D die entsprechende Aktivierungskarte (rot/schwarz). E Der BOLD fMRT Signalintensitätszeitverlauf aller aktivierten Bildelemente durch die Stimulation des rechten Auges und F die entsprechende Aktivierungskarte (gelb/weiß).