Geschäftsstelle der STIKO Robert Koch-Institut Abteilung für

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DGEpi · Geschäftsstelle · Bünteweg 2 · D-30559 Hannover
Geschäftsstelle der STIKO
Robert Koch-Institut
Abteilung für Infektionsepidemiologie
DGZ-Ring 1
13086 Berlin
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Datum 1. Juli 2010
Saisonale Influenza
Seitenanzahl: 3
Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst möchten sich die AG Infektionsepidemiologie und der Vorstand der
Deutschen Gesellschaft für Epidemiologie (DGEpi) bedanken, dass für diese
zwei neuerlichen Stellungnahmen (betreffend die saisonale Influenza und
Meningitis) deutlich mehr Zeit zur Verfügung stand als dies im vorigen Jahr
mit den Empfehlungen zur pandemischen Influenza der Fall war.
Die angepassten STIKO-Empfehlungen vom Mai 2010 wurden in der AG per
E-Mail zirkuliert und abschließend in der Runde der Teilnehmer des
Workshops der AG am 17./18. Juni beraten.
Die wesentlichen Änderungen in den STIKO-Empfehlungen sind:
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•
•
Die Empfehlung zur Impfung gegen die „neue Influenza“ – das
A(H1N1)v 2009-Virus – wird zurückgezogen.
Der neue trivalente Impfstoff für die Saison 2010/2011 wird das
A(H1N1)v 2009-Virus mitenthalten.
Schwangere und Personen mit neurologischer Grunderkrankung
werden in die Indikationsgruppen für die saisonale Influenza mit einbezogen.
o Für Schwangere wird dies begründet mit einer aktualisierten
Datenlage zur saisonalen Influenza und durch die gewonnenen Erfahrungen während der A(H1N1)v 2009-Pandemie.
o Für neurologische Grunderkrankungen wird dies begründet
mit einer erhöhten Influenza-Letalität in diesem Patientenkreis, die auch teilweise auf die Erfahrungen während der
A(H1N1)v 2009-Pandemie (Sterblichkeit bei Kindern)
zurückzuführen ist.
Die STIKO betont auch die gute Verträglichkeit der Pandemie-Impfstoffe
aufgrund der verfügbaren Daten und die Wichtigkeit der Entwicklung neuer
Impfstoffe – ggf. mit neuen Adjuvantien.
Kontakt:
Deutsche Gesellschaft für Epidemiologie
(DGEpi)
Heike Bark – Geschäftsstelle
c/o IBEI
Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Bünteweg 2
D-30559 Hannover
Telefon: +49 (0) 5 11 / 9 53 - 79 51
Telefax: +49 (0) 5 11 / 9 53 - 79 74
E-Mail: [email protected]
Homepage: www.dgepi.de
Vorstand:
O. Razum, Bielefeld (Vorsitzender)
W. Hoffmann, Greifswald (1. Stellvertreter)
E. Grill, München (Schatzmeisterin)
K. Berger, Münster
A. Stang, Halle
Bankverbindung:
DGEpi
Deutsche Apotheker- und Ärztebank
BLZ 300 606 01
Kto-Nr. 000 66 11 990
IBAN DE15300606010006611990
Swift-BIC: DAAEDEDD
Die Stellungnahme der DGEpi behandelt im Wesentlichen zwei Punkte:
– die Datenlage, die der Ausweitung der Empfehlung auf Schwangere
zugrunde liegt;
– die Modellrechnungen zur H1N1 Pandemie der vergangenen Saison
(die teilweise zur Begründung herangezogen werden).
1. Empfehlung für Schwangere:
Die Argumentation der STIKO hinsichtlich der Impfempfehlung für Schwangere stützt sich hauptsächlich auf Ausführungen zum Relativen Risiko. Die
AG empfiehlt, Schätzwerte der Reduktion des Absoluten Risikos mit aufzunehmen, damit die Größenordnung besser einschätzbar wird. In diesem
Sinne wäre es z. B. hilfreich, die Daten über die erhöhte Hospitalisierungsrate von Schwangeren bei (pandemischer) Influenza mittels der ‚NNT/NNV’
(number needed to treat / vaccinate) zu betrachten. Die vorgelegten Zahlen
lassen einen Bereich von 1:200 bis 1:400 und darüber vermuten (200-400
Impfungen verhindern 1 zusätzliche Hospitalisierung). Wie werden diese
Zahlen bewertet bzw. wie stehen diese Zahlen im Vergleich zu anderen
empfohlenen Impfungen?
Wir empfehlen ferner, dass die STIKO jene wissenschaftlichen Ergebnisse,
die zu dem Schluss kommen, dass der Nutzen der Impfung für Schwangere
nicht nachgewiesen werden konnte, stärker abwägt. In der derzeitigen Vorlage werden jene Ergebnisse u.a. mit Hinweis auf die niedrige Impfquote in
einer spezifischen Studie eher tief bewertet. Die niedrige Impfquote erklärt
nicht, warum keine protektive Wirkung im Vergleich zu nicht geimpften
Gruppe nachgewiesen wurde. Die Auswirkung der kleinen Fallzahl wurde
1
übrigens in der Breite des Konfidenzintervals berücksichtigt.
2. Modellrechnungen zur H1N1 Pandemie 2009/2010:
Bereits in der "Begründung für die Impfempfehlungen gegen die Neue
Influenza A (H1N1)" vom 12. Oktober 2009 beruft sich die STIKO auf "noch
unveröffentlichte Modellrechnungen". In der nun vorliegenden "Aktualisierten
Empfehlung zur Impfung gegen saisonale Influenza" vom 19. Mai 2010 werden wiederum "Modellberechnungen des RKI" zur Begründung herangezogen. Es ist nicht ersichtlich, ob es sich dabei um dieselben Modellberechnungen wie aus dem Herbst 2009 handelt, oder ob nach der Wintersaison
2009/2010 neue Modellberechnungen mit aktualisiertem Wissensstand über
die Pandemie durchgeführt wurden. Es wird empfohlen, dass die STIKO
entweder eine Referenz auf eine eventuell bereits erfolgte Veröffentlichung
1
Seite 17: "Ferner zeigte eine Studie von Black et al. [49] keinen Einfluss der
Impfung von Schwangeren gegen saisonale Influenza auf ambulante Behandlungen
aufgrund von ILI (Risikoquotient (hazard ratio) geimpfte Schwangere / ungeimpfte
Schwangere: 1,151 (95% KI 0,98-1,35); p=0,088). Als Basis dienten bei dieser
Studie die Daten einer großen US-amerikanischen Managed-Care-Organisation
(n=49.585 Frauen die in den Influenzasaisons 1997/1998 bis 2001/2002 eine
Lebendgeburt hatten). Die Impfquote unter den Schwangeren war in dieser Studie
jedoch niedrig (4,7%-11,9%), so dass die Ergebnisse mit Vorsicht zu interpretieren
sind [68]. "
2
der Modellberechnungen liefert oder eine Zusammenfassung der Modellberechnungen in einem Anhang zur Impfempfehlung beifügt. Von besonderem
Interesse sind in diesem Zusammenhang die vom RKI getroffenen Annahmen über die Basisreproduktionszahl, die Latenz- und Infektionsdauer sowie
über den Anteil der asymptomatisch Erkrankten, da diese Werte in der einschlägigen Literatur durchaus kontrovers diskutiert werden. Eine Berufung
auf Modellberechnungen trägt nur dann zum Verständnis bei, wenn die
Annahmen der Modellierung dargelegt werden können.
Aus der Passage geht außerdem hervor, dass das RKI in seinen Modellberechnungen eine "vorbestehende Kreuzimmunität (vorwiegend über 60-Jährige)" annimmt. Da das Ausmaß dieser Kreuzimmunität nicht quantifiziert
wird, kann diese Aussage dahingehend missverstanden werden, dass über
60-Jährige vor einer Infektion mit dem Influenza A (H1N1)v Virus generell
geschützt sind. Aus den vom RKI auf deren Website veröffentlichten
Influenza-Wochenberichten geht hervor, dass die Pandemie vornehmlich
Kinder infiziert hat und nicht nur die über 60-Jährigen, sondern auch
Erwachsene mittleren Alters unterdurchschnittlich oft erkrankt sind. Eine
pauschale Aussage, dass "26-46% der Bevölkerung schützende Antikörper
gegen das A (H1N1)v 2009-Virus aufweisen", ist daher zur Beurteilung der
Gefährdungslage der Bevölkerung nicht ausreichend.
In dieser aggregierten Zahlenangabe werden vorbestehende (Kreuz-)
Immunität, Immunität nach Erkrankung oder symptomloser Infektion sowie
Impf-Immunität in einen Topf geworfen und es ist nicht erkenntlich, welcher
Anteil an diesem Ergebnis durch Annahmen, durch erhobene Daten oder
durch Modellberechnung erbracht wurden.
Es wird empfohlen, dass der in den Modellberechnungen angenommene
Immunitätsstatus der Bevölkerung sowohl vor Beginn der Pandemie als
auch zum Ende der Pandemie nach Altersgruppen aufgeschlüsselt quantifiziert wird und eine Aussage getroffen wird, inwiefern sich die Modellberechnungen mit den beobachteten Fallzahlen in Einklang bringen lässt.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Prof. Dr. med. Oliver Razum
Vorsitzender, DGEpi
(für den Vorstand der DGEpi und die AG Infektionsepidemiologie, Sprecher:
Dr. med. Thomas Jänisch und Dr. med. Rafael Mikolajczyk)
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