I.1.3 b Arbeit einer Kraft Wird die Wirkung einer Kraft über ein

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I.1 Grundbegriffe der Newton’schen Mechanik
I.1.3
b Arbeit einer Kraft
::::::::::::::::::::::::
Wird die Wirkung einer Kraft über ein Zeitintervall — oder genauer über die Strecke, welche
das mechanische System in diesem Zeitintervall zurücklegt — passend integriert, so ergibt sich die
Arbeit der Kraft.
~ geleistete Arbeit in der Verschiebung eines Körpers um das
Definition: Die durch eine Kraft F
infinitesimale Wegelement d~x entlang seiner Bahnkurve ist
dW = F~ · d~x.
Die hier verwendete Notation dW ist relativ standard, bedeutet aber nicht, dass dW das totale
Differential einer Funktion W ist — was nur gilt, wenn F~ konservativ ist, s. § I.1.3 c. Eine bessere
Notation wäre δW , wie in der Thermodynamik oder der Statistischen Mechanik üblich ist.
(I.7a)
10
Newton’sche Mechanik
Aus Gl. (I.7a) folgt die Arbeit einer Kraft entlang einem endlichen Weg C , indem die elementaren Beiträge entlang infinitesimaler Wegelemente summiert werden. Daraus ergibt sich ein
Kurvenintegral entlang des Wegs C :
Z
(I.7b)
W = F~ · d~x.
C
Die physikalische Dimension der Arbeit einer Kraft ist [W ] = M L2 T−2 .
Zur Berechnung des Kurvenintegral in Gl. (I.7b) muss man in der Praxis eine Parametrisierung
des Wegs C einführen. Oft, aber nicht unbedingt, kann die Zeit t als Parameter benutzt werden.
Dann lässt sich C genau durch die Bahnkurve ~x(t) für t ∈ [t1 , t2 ] beschreiben, und das infinitesimale
Wegelement im Kurvenintegral ist d~x = ~v (t) dt. Somit lautet die Arbeit entlang dem Weg C
Z
Z t2
Z
~
F~ · ~v (t) dt
(I.8)
W = dW = F · d~x =
C
C
t1
und das Kurvenintegral wird zu einem gewöhnlichen Integral. Dabei ist das Produkt F~ · ~v (t) die
(instantane) Leistung der Kraft.
Beispiel 1:
Betrachte man die 2-dimensionale Bewegung (unter irgendeinem nichtspezifizierten Einfluss) eines Massenpunkts, welcher der Kraft
Fx (x, y)
ay
~
≡
F (x, y) =
Fy (x, y)
b
unterliegt, mit a, b Konstanten. Der Massenpunkt bewegt sich von einem
Ausgangspunkt O mit Koordinaten (x = 0, y = 0) zu einem Endpunkt P mit
(x = 1, y = 1). Wir wollen die Arbeit von F~ entlang zwei unterschiedlicher
Wege C1 , C2 von O nach P berechnen.
y6
1
C1
-
•P
C
61 C2
•
O
1
-
x
Abbildung I.1
Die Kurve C1 besteht aus zwei geraden Linienelementen mit x = 0, 0 ≤ y ≤ 1 bzw. y = 1,
0 ≤ x ≤ 1. Somit lässt sich das Kurvenintegral entlang C1 als Summe von zwei einfachen Integralen
schreiben:
Z
Z
Z I
Z P
~
~
W1 =
dW =
F (x, y) · d~x =
F (x = 0, y) · d~x +
F~ (x, y = 1) · d~x,
C1
C1
O
I
mit I dem Punkt mit Koordinaten (x = 0, y = 1). Entlang des Linienelements von O nach I bzw.
von I nach P kann man für C1 einfach y bzw. x als Parameter benutzen, was zu
Z 1
Z 1
W1 =
Fy (x = 0, y) dy +
Fx (x, y = 1) dx
0
0
führt. Ersetzt man die Komponenten Fx , Fy durch ihre Ausdrücke, so kommt
Z 1
Z 1
W1 =
b dy +
a dx = b + a.
0
0
Wiederum lässt sich die Kurve C2 als
x(s) = s
~x(s) =
y(s) = s
d~x
1
ds =
mit s ∈ [0, 1] parametrisieren; dann gilt d~x =
ds.
1
ds
Dies gibt für die Arbeit von F~ entlang C2
Z
Z 1
d~x
W2 =
dW =
F~ x(s), y(s) ·
ds.
ds
C2
0
11
I.1 Grundbegriffe der Newton’schen Mechanik
Indem man das Skalarprodukt explizit schreibt, kommt
2
1
Z 1
as
a
(as + b) ds =
W2 =
+ bs = + b.
2
2
0
0
Somit ist W2 6= W1 : die Arbeit der Kraft F~ zwischen zwei Punkten hängt vom gewählten Weg ab.
Beispiel 2: Lorentz-Kraft
~ — in Abwesenheit von elektrischem Feld —
Eine bewegte Punktladung in einem Magnetfeld B
(b)
unterliegt der Lorentz-Kraft
~
F~ = q~v × B.
(I.9)
Diese Kraft ist immer senkrecht zur Geschwindigkeit ~v der Punktladung. Setzt man diese Kraft in
Gl. (I.8) ein,
Z t2
Z t2
~ · ~v (t) dt,
q~v (t) × B
W =
F~ · ~v (t) dt =
t1
t1
so findet man sofort, dass die Lorentz-Kraft keine Arbeit verrichtet, denn das Integrand ist null.
I.1.3
c Konservative Kräfte
:::::::::::::::::::::::::::
~ (~r) wird konservativ genannt, wenn es ein Potential
Definition: Ein zeitunabhängiges Kraftfeld F
V (~r) gibt, das
~ (~r)
F~ (~r) = −∇V
(I.10)
erfüllt.
~ angewandt auf eine skalare Funktion auf R3 , den
Dabei bezeichnet der Nabla-Operator ∇,
Gradienten dieser Funktion.
Für konservative Kraftfelder hängt die durch die Kraft zwischen zwei Punkten verrichtete Arbeit
nicht vom Weg ab.
Beweis: Das Resultat folgt aus
Z ~r2
Z
W =
F~ (~x) · d~x = −
~r 1
~r 2 ~ (~x) · d~x = − V (~r2 ) − V (~r1 )
∇V
(I.11)
~r 1
~ (~r) ist.
unter Verwendung der Tatsache, dass V (~r) eine Stammfunktion von ∇V
2
Bemerkungen:
∗ Offensichtlich ist V (~r) nur bis auf eine additive Konstante eindeutig. Die Letztere wird oft so
gewählt, dass das Potential im Unendlichen verschwindet.
∗ V (~r) wird auch als potentielle Energie bezeichnet.
~ (~r), definiert auf einem einfach zusammenhängenden Gebiet von
Behauptung: Sei ein Kraftfeld F
R3 .(2) Dann ist F~ (~r) genau dann konservativ, wenn seine Rotation verschwindet:
~ (~r)
F~ (~r) = −∇V
⇔
~ × F~ (~r) = ~0.
∇
(I.12)
Dass die Rotation eines konservativen Kraftfeldes null ist, folgt direkt aus der Identität
~ × ∇V
~ (~r) = ~0,
∇
(2)
Ein Gebiet wird als einfach zusammenhängend bezeichnet, wenn sich jeder geschlossene Weg im Gebiet stetig
zu einem Punkt zusammenziehen lässt, ohne das Gebiet zu verlassen. Zum Beipiel ist eine Ebene (R2 ) einfach
zusammenhängend, während R2 ohne einen Punkt nicht mehr einfach zusammenhängend ist.
(b)
H. A. Lorentz, 1853–1926
12
Newton’sche Mechanik
die sich z.B. komponentenweise beweisen lässt: die i-te Komponente (in einem kartesischen Koordinatensystem) des Terms auf der linken Seite ist ijk ∂j ∂k V (~r), mit ijk dem Levi-Civita-Symbol
und ∂` die Ableitung nach dem Komponenten x` des Ortsvektors. Dabei ist ijk antisymmetrisch
unter dem Austausch von j und k, während die zweite Ableitung ∂j ∂k symmetrisch ist, so dass
die Summe über alle Werte dieser Indizes Null ergibt.
Zum Beweis, dass ein rotationsfreies Kraftfeld F~ (~r) sich als (Negative des) Gradienten eines
skalaren Potentials V (~r) schreiben lässt, soll man zunächst einen beliebigen Punkt ~r0 wählen
und V durch
Z ~r
V (~r) = − F~ (~r 0 ) · d~r 0
~r 0
definieren. Das
R Integral auf der rechten Seite der obigen Formel ist eindeutig definiert, wenn
Wegintegrale F~ · d~x von ~r0 nach ~r unabhängig vom gewählten Weg sind. Betrachte man zwei
unterschiedliche Wege C1 , C2 in R3 , die von ~r0 nach ~r führen. Dann definiert C2 trivial einen
Weg −C2 (mit gleicher Kurve und umgekehrter Parametrisierung) von ~r nach ~r0 , und somit
einen geschlossenen Weg C1 − C2 mit Anfangs- und Endpunkt in ~r0 . Aus dem Stokes’schen Satz
folgt für das Wegintegral der Kraft entlang C1 − C2
I
Z
~ × F~ (~r 0 ) · d2 S
~ = 0,
F~ (~r 0 ) · d~r 0 =
∇
C1 −C2
S
wobei S die durch die Kurve C1 − C2 abgeschlossene Fläche bezeichnet, während die letzte
~ × F~ = ~0 folgt, die in jedem Punkt von S gilt (dank der Annahme
Gleichung aus der Annahme ∇
eines einfach zusammenhängenden Gebiets). Andererseits gilt
I
I
I
0
0
0
0
~
~
F (~r ) · d~r =
F (~r ) · d~r −
F~ (~r 0 ) · d~r 0 ,
C1 −C2
C1
C2
woraus die gesuchte Unabhängigkeit des Wegintegrals vom Weg folgt.
2
16
Newton’sche Mechanik
I.2.5 Energieerhaltung
Eine erste Folgerung der Newton’schen Gesetze ist der Zusammenhang zwischen der Änderung
der kinetischen Energie eines Massenpunkts und der Arbeit der auf ihn ausgeübten Kräfte.
Definition: Die kinetische Energie eines Massenpunktes mit Masse m und Impuls ~p bzw. Geschwin-
digkeit ~v wird definiert als
~p 2
1
= m~v 2 .
2m
2
T ≡
(I.21)
Bemerkungen:
∗ Offensichtlich hängt der Zahlenwert der kinetische Energie vom Bezugssystem ab. Dies ist in
der Praxis aber kein Problem, denn nur Energiedifferenzen sind in der klassischen Mechanik von
Bedeutung, wie z.B. in Gl. (I.23) unten.
∗ Die physikalische Dimension bzw. die SI-Einheit einer Energie ist — wie für eine mechanische
Arbeit! — [E] = M L2 T−2 bzw. das Joule(e) (1 J = 1 kg m2 s−2 ).
Für einen Massenpunkt, der nur konservativen Kräften unterliegt, gilt der
Theorem (Energieerhaltungssatz):
Wenn alle Kräfte konservativ sind, ist die Summe T + V ≡ E aus kinetischer und
potentieller Energie eines Massenpunktes, entsprechend seiner Gesamtenergie, erhalten.
(I.22)
Die Erweiterung dieses Ergebnisses auf Systeme aus mehreren Massenpunkten wird in § I.5.4 a
dargelegt.
Der Satz lässt sich beweisen, indem das Integral
Z ~r2
F~ (~x) · d~x
~r 1
auf zwei unterschiedliche Weisen geschrieben wird. Da die Kraft konservativ ist, ist das Integral
einerseits laut Gl. (I.11) gleich V (~r1 ) − V (~r2 ).
Andererseits gilt, unter Verwendung der Newton’schen Bewegungsgleichung (I.14b) und der
Identität d~x = ~v (t) dt
Z ~r2
Z t2
Z t2 d~v (t)
d 1
2
~
F (~x) · d~x =
m
· ~v (t) dt =
m~v (t) dt = T (t2 ) − T (t1 ).
(I.23)
dt
~r 1
t1
t1 dt 2
Somit gilt V (~r1 ) − V (~r2 ) = T (t2 ) − T (t1 ), d.h.
T (t1 ) + V (~r1 ) = T (t2 ) + V (~r2 ),
wobei die Zeitpunkten t1 , t2 beliebig sind.
2
Dabei bedeutet Gl. (I.23), dass die Arbeit der auf das System wirkenden Kräften gleich der Änderung
der kinetischen Energie des Systems ist.
(e)
J. P. Joule, 1818–1889
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