Wechselwirkung von Teilchen mit Materie

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Kapitel 16
Wechselwirkung von
Teilchen mit Materie
16.1 Grundlegende Prozesse
Wir betrachten die grundlegenden Prozesse, die stattfinden, wenn
Teilchen Materie durchqueren. Unter Materie verstehen wir ein Gas,
eine Flüssigkeit oder einen Festkörper. Die Materie wird durch
1. die Dichte ρ,
2. die Massenzahl A,
3. die Ordnungzahl Z,
4. usw...
charakterisiert.
Siehe Abb. 1, wo in einer Tabelle die atomaren und Kern-Eigenschaften wichtiger Materialien aufgeführt sind.
Im Allgemeinen werden die einfallenden Teilchen von der
Materie ihre Bausteine (Atome) spüren, d.h. die Kerne (oder
die Nukleonen) und die Elektronen.
Es folgt daraus, dass die Wechselwirkungen zwischen Teilchen und
Materie elektromagnetischer und starker Natur sind.
Teilchenphysik
287
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Das Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Teilchen und Materie ist wichtig, weil diese Prozesse die Basis für den Nachweis von
Teilchen sind.
ungeladene
Teilchen
geladene Teilchen
Wir unterscheiden die Wechselwirkungen von geladenen und neutralen Teilchen.
288
p
e±
µ±
π±
α
Materie
ρ,A,Z, ...
γ
n
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Grundlegende Prozesse
Die Tabelle der atomaren und Kern-Eigenschaften wichtiger
Materialien (Particle Data Group, http://pdg.lbl.gov)
Figur 1.
Teilchenphysik
289
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
16.2 Photonen
Wir unterscheiden “harte” (energiereicher als Röntgen-Strahlen) und
“weiche” Photonen (energieärmer als Röntgen-Strahlen). Der Wirkungsquerschnitt in Materie als Funktion der Energie des einfallenden Photons ist in Abb. 2 zusammengefasst.
16.2.1 “Harte” Photonen (Eγ > KeV)
Wir betrachten verschiedene Prozesse als Funktion der Energiebereiche, bei denen der bestimmte Prozess beherrschend ist.
a) Der photoelektrische Effekt.
Eγ < ≈100 keV
Das Photon wird an einem atomaren Elektron absorbiert und ein
Elektron aus einer bestimmten Schale wird emittiert:
E e = Eγ − φ
wobei φ der Bindungs-Energie des Elektrons in dieser Schale entspricht. Der Wirkungsquerschnitt besitzt verschiedene Maxima für
die verschiedenen Schalen.
b) Streuung.
≈100 keV< Eγ < ≈ 1 MeV
Bei diesem Prozess findet eine inkohärente Streuung des Photons an
einem Elektron des Atoms statt. Der Prozess kann als ComptonStreuung γe– → γe– an einem freien Elektronen dargestellt werden.
290
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Photonen
Der Wirkungsquerschnitt wird mit der QED berechnet und ist durch
die sogenannte Klein-Nishina-Gleichung gegeben:
2

dσ re2
γ 2 (1 − cosθ ) 
1
2
=
1 + cos θ +
dΩ 2 [1 + γ (1 − cosθ )]2 
1 + γ (1 − cosθ ) 
wobei γ=Eγ/me , re der klassiche Elektronradius und θ der Streuwinkel des Photons ist. Es gilt,
 e2 
−15
re = 
 ≈ 2, 8 fm ≈ 2, 8 × 10 m
 4πε 0 mc 2 
Die maximale kinetische Energie des gestossenen Elektrons ist gleich
Tmax = Eγ
2γ
1 + 2γ
Der differentielle Wirkungsquerschnitt als Funktion der Energie des
Elektrons ist gleich (durch Ersetzen in der Klein-Nishina-Gleichung):
dσ
πr 2 
s2
s 
2 
= e 2 2 + 2
s −  
2 +
dT meγ  γ (1 − s) 1 − s  γ  
wobei s=T/Eγ.. Der differentielle
Wirkungsquerschnitt (d.h. die
Verteilung der Energie des
gestossenen Elektrons) hat ein
Maximum bei T=Tmax.
T
Tmax
c) Paar-Erzeugung.
Teilchenphysik
Eγ > 2me ≈1,02 MeV
291
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Die Paar-Erzeugung dominiert, wenn die Energie des Photons über
der Energieschwelle für die Erzeugung des Elektrons und Positrons
ist.
Das Photon wird in ein Elektron-Positron-Paar zerfallen. Um
die Energie und den Impuls zu erhalten, muss die Reaktion in
Anwesenheit eines zurückstossenden Kerns stattfinden.
e–
e+
zurückstossender Kern
Bei höchsten Energien kann der Wirkungsquerschnitt des Prozesses
durch den folgenden Ausdruck gegeben werden:
 7 183 
σ Paar ≈ ( 4αre2 ) Z 2  ln 1/ 3 
9 Z 
wobei Z die Ordnungszahl des Targets (der durchquerten Materie),
und re der klassiche Elektronradius ist.
d) Kern-Photoeffekt.
sehr seltener Prozess
In diesem Prozess, der sehr selten ist verglichen mit den anderen Photonreaktionen, die oben erwähnt sind, wird das Photon vom Kern
absorbiert. Neutronen werden oft nach der Reaktion emittiert ((γ,n)Prozess). Der Wirkungsquerschnitt hat viele “Resonanz-Maxima”.
292
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Photonen
16.2.2 Strahlungslänge
Eine nützliche Definition ist die Strahlungslänge X0:
1
183
 ρN 
≈ 4α  A  Z 2 re2 ln 1/ 3


X0
A
Z
wobei ρ die Dichte, NA die Avogadro-Zahl und A die Massenzahl ist.
(Beachte, dass wie erwartet die Einheit der Strahlungslänge gleich
der Einheit einer Länge ist).
Mit dieser Definition ist die Wahrscheinlichkeit P, dass ein Photon ein
e+e–-Paar in einer Strahlunglänge erzeugt, gleich
7
 ρN 
P ≈ σ Paar  A  X 0 ≈
 A 
9
Damit ist der mittlere freie Weg eines Photons gleich
λ Paar ≈
9
X
7 0
Die Strahlungslängen für verschiedene Materialien sind in Abb. 1
gezeigt.
Die experimentellen Resultate werden durch die folgende Beziehung
gut gefittet:
716, 4 gcm −2 A
X0 ≈
Z ( Z + 1)ln( 287 Z )
X0 hängt von ≈Z–2 ab ! Z.B. X0(H20)≈36cm, X0(Pb)≈0,56cm,
X0(Fe)≈1,76cm, X0(Al)≈8,9cm
Teilchenphysik
293
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
16.2.3 Abschwächungslänge
Wegen ihrer Wechselwirkungen werden die Photonen abgeschwächt.
Wir nehmen an, dass die Photonen, die wechselwirken, absorbiert
werden. Die Photonen, die nicht wechselwirken, bleiben unverändert.
γ
Als Funktion des durchquerten Weges x durch die Materie kann die
Intensität der Photonen so ausgedrückt werden:
I ( x ) ≡ I 0e − x /λabs = I 0e − µx
wobei µ der totale Absorbtions-Koeffizient ist:
 ρN 
 ρN 
µ ≈ σ tot  A  ≈ σ photoelektrisch + σ Compton + σ Paar  A 
 A 
 A 
(
)
16.2.4 “Weiche” Photonen (Eγ < KeV)
Die beherrschenden Streuprozesse sind kohärente Effekte mit allen
Elektronen der Atome (Thomson- und Rayleigh-Streuung).
Bei der kohärenten Streuung nehmen viele atomare Elektronen am
Prozess teil. Wenn ein Prozess kohärent ist, kann der Wirkungsquerschnitt wegen konstruktiver Interferenz stark zunehmen.
294
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Photonen
Wenn die Energie des Photons kleiner als ≈10 eV ist, spricht man
vom optischen Bereich und verwendet eine Wellengleichung. Es
folgt die Dispersions-Beziehung:
k 2c 2
ω −
=0
ε
2
wobei
E γ = hω
Die Materie (das Medium) wird durch die dielektrische Konstante
charakterisiert, die von der Frequenz des Photons abhängt. Wenn ε(ω)
reell ist, werden die Photonen ein “durchsichtiges” Medium durchqueren. Ein komplexwertiges ε(ω) entspricht Absorption.
Die Lichtgeschwindigkeit ist gleich
v=
Teilchenphysik
c
c
=
n
ε
295
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Zusammenfassung des Wirkungsquerschnitts von Photonen in
Kohlenstoff und Blei als Funktion der Energie des einfallenden Photons
(Particle Data Group, http://pdg.lbl.gov).
Figur 2.
296
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
16.3 Geladene Teilchen
Wir betrachten z.B. die Ausbreitung von e±, µ±, π±, Protonen, α-Teilchen, usw... in Materie.
Geladene Teilchen: elektromagnetische Wechselwirkungen mit
Elektronen und Kernen (Coulombsche-Streuung).
Wir definieren die Eintritts- (Austritts-)Energie E(E’) und den Eintritts- (Austritts-)Impuls p(p’) des Teilchens:
E ′ = E − ∆E
r
r
r
p′ = p + ∆p
∆E = Energieverlust
r
∆p ≈ Ablenkung
E’, p’
E, p
Viele Wechselwirkungen (Zusammenstösse) zwischen dem
Teilchen und der Materie sind für den Energieverlust und die
Ablenkung des Teilchens verantwortlich. Man spricht deshalb
oft von statistischen Effekten.
Die grundlegenden Prozesse können so klassifiziert werden:
Teilchenphysik
297
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
1.
inelastischer Stoss mit atomaren Elektronen (Ionisierung oder
Anregung)
π–
π–
e–
Freies Elektron
Kern
Ionisiertes Atom
Die notwendige Energie, um ein Elektron-Ion-Paar zu ergeugen,
wird als Wi bezeichnet
Z.B. für Argon ist Wi≈25 eV, d.h. 40’000 freie Elektronen werden
erzeugt,wenn der Energieverlust des einfallenden Teilchen gleich
1 MeV ist.
δ-rays: falls ein Stoss heftig ist (“hard knock-on”), kann das freie
Elektron als sekundäres Teilchen mit seiner eigenen “Spur” beobachtet werden. Man spricht von δ-rays.
π–
δ-rays
primäres Teilchen
2.
elastische Streuung an Kernen
3.
Strahlungsemission
(Cerenkov- oder Übergangs1-Strahlung)
1. “Transition-Radiation”
298
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
4.
Inelastische starke Kernprozesse
Aufbrechen des Kerns:
π±
π0
p
n
π±
Kern
5.
mit Produktion von sekundären Teilchen.
Bremsstrahlung
e±
e±
γ
16.3.1 Mittlerer Energieverlust
Wir betrachten die Ausbreitung von schweren geladenen Teilchen der
Masse M >> me.
Bethe (1930): Bethe-Bloch-Formel
Die Bethe-Bloch-Gleichung beschreibt den mittleren Energieverlust
eines Teilchens der Ladung z in einem Materiestück der Dicke dx (gilt
für β>≈0.01)
Z 1  1 2 me c 2β 2γ 2Tmax
δ
dE
2
2
−
= ( 4πN A re me c ) zρ
− β2 − 
2  ln
2
2
A β 2
I
dx
Teilchenphysik
299
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
1.
Tmax ist die maximale kinetische Energie, die in einem Stoss an ein
atomares Elektron abgegeben werden kann;
Tmax ≈ 2 me c 2β 2γ 2
4.
I ist die mittlere Anregungsenergie;
β ist die Geschwindigkeit des Teilchens und γ sein Lorentz-Faktor;
NA ist die Avogadrozahl, Z die Ordnungzahl, A die Massenzahl, ρ
die Dichte der durchquerten Matiere (des Targets); der Faktor
ρNAZ/A entspricht der Dichte der atomaren Elektronen.
5.
δ entspricht einer Korrektur der Ionisierungsenergie wegen Dichteeffekten.
6.
der Faktor (4πNAre2mec2) ist gleich 0,307 MeV cm2/g.
2.
3.
Wir bemerken, dass der Energieverlust nicht von der Masse des einfallenden Teilchens abhängt. Er hängt nur von der Geschwindigkeit
des Teilchens ab mit charakteristischer Abhängigkeit:
Wenn β→0 (nicht relativistisch), ist dE/dx zu β–2 proportional.
Wenn βγ≈4, hat dE/dx ein Minimum, den sogenannten MIP-Wert
(MIP=Minimum Ionizing Particle). Numerisch gilt für eine Dichte
ρ (in g/cm3)
 dE 


 dx  mip
ρ
≈ (1 ÷ 2) MeV / ( g / cm 2 )
Wenn βγ>4, nimmt dE/dx langsam zu (der relativistische Anstieg).
300
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
Der Energieverlust von positiven Myonen in Kupfer wird in Abb. 3
gezeigt.
“Stopping-Power” (mittleres dE/dx) als Funktion des Parameters
βγ des Teilchens (Particle Data Group, http://pdg.lbl.gov).
Figur 3.
Die Bethe-Bloch-Gleichung beschreibt den Energieverlust mit guter
Genauigkeit, wenn β>≈0.02. Der Energieverlust von Pionen mit
Energie zwischen 6 MeV und 6 GeV wird mit einer Genauigkeit von
1% vorausgesagt.
Wenn die Geschwindigkeit des Teilchens klein relativ zur Geschwindigkeit der atomaren Elektonen ist, ist die Bethe-Bloch-Gleichung
nicht mehr verwendbar.
Wenn βγ>≈1000, werden Strahlungsprozesse wichtig und der Energieverlust wird von der Bethe-Bloch-Gleichung unterschätzt.
Teilchenphysik
301
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Man wird oft die Dicke X=ρx (g/cm2) verwenden, so dass
 dE  1  dE  1  N A Z 
  ≡   ∝ ρ
 ≈ Konst
 dX  ρ  dx  ρ  A 
weil
Z
≈ 0, 5
A
Mittlere Anregungsenergie I. Dieser Energie-Parameter kann aus
den experimentellen Daten gefittet werden. Er hängt von der Ordnungszahl ab. Die gemessene mittlere Anregungsenergie als Funktion
der Ordnungszahl wird in Abb. 4 gezeigt. Es gilt,
19.2 für H 2 − Gas
I (Z ) ≈ 
(10 ± 1) Z für Z > 15
Die gemessene mittlere Anregungsenergie als Funktion der
Ordnungszahl Z (Particle Data Group, http://pdg.lbl.gov).
Figur 4.
302
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
Korrektur zum relativistischen Anstieg. Diese
durch den δ-Faktor eingeführt.
Korrektur
wird
In Materialien mit hoher Dichte wird das Medium wegen des elektrischen Feldes des einfallenden Teilchens polarisiert. Diese Polarisation wird das E-Feld teilweise abschirmen. Als Folge erwarten wir
weniger Stösse mit Elektronen, die weit “entfernt” sind. Der Energieverlust im relativistischen Bereich wird unterdrückt.
Tatsächlich,
Gase:
 dE 
 dE 
≈ 1, 5 ×  
 
 dx  β →∞
 dx  mip
Festkörper, Flüssigkeit:
 dE 
 dE 
≈ (1, 05 ÷ 110
, )× 
 
 dx  β →∞
 dx  mip
Der genaue Betrag der Korrektur hängt von Materialeigenschaften
(Leiter, nicht Leiter, usw...) ab.
16.3.2 Mittlerer Energieverlust der Elektronen
Wenn wir die Ausbreitung von Elektron in Materie betrachten, müssen wir immer zwei Prozesse beachten (Siehe Abb. 5):
 dE 
 dE 
 dE 
+ 
  ≈ 
 dx  e ±  dx  Bremsstrahlung  dx  Ionisierung
Teilchenphysik
303
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Energieverlust geteilt durch die Energie der Elektronen und
Positronen im Blei als Funktion der Energie (Particle Data Group, http://
pdg.lbl.gov).
Figur 5.
Der Energieverlust durch Ionisierung kann mit Hilfe der BetheBloch-Gleichung berechnet werden.
Der Bremsstrahlungsprozess von Elektronen und Positronen (Siehe
Abb. 6) kann mit der QED berechnet werden:
Z2
 dE 
 183  E
− 
= 4αN A ρ re2 E ln 1/ 3  ≡
 dx  Bremsstrahlung
 Z  X0
A
wobei X0 die schon definierte Strahlungslänge ist. Bei zunehmender
Energie, wird er den Energieverlust schnell dominieren, z.B. im Blei
schon für Ee±>≈10 MeV.
304
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
γ
±
γ
γ
e
γ
e±
γ
Skizze des Bremsstrahlungsprozesses von Elektronen und
Positronen in Matiere.
Figur 6.
Wenn wir den Ionisationsenergieverlust vernachlässigen, erhalten wir
 dE  dx
−  ≈
 E  X0
⇒ E ( x ) = E 0e − x / x 0
und damit ist die Strahlungslänge gleich der Dicke, bei der die Energie des Elektrons um einen Faktor e reduziert wird.
Kritische Energie Ec: die kritische Energie wird so definiert:
R( E c ) ≡
 dE 
 
 dx  Bremstrahlung
 dE 
 
 dx  Ionisierung
≈1
Kritische Energie
d.h. wenn Ee±> Ec, wird der Bremsstrahlungsprozess vorherrschen.
wenn Ee±< Ec, wird der Ionisationsenergieverlust dominieren.
Numerisch: Ec(Kohlenstoff )≈100 MeV, Ec(Al )≈47 MeV, Ec(Fe )≈24
MeV, Ec(Pb )≈6,9 MeV (Siehe Abb. 7).
Teilchenphysik
305
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Kritische Energie als Funktion der Ordnungszahl Z für Festkörper
und Gase (Particle Data Group, http://pdg.lbl.gov).
Figur 7.
16.3.3 Mittlerer Energieverlust der Myonen
Bremsstrahlung von Myonen: Im Bremsstrahlungsprozess ist die
Wahrscheinlichkeit, ein Photon zu emittieren, zum Faktor
 e2 
 2
 mc 
2
proportional. Damit ist z.B. die Wahrscheinlichkeit der Bremsstrahlung für Myonen viel kleiner als für Elektronen:
2
m 
1
!
∝ e ≈
40000
 mµ 
306
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
Für Myonen ist Bremsstrahlung für Eµ > ≈1000 GeV nicht mehr vernachlässigbar.
Siehe Abb. 8.
Mittlerer Energieverlust eines Myons als Funktion der
Myonenergie.
Figur 8.
16.3.4 “Straggling” des Energieverlusts
Die Bethe-Bloch-Gleichung liefert den mittleren Energieverlust. Der
Energieverlust eines gegebenen Teilchens wird tatsächlich von statistischen Fluktuationen abhängen.
Wenn die Dicke der durchgequerten Materie so gross ist, dass
die Anzahl von Stössen zwischen dem Teilchen und den ato-
Teilchenphysik
307
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
maren Elektronen sehr gross ist, wird der Energieverlust eine
Gauss-Verteilung besitzen.
Für dünne Absorber wird der Energieverlust eine Landau-VavilovVerteilung besitzen.
Eine Landau-Vavilov Verteilung wird in Abb. 9 geplottet. Man beobachtet eine klares Maximum und das asymmetrische Verhalten der
Verteilung mit einem langen “Landau-tail”.
Der “Landau-tail” entspricht seltenen Stössen, bei denen ein grosser
Energie-Impuls-Austausch zwischen dem einfallenden Teilchen und
der Materie stattgefunden hat. Solche Stössen sind oft von δ-Rays
begleitet.
Der wahrscheinlichste Energieverlust und der mittlere Energieverlust sind auch gezeigt. Der mittlere Energieverlust entspricht dem
Wert, der mit der Bethe-Bloch-Gleichung erhalten wird.
308
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
wahrscheinlichster
Energieverlust
δ-rays
mittlerer
Energieverlust
Figur 9.
Landau-Vavilov-Verteilung.
16.3.5 Vielfach-Streuung (“Multiple scattering”)
Wenn ein geladenes Teilchen Materie durchquert, wird es in vielen
kleinen Winkeln abgelenkt (Siehe Abb. 10).
Coulombsche Streuung an Kernen ist für diesen Effekt verantwortlich
und deshalb wird diese resultierende Ablenkung als CoulombscheVielfach-Streuung bezeichnet.
Die Molière-Theorie beschreibt den Effekt gut. Für kleine Ablenkungen verhält sich die Winkelverteilung wie eine Gauss-Verteilung. Für
Teilchenphysik
309
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
grosse Ablenkungen wird sich der Effekt wie die Rutherford-Streuung verhalten. Als Folge ist die Verteilung des Streuwinkels wie eine
Gauss-Verteilung (98% der Fälle) mit längeren Schwänzen (in 2%
der Fälle) verteilt.
Ablenkung eines Teilchens in Materie (Particle Data Group, http://
pdg.lbl.gov).
Figur 10.
In der Praxis wird die Gauss-Näherung verwendet und man definiert
die Standardabweichung (“Root-Mean-Square”,RMS) der Winkelverteilung als
RMS
θ Ebene
=
1 RMS
θ Raum ≡ θ 0
2
wobei θEbene der auf eine Ebene projizierte Winkel und θRaum der 3dimensionale Streuwinkel ist (Siehe Abb. 10). Es folgt daraus, dass
die Verteilung des projizierten Winkels (θEbene) und des nicht-projizierten Winkels (θRaum) ungefähr die folgenden sind:
1 −(θ x2 +θ y2 ) / 2θ 02
e
dθ x dθ y
2πθ 02
310
und
2
2
1
e −θ Ebene / 2θ 0 dθ Ebene
2πθ 0
Teilchenphysik II&III, WS 01/02-SS02, Prof. A. Rubbia
Geladene Teilchen
wobei x,y zwei zur Bewegungsrichtung des Teilchens senkrechte
Achsen sind und.
2
θ Raum
≈ θ x2 + θ y2
Die Breite der Streuwinkelverteilung nach einer Strecke x in Materie
ist gleich
θ0 ≈
x
13, 6 MeV
z
X0
βcp
wobei z die Ladung des Teilchens, β die Geschwindigkeit, p der
Impuls und X0 die Strahlungslänge ist.
Die Vielfachstreuung hängt vom inversen Impuls ab. Bei höheren
Impulsen ist die Streuung weniger stark. Für eine Dicke gleich 1 X0
und p=1 GeV/c ist der Streuwinkel θ0 ≈14 mrad ≈ 1 Grad.
16.3.6 Strahlungsemission
Ein Teilchen wird Cerenkov-Strahlung emittieren, wenn seine
Geschwindigkeit β im Medium, durch welches es sich ausbreitet,
grösser als die Lichtgeschwindigkeit βC in diesem Medium ist.
Cerenkov-Schwelle:
βC =
1
1
=
n
ε
wobei n die Brechzahl des Mediums ist.
Teilchenphysik
311
Wechselwirkung von Teilchen mit Materie
Wenn das Teilchen eine Geschwindigkeit β>βC hat, wird die Cerenkov-Strahlung in einen Cerenkov-Kegel der Öffnung θC emittiert,
wobei
cosθC =
1
βn
Im Allgemeinen wird ein kontinuierliches Spektrum von Photonen in
den optischen Bereich emittiert (ein durchsichtiges Medium wird
verwendet).
Der Energieverlust ist klein relativ zum Ionisationsverlust:
 dE 
−  ≈ 10 −3 MeVg −1cm 2
 dx  C
Der Prozess trägt zum Energieverlust eines Teilchens in Materie nicht
sehr viel bei, wird aber in Detektoren verwendet.
312
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