Psychiatrische Diagnostik und Störungsbilder

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Forensische Psychiatrie für Juristen
Psychiatrische Diagnostik und Störungsbilder
Basel, 9. März 2011
Dr. med. Marc Graf
Forensisch Psychiatrische Klinik
Universitäre Psychiatrische Kliniken
Basel
Medizinische Diagnose
•
•
Betroffenes Organsystem
Aetiopathogenese (ursächlicher Entstehungsmodus)
–
–
–
–
–
•
•
Verletzung
Entzündung
Degeneration
Neoplasie («Tumor»)
etc.
Verlauf
Prognose
1
Lebenszeitprävalenz einiger
psychischer Störungen
•
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Demenz
Alkohol (Abh./Missbrauch)
Drogen
«»
Sedativa, Anxiolytika etc.
Schizophrenien
Depression
Bipolar affektive Störung
Angststörungen
Zwangsstörungen
Persönlichkeitsstörungen
5 % > 65. LJ, altersabhängiger Anstieg
8 – 14 %
0.5 – 0.7 %
1%
0.5 – 1 %
10 – 25 % w, 5 – 12 % m
0.5 – 1.5 %
1.5 – 13 %
2.5 %
0.5 – 3 %
•
Weltweit ähnliche Zahlen, zeitlich einigermassen stabil
Psychiatrische Diagnostik
•
•
•
Anlass des Erstkontaktes
Psychiatrische Untersuchung
Fremdanamnese, Akten
2
Psychopathologie
•
•
•
Lehre von den Symptomen psychischer Störungen
Allgemeine Psychopathologie: systematische Beschreibung aller
vorkommenden Symptome
Spezielle Psychopathologie: Symptome der einzelnen
Störungsbilder
3
Bewusstsein: wach, somnolent (schläfrig), komatös (nicht erweckbar)
4
Bewusstsein: weit oder eingeengt
Bewusstsein: getrübt
Orientierung: Zeit, Ort, Person, Situation
5
Auffassungsgabe
Konzentration
6
Denkstörungen
•
•
•
•
•
Denken = Ordnen und Bewerten von Informationen, in Beziehung
setzen, Urteilen, Entscheiden, sich etwas vorstellen, Handlungen
vorbereiten
Symbole des Denkens: Sprache und Schrift
Denken ist abhängig von: Stimmung, Persönlichkeit,
soziokulturelles Umfeld, Intelligenz
Denken kann beschleunigt oder verlangsamt ablaufen
Bei inkohärentem Denken ist für den Aussenstehenden kein
Zusammenhang mehr erkennbar
7
SpinnenPhobie
WaschZwang
Wahn
•
Krankhafte Fehlbeurteilung der Realität
•
Oft groteske Deutung von alltäglichen Begebenheiten mit
erfahrungsunabhängiger besondere Gewissheit
•
Betroffener braucht weder Begründung noch Beweis: logische
Gegenargumentation sinnlos, denn
•
Widerspruch zu allgemein akzeptierten Überzeugungen führt nicht
zur Aufgabe des Wahns
•
Wahn ist eine individuelle starre Überzeugung, die Erleben und
Handeln bestimmt und Betroffene schliesslich völlig isoliert
8
Wahnstimmung
Beziehungswahn
9
Verfolgungswahn
Grössenwahn
10
Sinnestäuschungen
Halluzinationen
•
Illusion = Verfälschung einer wirklichen Wahrnehmung, meist
korrigierbar
•
Halluzinationen = auf allen Sinnesgebieten vorkommende
Wahrnehmungserlebnisse
•
Keine reale Reizquelle vorhanden
•
Betroffener kann Halluzination nicht von realem Sinneseindruck
unterscheiden
Illusionäre Verkennung
11
Optische (szenische) Halluzination
Geruchs- und Geschmackshalluzinationen
12
Akustische Halluzination: Stimmenhören
Ich-Störungen
•
Üblicherweise können Menschen jeder Zeit zwischen sich und
Umwelt klar unterscheiden
•
Diese Ich-Umwelt-Grenze geht bei Ich-Störungen verloren
•
Depersonalisation: Patient erlebt sich selbst als verändert
•
Derealisation: Patient erlebt Umfeld als verändert
•
Gedankenausbreitung: Patient glaubt, alle wissen was er denkt
•
Fremdbeeinflussungserleben: Patient fühlt sich durch fremde
Mächte gesteuert oder beeinträchtigt, z. B. aus dem Weltraum
bestrahlt
13
Depersonalisation
Derealisation
14
Gedankenausbreitung
Fremdbeeinflussungserleben
15
Störungen der Affektivität
•
Affektivität = gesamtes Gefühlsleben eines Menschen,
Gestimmtheit, Befindlichkeit
•
Affekte werden durch Mimik, Gestik und Sprache dargeboten =
Psychomotorik
•
Affektlabil = rascher Stimmungswechsel, starker affektiver
Ausdruck
•
Affektarmut, Affektstarre: geringer Ausdruck des Gefühlslebens,
mangelnde Ansprechbarkeit
•
Ambivalenz: gleichzeitiges Vorhandensein verschiedener Gefühle
16
deprimiert, bedrückt, herabgestimmt, hoffnungslos, freudlos,
interessenlos
vital gestört, kraftlos, müde
17
Euphorie
Antriebsarmut, Antriebshemmung
Antrieb: Kraft, die physische und psychische Leistungen antreibt
18
Antriebssteigerung, motorische Unruhe
Psychomotorik: Stupor = bewegungslose Erstarrung vs.
hochgradiger Erregungszustand
19
Psychomotorik: theatralisch, manieriert
Intelligenz
•
•
•
•
•
•
Erkenntnisvermögen
Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen
Finden optimaler Problemlösungen
Multi-Faktoren Konzept:
– Räumliches Vorstellungsvermögen
– Rechenfähigkeit
– Verbale Fähigkeiten (Sprachverständnis)
– Gedächtnis
– Verarbeitungsgeschwindigkeit
– Logisches Denken
Verbale vs. praktische Intelligenz
Scherzhaft: Intelligenz ist das, was Intelligenztests messen.
20
21
Grundsätzliche
Einteilungsmöglichkeiten
psychischer Störungen I
•
•
•
•
•
•
•
•
Ursachen
Gehirn- oder Körperkrankheit
äussere Einflüsse (z.B. Gifte, Traumata)
reaktiv (belastende Ereignisse, Erlebnisse,
Lebensumstände)
"angeboren" (genetisch, früh erworben)
"endogen" (von innen heraus, eigengesetzlich
aber ohne erkennbare Ursache)
Verlauf
akut / chronisch
Beginn: plötzlich / schleichend
einmalige Episode / rezidivierend / längerfristig
oder ständig vorhanden
Grundsätzliche
Einteilungsmöglichkeiten
psychischer Störungen I
Symptome wie
• Bewusstsein
• Orientierung
• Denken
• Gedächtnis
• Affektivität
• Wahn
• Intelligenz
• Sozialverhalten
Schweregrad
• leicht, mittel, schwer
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Klassifikation psychischer
Störungen
•
•
•
•
•
•
Grundlegendes Konzept: z.B. rein deskriptiv vs. theoretische
Grundannahmen
Zuordnungsprozess
Notwendige Eigenschaften definieren
Zuordnungsregeln: Ein- und Ausschluss-Kriterien
Operationale Diagnostik: Genaue Handlungsanweisungen für die
Diagnosestellung
Aufstellung von Kategorien mit ähnlichen Eigenschaften
Klassifikation
psychischer Störungen
• Grundlegendes Konzept: z.B. rein deskriptiv vs.
theoretische Grundannahmen
• Zuordnungsprozess
• Notwendige Eigenschaften definieren
• Zuordnungsregeln: Ein- und AusschlussKriterien
• Operationale Diagnostik: Genaue
Handlungsanweisungen für die
Diagnosestellung
• Aufstellung von Kategorien mit ähnlichen
Eigenschaften
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ICD-10: International
Classification of Disease (WHO)
F0
F1
F2
F3
F4
Organische psychische Störungen
Störungen durch psychotrope Substanzen
Schizophrenien und wahnhafte Störungen
affektive Störungen
neurotische-, Belastung- und somatoforme
Störungen
F5 Verhaltensauffälligkeiten mit körperlichen
Faktoren
F6 Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen
F7 Intelligenzminderung
F0 Organische psychische
Störung
•
Demenz
– Vaskulär
– Alzheimer
– Pick, Parkinson,
Creutzfeld Jacob etc.
•
•
Delir
Organische
Persönlichkeitsstörung
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Vielfältige mögliche
Symptome bei
organischen psychischen
Störungen
F1 Störungen durch psychotrope
Substanzen
•
•
•
•
F1x.0 Akute Intoxikation: unmittelbare Substanzwirkung, je nach
Stoff sehr variabel
F1x.1 Schädlicher Gebrauch: Schädigung der körperlichen oder
psychischen Gesundheit
F1x.2 Abhängigkeitssyndrom: chronische Schädigung, unfähig zur
Abstinenz
F1x.4 Entzugssyndrom: variabel, körperliche und psychische
Symptome, von leichter Unruhe bis zu lebensgefährlichen
Störungen wie Delir oder epileptische Krampfanfälle
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F1x.2 Abhängigkeitssyndrom
Mindestens drei der nachfolgenden Kriterien während des letzten
Jahres gleichzeitig vorhanden:
1.
Zwanghaftes Verlangen nach der Substanz
2.
Kontrollverlust
3.
Konsum zur Verminderung von Entzugssymptomen
4.
Körperliches Entzugssyndrom
5.
Toleranzentwicklung
6.
Eingeengtes Verhaltensmuster im Umgang mit Substanz
7.
Vernachlässigung anderer Interessen und Pflichten
8.
Fortsetzung des Konsums trotz bewusster Schädigung
Symptome eines
Alkohol-AbhängigkeitsSyndroms
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Schizophrene Störungen
Schizophrenie F2x.x
Ein eindeutiges der Gruppe 1 – 4 oder mind. zwei Symptome der
Gruppe 5 – 8 während mindestens eines Monates:
1.Gedankenlautwerden, -Eingebung, -Entzug, -Ausbreitung
2.Kontrollwahn, Beeinflussungswahn, Gefühl des Gemachten,
Wahnwahrnehmungen
3.Kommentierende oder dialogisierende Stimmen
4.Anhaltender, kulturell unpassender Wahn
5.Anhaltende Halluzinationen jeder Sinnesmodalität
6.Gedankenabreissen, Zerfahrenheit, Danebenreden, Neologismen
7.Katatone Symptome wie Erregung, Haltungsstereotypien, Mutismus,
Stupor
8.«Negative Symptome» wie Apathie, verflachter oder inadäquater
Affekt, Sprachverarmung
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