PDF - Max Planck Institute for Chemical Ecology

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8. Dezember 2015
Nr. 20/2015 (154)
Kooperierende Bakterien isolieren Egoisten
Bakterien, die sich gegenseitig ernähren, können ihre Partnerschaft auf
zweidimensionalen Oberflächen festigen und nicht-kooperative Bakterien vom
Nahrungszugang ausschließen.
In natürlichen Mikrobengemeinschaften tauschen verschiedene Bakterienarten
häufig Nährstoffe miteinander aus. Dabei geben Bakterien Verbindungen wie
Aminosäuren oder Vitamine in ihre Umgebung ab und füttern damit andere
Bakterienzellen. Dadurch verbrauchen sie zwar Ressourcen, profitieren aber im
Gegenzug von den Nährstoffen, die ihnen ihre bakteriellen Partner zur Verfügung
stellen. Man spricht daher von einem kooperativen Stoffaustausch. Wissenschaftler
am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie und der Friedrich-Schiller-Universität
in Jena konnten jetzt zeigen, dass Bakterien, die selbst nicht in die
Nährstoffproduktion investieren, auch nicht ohne weiteres in den Genuss der
Vorteile dieses wechselseitigen Stoffaustausches kommen. Sie wiesen nach, dass
zwei Bakterienarten, die in kooperativer Weise Aminosäuren austauschen, in
räumlich strukturierten Umgebungen vor der Ausbeutung durch opportunistische,
nicht-kooperierende Bakterien sicher sind, weil diesen der Zugang zu den
ausgetauschten Aminosäuren verwehrt wird. Dadurch wird die kooperative
Wechselwirkung langfristig stabilisiert. (The ISME Journal, Dezember 2015)
Übereinstimmung zwischen Experiment (Bakterienkolonie und Aminosäuremessungen mit Hilfe bildgebender Massenspektrometrie, links) und
Computermodell (rechts): Kooperierende Bakterien sind rot dargestellt, nicht
kooperierende Bakterien grün. Die opportunistischen Bakterien können lediglich
am Rand von kooperierenden Bakterienkolonien existieren. Dieser
Isolationseffekt lässt sich dadurch erklären, dass nicht kooperierende Bakterien
von den zum wechselseitigen Nutzen ausgeschiedenen Aminosäuren
ausgegrenzt werden und kooperative Bakterien nur dort ungehemmt wachsen
können, wo die lokale Dichte von „Nicht-Kooperierern“ gering ist. In den kleinen
Fenstern sind die Ergebnisse der Aminosäuremessungen zu sehen, deren
Konzentrationen in der Umgebung kooperativer Bakterien hoch ist (oben). Im
Umfeld opportunistischer Bakterien hingegen sind Aminosäuren nicht
nachweisbar (unten). In der vorliegenden Untersuchung gelang es erstmals, die
räumliche Verteilung von Metaboliten mit modernen, chemisch-analytischen
Verfahren zu visualisieren und damit das Wachstum einer aus kooperierenden
Bakterienzellen bestehenden Kolonie zu erklären.
Abbildung: S. Pande / F. Kaftan, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie,
S. Lang, Abteilung Bioinformatik, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Geschäftsführender
Direktor
Prof. Dr. David G. Heckel
Tel.: +49 (0)3641 – 57 1500
[email protected]
Presse
Angela Overmeyer M.A.
Tel.: +49 (0)3641 – 57 2110
FAX:+49 (0)3641 – 57 1002
[email protected]
Anschrift
Beutenberg Campus
Hans Knoell Str. 8
07745 Jena, Germany
Internet
www.ice.mpg.de
Die Forschungsgruppe „Experimentelle Ökologie und Evolution“ unter der Leitung von
Christian Kost erforscht wie kooperative Interaktionen zwischen Lebewesen
entstehen. Dafür untersuchen die Wissenschaftler eine sehr weit verbreitete
Arbeitsteilung: den wechselseitigen Nährstoffaustausch einzelliger Bakterien. Für
diese winzigen Organismen ist es oft vorteilhafter nicht alle Stoffwechselfunktionen
selbst zu übernehmen, sondern diese Arbeit untereinander aufzuteilen. Durch den
sich anschließenden gegenseitigen Austausch von Nährstoffen sparen die an der
Interaktion beteiligten Bakterien Energie.
Dass sich diese Arbeitsteilung positiv auf das Bakterienwachstum auswirkt, konnten
die Wissenschaftler bereits in früheren Arbeiten zeigen. Für die neue Studie gingen
sie der Frage nach, wie eine solche Kooperation langfristig bestehen kann, wenn es
nicht-kooperierende Bakterien gibt, die die für den wechselseitigen Austausch
produzierten Nährstoffe zwar aufnehmen, sich selbst jedoch nicht an der
Nährstoffproduktion beteiligen. In diesem Fall entsteht den kooperativen
Stoffproduzenten ein evolutionärer Nachteil, der zum Zusammenbruch der
Partnerschaft führen könnte.
Ob dies tatsächlich der Fall ist, haben die Wissenschaftler experimentell überprüft.
Hierzu haben sie gentechnisch „Kooperierer“ zweier Bakterienarten erzeugt, die
erhöhte Mengen bestimmter Aminosäuren in ihre Umgebung abgaben. „Tatsächlich
war es so, dass „Nicht-Kooperierer“ in einem gut durchmischten Flüssigmedium einen
Wachstumsvorteil gegenüber Kooperierern hatten, weil sie unter diesen Bedingungen
uneingeschränkten Zugang zu den Aminosäuren im Medium hatten. Im Gegensatz
dazu war das Wachstum von Nicht-Kooperieren auf einer zweidimensionalen
Oberfläche stark unterdrückt“, fasst Christian Kost die Ergebnisse der Experimente
zusammen. Eine genauere Analyse zeigte, dass die nicht-kooperierenden Bakterien
lediglich am Rand von kooperierenden Bakterienkolonien existieren konnten.
Für ihre Untersuchungen kombinierten die Wissenschaftler verschiedene methodische
Ansätze. Die Grundlage bildete dabei ein noch junger Forschungsansatz, der als
„synthetische Ökologie“ bezeichnet wird: Hierbei werden mit Hilfe moderner,
gentechnischer Methoden bestimmte Mutationen in bakterielle Genome eingeführt.
Die so erzeugten Bakterienstämme werden in Experimenten zusammen kultiviert und
deren ökologischen Wechselwirkungen analysiert. Parallel dazu wurden am Jenaer
Lehrstuhl für Bioinformatik Computermodelle zum Vergleich erstellt. Wichtig war
darüber hinaus die chemische Analytik mit bildgebender Massenspektrometrie, mit
deren Hilfe die bakteriellen Stoffwechselprodukte sichtbar gemacht werden konnten.
Erst die Kombination mikrobiologischer Methoden mit chemisch-analytischen
Herangehensweisen und Computersimulationen machte es möglich, das
zugrundeliegende Phänomen zu verstehen und aufzuklären.
„Die Tatsache, dass ein so einfaches Prinzip eine derart komplexe Interaktion effektiv
stabilisieren kann, spricht dafür, dass solche Phänomene in natürlichen
Bakteriengemeinschaften eine ähnlich wichtige Rolle spielen“, ist sich Christian Kost
sicher. Schließlich kommen Bakterien fast ausschließlich in sogenannten Biofilmen
vor – eine aus vielen Bakterienarten bestehende Schleimschicht, mit der sich
Mikroorganismen an Oberflächen anhaften können. Beispiele sind Karies
verursachende Bakterien im Zahnbelag oder zur Abwasserreinigung genutzte
Bakteriengemeinschaften in Kläranlagen. Darüber hinaus sind Biofilme auch für die
medizinische Forschung äußerst relevant: Sie spielen nicht nur bei vielen
Infektionskrankheiten eine wichtige Rolle, indem sie die bakteriellen Krankheitserreger
vor der Immunantwort des erkrankten Organismus oder Antibiotika schützen, sondern
stellen auch ein ernsthaftes Problem bei der Nutzung medizinischer Implantate dar,
wenn sich dort Bakterienfilme ansiedeln und ausbreiten.
In dieser neuen Studie konnte nun der Mechanismus identifiziert werden, durch den
sich Zellcluster aus kooperierenden Bakterien bilden, die langfristig nichtkooperierende Bakterien in der Gemeinschaft verdrängen. „Die Bedeutung dieses
Mechanismus ergibt sich aus der Tatsache, dass keine komplizierten oder durch
Evolution neu entstandene Bedingungen, wie beispielsweise die Erkennung möglicher
Kooperationspartner, erfüllt sein müssen, damit diese Partnerschaft langfristig
stabilisiert wird. Zwei kooperierende Bakterienstämme und eine zweidimensionale
Oberfläche reichen aus, damit der beschriebene Effekt eintritt“, erklärt Christian Kost.
Die Studie wirft viele neue spannende Fragen auf, denen die Forscher nun weiter
nachgehen wollen. So interessieren sie sich beispielsweise dafür, ob ähnliche
synergistische Effekte auch bei aus mehr als zwei Partnern bestehenden
Gemeinschaften zu beobachten sind. In ihren natürlichen Lebensräumen könnten sich
mehr als zwei Bakterienarten an solchen Kooperationen beteiligen, sodass
regelrechte Interaktionsnetzwerke entstehen. Darüber hinaus wurden die Nährstoffabgebenden Bakterienmutanten in dieser Studie künstlich hergestellt. Ob durch
natürliche Mutation entstandene „Kooperierer“ in einem natürlichen Lebensraum, wie
beispielsweise Böden, eine vergleichbare Dynamik zeigen, bleibt ebenfalls zu
überprüfen. Da Bakterien sehr häufig in Biofilmen vorkommen, ist der kooperative
Stoffwechselaustausch zwischen Bakterien vermutlich viel weiter verbreitet als bislang
angenommen. Ein grundsätzliches Verständnis der Faktoren und Mechanismen, die
Bakterienwachstum fördern oder hemmen, könnte daher auch wichtige Hinweise
geben, wie man schädliche Bakterien bekämpfen und nützliche Bakterien besser
nutzen kann. [CK/AO]
Originalveröffentlichung:
Pande, S., Kaftan, F., Lang, S., Svatoš, A., Germerodt, S., Kost, C. (2015).
Privatization of cooperative benefits stabilizes mutualistic cross-feeding interactions in
spatially structured environments. The ISME Journal. DOI:10.1038/ismej.2015.212
http://dx.doi.org/10.1038/ismej.2015.212
Weitere Informationen:
Dr. Christian Kost, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Straße 8,
07745 Jena, Tel. +49 3641 57-1212, E-Mail [email protected]
Kontakt und Bildanfragen:
Angela Overmeyer, M.A., Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, Hans-Knöll-Str.
8, 07743 Jena, +49 3641 57-2110, E-Mail [email protected]
Download von hochaufgelösten Fotos über
http://www.ice.mpg.de/ext/downloads2015.html
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