Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 2015

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Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie
Ergebnisse aus Psychotherapie, Beratung und Psychiatrie
Herausgeberinnen und Herausgeber:
Albert Lenz, Paderborn; Franz Resch, Heidelberg; Georg Romer, Münster;
Maria von Salisch, Lüneburg; Svenja Taubner, Klagenfurt
Verantwortliche Herausgeber:
Univ.-Prof. Dr. med. Franz Resch, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Zentrum für Psychosoziale
Medizin, Universitätsklinikum Heidelberg, Blumenstr. 8, D-69115 Heidelberg
Univ.-Prof. Dr. med. Georg Romer, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und
-psychotherapie, Schmeddingstr. 50, D-48149 Münster
Redakteur: Dipl.-Psych. Kay Niebank (verantw. i. S. des niedersächs. Pressegesetzes), Hartwigstr. 2c,
D-28209 Bremen, E-Mail: [email protected]
Gegründet von A. Dührssen und W. Schwidder
Frühere Herausgeber: R. Adam, M. Cierpka, A. Dührssen, E. Jorswieck, G. Klosinski, U. Lehmkuhl,
M. Müller-Küppers, W. Schwidder, I. Seiffge-Krenke, F. Specht, A. Streeck-Fischer
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Gedruckt auf umweltfreundlichem, chlor- und säurefreiem Papier.
ISSN (Printausgabe): 0032-7034, ISSN (online): 2196-8225
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Inhalt
Editiorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
Originalarbeiten / Original Articles
Anika Fäsche, Catherine Gunzenhauser, Wolfgang Friedlmeier und Antje von
Suchodoletz
Regulation positiver und negativer Emotionen als Mediator zwischen
Emotionssozialisation der Mutter und Problemverhalten des Kindes . . . . . . . . . . 334
Regulation of Positive and Negative Emotions as Mediator between Maternal Emotion
Socialization and Child Problem Behavior
Yvonne Otto, Katja Kolmorgen, Anna Andreas, Claudia Köppe, Kai von Klitzing
und Annette M. Klein
Selbstberichtete Ängste und Strategien zu deren Regulation bei Kindern im
Grundschulalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351
Self-reported Anxiety and Regulation Strategies in Primary School-age Children
Jan Felix Greuel, Nadine Reinhold, Markus Wenglorz und Nina Heinrichs
Selbstberichtete Strategien zur Emotionsregulation bei Kindern und
Jugendlichen mit psychischen Störungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368
Self-reported Emotion Regulation Strategies in Children and Adolescents with Mental
Disorders
Tina In-Albon, Taru Tschan, Daniela Schwarz und Marc Schmid
Emotionsregulation bei Jugendlichen mit Nichtsuizidalen Selbstverletzungen . . 386
Emotion Regulation in Adolescents with Nonsuicidal Self-Injury
Autoren und Autorinnen / Authors 404 | Buchbesprechungen / Book Reviews 406
Tagungskalender / Congress Dates 410 | Aus dem Inhalt des nächsten Heftes /
Preview of the next Issue 410
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„Mediathek“. Sie können 2 Fortbildungspunkte erhalten. Dafür senden Sie bitte den handschriftlich
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Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 327 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
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EDITORIAL
Emotionsregulation und Problemverhalten von Kindern und Jugendlichen
Seit einigen Jahren ist bekannt, dass die Emotionsregulation von Kindern und Jugendlichen der Faktor ist, der ihre Familienerfahrungen bündelt und ein Scharnier
zu ihrer gelingenden Passung mit der Umwelt (adaptation) in Form von sozialer
Kompetenz darstellt. Nach dem bekannten Modell von Morris, Silk, Steinberg, Myers und Robinson (2007) wirkt eine unzureichende Emotionsregulierung der Heranwachsenden natürlich ebenfalls als vermittelnder Faktor, der die Wahrscheinlichkeit einer misslingenden Umweltanpassung in Form von Problemverhalten
und Misserfolg in der Schule (Klinkhammer u. von Salisch, 2015) erhöht. Für die
Vorhersage von Problemverhalten im klinisch relevanten Ausmaß ist die Bedeutung
von Emotionswahrnehmung und Emotionsregulation ebenfalls in den Vordergrund
gerückt (Trentacosta u. Fine, 2010). Zudem wird derzeit beforscht, ob Defizite der
Emotionsregulation störungsübergreifend gültig sind oder ob sich spezifische Defizite bei unterschiedlichen psychischen Störungen finden lassen (Schipper, Kullik,
Samson, Koglin, Petermann, 2013).
Denn eingeschränkte Fähigkeiten, der eigenen Gefühle Herr zu werden, zählen
nicht nur zu den diagnostischen Kriterien von Ängsten und depressiven Verstimmungen (z. B. Rieffe u. DeRooj, 2012), sondern sind auch verbunden mit Störungen der
Impulskontrolle wie ADHS (z. B. Schmitman gen. Pothmann, Petermann, Petermann,
Zakis, 2011), Sozial-Oppositionellem Trotzverhalten und Störungen des Sozialverhaltens (z. B. Stadler u. Danielsson, 2013). Außerdem sind Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation Begleiterscheinung des Asperger Syndroms (z. B. Meyer, Hagmannvon Arx, Grob, 2009) und anderen Autismus-Spektrum Störungen (z. B. Altgassen
u. Kretschmer, 2013). Auch bei interpersonell generierten Posttraumatischen Belastungsstörungen (z. B. infolge von Missbrauch oder Vernachlässigung) sind Störungen
der Wahrnehmung und Regulation von Emotionen meist die Folge (z. B. Schmid, 2013).
Stoffgebundene und stoffunabhängige Abhängigkeiten, wie etwa die exzessive Nutzung von Computerspielen oder Internet (z. B. Wartberg, Sack, Petersen, Thomasius,
2011), lassen sich als der Versuch von Jugendlichen verstehen, unangenehme Gefühlszustände abzuschwächen oder auszublenden. Problematisches Essverhalten mag ähnliche Funktionen erfüllen (Munsch u. Hilbert, 2013), ebenso Nichtsuizidale Selbstverletzungen (In-Albon, Tschan, Schwarz, Schmid, 2015).
Bei manchen Störungsbildern ist die Regulation sowohl für die Entstehung als
auch für die Aufrechterhaltung der Störung von Bedeutung. Vermeidungsverhalten
bei Angst bewirkt bekanntlich kurzfristig eine Abschwächung der Angstempfindungen, schränkt auf längere Sicht aber zugleich Lebenschancen und die Möglichkeit ein, angemessenere Regulationsstrategien auszubilden. Vor allem scheint eine
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 328 – 333 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
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Editorial 329
verbesserte Emotionsregulation bei Erwachsenen zu einer positiveren Stimmungslage und einem Abschwächen der emotionalen Symptomatik bei Angst beizutragen
(Berking, Orth, Wupperman, Meier, Caspar, 2008). Auch deshalb sollte sie ein bevorzugtes Ziel für Prävention und Intervention sein.
Die Förderung der Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu regulieren, ist zentraler
Bestandteil klinischer Arbeit und beinhaltet nach Gratz und Roemers (2004) integrativem multidimensionalen Modell folgende Punkte:
1. Bewusstsein und Verständnis von Emotionen
2. Akzeptanz von Emotionen
3. die Fähigkeit, impulsives Verhalten zu kontrollieren und trotz negativer Emotionen zielgerichtet zu handeln
4. flexible, situationsangepasste Strategien, die dem Erreichen von Zielen dienen
Beim Training emotionaler Kompetenzen von Berking (2008) ist die Fähigkeit, die
eigenen Gefühle aktiv positiv beeinflussen zu können gleichfalls „der Königsweg
zu einem guten Umgang mit den eigenen Emotionen“. Im Zusammenspiel mit der
bewussten Wahrnehmung, dem Erkennen und Benennen und der Analyse der Ursachen der als unangenehm erlebten Gemütsverfassungen hilft die gezielte Regulation (oder alternativ die Fähigkeit, unangenehme Gefühlszustände auszuhalten
und zu akzeptieren) zusammen mit der emotionalen Selbstunterstützung bei der
Bereitschaft, sich auch gelegentlich neuen Erfahrungen auszusetzen und daraus zu
lernen (Berking, 2008).
Doch was versteht man unter Emotionsregulation? Und wie entwickelt sie sich
bei Kindern und Jugendlichen? Ross Thompsons (1994, S. 27) bekannte Definition
lautet: „Emotion regulation consists of the extrinsic and intrinsic processes responsible for monitoring, evaluation, and modifying emotional reactions, especially their
intensive and temporal features, in order to accomplish one’s goals.” Damit umfasst
die Emotionsregulation eine Vielzahl von Strategien, die sich auf einem Kontinuum
von bewusster, mühsamer und kontrollierter Regulation zu unbewusster, müheloser
und automatischer Regulation (Gross u. Thompson, 2007) anordnen lassen. Manche
Autoren bezweifeln gar, dass unregulierte Emotionen überhaupt vorkommen – vor
allem jenseits des Säuglingsalters (von Salisch u. Kunzmann, 2005).
Größere Einigkeit besteht darüber, dass die Fremdregulation durch die Eltern am
Anfang des Lebens vorherrscht und erst im Zuge der Entwicklung die Selbstregulation
nach und nach einsetzt (von Salisch, 2000). Jüngere Kinder dürften dabei vor allem
behaviorale Strategien einsetzen, die im Zuge der Entwicklung von Sprache, exekutiven Funktionen und Moral im Vorschulalter durch eher kognitiv orientierte Strategien erweitert werden (von Salisch u. Kunzmann, 2005). Nach dem Prozessmodell der
Emotionsregulation (Gross u. Thompson, 2007) existieren fünf „Stellschrauben“ für
die Emotionsregulation im Sinne des Herunterregulierens von als negativ empfundenen Emotionen also vor allem von Angst, Trauer und Wut, aber auch von Scham,
Schuld, Neid und Eifersucht und anderen psychisch belastenden Zuständen:
330 Editorial
1. Schaffung beziehungsweise Vermeidung von antezedenten Bedingungen, die normalerweise eine bestimmte Emotion auslösen, frei nach dem Motto: „Wer nicht
Achterbahn fährt, empfindet auch keine Angst“. Hierbei ist zu bedenken, dass die
Möglichkeit, Situationen abzuwählen, für Kinder und Jugendliche zum großen Teil
in den Händen ihrer Bezugspersonen liegt beziehungsweise in den Händen von
Institutionen mit verpflichtendem Charakter wie Kindergarten, Schule oder Ausbildungsort. Angst infolge von Mobbing im Sinne eines dauerhaften Schikanierens
einzelner durch mehrere oder stärkere Peers ist insofern nicht nur ein Problem des
Kindes, das sich seine Umwelt kaum aussuchen kann, sondern auch der Institution,
die dieses duldet oder gar unterstützt (Schäfer u. von Salisch, 2013).
2. Situationsmodifikation: Veränderung der Situation, etwa durch Sicherheitsvorkehrungen bei Angst oder der Suche nach sozialer Unterstützung in angstauslösenden Situationen, z. B. durch befreundete Kinder und Jugendliche in Mobbing­
situationen.
3. Aufmerksamkeitslenkung:
„Was ich nicht bemerke, macht mich nicht heiß“ scheinen Babys zu sagen, wenn sie bei Überstimulation den Kopf zur Seite drehen.
Aufmerksamkeitslenkung dieser Art ist bei Ärger schon im zarten Alter von vier
Monaten zu beobachten und wird in den nächsten Jahren zunehmend häufiger
(Braungart-Rieker, Hill-Soderlung, Karrass, 2010). Später kommen kognitive
Formen der Aufmerksamkeitslenkung hinzu, sodass ab dem 3. Geburtstag die Fähigkeit des Kindes zur Ablenkung seine längere Wartezeit in einer frustrierenden
Situation vorhersagt (Cole et al., 2011). Unter Schulkindern ist die Aufmerksamkeitslenkung bei Ärger eine der beliebtesten Strategien (von Salisch, 2000), die
auch zum Aufbau und Erhalt von neuen Freundschaften beiträgt (von Salisch,
Zeman, Lüpschen, Kanevski, 2014).
4. Bewertung
und Neubewertung der emotionsgenerierenden antezedenten Bedingungen: Dass externale Faktoren (z. B. die Situation) und/oder internale Faktoren
(z. B. die eigenen Wünsche) zu Bewertungen führen, die mit Emotionen einhergehen, verstehen die meisten Kinder in einfacher Form ab dem Alter von vier
Jahren. Etwas später folgt mit der Theory of Mind die Erkenntnis, dass Menschen
sich je nach ihrem Informationsstand in ihren Emotionen unterscheiden können.
Wie genau Kindergartenkinder über Emotionen Bescheid wissen, wird durch ihre
Selbstregulation, ihr Arbeitsgedächtnis und ihr Sprachverständnis beeinflusst
(von Salisch, Hänel, Denham, 2015). Mit der Entwicklung steigt die Komplexität
der Faktoren, die Kinder zur Bewertung und Neubewertung einbeziehen.
5. Modulation des Emotionsausdrucks auf verschiedenen Kommunikationskanälen im
Sinne von Unterdrückung des Ausdrucks negativer Emotionen – sei es in verbalem
oder nonverbalem vokalen sprachlichen Ausdruck, sei es im Gesichtsausdruck
oder im motorischen Ausdrucksverhalten zur Modulation von Erregung oder sei es
in physiologischen Komponenten des Ausdrucks. Behaviorale Strategien der Ausdrucksmodulation sind spätestens ab dem 3. Geburtstag nachweisbar, wenn Kinder
falsche Behauptungen von sich geben (z. B. Lewis, Stanger, Sullivan, 1989).
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Editorial 331
Angesichts der Bedeutung der Emotionsregulation für ganz unterschiedliche Arten
von Problemverhalten freuen wir uns, vier Beiträge geordnet nach Alter des Samples
und nach dem Schweregrad des Störungsbildes präsentieren zu können: Weil Eltern
eine entscheidende Rolle bei der Regulation der Emotionen ihrer Kinder spielen,
gehen Fäsche, Gunzenhauser, Friedlmeier und von Suchodoletz (2015) der Frage
nach, inwiefern die Regulation positiver und negativer Emotionen bei unauffälligen
sechsjährigen Kindergartenkindern (N = 53) mit ihrem internalisierenden und
externalisierenden Problemverhalten einhergehen und welche Rolle verschiedene
unterstützende oder weniger unterstützende Strategien ihrer Mütter zur Emotionsregulation dabei spielen. Otto et al. (2015) untersuchen selbstberichtete Ängste und
Strategien zur Angstregulation in einem Sample von N = 175 Grundschulkindern
im Alter von etwa acht Jahren. Die selbstberichteten Ängste werden zudem mit der
Angsteinschätzung der Mutter in Beziehung gesetzt. Eine Inanspruchnahmepopulation von N = 129 Kindern und Jugendlichen aus psychotherapeutischen Hochschulambulanzen betrachten Greuel, Reinhold, Wenglorz und Heinrichs (2015) in
ihrem Beitrag und vergleichen sie mit der Normstichprobe klinisch unauffälliger
Heranwachsender in Hinblick auf die Nutzung adaptiver und maladaptiver Strategien bei der Regulation der Emotionen Angst, Trauer und Wut. Zudem untersuchen
sie, ob bei Kindern und Jugendlichen mit internalisierendem versus externalisierendem Problemverhalten spezifische Defizite der Emotionsregulation vorliegen.
Abschließend berichten In-Albon et al. (2015) über die Emotionsregulation von
etwa 16-jährigen weiblichen Jugendlichen aus der stationären Jugendpsychiatrie mit
der Diagnose Nichtsuizidale Selbstverletzungen (NSSV), einer Forschungsdiagnose
im neuen DSM-5, die häufig mit depressiven Verstimmungen einhergeht. Daher
wurden diese Patientinnen zum einen mit einer Kontrollgruppe altersgleicher Patientinnen mit anderen Diagnosen aus der Jugendpsychiatrie und zum anderen mit
einer Kontrollgruppe gleich alter weiblicher Jugendlicher ohne aktuelle oder frühere
psychische Störungen verglichen.
Ebenso wie maladaptive Formen der Emotionsregulation zur Entstehung und
Aufrechterhaltung von Problemverhalten beitragen, so gelten adaptive Formen
der Emotionsregulation als Schutzfaktor, unter anderem weil sie Kindern und Jugendlichen erlauben, vertrauensvolle soziale Beziehungen zu Gleichaltrigen und
Erwachsenen einzugehen, die ihnen soziale Unterstützung gewähren und viele andere Lernerfahrungen des „normalen Aufwachsens“ ermöglichen. Mit einer verbesserten Emotionsregulation kann insofern ein „Engelskreis“ in Gang gesetzt werden,
der Kinder und Jugendliche „freundschaftsfähig“ macht und damit die Grundlage
für die weitere Verfeinerung ihres Wissens und ihrer Regulation von Emotionen in
diesen unterstützenden Sozialbeziehungen legt.
Maria von Salisch und Annette M. Klein
332 Editorial
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ORIGINALARBEITEN
Regulation positiver und negativer Emotionen als Mediator
zwischen Emotionssozialisation der Mutter und
Problemverhalten des Kindes
Anika Fäsche, Catherine Gunzenhauser, Wolfgang Friedlmeier und
Antje von Suchodoletz
Summary
Regulation of Positive and Negative Emotions as Mediator between Maternal Emotion
Socialization and Child Problem Behavior
The present study investigated five to six year old children’s ability to regulate negative and
positive emotions in relation to psychosocial problem behavior (N = 53). It was explored,
whether mothers’ supportive and nonsupportive strategies of emotion socialization influence
children’s problem behavior by shaping their emotion regulation ability. Mothers reported
on children’s emotion regulation and internalizing and externalizing problem behavior via
questionnaire, and were interviewed about their preferences for socialization strategies in
response to children’s expression of negative affect. Results showed that children with more
adaptive expression of adequate positive emotions had less internalizing behavior problems.
When children showed more control of inadequate negative emotions, children were less internalizing as well as externalizing in their behavior. Furthermore, results indicated indirect
relations of mothers’ socialization strategies with children’s problem behavior. Control of
inadequate negative emotions mediated the link between non-supportive strategies on externalizing problem behavior. Results suggest that emotion regulatory processes should be
part of interventions to reduce the development of problematic behavior in young children.
Parents should be trained in dealing with children’s emotions in a constructive way.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 334-350
Keywords
middle childhood – emotion regulation – internalizing and externalizing problem behavior –
emotion socialization
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 334 – 350 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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335
Zusammenfassung
Die Studie untersuchte die Rolle der Regulation negativer und positiver Emotionen für das
Auftreten psychosozialer Anpassungsschwierigkeiten bei fünf- bis sechsjährigen Kindern
(N = 53). Ausgehend von Theorien zur Sozialisation von Emotionsregulation im Vorschulalter wurde darüber hinaus exploriert, ob die kindliche Emotionsregulation den Zusammenhang zwischen unterstützenden und nicht unterstützenden Strategien der Mütter zur Emotionssozialisation und dem Problemverhalten der Kinder vermittelt. Die Mütter beurteilten per
Fragebogen die Emotionsregulation sowie das internalisierende und externalisierende Problemverhalten ihrer Kinder und wurden in einem halbstrukturierten Interview zur Präferenz
für Sozialisationsstrategien befragt. Die Ergebnisse zeigten, dass Kinder, die angemessene
positive Emotionen adäquat ausdrücken konnten, geringeres internalisierendes Problemverhalten zeigten. Kinder mit adäquater Kontrolle unangemessener negativer Emotionen
zeigten sowohl weniger internalisierendes als auch externalisierendes Problemverhalten. Die
Ergebnisse belegten zudem indirekte Zusammenhänge mütterlicher Sozialisationsstrategien
mit dem Problemverhalten der Kinder. Die Kontrolle unangemessener negativer Emotionen
vermittelte den Einfluss nicht unterstützender Strategien auf externalisierendes Problemverhalten. Die Ergebnisse legen nahe, dass zur Prävention problematischer Verhaltensweisen im
Kindergartenalter emotionsregulatorische Prozesse berücksichtigt und Eltern im konstruktiven Umgang mit den Emotionen ihrer Kinder geschult werden sollten.
Schlagwörter
mittlere Kindheit – Emotionsregulation – internalisierendes und externalisierendes Problemverhalten – Emotionssozialisation
1
Hintergrund
Zahlreiche Achse I-Störungen sowie alle Achse II-Störungen des DSM sind mit dysregulierten Emotionen assoziiert (Macklem, 2008). Die Prävalenzraten bei Kindern
und Jugendlichen für internalisierendes und externalisierendes Problemverhalten liegen laut einer bundesweiten repräsentativen Studie bei 23,4 % für Jungen und 16,9 %
für Mädchen (Hölling et al., 2014). Emotionale und verhaltensbezogene Auffälligkeiten hängen mit Problemen in der Emotionsregulation zusammen (Silk, Steinberg, Morris, 2003). Damit übereinstimmend betonen entwicklungspsychologische
Arbeiten, dass die Entwicklung einer sozial angemessenen Emotionsregulation eine
zentrale Entwicklungsaufgabe im Kindesalter ist (Halberstadt, Denham, Dunsmore, 2001). Bei der erfolgreichen Bewältigung dieses Sozialisationsprozesses kommt
den Eltern ein besonderer Stellenwert zu (Morris, Silk, Steinberg, Myers, Robinson, 2007). Ziel der Studie war es, direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen
Emotionssozialisation, Emotionsregulation und Problemverhalten im Kindergartenalter zu untersuchen.
336 A. Fäsche et al.
In Anlehnung an Eisenberg und Spinrad (2004) wird in der vorliegenden Studie die
Emotionsregulation als Prozesse der Initiierung, Vermeidung, Hemmung, Beibehaltung beziehungsweise Modulation von Emotionen und ihren Begleiterscheinungen
verstanden. Diese Prozesse können sowohl die Intensität als auch den Ausdruck von
Emotionen regulieren (Morris et al., 2007). Dabei zeichnet sich eine optimale psychosoziale Anpassung durch die Fähigkeit aus, negative Emotionen (z. B. Trauer, Wut)
flexibel zu regulieren und positive Emotionen (z. B. Freude, Begeisterung) im geeigneten Umfeld und auf angemessene Weise auszudrücken oder zu kontrollieren (Cole,
Michel, Teti, 1994; Davidov u. Grusec, 2006). Die bisherige Forschung zur Regulation
negativer Emotionen im Kindes- und Jugendalter belegt konsistente Zusammenhänge
mit internalisierendem (Silk et al., 2003) und externalisierendem Problemverhalten
(Hill, Degnan, Calkins, Keane, 2006). Dabei zeigte sich, dass internalisierende Probleme mit einem ausdrucksschwachen bziehungsweise überkontrollierten Stil der
Emotionsregulation zusammenhängen (Eisenberg et al., 2001). Demgegenüber wurde
ein reaktiver, ausdrucksstarker, impulsiver und unterkontrollierter Stil der Emotionsregulation bei externalisierenden Problemen identifiziert (Helmsen u. Petermann,
2010). In den bisherigen Studien bleibt unklar, ob dieser Zusammenhang durch Emotionskontrolle oder -ausdruck bestimmt wird, und welche Rolle positiven Emotionen
zukommt. Vor diesem Hintergrund wurde eine erste Hypothese abgeleitet, die im
Unterschied zu anderen aktuellen Arbeiten (z. B. Morgan, Izard, Hyde, 2014; Rydell,
Berlin, Bohlin, 2003) die Regulationsfähigkeit getrennt für negative und positive Emotionen sowie hinsichtlich verschiedener Komponenten (Ausdruck und Kontrolle von
Emotionen) betrachtet: Kinder mit besserer Kontrolle unangemessener sowie adäquaterem Ausdruck angemessener negativer und positiver Emotionen weisen weniger internalisierende und externalisierende Probleme auf.
Im frühen Kindesalter sind zunächst die Eltern und das weitere soziale Umfeld
maßgeblich an der Sozialisation der Emotionsregulation beteiligt. Durch soziale Unterstützung lernt das Kind zunehmend die Regulierung der Emotionen eigenständig
zu übernehmen (Friedlmeier u. Trommsdorff, 2001). Bis in das Kindergartenalter
hinein verschiebt sich der Einfluss der externen interpsychischen Regulation hin zu
einer intrapsychischen Regulation (Holodynski u. Friedlmeier, 2006). Das Tripartite
Model of the Impact of the Family on Children’s Emotion Regulation and Adjustment
(Morris et al., 2007) bezieht sich auf drei Einflusswege, über die der familiäre Kontext
die Entwicklung der kindlichen Emotionsregulationsfähigkeit und die psychosoziale
Anpassung des Kindes beeinflusst. Neben dem emotionalen Klima in der Familie und
der Beobachtung der elterlichen Emotionsregulation durch das Kind wird das emotionsbezogene Erziehungsverhalten genannt. Dabei wird zwischen unterstützenden und
nicht unterstützenden Strategien unterschieden (Davidov u. Grusec, 2006; McElwain,
Halberstadt, Volling, 2007). Unter unterstützenden Reaktionen werden Verhaltensweisen verstanden, die sich auf die Emotion des Kindes oder auf das zugrunde liegende
Problem selbst konzentrieren und dem Kind vermitteln, dass der Ausdruck von Emotionen legitim ist (Eisenberg, Cumberland, Spinrad, 1998). Dadurch lernen die Kinder
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
337
konstruktiv mit emotional negativen Situationen umzugehen und emotionale Kompetenzen auszubauen (Fabes, Poulin, Eisenberg, Madden-Derdich, 2002; Shaffer, Suveg,
Thomassin, Bradbury, 2012). Nicht unterstützende Reaktionen umfassen Verhaltensweisen, welche die Emotionen des Kindes abwerten, keinerlei Hilfen zur Regulation
der emotionalen Erregung anbieten und vermitteln, dass der Ausdruck von Emotionen vermieden werden sollte (Eisenberg et al., 1998). Als Konsequenz lernen Kinder
Emotionen als bedrohlich anzusehen und emotional herausfordernde Situationen zu
vermeiden (McElwain et al., 2007). Nicht unterstützende Reaktionen wurden in Zusammenhang mit intensiverem kindlichen Ausdruck negativer Emotionen (Fabes et
al., 2002), einem Mangel an anpassungsfähiger Bewältigung (Otterpohl, Imort, Lohaus, Heinrichs, 2012) sowie höherem externalisierenden Verhalten gebracht (Franiek
u. Reichle, 2007). Darüber hinaus weist eine aktuelle Längsschnittstudie mit Jugendlichen und ihren Eltern Zusammenhänge zwischen elterlichem Erziehungsverhalten,
Emotionsregulation und psychosozialer Anpassung nach, die auf eine Mediatorrolle
hindeuten (Otterpohl u. Wild, 2015). Dementsprechend wurde in einer zweiten Hypothese erwartet, dass der Zusammenhang zwischen unterstützenden und nicht unterstützenden Strategien und internalisierendem und externalisierendem kindlichen
Problemverhalten durch die Emotionsregulationsfähigkeit des Kindes mediiert wird.
Zur Erfassung der elterlichen Sozialisationsstrategien wurden in bisherigen Studien
vorrangig Fragebogenmaße verwendet, anhand derer die Zustimmung zu vorgefassten
standardisierten Items abgefragt wird. In der vorliegenden Untersuchung wurde ein
qualitatives Interviewverfahren angewendet, um die Vielfalt der tatsächlichen Verhaltensweisen ökonomisch, differenziert und losgelöst von vorgegebenen Strategie- und
Antwortkategorien zu erfassen (Friedlmeier, Corapci, Benga, 2013). Angelehnt an die
Literatur wurde zwischen unterstützenden (zum Emotionsausdruck ermutigenden,
emotions- und problemorientierten) und nicht unterstützenden (herabspielenden, bestrafenden, nicht akzeptierenden, ignorierenden) Strategien unterschieden.
2
Methode
2.1 Stichprobe
An der Studie nahmen 53 Mutter-Kind-Dyaden aus dem süddeutschen Raum teil.
Die Familien wurden für eine entwicklungspsychologische Längsschnittstudie über
Geburtsanzeigen aus Archiven der Lokalpresse rekrutiert, als die Kinder drei Jahre alt waren. In die Analysen zu den hier berichteten Forschungsfragen wurde der
Messzeitpunkt kurz vor der Einschulung der Kinder einbezogen. Alle Kinder (51 %
Mädchen; MAlter= 6.02 Jahre, SD = .14) waren in Deutschland geboren und die Mehrheit sprach Deutsch als Familiensprache. Die interviewten Mütter waren zum Zeitpunkt des Interviews im Durchschnitt 39 Jahre alt (M = 39.38, SD = 4.18 Jahre). Sie
waren mehrheitlich erwerbstätig (70.5 %) und verheiratet (91.1 %). Fast die Hälfte
338 A. Fäsche et al.
der Teilnehmerinnen (46.5 %) hatte einen Universitätsabschluss. Die Mehrheit der
Familien (90.7 %) ordnete sich der mittleren bis oberen Mittelschicht zu. Sie waren
somit bezüglich der Bildung und des sozioökonomischen Status im Vergleich zum
Bundesdurchschnitt relativ privilegiert. Die teilnehmenden Familien konnten jedoch
als repräsentativ für junge Familien in den Regionen betrachtet werden, in denen die
Daten erhoben wurden (Suchodoletz u. Gunzenhauser, 2013).
2.2 Durchführung
In einem Informationsschreiben, dem die Einverständniserklärung für die Erhebung der hier berichteten Daten beigefügt war, wurden die Familien über die Ziele
der Studie, insbesondere des Interviews, informiert. Die Interviews zum Umgang
der Mütter mit kindlichen Emotionen wurden von den Autoren dieses Beitrags bei
den Müttern zu Hause durchgeführt und auf Tonband aufgezeichnet. Zur Erfassung
der Emotionsregulation und des Problemverhaltens des Kindes wurden Fragebögen
eingesetzt, die von den Müttern ausgefüllt wurden. Die Fragebögen wurden innerhalb einer bis zwei Wochen nach dem Interviewtermin in einem frankierten Rückumschlag zurückgeschickt. Eine vertrauliche Behandlung der Daten wurde zugesichert. Als Aufwandsentschädigung erhielten die Mütter für die Teilnahme am
Interview und für das Ausfüllen der Fragebögen Büchergutscheine im Wert von
zehn Euro. Die Familien wurden nach Abschluss der Analysen schriftlich über die
Ergebnisse der Studie informiert.
2.3 Verfahren
Emotionsregulation der Kinder. Die Emotionsregulation der Kinder wurde mit der
Emotion Regulation Checklist (ERC; Shields u. Cicchetti, 1997) erfasst, die aus dem
Englischen übersetzt und rückübersetzt wurde. Der Fragebogen umfasst 24 Items. Die
Mütter schätzten das Verhalten ihrer Kinder auf einer vierstufigen Likert-Skala von
1 (nie) bis 4 (fast immer) ein. In Anlehnung an Davidov und Grusec (2006) wurden
mit 17 Items vier Unterskalen gebildet: Ausdruck angemessener negativer Emotionen
(zwei Items, z. B. „Mein Kind kann es sagen, wenn sie/er sich traurig, ärgerlich oder
wütend, ängstlich oder besorgt fühlt.“, M = 3.11, SD = .66, Pearson’s r = .42, p < .001),
Kontrolle unangemessener bzw. übertriebener negativer Emotionen (acht Items, z. B.
„Mein Kind reagiert ärgerlich auf Grenzsetzungen von Erwachsenen.“, rekodiert, M =
3.19, SD = .37, Cronbach’s α = .69), Ausdruck angemessener positiver Emotionen (drei
Items, z. B. „Mein Kind reagiert positiv auf neutrale oder freundliche Vorschläge von
Gleichaltrigen.“, M = 3.33, SD = .46, Cronbach’s α = .70) und Kontrolle unangemessener positiver Emotionen (vier Items, z. B. „Mein Kind kann mit Aufregung in emotional erregenden Situationen umgehen.“, M = 3.19, SD = .56, Cronbach’s α = .51). Die
interne Konsistenz der Unterskalen Kontrolle unangemessener negativer Emotionen
und Ausdruck angemessener positiver Emotionen ist akzeptabel und vergleichbar
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
339
mit Ergebnissen anderer Studien (Graziano, Reavis, Keane, Calkins, 2007). Dagegen
wiesen die Unterskalen Ausdruck angemessener negativer Emotionen und Kontrolle
unangemessener positiver Emotionen eine nicht hinreichende interne Konsistenz auf
und wurden deshalb aus den Analysen ausgeschlossen.
Internalisierendes und externalisierendes Verhalten der Kinder. Das internalisierende
und externalisierende Verhalten der Kinder wurde mit dem Strengths and Difficulties
Questionnaire erfasst, einem weit verbreiteten Screeningverfahren in Forschung und
klinischer Praxis (SDQ; deutsche Version: Klasen et al., 2000). Die Mütter beurteilten
Verhaltensweisen und Eigenschaften ihrer Kinder auf einer dreistufigen Likert-Skala
von 1 (nicht zutreffend) bis 3 (eindeutig zutreffend). Von den 25 Items des SDQ wurden 20 für die Bildung der hier verwendeten Unterskalen genutzt (Goodman, Lamping,
Ploubidis, 2010). Internalisierendes Problemverhalten wurde mit den Unterskalen Emotionale Symptome (fünf Items, z. B. „Hat viele Ängste; fürchtet sich leicht.“) und Verhaltensprobleme mit Gleichaltrigen (fünf Items, z. B. „Wird von anderen gehänselt oder schikaniert.“) gemessen (M = 12.89, SD = 2.73). Externalisierendes Problemverhalten wurde
mit den Unterskalen Hyperaktivität (fünf Items, z. B. „unruhig, überaktiv, kann nicht
lange stillsitzen“) und Verhaltensprobleme (fünf Items, z. B. „Lügt oder mogelt häufig“)
operationalisiert (M = 14.82, SD = 2.80). Für die Analysen wurden Summenwerte gebildet. Die internen Konsistenzen sind mit Cronbach’s α = .67 für jeweils internalisierendes
und externalisierendes Problemverhalten als akzeptabel zu bewerten.
Interview zum Umgang der Mütter mit Emotionen der Kinder. Grundlage für das
Interview bildete der Interviewleitfaden von Friedlmeier et al. (2013) für Familien mit
zweijährigen Kindern. Dieser Leitfaden wurde übersetzt, rückübersetzt und für die
Anwendung mit fünf- bis sechsjährigen Kindern angepasst. Den Müttern wurden insgesamt zwölf kurze Situationen wörtlich standardisiert vorgelesen, in denen ihr Kind
eine negative Emotion erlebt (z. B. „Lisa [ersetzt jeweils durch den Namen des Kindes] verliert einen wertvollen Besitz und reagiert mit Tränen“). Auf jede Situationsschilderung folgte die standardisierte Frage, wörtlich „Wie würden Sie reagieren?“. Die
transkribierten Interviewantworten wurden durch die Erstautorin sowie eine intensiv
geschulte Psychologiestudentin (Training in 35 Stunden) mittels des Kodierschemas1
von Friedlmeier et al. (2013) kodiert. Sieben Verhaltenskategorien wurden zur Auswertung der mütterlichen Reaktionen herangezogen: Ermutigung des Emotionsausdrucks (M = .58, SD = 1.18), emotionsorientierte Reaktionen (M = 9.97, SD = 3.17),
problemorientierte Reaktionen (M = 7.97, SD = 3.06) als Indikatoren unterstützender
Strategien, Herabspielen (M = .83, SD = .74), Bestrafen (M = .06, SD = .23), Inakzeptanz
(M = 1.31, SD = 1.19) und Ignorieren (M = .33, SD = .59) als Indikatoren nicht unterstützender Strategien (Tab. A1, Appendix A). Pro Antwort konnten maximal sechs
unterschiedliche Verhaltenskategorien kodiert werden. Die Häufigkeit der Vergabe
der jeweiligen Kategorien wurde über alle Situationen und alle Subkategorien ermit1 Weitere Informationen zum Interviewleitfaden und Kodierschema können direkt von den Auto-
ren angefordert werden.
340 A. Fäsche et al.
telt und als Summenwert für die Analyse verwendet. Die Beurteilerübereinstimmung
der Kodierungen pro Kategorie und pro Situation wurde anhand von 15 Interviews
(28,30 %) mit Cohen’s Kappa κ überprüft (Wirtz, 2004). Die Werte lagen zwischen
Cohen’s κ = .951 (emotionsorientierte Reaktion) und Cohen’s κ = 1.000 (bestrafende und ignorierende Reaktion); der Mittelwert über alle Kategorien und Situationen
hinweg lag bei Cohen’s κ = .985, was nach Landis und Koch (1977) einer fast vollkommenen Übereinstimmung entspricht.
2.4 Analytische Strategie
Die Hypothesen zu den direkten und indirekten Zusammenhängen wurden mit multivariaten multiplen Regressionen und Pfadanalysen in Mplus Version 7.3 (Muthén
u. Muthén, 2012) unter Verwendung der Bayes-Schätzung ohne informative a priori
Werte untersucht. Dieser Ansatz ermöglicht Analysen auf Grundlage kleiner Stichproben mit einem höheren Anteil fehlender Werte, während er robust gegenüber
Verteilungsannahmen der geschätzten Parameter ist (van de Schoot et al., 2014). Es
wurden vier Reihen in der Markov Chain Monte Carlo Schätzung mit einer Ausdünnungsfunktion (50 Ziehungen) zur Kontrolle von Autokorrelationen verwendet.
Alle Modelle konvergierten innerhalb 50.000 Iterationen. Darüber hinaus ist eine
gute Konvergenz gegeben, wenn der potenzielle Skalenreduktionsfaktor (potential
scale reduction factor, PSR) bei der Ausführung des Modells mit steigender Iterationszahl um 1.000 rangiert und der posteriore prädiktive p-Wert des Modells von 0
bzw. 1 abweicht (Asparouhov u. Muthén, 2010). Bedeutsame Effekte werden durch
ein bedingtes Konfidenzintervall der festgesetzten posterioren Verteilung der Parameter (Bayes’sches Kredibilitätsintervall, BCI) mit Nullausschluss angezeigt. Die
Bedeutsamkeit der Effekte wird anhand 90 %- bzw. 95 %-BCIs beurteilt. In allen
Analysen wurde für Geschlecht und Alter des Kindes kontrolliert. Fehlende Werte
wurden mittels Gibbs-Algorithmus während der Modellschätzung imputiert.
3
Ergebnisse
3.1 Vorbereitende Analysen
Mütter von Töchtern berichteten tendenziell mehr emotionsorientierte Reaktionen
als Mütter von Söhnen, t(50) = 1.91, p < .10. Es ergaben sich keine weiteren Geschlechtsunterschiede in anderen Variablen. Ältere im Vergleich zu jüngeren Kindern konnten ihre negativen Emotionen schlechter kontrollieren, positive Emotionen schlechter ausdrücken, hatten mehr internalisierende Probleme und ihre
Mütter verwendeten weniger problemorientierte sowie mehr ignorierende Reaktionen (s. Tab. 1).
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
341
Tabelle 1: Bivariate Korrelationen der Studienvariablen
1
2
Emotionsregulation des Kindes
1 Kontrolle unangemes- –
sener neg. Emotionen
2 Ausdruck angemes.59*** –
sener pos. Emotionen
Verhalten des Kindes
3 Internalisierend
-.47*** -.49***
4 Externalisierend
-.68*** -.54***
Mütterliche Emotionssozialisation
5 Ausdruck ermutigen
.06 -.04
6 Emotionsorientiert
-.07
.26
7 Problemorientiert
.09
.11
8 Herabspielen
-.41** -.03
9 Bestrafen
.18
.10
10 Inakzeptanz
-.32+ -.26
11 Ignorieren
-.13 -.27+
Kontrollvariable
12 Alter des Kindes
-.27* -.25*
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
–
.40** –
-.15 .02 –
.10 -.06 .03 –
.14 .17 -.06 .19
–
-.01 .22 -.25+ -.18 -.21
-.07 -.05 -.09 -.07 -.11
.13 .34* .01 .19
.07
-.04 -.01 .25 -.46*** -.32*
.32*
.15
.13
-.16
–
.18 –
.23 .15 –
.19 -.12 -.08
-.42** .10
–
.02 -.11 .47***
–
Anmerkung. +p < 0.10, *p < 0.05, **p < 0.01,***p < 0.001. Mindestens n = 45 für Indikatoren der Emotionsregulation und des Problemverhalten des Kindes, mindestens n = 48 für Indikatoren mütterlicher
Emotionssozialisation.
3.2 Zusammenhänge zwischen Emotionsregulationsfähigkeit und
Problemverhalten des Kindes
Direkte Zusammenhänge zwischen den Indikatoren der Regulationsfähigkeit negativer und positiver Emotionen und dem Problemverhalten der Kinder wurden simultan mittels multivariater multipler Regressionen analysiert (s. Tab. 2, folgende Seite).
Das Modell zeigte einen guten Fit mit den Daten (posteriorer prädiktiver p-Wert =
.373, PSR-Werte zwischen 1.001 und 1.016). Als Maß für die Effektstärke wurde die
Varianz bestimmt, die in den abhängigen Variablen durch das Modell erklärt wurde
(R2). Das Modell erklärte 48 % der Varianz im internalisierenden (95 %-BCI .26, .68)
und 45 % im externalisierenden Verhalten des Kindes (95 %-BCI .22, .67).
3.3 Zusammenhänge zwischen mütterlicher Emotionssozialisation und
Problemverhalten des Kindes und der Emotionsregulation als Mediator
Zur Untersuchung der direkten und indirekten Beziehungen zwischen mütterlicher
Emotionssozialisation und internalisierendem und externalisierendem Problemverhalten des Kindes wurden Pfadanalysen mit den Indikatoren der kindlichen Emoti-
342 A. Fäsche et al.
onsregulationsfähigkeit als mögliche Mediatoren verwendet. Aufgrund der kleinen
Stichprobe und damit verbundener Konvergenzprobleme wurden zwei Modelle berechnet: Modell 1 stellt die Zusammenhänge der unterstützenden und Modell 2 der
nicht unterstützenden Sozialisationsstrategien mit dem kindlichen Problemverhalten vermittelt über die Regulation negativer und positiver Emotionen dar (s. Abb. 1,
übernächste Seite). Die Modelle wiesen einen guten Fit zu den Daten auf (posteriore
prädiktive p-Werte: Modell 1 = .181, Modell 2 = .240; PSR-Werte zwischen 1.001
und 1.041). Die Analyse von Modell 1 zeigte keine bedeutsamen indirekten Beziehungen mütterlicher Emotionssozialisationsstrategien mit dem internalisierenden
oder externalisierenden Problemverhalten des Kindes. Das Modell belegte darüber
hinaus entgegen den Erwartungen bedeutsame positive direkte Zusammenhänge
mütterlicher problemorientierter Reaktionen mit sowohl internalisierendem (unstandardisiertes b = .24, SD = .14, 90 %-BCI .01, .45) als auch externalisierendem
Problemverhalten des Kindes (unstandardisiertes b = .31, SD = .15, 95 %-BCI .01,
.58). Durch das Modell 1 wurden 52 % Varianz im internalisierenden (95 %-BCI .30,
.68) und 55 % im externalisierenden Verhalten (95 %-BCI .31, .74) erklärt.
Tabelle 2: Direkte Zusammenhänge zwischen der Emotionsregulationsfähigkeit und dem internalisierenden und externalisierenden Problemverhalten des Kindes
Abhängige Variablen
Internalisierendes Verhalten
Externalisierendes Verhalten
b (SD) 95 %-BCI 90 %-BCI β (SD) b (SD) 95 %-BCI 90 %-BCI β (SD)
Emotionsregulation
Kontrolle unan-2.49
-4.76
-4.51
-.33 -4.62
-7.08
-6.58
-.59
gemessener neg.
(1.17)
-.31
-.59
(.15) (1.26)
-2.14
-2.63
(.14)
Emotionen
Ausdruck ange-2.18
-4.01,
-4.04
-.35
-.54
-2.75
-1.58
-.09
(.98)
-.24
-.47
(.15) (1.06)
1.42
1.93
(.17)
messener pos.
Emotionen
Kontrollvariablen
.37
-1.21
-.87
.07
-.32
-1.80
-1.42
-.06
Geschlecht des
(.74)
1.79
1.55
(.13)
(.77)
1.18
1.11
(.13)
Kindes a
Alter des Kindes
.21
-.22
-.16
.12
-.11
-.56
-.57
-.06
(.22)
.64
.58
(.13)
(.24)
.37
.20
(.14)
Anmerkung. a 0 = Jungen, 1 = Mädchen. SD entspricht der posterioren Standardabweichung des durch
Bayes-Schätzung bestimmten Regressionskoeffizienten (b entspricht dem unstandardisierten, β dem
standardisierten Koeffizienten). Ein fett gedruckter Koeffizient symbolisiert eine bedeutsame Schätzung, die durch ein Bayes’sches Kredibilitätsintervall (BCI) ohne Null-Einschluss angezeigt ist.
Die Analyse von Modell 2 (s. Abb. 1, übernächste Seite) ergab einen bedeutsamen
positiven indirekten Effekt der mütterlichen herabspielenden (unstandardisiertes b =
.74, SD = .52, 90 %-BCI .06, 1.70) und nicht akzeptierenden Reaktion (unstandardisiertes b = -2.26, SD = 1.53, 90 %-BCI -4.80, -.02), sowie einen negativen indirekten
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
343
Effekt der mütterlichen bestrafenden Reaktion (unstandardisiertes b = .44, SD = .29,
90 %-BCI .01, .95) jeweils auf das externalisierende Verhalten des Kindes, vermittelt
über die Kontrolle unangemessener negativer Emotionen. Darüber hinaus belegte das
Modell einen bedeutsamen negativen direkten Zusammenhang zwischen der mütterlichen nicht akzeptierenden Reaktion mit dem Ausdruck angemessener positiver
Emotionen (unstandardisiertes b = -.12, SD = .06, 95 %-BCI -.23, -.01) sowie zwischen der ignorierenden Reaktion und dem internalisierenden Verhalten des Kindes
(unstandardisiertes b = -1.71, SD = .70, 95 %-BCI -3.09, -.31). Die durch das Modell
2 erklärte Varianz im internalisierenden Verhalten belief sich auf 58 % (95 %-BCI .38,
.76), im externalisierenden Verhalten auf 49 % (95 %-BCI .28, .74).
4
Diskussion
Die vorliegende Studie untersuchte die Rolle der Regulation negativer und positiver
Emotionen für das Auftreten psychosozialer Anpassungsschwierigkeiten bei Kindern kurz vor dem Schuleintritt. Neben direkten Zusammenhängen wurden auch
indirekte Einflüsse mütterlicher Emotionssozialisation auf das internalisierende und
externalisierende Verhalten des Kindes geprüft, wobei die Regulation negativer und
positiver Emotionen als potenzieller Mediator getestet wurde. Als Ergebnis der Voranalysen hinsichtlich der internen Konsistenz der verwendeten Skalen zur Emotionsregulation konnten nur die Unterskalen Ausdruck angemessener positiver und
Kontrolle unangemessener negativer Emotionen verwendet werden.
In Übereinstimmung mit bisheriger Forschung (vgl. Morgan et al., 2014) wurde
ein direkter Zusammenhang zwischen der kindlichen Emotionsregulation und dem
Problemverhalten belegt. Im Einzelnen zeigte sich, dass eine bessere Kontrolle unangemessener negativer Emotionen mit weniger externalisierendem als auch geringerem internalisierenden Verhalten, hingegen ein besserer Ausdruck angemessener
positiver Emotionen nur mit weniger internalisierendem Verhalten zusammenhing.
Entsprechend Befunden anderer Arbeiten (z. B. Eisenberg et al., 2001) legt dieses Ergebnismuster nahe, dass internalisierende Probleme mit einem ausdrucksschwachen
Stil der Emotionsregulation einhergehen. Externalisierende Probleme scheinen eher
mit Schwierigkeiten in der Kontrolle des Ausdrucks unangemessener negativer Emotionen verbunden zu sein, was in früheren Arbeiten als ein impulsiver und unterkontrollierter Stil der Emotionsregulation beschrieben wurde (z. B. Kim u. Cicchetti,
2010). Bisher gab es kaum Studien, die sowohl die Regulation negativer als auch positiver Emotionen in Bezug zur sozialen Anpassung gleichzeitig betrachteten (Tugade u.
Fredrickson, 2007). Die vorliegende Arbeit liefert erste Hinweise, dass im Kindesalter
unterschiedliche Problemverhaltensweisen mit Regulationsdefiziten hinsichtlich verschiedener emotionaler Valenzen verbunden zu sein scheinen.
Wie im Tripartite Model (Morris et al., 2007) angedeutet, belegen die vorliegenden
Ergebnisse eine vermittelnde Rolle der Regulation negativer Emotionen für Zusammen-
344 A. Fäsche et al.
A. Modell 1:Unterstützende Reaktionen, Regulation negativer und positiver Emotionen und Verhalten
Ermutigende
Reaktion
Kontrolle
unangemessener
negativer Emotionen
Emotionsorientierte
Reaktion
Ausdruck
angemessener
positiver Emotionen
Problemorientierte
Reaktion
-.28 (.17)
-.59 (.14)
-.39 (.16)
Internalisierendes
Verhalten
Externalisierendes
Verhalten
.31 (.15)
.26 (.14)
B. Modell 2: Nicht unterstützende Reaktionen, Regulation negativer und positiver Emotionen und Verhalten
Herabspielende
Reaktion
Bestrafende
Reaktion
-.29 (.15)
.29 (.14)
Kontrolle
unangemessener
negativer Emotionen
-.65 (.17)
-.29 (.14)
Nicht akzeptierende
Reaktion
Ignorierende
Reaktion
-.33 (.18)
-.36 (.17)
-.30 (.14)
Ausdruck
angemessener
positiver Emotionen
Internalisierendes
Verhalten
Externalisierendes
Verhalten
-.34 (.14)
Abbildung 1: Pfadmodelle zur Überprüfung direkter und indirekter Beziehungen zwischen mütterlichen
Strategien der Emotionssozialisation und kindlichem Problemverhalten. Für eine anschauliche Interpretierbarkeit der bedeutsamen direkten Zusammenhänge sind standardisierte Koeffizienten (β) aufgeführt; die
unstandardisierten Koeffizienten b finden sich im Text in Abschnitt 3.3. Normal gedruckte Zahlen symbolisieren bedeutsame Koeffizienten mit einem 90 %-BCI, fett gedruckte Zahlen bedeutsame Koeffizienten mit
einem 95 %-BCI, und fett-kursiv gedruckte Zahlen bedeutsame Koeffizienten mit einem 99 %-BCI, jeweils
ohne Nulleinschluss. In Klammern gesetzte Zahlen entsprechen den jeweiligen posterioren Standardfehlern
der standardisierten Koeffizienten. Für die Überprüfung der indirekten Zusammenhänge wurde die Emotionsregulationsfähigkeit des Kindes als möglicher Mediator untersucht. Die Schätzgrößen für die bedeutsamen indirekten Zusammenhänge (unstandardisierte b-Werte) sind im Text in Abschnitt 3.3 aufgeführt.
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
345
hänge zwischen Aspekten nicht unterstützender Sozialisationsstrategien und externalisierenden Problemen. Hierbei fand sich für herabspielende und nicht akzeptierende
Reaktionen eine positive Mediation und für bestrafende Reaktionen eine negative Mediation. Es scheint demnach möglich, dass Eltern durch das Abwerten der kindlichen
Emotion keine Unterstützung bei der Minderung der emotionalen Spannung anbieten
und viel mehr weitere negative Emotionen beim Kind induzieren. Dies kann sich wiederum in einer höheren emotionalen Dysregulation (Eisenberg et al., 1998; Shaffer et al.,
2012) und höherem externalisierenden Verhalten niederschlagen (Schreyer-Mehlhop u.
Petermann, 2011). Entgegen unseren Erwartungen zeigte sich, dass Eltern durch Bestrafung des Emotionsausdrucks die kindliche Kontrolle der negativen Emotionen fördern
und dadurch eine Verringerung des externalisierenden Verhaltens bewirken können.
Vermutlich steht dieses Ergebnis mit dem momentanen Entwicklungsalter der Kinder
in Verbindung. Kurz vor der Einschulung erwarten Eltern von ihren Kindern in den
meisten alltäglichen Situationen eine angemessene Regulation negativer Emotionen und
reagieren daher bestrafend, wenn dies nicht gelingt. Die Kinder erkennen, dass der Ausdruck nicht angebracht war, was sich in einer besseren Kontrolle ihrer Emotionen und
damit verbunden in weniger externalisierendem Verhalten widerspiegeln kann. Unklar
ist jedoch, ob dieser positive Zusammenhang mit der Kontrolle unangemessener negativer Emotionen möglicherweise nur eine oberflächliche Regulation des Emotionsausdrucks bedeutet und das emotionale Erleben dysreguliert bleibt (Gross, Richards, John,
2006). Die vorliegenden Ergebnisse zeigten auch, dass die vermehrte Verwendung von
ignorierenden Reaktionen in direkter Verbindung mit weniger kindlichen internalisierenden Problemen steht. Möglicherweise ändert sich auch hier die Richtung des Zusammenhangs vom Kleinkindalter bis zur Vorschulzeit, wobei die ignorierende Reaktion
das Ausagieren der Emotion ermöglicht. Diese Interpretationsansätze sollten in späteren
Studien unter Verwendung längsschnittlicher Designs weiter geprüft werden.
Unerwartet ist jedoch, dass in der vorliegenden Studie die Ausdrucksregulation
positiver Emotionen keinerlei Bedeutung für die Mediation des Zusammenhangs
zwischen mütterlichen Sozialisationsstrategien und kindlicher Psychopathologie hatte. Eine mögliche Erklärung kann in den wechselseitigen Mechanismen zwischen Eltern und Kind liegen. Das Tripartite Model nimmt an, dass Merkmale der Eltern (z.
B. psychisches Wohlbefinden) und der Kinder (z. B. Temperament) Einfluss auf die
beschriebenen Zusammenhänge haben. Erste empirische Untersuchungen bestätigen
diese Annahme (Otterpohl u. Wild, 2015). Andere Studien weisen daraufhin, dass die
kindliche Affektivität oder mütterliche Depressivität den Effekt elterlicher Sozialisationsstrategien moderiert (Yap, Allen, Sheeber, 2007). Die fehlende Mediation kann
aber auch durch die geringe Power in der Analyse aufgrund der Stichprobengröße bedingt sein (s. Abschnitt 5). Das Mediationsmodell 2 deutet durchaus eine vermittelnde
Funktion der Ausdrucksregulation positiver Emotionen für Zusammenhänge nicht
unterstützender Reaktionen der Mutter (hier nicht akzeptierende Reaktionen) und
dem internalisierenden Problemverhalten des Kindes an (s. Abb. 1). In weiteren Studien mit größeren Stichproben ist zu prüfen, ob sich diese Hinweise bestätigen lassen.
346 A. Fäsche et al.
Ein weiteres unerwartetes Ergebnis bestand in den fehlenden Zusammenhängen
zwischen den unterstützenden Reaktionen der Mutter und der Fähigkeit zur Emotionsregulation des Kindes, wobei gleichzeitig mehr problemorientierte Reaktionen mit
einem stärkeren internalisierenden als auch externalisierenden Problemverhalten einhergingen. Obwohl dieses Muster der Replikation in größeren und repräsentativeren
Stichproben bedarf, steht es im Einklang mit vorläufigen Ergebnisse mehrerer internationaler Forschungsprojekte, dass insbesondere ältere Kinder unterschiedlich von unterstützenden Sozialisationsbemühungen ihrer Eltern profitieren (u. a. Shaffer, Shipman,
Fitzgerald, Loucks, 2015). Während der Entwicklung im mittleren Kindesalter bauen
Kinder kontinuierlich ihre Fertigkeiten aus und gewinnen mehr und mehr Autonomie,
wobei die elterliche Unterstützung gleichzeitig an Einfluss verliert. So konnte bereits gezeigt werden, dass elterliche Überzeugungen über die Anleitung der kindlichen emotionalen Entwicklung negativ mit emotionalen Fertigkeiten in der mittleren Kindheit
verbunden sind (Dunsmore, Her, Halberstadt, Perez-Rivera, 2009).
5
Einschränkungen und Ausblick
Die vorliegende Studie weist einige Einschränkungen auf. Die Stichprobe ist relativ
klein. Zwar wurde durch Verwendung des Bayes-Ansatzes damit verbundenen Einschränkungen für statistische Voraussetzungen entgegengewirkt (vgl. van de Schoot
et al., 2014). Dennoch sind die Möglichkeiten ein Modell mit allen betrachteten Variablen zu berechnen beschränkt. Die Stichprobe ist bezogen auf sozioökonomischen
Status und Bildungshintergrund relativ privilegiert, was die Verallgemeinerung der
Ergebnisse erschwert. Eine Replikation im klinischen Setting wäre interessant, um
noch konkretere Hinweise für die Gestaltung von Interventionsstudien ableiten zu
können. Zudem treten die betrachteten mütterlichen Reaktionen auf den kindlichen
Emotionsausdruck unterschiedlich häufig auf. Gemäß anderer Studien im westlichen Kulturraum (vgl. Fabes et al., 2002) werden von Müttern deskriptiv häufiger
unterstützende als nicht unterstützende Verhaltensweisen berichtet. Verbunden mit
der kleinen Stichprobengröße musste auf die detailliertere Betrachtung der Zusammenhänge auf Ebene der Unterkategorien (bspw. Ablenkung oder Neubewertung
für emotionsorientierte Reaktionen, vgl. Tab. A1 im Anhang) in den Mediationsmodellen verzichtet werden.
Eine weitere Einschränkung bezieht sich auf die verwendeten Maße, die ausschließlich auf Müttereinschätzungen beruhen, was wahrscheinlich zu einer Überschätzung
der Zusammenhänge führt (Gunzenhauser, Fäsche, Friedlmeier, Suchodoletz, 2014).
Zur Absicherung der Ergebnisse wären zur Messung der kindlichen Emotionsregulation oder des Sozialverhaltens standardisierte Beobachtungen oder Fremdbeurteilungen durch dritte Personen (u. a. pädagogische Fach- und Lehrkräfte, Väter)
wünschenswert. Die hier aufgetretenen internen Konsistenzprobleme belegen die
Herausforderungen in der adäquaten Messung der Emotionsregulation in dieser Al-
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Emotionsregulation als Mediator zwischen Mutter und Kind������
347
tersgruppe. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der inhaltlichen Überlappung der
Items aus Verfahren zur Erfassung unterschiedlicher Konstrukte, wie es beispielsweise
zwischen ERC und SDQ hinsichtlich des Ausdrucks und der Regulation von Emotionen der Fall ist. Des Weiteren wurden durch das Interview nur die Reaktionen der
Mütter auf den negativen Emotionsausdruck des Kindes erfasst. In der Literatur wird
zwar mittlerweile davon ausgegangen, dass die Sozialisation positiver Emotionen auch
über Erfahrungen in sozialen Interaktionen mit negativen Emotionen erfolgt (Vaish,
Grossmann, Woodward, 2008). Dennoch sollten nachfolgende Studien auch die mütterlichen Reaktionen auf den Ausdruck positiver Emotionen erfassen. Abschließend
nutzt die vorliegende Studie ein querschnittliches Datendesign. Damit können keine Schlussfolgerungen hinsichtlich Kausalität und mögliche Veränderungen über die
Zeit getroffen werden.
Fazit für die Praxis
Der vorliegende Beitrag verdeutlicht, dass eine differenzierte Betrachtung zwischen Ausdruck angemessener und Kontrolle unangemessener Emotionen sowie
zwischen der Regulation positiver und negativer Emotionen zum Verständnis der
Bedeutung der Emotionsregulationsfähigkeit für das Auftreten von Verhaltensauffälligkeiten im Kindergartenalter beiträgt. Zur Prävention der Entwicklung
von Problemverhalten sollten Kinder im Umgang mit ihren positiven als auch
negativen Emotionen in emotional aufwühlenden Situationen unterstützt werden, um ihre Regulationsfähigkeit zu stärken und das Repertoire angemessener
Bewältigungsstrategien langfristig zu erhöhen. Elterntrainings sollten entsprechend durch weitere Module ergänzt werden, um Eltern über die Möglichkeiten
zur Förderung der Emotionsregulation im Umgang mit dem Ausdruck negativer
Emotionen ihrer Kinder zu informieren.
348 A. Fäsche et al.
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Tabelle A1: Übersicht zum Aufbau des Kodierschemas (adaptiert nach Friedlmeier et al., 2013)
Unterstützende
Reaktionen
Hauptkategorie
Emotionsausdruck ermutigen
Emotionsorientiert
Problemorientiert
Nicht unterstützende Herabspielen
Reaktionen
Bestrafen
Inakzeptanz
Ignorieren
Unterkategorie
Direkte Ermutigung
Indirekte Ermutigung
Verbale Beschwichtigung
Non-verbale Beschwichtigung
Ablenkung
Scaffolding
Neubewertung
Beobachtung
Anleitung
Intervention
Abwerten
Bestimmtheit
Entziehen von Privilegien
Ohne Erklärung
Bezug auf soziale Normen
Bezug auf das gegenüber
Vermeiden
Passives Ignorieren
Korrespondenzanschrift: Anika Fäsche, Universität Freiburg, Institut für Psychologie,
Abteilung für Pädagogische und Entwicklungspsychologie, Engelbergerstr. 41, D-79085
Freiburg; E-Mail: [email protected]
Antje von Suchodoletz, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland, und New York Universität,
Abu Dhabi, VAE; Wolfgang Friedlmeier, Grand Valley State University, Grand Rapids, USA; Catherine
Gunzenhauser, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland, und Universität Leipzig, Leipzig,
Deutschland; Anika Fäsche, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Deutschland
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Selbstberichtete Ängste und Strategien zu deren Regulation
bei Kindern im Grundschulalter
Yvonne Otto, Katja Kolmorgen, Anna Andreas, Claudia Köppe, Kai von Klitzing
und Annette M. Klein1
Summary
Self-reported Anxiety and Regulation Strategies in Primary School-age Children
We examined the self-reported anxiety in different situations (social anxiety, cognitive fears,
fears of injury) and the use of regulation strategies (problem orientation, problem avoidance
and seeking social support) in a sample of N = 175 primary school children (mean age 8 years 4
months). At time of recruitment we oversampled for children with internalizing symptoms. In
addition, mothers rated the overall anxiety of their children. According to their mothers 14.3 %
of the children showed anxiety symptoms in an abnormal range which is comparable to prevalence rates of children from population samples. 19.4 % of the children described themselves as
being anxious in an abnormal range. The correlations between different measures of children’s
self-reported anxieties were low to moderate. We found no significant correlations between
mothers’ and children’s reports. The higher children’s self-reported overall and cognitive anxiety,
the more frequently they reported seeking social support in frightening situations. Girls reported more frequently pm cognitive fears than boys. Regarding regulation strategies we found that
boys reported more problem orientation than girls whereas girls reported more social support
seeking than boys. The results are discussed and practical implications are outlined.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 351-367
Keywords
emotion regulation – regulation strategies – anxiety symptoms – anxiety disorder – primary
school age
Zusammenfassung
In dieser Studie wurden N = 175 Grundschulkinder (M = 8;4 Jahre), von denen ein erhöhter Anteil zum Rekrutierungszeitpunkt internalisierende Symptome aufwies, mittels
des Bochumer Angstverfahrens für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter (BAV 3-11)
nach ihrem Angstempfinden in verschiedenen potenziell angstauslösenden Situationen
1 Diese Studie wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (KL2315/1-2 und KL 2338/1-2).
Die Autoren danken dem Gesundheitsamt der Stadt Leipzig für die Kooperation bei der Rekrutierung
der Stichprobe sowie allen Kindern und Eltern, die mit ihrer Teilnahme die Studie unterstützen.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 351 – 367 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
352 Y. Otto et al.
(Soziale Ängstlichkeit, Kognitive Ängste, Angst vor Verletzungen) sowie ihren Regulationsstilen (Problemorientierung, Problemvermeidung, Suche nach sozialer Unterstützung)
befragt. Darüber hinaus lagen uns Angsteinschätzungen der Mütter vor und wir befragten
die Kinder mit einem weiteren kindgerechten Verfahren. Unsere Ergebnisse zeigen, dass
gemäß Mutterurteil 14,3 % der Kinder eine Gesamtängstlichkeit im auffälligen Bereich aufwiesen, was der Prävalenz repräsentativer Bevölkerungsstichproben entspricht. Im Selbstbericht schätzten sich 19,4 % der Kinder als auffällig ein. Wir fanden niedrige bis moderate
Zusammenhänge zwischen den Selbstaussagen der Kinder in den zwei unterschiedlichen
Verfahren, jedoch keine signifikanten Zusammenhänge mit den Einschätzungen der Mütter. Weiterhin zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen der Gesamtangst sowie
den kognitive Ängsten und der Suche nach sozialer Unterstützung. Im Selbstbericht äußerten Mädchen häufiger kognitive Ängste und häufiger die Regulationsstrategie „Suche
nach sozialer Unterstützung“ als Jungen. Jungen dagegen berichteten häufiger als Mädchen
Problemorientierung. Die Ergebnisse werden im Zusammenhang mit der bisherigen empirischen Befundlage diskutiert und praktische Implikationen formuliert.
Schlagwörter
Emotionsregulation – Regulationsstrategien – Angstsymptome – Angststörung – Grundschulalter
1
Theoretischer Hintergrund
Petermann und Kullik (2011, S. 188) definieren Emotionsregulation als den Einsatz
spezifischer Strategien, „durch die positive oder negative Emotionen und daraus resultierende Verhaltensweisen, Interaktionen und physiologische Zustände reguliert
werden“. Als adaptiv gelten aktive, problemlösende Strategien wie Problemorientierung, positive Modulation der eigenen Stimmung, Akzeptanz sowie eine kognitive Neubewertung der Situation. Zu den maladaptiven Strategien werden passiv
gehemmte Verhaltensweisen gezählt (z. B. Vermeidung oder Rückzug), aggressives
oder desorganisiertes Verhalten sowie Selbstabwertung oder Perseveration/Grübeln
(Grob u. Smolenski, 2009). Das Wissen über die Wirksamkeit von Emotionsregulationsstrategien entwickelt sich bereits im Kindergartenalter. Im Bereich der Angstregulation können z. B. die meisten Kinder ab fünf Jahren wirksame Strategien zur
Regulation von unwirksamen unterscheiden (Janke, 2010).
Im Zusammenhang mit der Genese psychischer Erkrankungen ist die Emotionsregulation beziehungsweise -dysregulation als Einflussfaktor zunehmend in
den wissenschaftlichen Fokus gerückt. Allgemein gilt das Erleben starker negativer
Emotionen in Kombination mit ineffizienten Strategien zu deren Regulation als
Kennzeichen verschiedener psychischer Erkrankungen (Aldao, Nolen-Hoeksema,
Schweizer, 2010).
Insbesondere im Bereich kindlicher Angststörungen – die mit einer Prävalenz von
ca. 10-15 % zu den häufigsten psychischen Störungen des Kindesalters zählen (z. B.
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Selbstberichtete Ängste und Regulationsstrategien������
353
Ihle u. Esser, 2002; Ravens-Sieberer et al., 2008) – besteht Forschungsbedarf. Im Fokus der vorliegenden Studie steht daher die Erfassung der Ängstlichkeit von Kindern
im Grundschulalter und der von den Kindern berichteten Angstregulationsstrategien.
Eine besondere diagnostische Herausforderung im Vorschul- und frühen Grundschulalter stellt die Abgrenzung einer klinisch relevanten Angstsymptomatik von altersangemessenen Ängsten dar (z. B. Angst im Dunkeln im Vorschulalter; Beesdo,
Knappe, Pine, 2009). Jedoch können auch Ängste auf einem subklinischen Niveau
mit deutlichen Beeinträchtigungen in der Entwicklung des Kindes, in seinem sozialen
Erleben und im Alltag der Familie einhergehen (Schmidt, 2003). Häufig sind Ängste
im Kindesalter in ihrer Intensität wechselhaft, Studien berichten jedoch über eine moderate (Klein, Otto, Fuchs, Reibiger, von Klitzing, 2014; Lavigne et al. 1998) bis höhere
Stabilität (Edwards, Rapee, Kennedy, 2010) von internalisierenden Symptomen beziehungsweise Ängsten im Kindesalter.
Um die Komplexität von Angststörungen adäquat abbilden zu können, wird häufig
die Einschätzung unterschiedlicher Informanten berücksichtigt. Dabei werden zumeist nur geringe bis moderate Übereinstimmungen zwischen Eltern- und Kindurteil
gefunden (Grills u. Ollendick, 2002). Dies wird jedoch als breite Symptomerfassung
und weniger als Defizit begriffen (Kraemer et al., 2003). Ab dem Vorschulalter stehen
kindgerechte Verfahren zur Erfassung von Ängsten im Selbstbericht zur Verfügung,
beispielsweise Bildverfahren (Bochumer Angstverfahren für Kinder im Vorschul- und
Grundschulalter, BAV 3-11; Mackowiak u. Lengning, 2010) und Handpuppeninterviews (z. B. Berkeley Puppet Interview, BPI; Ablow u. Measelle, 1993).
Emotionsdysregulation kann als ein bedeutsames Symptom von Angststörungen
bezeichnet werden, da betroffene Kinder mit einer emotionalen Hyperreagibilität auf
vermutete Bedrohungen reagieren (Carthy, Horesh, Apter, Edge, Gross, 2010) und es
ihnen im Vergleich zu unauffälligen Kindern schwerer fällt, negative Emotionen zu regulieren (Suveg u. Zeman, 2004). Es wird angenommen, dass der Erwerb von Regulationsstrategien insbesondere für Kinder, die häufig starke und negative Emotionen (z.
B. Angst) erleben, schwierig ist beziehungsweise dass sie aufgrund einer ausgeprägten
Reaktion bereits beim Auftreten leicht irritierender Reize einen hohen Regulationsbedarf haben (Fox, Henderson, Marshall, Nichols, Ghera, 2005). Ängstliche Kinder
haben ein ähnlich gutes Wissen über adaptive Emotionsregulationsstrategien wie
nicht ängstliche Kinder, jedoch reagieren sie in bedrohlich erlebten Situationen meist
mit Strategien wie Vermeidung oder Rückzug (Hannesdottir u. Ollendick, 2007). Dadurch unterbinden ängstliche Kinder zwar den Kontakt mit potenziell aversiven Stimuli, schränken jedoch gleichzeitig auch das Umsetzen und Automatisieren effektiver
aktiver beziehungsweise adaptiver Copingstrategien oder Fähigkeiten zur Selbstregulation ein (Rubin u. Burgess, 2001).
Es wird angenommen, dass ab dem vierten Lebensjahr die mangelnde Lenkung
der Aufmerksamkeit (u. a. weg von potenziell angstauslösenden Reizen hin zu angenehmen) sowie die mangelnde Regulation des Emotionsausdrucks bei der Entwicklung
von Angststörungen von Bedeutung sind (Eisenberg et al., 2001; Kullik u. Petermann,
354 Y. Otto et al.
2012; Yeo, Frydenberg, Northam, Deans, 2014). Ab der mittleren Kindheit (ca. 8 bis 10
Jahre) kommen die Distanzierung und Vermeidung von emotionsauslösenden Situationen sowie die Tendenz, sich aggressiv zu verhalten, als ätiologisch bedeutsame Einflussfaktoren hinzu (z. B. Zeman, Shipman, Suveg, 2002). Ebenfalls zu berücksichtigen
sind häufiges Hilfesuchen bei anderen sowie geringe Problemorientierung (Carthy et al.,
2010; Suveg et al., 2008). Diese Emotionsregulationsstrategien scheinen nicht nur an der
Genese sondern auch bei der Aufrechterhaltung oder Verstärkung von Angststörungen
beteiligt zu sein (Carthy et al., 2010).
Während sich bei der Prävalenz von Angststörungen widersprüchliche Befunde zu
Geschlechtsunterschieden zeigen (z. B. Federer, Margraf, Schneider, 2000; Ihle u. Esser, 2002), wurden wiederholt geschlechtsspezifische Besonderheiten bei Emotionsregulationsstrategien gefunden. Mädchen scheinen häufiger sozial-unterstützungsorientierte Strategien zu wählen (z. B. Klein-Heßling u. Lohaus, 2002; Mackowiak, 2007)
und mehr problemvermeidendes Verhalten zu zeigen als Jungen (Seiffge-Krenke u.
Shulmann, 1990). Im Bereich der Problemorientierung gibt es gegensätzliche Studienbefunde: in einigen Studien berichteten Mädchen über mehr aktive Bewältigungsstrategien (Winkler Metzke u. Steinhausen, 2002), in anderen gaben Jungen mehr
problemorientierte Strategien an (Mackowiak, 2007; Neumann, van Lier, Gratz, Koot,
2010), während andere Autoren keine Geschlechtsunterschiede fanden (Bender, Reinholdt-Dunne, Esbjørn, Pons, 2012).
Zur Erfassung der Emotionsregulation werden ab dem mittleren Kindesalter überwiegend Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung eingesetzt. Für Kinder im
Vorschul- und frühen Grundschulalter existiert mit dem BAV 3-11 (Mackowiak u.
Lengning, 2010) ein kindgerechtes Verfahren zur Erfassung von Emotionsregulationsstrategien bei Angst.
2
Ziele der Studie und Hypothesen
Das Ziel dieser Studie bestand darin, Kinder im Grundschulalter zu ihrem Angstempfinden in verschiedenen Situationen und den daraufhin angewandten Regulationsstrategien zu befragen und diese Angaben den Ergebnissen eines weiteren
angstspezifischen Selbstberichts sowie den Aussagen der Mütter hinsichtlich der
Ängstlichkeit ihrer Kinder gegenüberzustellen. Darüber hinaus wurde der Zusammenhang von Ängsten und Regulationsstrategien untersucht. Abschließend überprüften wir Geschlechtsunterschiede hinsichtlich selbstberichteter Ängstlichkeit
sowie Regulationsstrategien.
Unsere Stichprobe wurde aus einer Bevölkerungsstichprobe rekrutiert, umfasste jedoch bei der erstmaligen Rekrutierung einen erhöhten Anteil von Kindern mit internalisierenden Symptomen. Daher ermittelten wir zunächst die Prävalenz der Ängstlichkeit im Selbst- und Fremdbericht. In Folge überprüften wir die Übereinstimmung
der beiden Selbstberichte der Kinder, bei der wir eine moderate Übereinstimmung
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Selbstberichtete Ängste und Regulationsstrategien������
355
erwarteten. Hinsichtlich der Übereinstimmung mit den Aussagen der Mütter erwarteten wir nur eine geringe Übereinstimmung. Auch erwarteten wir, dass selbst- sowie
fremdberichtete Ängste negativ mit Problemorientierung sowie positiv mit Problemvermeidung und der Suche nach sozialer Unterstützung assoziiert sind.
Hinsichtlich der Geschlechtsunterschiede bei der Angstregulation war unsere Hypothese, dass Mädchen mehr Problemvermeidung und Suche nach sozialer Unterstützung angeben würden als Jungen. Für Problemorientierung formulierten wir aufgrund der inkonsistenten Befunde keine geschlechtsspezifische Hypothese.
3
Methode
3.1 Stichprobe und Datenerhebung
Die Stichprobe stammt aus der dritten Erhebungsphase einer längsschnittlichen
Studie. Die Probanden wurden aus einer großen Stichprobe von Leipziger Kindergartenkindern rekrutiert. Hierbei wurden Kinder ausgewählt, die internalisierende
Symptome in einem grenzwertigen oder auffälligen Bereich aufwiesen sowie Kinder
ohne psychische Symptome (gemessen mit dem Strengths and Difficulties Questionnaire, SDQ; Goodman, 1997, dt. Übersetzung: Klasen, Woerner, Rothenberger,
Goodman, 2003). Detaillierte Informationen zur Rekrutierung der Stichprobe und
zum ersten Messzeitpunkt (t1) finden sich bei Otto, Andreas, Fuchs, von Klitzing
und Klein (2014). Die Stichprobe verringerte sich von t1 zu t2 um 14,7 % (Dropout). Der aktuelle dritte Messzeitpunkt ist noch nicht abgeschlossen; die Stichprobe
umfasst zum Zeitpunkt der Analysen N = 175 Kinder (88 Mädchen, 50,3 %), das
mittlere Alter beträgt 8 Jahre, 4 Monate (M = 100,83 Monate; SD = 2,61). Von den
teilnehmenden Kindern wiesen 61 (34,9 %) zum Rekrutierungszeitpunkt auf der
Subskala Emotionale Probleme des SDQ Werte im grenzwertigen oder auffälligen
Bereich auf, die anderen Kinder waren unauffällig (bzw. 2,9 % fehlende Angaben).
Die Bildung der Eltern ist überwiegend hoch und der Großteil der Kinder (73,1 %)
lebt mit beiden Elternteilen zusammen (für Details s. Tab. 1, nächste Seite).
3.2 Instrumente
Zur Einschätzung des Vorhandenseins aktueller kindlicher Angstsymptome durch
die Mutter setzten wir den Screen for Child Anxiety Related Emotional Disorders
(SCARED; Birmaher et al., 1997, deutsche Übersetzung: Essau, Muris, Ederer, 2002)
ein. Dieser besteht aus den fünf Subskalen Panikstörung, Trennungsangst, Soziale
Phobie, Generalisierte Angststörung und Schulphobie, deren insgesamt 41 Items
aufsummiert den Gesamtwert ergeben. Alle Items werden dreistufig kodiert, höhere
Werte verweisen auf eine höhere Angstausprägung. In unserer Stichprobe zeigte
sich eine moderate bis gute interne Konsistenz der Subskalen sowie des Gesamt-
356 Y. Otto et al.
wertes (Cronbachs α zwischen .70-.88 sowie α = .87), mit Ausnahme der Subskala
Schulphobie (Cronbachs α = .58). Basierend auf den publizierten Cut-Off-Werten
wird ein Gesamtwert ab 25 als auffällig und ab 31 als Hinweis auf eine spezifische
Angststörung angesehen (Birmaher et al., 1997).
Tabelle 1: Soziodemografische Angaben für die Gesamtstichprobe
Gesamtstichprobe N = 175
n ( %)
100,83 (2,61)
Mittleres Alter in Monaten (SD)
Bildung Mutter
Bis Hauptschulabschluss
Realschulabschluss/Abitur
Universitäts-/Fachhochschulabschluss
Fehlende Angabe
Bildung Vater
Bis Hauptschulabschluss
Realschulabschluss/Abitur
Universitäts-/Fachhochschulabschluss
Fehlende Angabe
Haushaltsnettoeinkommen
Niedrig (< 2000 €)
Mittel (2000-6000 €)
Hoch (> 6000 €)
Fehlende Angabe
10 (5,7 %)
90 (51,4 %)
70 (40,0 %)
5 (2,9 %)
17 (9,7 %)
71 (40,6 %)
72 (41,1 %)
15 (8,6 %)
53 (30,3 %)
105 (60,0 %)
6 (3,4 %)
11 (6,3 %)
Die Ängstlichkeit aus der Kind-Perspektive wurde mit dem Bochumer Angstverfahren für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter erfasst (BAV 3-11; Mackowiak u.
Lengning, 2010). Neben Ängsten in verschiedenen Situationen (z. B. Trennungsangst,
Angst vor Dunkelheit etc.) können typische Körperreaktionen sowie Handlungsstrategien erfasst werden. Während der Durchführung werden dem Kind 26 Bilder mit
potenziell angstauslösenden Situationen gezeigt und es wird gebeten, sich in die gezeigten Situationen hineinzuversetzen und anhand einer fünf-stufigen Skala die eigene
Angstintensität einzuschätzen. Dabei stellen die ersten beiden Stufen der Skala keine
Angst dar (0 = fröhlich oder keine Angst) und die darauf folgenden drei Stufen eine
ansteigende Angstintensität (1 = ein kleines bisschen Angst, 2 = etwas mehr Angst,
3 = große Angst). Die 26 Items können vier Angstskalen zugeordnet werden: Soziale Ängste, Kognitive Ängste, Angst vor Verletzung und Phobien. Dafür werden die
jeweilig dazugehörenden Items summiert. Die Skala Kognitive Ängste umfasst Items
zu Trennungsängsten, Angst vor Dunkelheit oder Gewitter. Zudem wird ein Gesamtangstwert errechnet, der sich aus den vier Subskalen zusammensetzt.
Darüber hinaus werden die Handlungsstrategien, mit denen das Kind in der jeweiligen Situation reagieren würde, in die drei Regulationsstile Problemorientierung,
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Selbstberichtete Ängste und Regulationsstrategien������
357
Problemvermeidung und Suche nach sozialer Unterstützung eingeteilt. Diese werden
ausschließlich von den jeweiligen Handlungsstrategien abgeleitet, die das Kind in
den Situationen angegeben hat, in denen es mindestens „ein kleines bisschen Angst“
verspüren würde. Der Regulationsstil Problemorientierung umfasst die zwei Handlungsstrategien Informationssuche und eine direkte Aktion, die vom Kind allein
durchgeführt werden würde. Problemvermeidung beinhaltet die Handlungsstrategien
Aktionshemmung, Verhaltensdesorganisation sowie Flucht/Vermeidung. Suche nach
sozialer Unterstützung wird aus den zwei Handlungsstrategien Suche nach Unterstützung und Schutz sowie direkte Aktion mit Unterstützung gebildet.
Nach der Testung werden die Aussagen des Kindes von einem Kodierer auf Inkongruenzen überprüft, das heißt ob ein Kind bei einem Item angibt, dass es in dieser
Situation fröhlich oder angstfrei sei, aber die gewählte Handlungsstrategie auf Angstempfinden hindeutet, z. B. Flucht (Mackowiak u. Lengning, 2010). In diesem Fall wird
die Angstintensität des Kindes von einer 0 auf eine 1 hochgestuft.
Die Rohwerte in den einzelnen Skalen und den drei Regulationsstilen werden anhand von Normtabellen in geschlechts- und altersgruppierte T-Werte und Prozent­
ränge überführt. In unserer Stichprobe zeigte sich eine schwache bis moderate interne
Konsistenz der Subskalen (Soziale Ängste Cronbachs α = .50, Kognitive Ängste α = .76,
Angst vor Verletzung α = .72 und Phobien α = .25 sowie eine gute interne Konsistenz
des Gesamtangstwertes α = .86). Der Wert für die Subskala Soziale Ängste liegt etwas unter dem von Mackowiak und Lengning (2010) berichteten Wert (Cronbachs
α = .54). Die Autoren vermuten, dass dieser Wert dadurch entsteht, dass die Items
dieser Skala sehr heterogen sind und sowohl Ängste gegenüber fremden Kindern als
auch Erwachsenen beinhalten. Die Subskala Phobien wurde aufgrund der geringen
Reliabilität bei den Analysen nicht verwendet.
Mit den Kindern wurde zudem das Berkeley Puppet Interview (BPI; Ablow u. Measelle, 1993) durchgeführt. Dabei handelt es sich um ein semi-strukturiertes Interview
zur Erhebung der Selbsteinschätzung von Gefühlen (z. B. Ängstlichkeit, Traurigkeit
oder Ärger) und Verhaltensweisen. Zwei identische Hunde-Handpuppen machen dabei jeweils zwei gegenteilige Aussagen und fordern das Kind spielerisch dazu auf, zu
berichten, welche der beiden Aussagen auf das Kind selbst zutrifft (z. B. „Wenn ich neue
Kinder kennenlerne, dann bin ich nicht schüchtern.“ versus „Wenn ich neue Kinder
kennenlerne, dann bin ich schüchtern.“). Die auf Video aufgezeichneten Selbstaussagen des Kindes werden anschließend von geschulten, verblindeten Ratern mittels
einer 7-Punkt-Likert-Skala ausgewertet. Für die vorliegenden Analysen bildeten wir
eine übergeordnete Skala Globalangst, gemittelt aus den je sechs Items der Subskalen
Trennungsangst und Soziale Hemmung sowie den sieben Items der Subskala Überängstlichkeit/Sorgen. Hierbei weisen höhere Werte auf höhere Angstsymptome hin.
Die Reliabilität der Skala Globalangst erwies sich in unserer Stichprobe mit Cronbachs
α = .78 als gut.
358 Y. Otto et al.
4
Ergebnisse
Im Folgenden werden zunächst die Ergebnisse zum Angstniveau der teilnehmenden
Kinder dargestellt. Im Anschluss daran werden die verschiedenen Fragestellungen
thematisiert.
4.1 Prävalenz der Ängstlichkeit
4.1.1 Von der Mutter berichtete Angstsymptome der Kinder
Ausgehend von den Cut-Off-Werten des SCARED erwiesen sich hinsichtlich des
Gesamtwerts n = 145 Kinder als unauffällig (82,9 %) und n = 17 Kinder fielen in
die Kategorien auffällig (9,7 %) beziehungsweise n = 8 in die Kategorie spezifische
Angststörung (4,6 %). Die Angaben für fünf Kinder fehlten (2,9 %). Von den auffälligen Kindern waren 16 Mädchen und 9 Jungen, die Verteilung weicht nicht signifikant von den erwarteten Häufigkeiten ab (χ2 (1, N = 170) = 2,11, p = .15). In einer für
Deutschland repräsentativen Stichprobe werden Prävalenzzahlen von Angstsymptomen im auffälligen Bereich bei 7- bis 10-Jährigen von 14,3 % angegeben (erfasst
mittels SCARED; Ravens-Sieberer et al., 2008, S. 28, Tab. 3). Somit liegt die Prävalenz von 14,3 % in unserer Stichprobe nicht über der der Bevölkerungsstichprobe.
4.1.2 Mittels BAV 3-11 selbstberichtete Angstsymptome der Kinder
Im Mittel gaben die untersuchten Kinder bei der Hälfte der 26 dargestellten Situationen mindestens eine Angstintensität von 1 („ein kleines bisschen Angst“) an (M =
13,41, SD = 4,26). Dabei gab es eine große Bandbreite von 2 bis 25 Nennungen. Diese Werte relativieren sich stark, wenn nur die höchste Angstintensität (3) betrachtet
wird. Die Kinder gaben im Mittel nur bei knapp drei der 26 dargestellten Situationen
an, große Angst zu verspüren (M = 2,83, SD = 3,08, Min. = 0, Max. = 15).
Um die in unserer Stichprobe im BAV 3-11 berichteten Ängste und Regulationsstile mit den Werten der Normstichprobe vergleichen zu können, sind in Tabelle 2
die mittleren T-Werte aufgeführt. Im Mittel lagen alle T-Werte der berichteten Ängste
und Regulationsstile im Durchschnittsbereich. Bei der Gesamtangst wiesen 16 Kinder
(9,1 %) T-Werte im unterdurchschnittlichen Bereich auf, 125 Kinder (71,4 %) T-Werte
im durchschnittlichen Bereich und 34 Kinder (19,4 %) T-Werte im überdurchschnittlichen Bereich. Im Vergleich zur Normstichprobe mit der Verteilung 16 %, 68 %, 16 %2
(Mackowiak u. Lengning, 2010; S. 39) fallen etwas weniger Kinder in den unterdurchschnittlichen und mehr in den durchschnittlichen beziehungsweise überdurchschnittlichen Bereich, was insgesamt zu einer signifikanten Abweichung der Verteilung führt
(χ² (2, N = 175) = 6,73, p = .035).
2 Eine Gleichverteilung der Außenbänder von je 16 % wird angenommen.
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359
Tabelle 2: Im BAV 3-11 berichtete Ängste und Regulationsstile: Mittelwerte (SD) für die Gesamtstichprobe (T-Werte), Mädchen und Jungen (Rohwerte)
Gesamtstichprobe
N = 175
M (SD)
BAV 3-11
Gesamtangst
Ängste
Soziale Ängste
Kognitive Ängste
Angst vor Verletzung
Regulationsstile
Problemorientierung
Problemvermeidung
Suche nach sozialer Unterstützung
Mädchen
n = 88
M (SD)
Jungen
n = 87
M (SD)
Univariate
Tests
F
ηp²
51,75 (9,48)
23,82 (9,45)
21,32 (10,86) 2,63
.015
52,84 (10,22)
52,19 (9,38)
50,74 (10,06)
3,23 (2,29)
11,95 (4,02)
5,84 (3,55)
3,26 (2,48)
10,49 (5,10)
5,34 (4,15)
.000
.025
.004
50,64 (9,28)
49,87 (7,88)
47,54 (6,89)
58,42 (15,76) 64,12 (15,92) 5,66*
.032
25,38 (12,08) 25,67 (13,71) 0,02
.000
10,01 (8,02) 5,73 (8,13)
12,28** .066
0,01
4,43*
0,72
MANOVA Univariate Tests, zweiseitig; df = 1, 173, *p < .05, **p < .01
4.2 Zusammenhänge mit anderen Instrumenten und Informanten
Die Übereinstimmung der Angsteinschätzungen der Kinder im BAV 3-11 mit denen im BPI wurde mittels Pearson Korrelationen analysiert. Die von den Kindern
im BPI berichteten Angstsymptome korrelierten signifikant in niedrigem bis moderatem Maß mit den Angstskalen des BAV 3-11 (T-Werte; r = .22-.36, p < .01) sowie
moderat mit der BAV 3-11 Gesamtangst (r = .37, p < .001).
Ferner wurde analysiert, wie die Angsteinschätzungen der Kinder mit den Einschätzungen der Angstsymptome durch die Mütter zusammenhingen. Es zeigten
sich nur geringe und nicht signifikante Korrelationen zwischen dem SCARED Gesamtwert und den Angstskalen des BAV 3-11 (r = .09-.13) sowie mit der BAV 3-11
Gesamtangst (r = .12).
Um die Zusammenhänge zwischen der Einschätzung der Angstsymptome durch die
Mütter und der Einschätzung der Kinder weiter zu explorieren, wurden die Gruppen
des SCARED (Gesamtwert unauffällig, n = 145 vs. auffällig, n = 25) denen des BAV 3-11
(Gesamtangst T-Wert unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich) gegenübergestellt und die Verteilungen mittels Kreuztabelle überprüft (s. Tab. 3).
Sowohl die im SCARED als unauffällig als auch als auffällig eingeschätzten Kinder fielen
gemäß Selbsteinschätzung im BAV 3-11 überwiegend in den durchschnittlichen Bereich. Dabei unterschieden sich die Verteilungen nicht (χ² (2, N = 170) = 1,33, p = .51).
Von den 323 Kindern, die gemäß BAV 3-11 in den überdurchschnittlichen Bereich fielen, wurden 6 von ihren Müttern als auffällig eingeschätzt, 26 jedoch als unauffällig.
3 Die Abweichung gegenüber der oben berichteten Zahl von 34 kommt durch fehlende Werte beim
SCARED zustande.
360 Y. Otto et al.
Tabelle 3: Kreuztabelle der Gruppen nach SCARED (unauffällig vs. auffällig) und BAV 3-11 (unterdurchschnittlich, durchschnittlich und überdurchschnittlich), N = 170
SCARED Gesamtangst
unauffällig
SCARED Gesamtangst
auffällig
a
BAV 3-11 T-Wert
unterdurchschnittlicha
15
BAV 3-11 T-Wert
durchschnittlichb
104
BAV 3-11 T-Wert
überdurchschnittlichc
26
1
18
6
T-Werte bis 39, b T-Werte 40-60, c T-Werte 61 und höher
4.3 Zusammenhänge zwischen selbst- und fremdberichteten Ängsten und
Regulationsstilen
Als nächstes berechneten wir die Pearson Korrelationen der BAV 3-11 Angstskalen
sowie der Gesamtangst mit den angewandten Regulationsstilen (T-Werte). Höhere
Werte auf der Angstskala Kognitive Ängste (r = .42, p < .001) sowie bei der Gesamtangst (r = .32, p < .001) gingen mit stärkerer Suche nach sozialer Unterstützung
einher. Alle anderen Korrelationen waren nicht signifikant.
Der Vergleich der zwei SCARED Gruppen hinsichtlich der Regulationsstile im Umgang mit angstauslösenden Situationen (MANOVA) ergab multivariat keine Gruppenunterschiede (F(3, 166) = 1,48, p = .222, ηp² = .026). Univariat hingegen zeigten sich
Gruppenunterschiede hinsichtlich des Regulationsstils Soziale Unterstützung, der von
auffälligen Kindern signifikant häufiger genannt wurde als von unauffälligen. Dabei
liegen die T-Werte beider Gruppen im Durchschnittsbereich der Normstichprobe.
Die Mittelwerte, Standardabweichungen sowie die Angaben der univariaten Tests sind
in Tabelle 4 aufgeführt.
Tabelle 4: Mittelwerte (SD) der im BAV 3-11 berichteten Regulationsstile (T-Werte) für die im
SCARED auffälligen versus unauffälligen Kinder
BAV 3-11 Regulationsstile
Problemorientierung
Problemvermeidung
Suche nach sozialer Unterstützung
SCARED auffällig
n = 25
M (SD)
SCARED unauffällig Univariate Tests
n = 145
M (SD)
F
ηp²
49,38 (7,80)
50,08 (6,96)
50,24 (7,13)
50,85 (9,40)
49,78 (7,80)
47,11 (6,83)
MANOVA Univariate Tests, zweiseitig; df = 1, 168, *p < .05
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0,54
0,03
4,41*
.003
.000
.026
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361
4.4 Geschlechtsunterschiede bei selbstberichteten Angstsymptomen und
Regulationsstilen
Um Geschlechtsunterschiede im BAV 3-11 zu überprüfen (Gesamtangst, Angstskalen
sowie Regulationsstile), wurden ANOVAs beziehungsweise MANOVAs durchgeführt.
Hierbei wurden die Rohwerte genutzt, da die T-Werte des BAV 3-11 geschlechtsspezifisch sind und somit keine Geschlechtsunterschiede bei den Angaben der Kinder
überprüft werden können. Bei der Gesamtangst zeigten sich keine Geschlechtsunterschiede. Bei den Angstskalen erwies sich der Haupteffekt Geschlecht multivariat als
nicht signifikant, F(3, 171) = 2,09, p = .104, ηp² = .035. Die univariaten Tests ergaben
jedoch einen signifikanten Geschlechtsunterschied für die Subskala Kognitive Ängste,
wobei Mädchen einen höheren Rohwert aufwiesen als Jungen. Die anderen Ängste
waren bei Mädchen und Jungen vergleichbar ausgeprägt. Hinsichtlich der Regulationsstile in angstauslösenden Situationen erwies sich der Haupteffekt Geschlecht multivariat als signifikant, F(3, 171) = 5,77, p = .001, ηp² = .092. Die univariaten Tests ergaben
signifikante Geschlechtsunterschiede für den Regulationsstil Problemorientierung,
der von Jungen häufiger angegeben wurde, sowie Suche nach sozialer Unterstützung,
welche Mädchen häufiger berichteten. Die Mittelwerte, Standardabweichungen sowie
die Ergebnisse der univariaten Tests sind in Tabelle 2 aufgeführt.
5
Diskussion
Zunächst überprüften wir die Prävalenz von Angstsymptomen gemäß Mutterund Selbsteinschätzung. Nach Einschätzung der Mütter zeigten 14,3 % der Kinder
Angstsymptome im auffälligen Bereich. Damit lag keine höhere Prävalenz als in Bevölkerungsstichproben vor (Ravens-Sieberer et al., 2008). Da zum Zeitpunkt der Rekrutierung 34,9 % der Kinder internalisierende Symptome im grenzwertigen oder
auffälligen Bereich aufwiesen (SDQ; Goodman, 1997), überrascht dieses Ergebnis.
Aus bisherigen Studien ist bekannt, dass internalisierende Symptome – die sehr breit
Ängste, Stimmung und Körpersymptome umschreiben – überwiegend eine moderate Stabilität aufweisen (z. B. Klein et al., 2014; Lavigne et al., 1998), jedoch gibt es
spezifische Ängste (z. B. Trennungsängste), die mit zunehmendem Alter der Kinder
abnehmen (Beesdo et al., 2009). Die Stabilität spezifischer Ängste unter Nutzung des
gleichen Instruments konnten wir nicht überprüfen, da der SCARED nicht für das
Vorschulalter normiert ist (Birmaher et al., 1997).
An der T-Wert-Verteilung unserer Stichprobe im BAV 3-11 wird ersichtlich, dass
hinsichtlich der Gesamtangst etwas mehr Kinder im auffälligen Bereich lagen als in
der Normstichprobe von Mackowiak und Lengning (2010). Die mittleren Einschätzungen der von den Kindern berichteten Ängste und Regulationsstrategien lagen jedoch im Durchschnittsbereich.
362 Y. Otto et al.
Hinsichtlich des Berichts von Ängsten zeigte sich ein heterogenes Bild mit einer
großen Bandbreite von 2 bis 25 Nennungen bei den insgesamt 26 präsentierten Situationen. Jedoch wurde die höchste Angstintensität im Mittel nur in 3 der 26 Situationen
angegeben. Es ist anzunehmen, dass das Empfinden von leichten Ängsten in einigen
der dargestellten Situationen noch als altersadäquat anzusehen ist (z. B. in Situationen,
die mit einer möglichen Trennung von den Eltern einhergehen).
Wir wollten ferner überprüfen, inwieweit die Kinder konsistent von ihren Ängsten
berichteten, und verglichen die beiden eingesetzten Kind-Verfahren zur Erfassung der
Angstsymptomatik. Die signifikanten Korrelationen zwischen BPI und BAV 3-11 weisen auf die Konsistenz der kindlichen Einschätzung hin. Es ergaben sich dabei niedrige bis moderate Korrelationskoeffizienten, was damit erklärbar ist, dass die Items der
Verfahren nicht dieselben Ängste abbilden. Möglicherweise ist auch die unterschiedliche Art der Erhebung (Bilder vs. Handpuppeninterview) bedeutsam (s. dazu auch
Grills u. Ollendick, 2002).
Zudem wurden die Angsteinschätzungen der Kinder denen der Mütter gegenübergestellt. Die hierbei durchgeführten Korrelationsanalysen zeigten keine signifikanten
Zusammenhänge. Dies stimmt mit Studienbefunden überein, die in der Einschätzung
internalisierender Symptome nur geringe bis moderate Übereinstimmung zwischen
Kindern und ihren Eltern zeigten (Grills u. Ollendick, 2002; Weems, Feaster, Horigian, Robbins, 2011). Garber, van Slyke und Walker (1998) verweisen diesbezüglich auf
die große Heterogenität internalisierender Symptome und Störungen, auch im Bereich der Ängstlichkeit. Das Ausmaß der Übereinstimmung ist häufig bei externalen
Symptombereichen (z. B. Verhalten) höher als bei internalen Bereichen (z. B. Kognitionen). Folglich sind Globalmaße der Ängstlichkeit oder Angstsymptomatik, wie sie
in unserer Studie Anwendung fanden, möglicherweise zu heterogen. Im Rahmen unserer Analysen konnte nicht festgestellt werden, ob Mütter die kindliche Ängstlichkeit
überbewerteten oder die Kinder diese unterschätzten. Hierbei können auch Aspekte
der sozialen Erwünschtheit oder der mütterlichen Psychopathologie eine Rolle gespielt
haben (Grills u. Ollendick, 2002). Auch die Art der Erhebung (Bilder vs. Fragebogen),
sowie Stichprobeneffekte sind zu berücksichtigen und haben einen Einfluss auf die
Übereinstimmungsrate (vgl. Garber et al., 1998). Es ist jedoch davon auszugehen, dass
jeder der Informanten einen besonderen Teil an Informationen liefert und dass vermutlich unterschiedliche Aspekte des Konstruktes Ängstlichkeit erfasst wurden. Daraus, dass es auch 26 Kinder gab (15,3 %), die im BAV 3-11 überdurchschnittlich viele
Ängste berichteten, deren Mütter sie jedoch als unauffällig einstuften, wird ersichtlich,
wie wichtig eine zusätzliche Befragung der Kinder ist.
Als nächstes untersuchten wir den Zusammenhang der von den Kindern berichteten Ängste mit ihren Regulationsstilen. Wie erwartet fanden wir positive Korrelationen zwischen der BAV 3-11 Subskala Kognitive Ängste sowie der Gesamtangst und
dem Regulationsstil Suche nach sozialer Unterstützung. Je mehr Ängstlichkeit die
Kinder im BAV 3-11 angaben, umso häufiger berichteten sie, in ängstigenden Situationen Unterstützung und Schutz zu suchen. Übereinstimmend damit berichteten die
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363
Kinder, die von ihren Müttern als auffällig beschrieben wurden, im Vergleich zu den
unauffälligen Kindern häufiger davon, in ängstigenden Situationen soziale Unterstützung zu suchen. Dies deutet darauf hin, dass sich Kinder mit mehr Ängsten weniger
zutrauen, ängstigende Situationen und damit die Angst per se allein zu bewältigen
und für deren Regulation noch verstärkt Hilfe von außen zu benötigen als Kinder mit
weniger Ängsten. Diese Befunde sind beispielsweise konsistent mit den Ergebnissen
von Carthy und Kollegen (2010), in deren Studie die untersuchten 10- bis 17-Jährigen
mit Angststörungen signifikant mehr sozial-unterstützungsorientierte Strategien
wählten als Studienteilnehmer ohne Angststörungen. Entgegen unseren Erwartungen
zeigten sich jedoch keine signifikanten Zusammenhänge zwischen den Angstskalen und den Regulationsstilen Problemorientierung oder Problemvermeidung. Eine
mögliche Ursache könnte das Alter der untersuchten Kinder sein, denn viele frühere
Studien untersuchten ältere Kinder (z. B. Suveg et al., 2008). In ihrem Verlaufsmodell
der Emotionsregulation bei Angststörungen im Kindes- und Jugendalter beschreiben
Kullik und Petermann (2012), dass ab einem Alter von circa acht bis zehn Jahren die
Strategien von Vermeidung und geringem Problemlöseverhalten bei ängstigenden Situationen mit der Genese von Angststörungen in Verbindung gebracht werden.
Bei der Untersuchung von Geschlechtsunterschieden fanden wir bei den BAV 3-11
Angstskalen eine höhere Ausprägung Kognitiver Ängste bei den Mädchen. Dieses Ergebnis muss vorsichtig interpretiert werden, da sich multivariat keine Geschlechtsunterschiede beim BAV 3-11 gezeigt hatten. Auch beim Gesamtwert zeigten sich keine
Geschlechtsunterschiede. Insgesamt fügen sich die Ergebnisse gut in das bisherige heterogene Bild der Befunde ein, da zum einen bereits im Grundschulalter Geschlechtsunterschiede gefunden wurden (z. B. Federer et al., 2000), von anderen Autoren aber
davon ausgegangen wird, dass sich diese Unterschiede erst ab dem späten Jugendalter
manifestieren (z. B. Ihle u. Esser, 2002).
Bei den Regulationsstilen, die in angstauslösenden Situationen ergriffen werden,
zeigten sich deutliche Geschlechtsunterschiede. Jungen berichteten häufiger Regulationsstrategien der Problemorientierung als Mädchen, während diese häufiger angaben, in Angstsituationen soziale Unterstützung zu suchen. Dieses Ergebnis steht im
Einklang mit bisherigen Befunden (z. B. Klein-Heßling u. Lohaus, 2002; Neumann
et al., 2010). Auch Mackowiak (2007; Mackowiak u. Lengning, 2010) stellte in der
Normierung des BAV 3-11 fest, dass Mädchen in ängstigenden Situationen häufiger
soziale Unterstützung suchten und passte die T-Werte entsprechend an. Die in unserer
Stichprobe gefundenen Geschlechtsunterschiede bestätigen dieses Vorgehen.
Im Unterschied zu früheren Befunden und unseren Erwartungen fanden wir keine Geschlechtsunterschiede beim Regulationsstil Problemvermeidung. Dies lässt sich
womöglich auf das höhere Durchschnittsalter der Kinder in Stichproben früherer Studien zurückführen (z. B. Bender et al., 2012).
In der vorgestellten Studie wurde das BAV 3-11 erstmals in einem größeren Forschungskontext verwendet und die damit erfassten Einschätzungen mit denen eines
anderen altersgemäßen Instruments in Beziehung gesetzt. Nach unseren Erfahrungen
364 Y. Otto et al.
ist das BAV 3-11 ein kindgerechtes und altersadäquates Instrument. Wir würden für
einen zukünftigen Einsatz im Forschungsbereich anregen, die Angstskala Kognitive
Ängste in die Bereiche Trennungsangst und Angst vor Dunkelheit/Unwetter zu untergliedern. Nach therapeutischem Verständnis könnten die beiden letztgenannten
Ängste der Angstskala Phobien zugeordnet werden, die aktuell nur zwei Items enthält.
Weiterhin würden wir vorschlagen, die Angstskala Soziale Ängste faktorenanalytisch
zu untersuchen, um die Skalenreliabilität zu verbessern. Dadurch wäre es möglich,
fokussierter spezifische Angstbereiche zu untersuchen.
Als Limitation unserer Studie ist zu nennen, dass die Kinder womöglich aufgrund
sozialer Erwünschtheit seltener Ängste äußerten, als sie tatsächlich in solchen Situationen empfinden würden. Für einen direkten Vergleich von Selbst- und Fremdbericht
sollte zudem in zukünftigen Studien der BAV 3-11 Elternfragebogen zusätzlich verwendet werden, um Einflüsse des Instruments bei der möglicherweise unterschiedlichen Wahrnehmung auszuschließen. Außerdem war die Gruppe der Kinder mit
Angstsymptomen im auffälligen Bereich recht klein. In zukünftigen Studien wäre es
lohnend, die Emotionsregulation in Angstsituationen beim Vorliegen spezifischer
kindlicher Angststörungen und mit größeren Stichproben zu untersuchen.
Fazit für die Praxis
Die Befragung von Grundschulkindern zu ihrem Angstempfinden in verschiedenen Situationen und zu ihren Regulationsstrategien zeigte, dass ängstliche
Kinder im Vergleich zu nicht ängstlichen Kindern häufiger Strategien der Suche
nach Sozialer Unterstützung berichten, sie sich also weniger zuzutrauen scheinen,
angstauslösende Situationen alleine zu bewältigen. Das Erlernen von adaptiven
Emotionsregulationsstrategien sollte daher Bestandteil der Behandlung ängstlicher
Kinder sein. Besonders relevant scheint uns, Kinder zu befähigen, selbst Problemlösungen zu entwickeln und einzusetzen. Dies würde auch zur Stärkung der kindlichen Selbstwirksamkeit beitragen.
Große Unterschiede bestanden zwischen Kindern und Müttern in der Wahrnehmung der kindlichen Ängstlichkeit. Dies unterstreicht, dass insbesondere Kinder
mit internalisierenden Symptomen selbst befragt werden sollten. Innerhalb von
Diagnostik und Therapie kann das BAV 3-11 helfen, gemeinsam mit dem Kind zu
erfassen, welche Situationen es konkret ängstigen und wie es damit umgeht.
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Korrespondenzanschrift: Annette M. Klein, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie,
Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig,
Liebigstr. 20a, 04103 Leipzig; E-Mail: [email protected]
Yvonne Otto, Katja Kolmorgen, Anna Andreas, Claudia Köppe, Kai von Klitzing und Annette M. Klein,
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters,
Universität Leipzig
Selbstberichtete Strategien zur Emotionsregulation
bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen
Jan Felix Greuel, Nadine Reinhold, Markus Wenglorz und Nina Heinrichs
Summary
Self-reported Emotion Regulation Strategies in Children and Adolescents with Mental Disorders
Emotion regulation (ER) is extensively researched in the context of psychopathology. It is quite
controversial if deficits in ER are related to psychopathology across disorders or specifically linked
to certain forms of psychopathology. Furthermore, it appears unclear if there are differences in ER
depending on the specific emotion to be regulated. There are only few studies comparing different
forms of psychopathology in terms of ER, specifically in childhood and adolescence. We explored
ER in a consecutive clinical sample seeking help in two outpatient university clinics (N = 129, age:
7-17 years, 45 % female). In a first step, the ER of all children and adolescents seeking professional
help for emotional and behavioral problems was compared with the ER-characteristics of children
and adolescents identified in school samples. In a second step, the clinical sample was divided into
different groups of psychopathology, comparing the associations of different types of psychopathology with ER. ER in the clinical sample differed significantly from children and adolescents in
school settings. The clinical sample was particularly characterized by a lack of adaptive strategies,
and only partially by an increased use of maladaptive strategies. Further analysis revealed no specific deficits in the ER depending on types of psychopathology. The findings suggest a transdiagnostic and emotion-overarching conceptualization of ER in childhood and adolescence.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 368-385
Keywords
emotion regulation – childhood and adolescence – psychopathology
Zusammenfassung
Emotionsregulation (ER) wird im Zusammenhang mit Psychopathologie intensiv untersucht. Dabei ist umstritten, ob defizitäre ER transdiagnostisch oder diagnosespezifisch mit
verschiedenen Formen von Psychopathologie zusammenhängt. Darüber hinaus scheint unklar, ob sich ER in Abhängigkeit von der regulierten Emotion unterscheidet. Besonders für
das Kindes- und Jugendalter liegen bislang kaum Studien vor, die verschiedene Formen von
Psychopathologie hinsichtlich ihrer ER vergleichen. Untersucht wurde ein Ausschnitt der Inanspruchnahmestichprobe zweier psychotherapeutischer Hochschulambulanzen (N = 129,
Alter: 7-17 Jahre, 45 % weiblich). Im ersten Schritt wurde die ER der Kinder und Jugendlichen,
bei denen die Diagnose einer psychischen Störung vergeben wurde, mit den in einer NormPrax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 368 – 385 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Strategien zur Emotionsregulation bei Kindern mit psychischen Störungen������
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stichprobe erreichten ER-Kennwerten verglichen. Im zweiten Schritt wurde die Stichprobe in
Abhängigkeit von der vergebenen Diagnose in Gruppen von Psychopathologie aufgeteilt, um
diese Gruppen anschließend hinsichtlich der ER miteinander zu vergleichen. Die untersuchte
klinische Stichprobe unterscheidet sich hinsichtlich der ER deutlich von der Normstichprobe,
wobei sie sich besonders durch einen Mangel in der Nutzung adaptiver, dagegen nur partiell
erhöhte Nutzung maladaptiver Strategien, auszeichnet. Die weiteren Analysen ergaben keine
diagnosespezifischen Defizite in der ER. Die Befunde sprechen für eine transdiagnostische
und emotionsübergreifende Konzeptualisierung von ER im Kindes- und Jugendalter.
Schlagwörter
Emotionsregulation – Kindes- und Jugendalter – Psychopathologie
Das Erlernen einer effektiven selbstständigen Emotionsregulation (ER) stellt eine
wichtige Entwicklungsaufgabe für Kinder dar (Southam-Gerow u. Kendall, 2002).
Nach Gross und Thompson (2007) kann ER unter dem übergeordneten Begriff Selbstregulation neben Bewältigung (Coping), Stimmungsregulation (Mood Regulation) und
Impulsregulation (Defenses) als einer der affektregulierenden Prozesse verstanden
werden, wobei die inhaltliche Abgrenzung dieser Prozesse voneinander nicht immer
trennscharf möglich scheint. Umstritten ist darüber hinaus die Frage, ob Emotionsgenese und ER ausreichend unabhängig voneinander stattfinden, um sie als zwei
Prozesse zu konzeptualisieren (Zwei-Faktoren-Ansatz). Campos, Frankl und Camras
(2004) vertreten beispielsweise die Auffassung, Emotionsgenese und ER seien so stark
miteinander verknüpft, dass sie als ein Faktor beschrieben werden sollten (Ein-Faktoren-Ansatz). So seien subjektiv erlebte Emotionen immer bereits reguliert. Dagegen
beschreibt Gross (1998) ER als ausreichend unabhängig von der Emotionsgenese, um
als eigenständiger Prozess verstanden zu werden. Wir bevorzugen hier eine inhaltliche
Abgrenzung der beiden Prozesse voneinander, womit hervorgehoben werden soll,
dass nach der Emotionsgenese und während des subjektiven Erlebens von Emotionen
ER als Einflussnahme auf die auftretende Emotion möglich ist. Dabei können sowohl
die Frequenz, mit der eine Emotion auftritt, als auch ihre Intensität oder Dauer Ziel
der Veränderung (im Sinne einer Verringerung oder Steigerung) sein.
1
Die Bedeutung der Emotionsregulation in der Psychopathologie
Die kindliche Entwicklung im Bereich der ER ist an allgemeine Entwicklungsfortschritte gebunden. So gelten z. B. kognitive Fähigkeiten als Voraussetzungen für eine
selbstständige und erfolgreiche ER (Lohaus, Vierhaus, Maass, 2010). Ein Mangel an
erfolgreicher Regulation bestimmter Emotionen in bestimmten Altersabschnitten
kann daher entwicklungsgemäß und sogar notwendig sein (z. B. Trennungsangst bei
370 J. F. Greuel et al.
Kleinkindern), um bestimmte Entwicklungsfortschritte zu machen. Insgesamt wird
eine Entwicklung von behavioralen und an externen Reizen orientierten Strategien
(z. B. soziale Unterstützung, Zerstreuung, aggressives Verhalten) zu kognitiven Strategien (z. B. Umbewertung, Selbstabwertung) angenommen.
Überdauernde Defizite im Bereich der ER gehen dagegen häufig sowohl mit internalisierenden als auch mit externalisierenden psychischen Störungen einher (z. B.
Macklem, 2008). Viele dieser Erkrankungen weisen ihrerseits einen engen Bezug zu
bestimmten Emotionen auf. Dabei ist nicht das Auftreten der jeweiligen Emotion an
sich problematisch, sondern vielmehr die Häufigkeit und/oder Intensität mit der diese
Emotionen erlebt werden (Braet et al., 2014). Defizite in der Regulation der entsprechenden Emotion drängen sich daher als mögliche Ursache auf. Barnow (2012) zufolge hat eine erhebliche Anzahl der in der ICD-10 gelisteten psychischen Erkrankungen
einen direkten Bezug zur ER. Inzwischen ist ER ein fester Bestandteil etablierter Erklärungsmodelle zur Genese und Aufrechterhaltung verschiedener psychischer Störungen und Grundlage einiger psychotherapeutischer Interventionen, mit denen diese Störungen behandelt werden sollen (Aldao, Nolen-Hoeksema, Schweizer, 2010).
Gerade in Bezug auf die Entwicklung neuer Interventionen kommt der Identifikation
und Klassifikation verschiedener, möglichst trennscharf unterscheidbarer Strategien,
mithilfe derer Emotionen reguliert werden, eine besonders hohe Bedeutung zu. Insbesondere die Unterscheidung in adaptive und maladaptive Strategien ist hier wichtig, einerseits um die Funktion der jeweiligen Strategien als Risiko beziehungsweise
Schutzfaktor identifizieren zu können und sie somit diagnostisch oder prognostisch
nutzbar zu machen, andererseits um Ansätze für therapeutische Interventionen ableiten zu können (z. B. Aldao et al., 2010; Aldao u. Noelen-Hoeksema, 2012).
1.1
Störungsspezifische Auffälligkeiten in der ER
Aldao et al. (2010) stellen in ihrer Metaanalyse dar, dass bislang nur wenige Studien, die
den Zusammenhang von ER und Psychopathologie untersuchen, klinische Stichproben
verwenden, obwohl in klinischen Stichproben die gefundenen Effektstärken jeweils höher lagen als in Studien mit nicht-klinischen Stichproben. So könne angenommen werden, dass die Stärke der Zusammenhänge eine Funktion des Schweregrades einer psychischen Erkrankung sei. Insgesamt spricht dies für qualitative Unterschiede zwischen
der ER klinischer und nicht-klinischer Gruppen, denen auch ursächliche und aufrechterhaltende Funktionen für die jeweiligen Psychopathologien zugesprochen werden. Eine
Vielzahl von Studien belegt Zusammenhänge zwischen Maßen von Psychopathologie
und dysfunktionaler ER, vor allem im Sinne einer erhöhten Nutzung maladaptiver Strategien (Überblick z. B. Aldao et al., 2010). Viele der Befunde beruhen jedoch auf den
Untersuchungen jeweils isolierter Zusammenhänge zwischen einzelnen Störungsbildern
und Strategien. Darüber hinaus bezieht sich der überwiegende Teil der Studien auf das
Erwachsenenalter, und es werden selten klinische Stichproben einbezogen, die nach ICD10 (oder DSM-5) klassifiziert wurden (Aldao et al., 2010; Braet et al., 2014). Im ersten
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Strategien zur Emotionsregulation bei Kindern mit psychischen Störungen������
371
Schritt werden wir daher die ER einer Stichprobe von Kindern und Jugendlichen mit
unterschiedlichen Psychopathologien mit den Kennwerten der ER einer Normstichprobe
vergleichen. Einige der bislang vorgelegten Studien nutzen für die Einschätzung der psychischen Belastung Fragebögen, die eine gewisse Breite an Psychopathologie abdecken,
wie z. B. die Child Behavior Checklist (Arbeitsgruppe deutsche Child Behavior Checklist,
1998). Diese Studien bilden anhand der Kennwerte des Fragebogens verschiedene Formen von Psychopathologie ab (z. B. aggressives Verhalten; Braet et al., 2014). In unserer
Untersuchung möchten wir bei der Unterscheidung verschiedener Formen von Psychopathologien einen Schritt weiter gehen und in zwei Hochschulambulanzen nach intensiven diagnostischen Untersuchungen vergebene ICD-10-Diagnosen zur Einschätzung
von Psychopathologie verwenden. Grundlage der Vergabe von Diagnosen sollte immer
ein multimethodales diagnostisches Vorgehen sein (z. B. Döpfner u. Petermann, 2012).
Der Vorteil in dieser Art vergebener Diagnosen liegt darin, dass die Basisinformation sich
nicht auf einen einzigen Beurteiler (z. B. ausschließlich Eltern) oder einen einzigen methodischen Zugang (z. B. Fragebogen) beschränkt. So können die Angaben verschiedener
Beurteiler (z. B. Eltern, Selbst, Lehrer) und die Ergebnisse verschiedener Messmethoden
(z. B. Fragebögen, Interviews, Verhaltensbeobachtung) integriert werden. Dazu wurden
hier über die gängigen Maße für psychische Beschwerden hinaus auch weitere Informationen wie der allgemeine Entwicklungsstand und die Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen beziehungsweise ihren Familien genutzt. So stellt die Vergabe einer Diagnose
sicher, dass bei den entsprechenden Personen tatsächlich eine psychische Störung mit behandlungsbedürftiger Beeinträchtigung (in Abgrenzung von subklinischen Problemen)
vorliegt. Eine Studie an deutschen Kindern und Jugendlichen, die in dieser Art erstellte
Diagnosen als Grundlage verwendet, ist uns bisher nicht bekannt.
1.2 Mehr maladaptive oder weniger adaptiven Strategie
Bei Untersuchungen im Erwachsenenalter stehen überwiegend maladaptive Strategien
im Fokus, die enge Bezüge zu psychischen Störungen aufweisen. Einem Mangel an adaptiven Strategien dagegen wird, auch im Kindes- und Jugendalter, eine eher niedrige
Bedeutung beigemessen (Aldao et al., 2010; Barnow, 2012). Eine Ausnahme stellen dabei Problemlösefertigkeiten dar, denen in zu niedriger Ausprägung eine gewisse „Türöffnerfunktion“ für die Verwendung maladaptiver Strategien zugesprochen wird (Aldao
et al., 2010, S. 231). Aldao und Nolen-Hoeksema (2012) gehen davon aus, dass einem
Mangel adaptiver Strategien allgemein erst dann eine erhöhte Bedeutung zukommt,
wenn gleichzeitig mehr maladaptive Strategien verwendet werden. Braet et al. (2014)
sowie Schmitt, Gold und Rauch (2012) konnten dagegen in ihren Studien zeigen, dass
sich im Kindes- und Jugendalter einige Formen von Psychopathologie besonders durch
einen Mangel an adaptiven Strategien auszeichnen. Dagegen konnten sie die in der
Literatur für das Erwachsenenalter stabil nachgewiesenen Beziehungen zwischen der
Anwendung bestimmter maladaptiver Strategien und bestimmten Psychopathologien
nicht vollständig replizieren. Die unterschiedlichen Befunde könnten ein Hinweis da-
372 J. F. Greuel et al.
rauf sein, dass dem Fehlen adaptiver Strategien im Kindes- und Jugendalter eine höhere
Bedeutung zukommt. Eine mögliche Erklärung dafür sehen Gold, Schmitt und Rauch
(2012) in der besonders starken kognitiven und problemlösungsorientierten Ausrichtung adaptiver Strategien. Die Präsenz maladaptiver Strategien könnte den Ergebnissen
zufolge weniger entscheidend sein als im Erwachsenenalter. Um alle möglichen Unterschiede erfassen zu können, werden wir Auffälligkeiten psychisch kranker Kinder und
Jugendlicher sowohl bei maladaptiven als auch adaptiven Strategien untersuchen. In
unseren Analysen möchten wir darüber hinaus den Einfluss des Alters berücksichtigen,
indem wir Alterseinflüsse jeweils kontrollieren. Vergleiche verschiedener Altersgruppen
erlaubt der Umfang der untersuchten Stichprobe hingegen nicht.
• Hypothese 1a: Psychisch kranke Kinder und Jugendliche verwenden häufiger maladaptive Strategien der ER als eine Normstichprobe.
• Hypothese
1b: Psychisch kranke Kinder und Jugendliche verwenden seltener adaptive Strategien der ER als eine Normstichprobe.
1.3 Transdiagnostische oder diagnosespezifische Zusammenhänge zwischen
ER-Strategien und Psychopathologie
In den Fokus des wissenschaftlichen Interesses rückte immer mehr die Frage, ob sich ungünstige ER-Muster transdiagnostisch auswirken, indem sie mit verschiedenen Psychopathologien einhergehen, oder ob sie nur in Zusammenhang mit spezifischen Störungen
auftreten. Die Befunde dazu sind selbst bei den häufig untersuchten ER-Strategien (Rumination, Vermeidung, Unterdrückung, Umbewertung, Problemlösen, Akzeptanz) uneinheitlich (Aldao et al., 2010). In ihrer Querschnittuntersuchung fanden Braet et al. (2014)
dazu ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse. Sie schreiben dem Mangel adaptiver Strategienutzung vor allem transdiagnostische Zusammenhänge mit Psychopathologie zu,
während sie die untersuchten maladaptiven Strategien als eher diagnosespezifisch ansehen. In einer Längsschnittstudie mit zwei Messzeitpunkten (Intervall 7 Monate) an mehr
als tausend Jugendlichen (11-14 Jahre) konnte dagegen ein Anstieg auf unterschiedlichen
Maßen psychischer Auffälligkeit (transdiagnostisch) gezeigt werden, der durch eine intensivere Verwendung maladaptiver Strategien (Rumination, dysregulierter emotionaler
Ausdruck u. a. aggressives Verhalten) in Kombination mit niedrigem Emotionsverständnis vorhergesagt wurde (McLaughlin, Hatzenbuehler, Mennin, Nolen-Hoeksema, 2011).
Vor dem Hintergrund der bestehenden Literatur können damit sowohl transdiagnostische als auch diagnosespezifische Zusammenhänge erwartet werden.
1.4 Emotionsspezifische oder emotionsübergreifende ER
Die verwendeten Diagnosekategorien der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10; Dilling Mombour u. Schmidt, 2013) – z. B. Angststörungen – legen
emotionsspezifische ER-Defizite nahe und verschiedene Autoren (Morris, Silk, Steinberg,
Myers, Robinson, 2007; Dorn, Spindler, Kullik, Petermann, Barnow, 2013) betonen die
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Strategien zur Emotionsregulation bei Kindern mit psychischen Störungen������
373
Wichtigkeit emotionsspezifischer Analysen. Dagegen legen hohe und stabile Komorbiditätsraten – z. B. von Angst- und affektiven Störungen (Essau, Karpinski, Petermann,
Conradt, 1998) und teilweise stark miteinander verschränkte ätiologische Modelle (z. B.
Angst und Depression; Clark u. Watson, 1991) eher emotionsübergreifende Regulationsdefizite nahe. In der Literatur wird weitestgehend auf Ebene der gewählten Strategien differenziert, nicht jedoch auf Ebene der regulierten Emotion. In unserer Studie werden wir
daher Unterschiede auf beiden Ebenen (Strategietyp: adaptiv vs. maladaptiv, Emotion:
Wut, Angst, Trauer) untersuchen. Weil diese Fragestellung empirisch bislang noch nicht
untersucht wurde, verzichten wir auf die explizite Formulierung einer Hypothese.
2
Methode
Zur Bewertung von Reliabilitäten berufen wir uns auf Fisseni (1997, S. 124). Bei der
Einordnung der Effektstärken von Zusammenhängen/Korrelationen (kleiner Effekt:
r = .10, mittlerer Effekt: r = .30, großer Effekt r >.50) und Mittelwertunterschieden
(kleiner Effekt: d = .20, mittlerer Effekt: d = .50, großer Effekt d = .80) legen wir jeweils Cohens (1988) Richtwerte zugrunde.
2.1 Stichprobe
Die hier untersuchte Stichprobe rekrutiert sich aus der Inanspruchnahmestichprobe der
Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche der Universität Bielefeld (HaKiJu) und
der Jugendlichen- und Kinder-Psychotherapieambulanz (JuKiPsy) der Technischen Universität Braunschweig (HaKiJu Ende 2008-2013; Jukipsy 2013-2014). Beide Ambulanzen
sind Hochschulambulanzen für Forschung und Lehre. Einschlusskriterium war, dass im
Rahmen der Diagnostik der Fragebogen zur Erfassung der Emotionsregulation bei Kindern und Jugendlichen (FEEL-KJ; Grob u. Smolenski, 2005) eingesetzt wurde. Bis zum
Frühjahr 2011 erfolgte der Einsatz des Bogens nach Indikation und wurde bei Kindern
und Jugendlichen eingesetzt, bei denen ER-Defizite angenommen wurden (n = 21, 16 %).
Im weiteren Verlauf wurde der Bogen in die Routinediagnostik aufgenommen. Insgesamt
umfasst die Stichprobe 129 Kinder und Jugendliche (weiblich: 45 %), im Alter zwischen 7
und 17 Jahren (M = 11,58, SD = 2,55).
2.2 Messinstrumente
2.2.1 FEEL-KJ
Zur Messung der ER werden in der Literatur verschiedene methodische Zugänge vorgeschlagen (zur Übersicht: Adrian, Zeman, Veits, 2011; Dorn, Spindler, Kullik, Pertermann, Barnow, 2013). Zur Untersuchung der oben formulierten Fragestellungen
374 J. F. Greuel et al.
eignet sich der FEEL-KJ (Grob u. Smolenski, 2005) besonders gut, denn mithilfe
dieses Fragebogens wird im Selbstbericht von Kindern und Jugendlichen sowohl die
Häufigkeit des Einsatzes sieben adaptiver, als auch fünf maladaptiver ER-Strategien
erfasst. Eine Übersicht mit Beispielitems findet sich in Tabelle 1. Die Häufigkeit, mit
der die entsprechende Strategie verwendet wird, wird anhand einer fünfstufigen Ratingskala (fast nie=1, selten=2, ab und zu=3, oft=4, fast immer=5) eingeschätzt. Über
die Werte für die jeweiligen Einzelstrategien hinaus können auch übergeordnete
Werte (Adaptive und Maladaptive Strategien) berechnet werden, die auch durch die
Skaleninterkorrelationen der Einzelstrategien nahegelegt werden (Manual: adaptive
Strategien: r = .28-.76 , maladaptive Strategien: r = -.03-.51; hier: adaptive Strategien:
r = .41-.81, maladaptive Strategien: r = .18-.60). Während Grob und Smolenski (2005)
einen kleinen negativen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit der Verwendung
adaptiver und maladaptiver Strategien (r = -.15, N = 780, p < .01) berichten, konnten
wir einen solchen Zusammenhang nicht nachweisen (r = .07. N = 129, p = .45) und
gehen aufgrund der niedrigen Varianzaufklärung (r² = .02) bei Grob und Smolenski
(2005) und dem nicht signifikanten Zusammenhang in unserer Stichprobe von einer
weitestgehend unabhängigen Messung adaptiver und maladaptiver Strategien aus.
Zusätzlich zu den genannten Strategien umfasst der FEEL-KJ drei weitere, nicht als
maladaptiv/adaptiv eingeordnete Strategien, die hier aufgrund der fehlenden Zuordnung nicht berücksichtigt werden. Jede der 15 Strategien wird mit jeweils zwei Items
im Umgang mit den drei negativen Emotionen Wut, Trauer und Angst abgefragt,
sodass eine emotionsspezifische Auswertung (z. B. (Mal-)Adaptive Strategien bei Wut
vs. bei Angst vs. bei Trauer) möglich ist. Sowohl im Manual als auch in dieser Studie zeigen sich deutliche Skaleninterkorrelationen innerhalb der adaptiven (Manual:
r = .66, hier: r = .69) bzw. maladaptiven Strategien (Manual: r = .57 hier: r = .59) bei
der Regulation der verschiedenen Emotionen. Insgesamt enthält der Fragebogen 90
Items. Die im Manual berichteten Reliabilitäten der übergeordneten Skalen liegen im
mittleren beziehungsweise hohen Bereich. Während dies für die adaptiven Strategien
auch bei einer emotionsspezifischen Auswertung gilt, liegen die Reliabilitäten bei der
emotionsspezifischen Auswertung maladaptiver Strategien im niedrigen Bereich. Die
berichteten Werte für die Strategieskalen reichen vom niedrigen bis in den mittleren
Bereich. In der vorliegenden Stichprobe sind die Reliabilitäten mindestens vergleichbar mit den im Manual angegebenen. Auf Ebene der Einzelskalen liegen die Reliabilitäten der Skalen mit einer Ausnahme im mittleren Bereich (s. Tab. 1). Der FEEL-KJ
ist für den Altersbereich 10;0-19;11 Jahre normiert. Dennoch wurde der Fragebogen
teilweise auch schon bei jüngeren Kindern eingesetzt (7-Jährige: n = 4, 3 %, 8-Jährige:
n = 8, 9 %, 9-Jährige: n = 17, 13 %). Falls die Kinder noch nicht sicher selbstständig lesen konnten, kognitiv eine Bearbeitung jedoch leisten konnten, wurde der Fragebogen
mit Unterstützung (Vorlesen der Items) durchgeführt. Bei allen Berechnungen zum
FEEL-KJ verwenden wir die normalverteilten T-Werte der Normierung. Diese erfolgt
für die untersuchten Skalen alters- und geschlechtsunabhängig.
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375
Tabelle 1: Skalen, Beispielitems und Reliabilitätsangaben zu den Skalen des FEEL-KJ
Skalenname
Problemorientiertes Handeln
Zerstreuung
Stimmung anheben
Akzeptieren
Vergessen
Kognitives Problemlösen
Umbewertung
Adaptive Strategien bei Wut
Adaptive Strategien bei Angst
Adaptive Strategien bei Trauer
Adaptive Strategien (Gesamt)
Aufgeben
Aggressives Verhalten
Rückzug
Selbstabwertung
Perseveration
Maladaptive Strategien bei Wut
Maladaptive Strategien bei Angst
Maladaptive Strategien bei Trauer
Maladaptive Strategien (Gesamt)
Beispielitem
... versuche ich das zu verändern, was mich wütend/
mir Angst/mich traurig macht.
... tue ich etwas, was mir Spaß macht.
... denke ich über Dinge nach, die mir Spaß machen.
... mache ich das Beste daraus.
... versuche ich zu vergessen, was mich wütend/mir
Angst/mich traurig macht.
... denke ich darüber nach, was ich tun könnte.
... sage ich mir, dass das Problem nicht so schlimm ist.
α/N α/I
.73 .75
.85
.88
.71
.69
.88
.85
.78
.71
.82
.79
.83
.83
.88
.93
... mag ich nichts mehr tun.
.69
... fange ich mit anderen Streit an.
.78
... will ich niemanden sehen.
.80
... denke ich, dass es mein eigenes Problem ist.
.72
... überlege ich immer wieder, warum ich wütend bin/ .69
Angsthabe/traurig bin.
.58
.59
.66
.82
.83
.75
.89
.87
.92
.95
.69
.77
.77
.75
.72
.64
.70
.78
.87
Anmerkungen: α = interne Konsistenz (Cronbach’s α) der Skala, α/N = α Normstichprobe (N = 780), α/I
= α Inanspruchnahmestichprobe (N = 120)
2.2.2 Diagnosen nach ICD-10
Über die beschriebenen Daten hinaus wurden die Diagnosen erhoben, die nach Abschluss der diagnostischen Untersuchungen in den Hochschulambulanzen vergeben
wurden. Die eingesetzten diagnostischen Verfahren und Routinen beider Institutionen
(Universität Bielefeld, TU Braunschweig) waren weitgehend vergleichbar. Sie zeichnen
sich durch einen Multiinformanten- (z. B. Selbst, Eltern, Lehrer) sowie multimethodalen
Ansatz (Anamnese, Exploration, Verhaltensbeobachtung, psychopathologischer Befund,
Fragebogenverfahren, Interviewverfahren) aus. Insgesamt liegen für 120 der 129 eingeschlossenen Kinder und Jugendlichen (93 %) – über den FEEL-KJ hinaus – bereits gültige ICD-10-Diagnosen vor, die weiteren Fälle waren zum Zeitpunkt der Datenextraktion
noch nicht abgeschlossen.
Klassifikation nach ICD-10-Diagnosen. Zum Vergleich verschiedener Formen psychischer Auffälligkeiten oder Störungen greifen wir auf die Klassifikation nach Achen-
376 J. F. Greuel et al.
bach (z. B. 1991) zurück und vergleichen Kinder und Jugendliche ohne Diagnose mit
internalisierenden und externalisierenden sowie gemischten psychischen Störungen. Die
Gruppe Keine Diagnose (n = 20) enthält dabei alle Kinder und Jugendlichen, bei denen
nach Abschluss der Diagnostik keine Diagnose vergeben wurde und die somit als „gesund“ (i.S. von Abwesenheit einer psychischen Störung) beziehungsweise maximal in
subklinischem Umfang belastet eingeschätzt wurden. Bei der weiteren Einteilung wurde
viel Wert darauf gelegt, dass die Zuordnungen trennscharf erfolgen können, um spezifische ER-Defizite untersuchen zu können. Diagnosen, die nicht eindeutig zugeordnet
werden konnten (z. B. F 51.0 Nichtorganische Insomnie, F 90.0 Einfache Aktivitäts- und
Aufmerksamkeitsstörung), wurden ausgeschlossen. Insgesamt konnten 86 der 120 Fälle
aufgrund der vergebenen Diagnose zugeordnet werden (72 %). In der Gruppe Internalisierende Diagnosen finden sich vor allem unipolare affektive Störungen (z. B. F 32.0-2
Depressive Episode, F 43.21 Anpassungsstörung mit längerer depressiver Reaktion) und
Angststörungen (z. B. F 93.2 Störung mit sozialer Ängstlichkeit des Kindesalters), wohingegen die Gruppe Externalisierende Diagnosen vor allem Störungen des Sozialverhaltens
(SSV; F 91.0-3) und Hyperkinetische SSV umfasst (F 90.1). Die Gruppe Kombinierte (Int.
und Ext.) Diagnosen setzt sich aus Diagnosen zusammen, die eindeutig internalisierende
und externalisierende Anteile haben (z. B. F 92.0 SSV mit depressiver Störung, F 43.25
Anpassungsstörung mit gemischter Störung von Gefühlen und Sozialverhalten).1
2.3 Datenanalyse
Es werden Korrelationen nach Pearson genutzt, um Zusammenhänge zwischen metrischen Variablen zu überprüfen und darüber hinaus verschiedene Verfahren, um Mittelwertunterschiede zu prüfen (t-Test; MANOVA; ggf. unter der Kontrolle konfundierender Variablen z. B. Geschlecht, MANCOVA). Die oben genannte Unabhängigkeit
adaptiver und maladaptiver Strategien erlaubt jeweils getrennte Analysen. In Abhängigkeit von den Ergebnissen der multivariaten Tests werden bei Vergleichen von mehr
als zwei Gruppen univariate Varianzanalysen (ANCOVA) und entsprechende PosthocTests zur Untersuchung der Unterschiede zwischen den Gruppen durchgeführt, wobei
das Signifikanzniveau der jeweiligen Vergleichsanzahl nach Bonferroni angepasst wird.
Dabei wird das jeweils verwendete α-Fehlerniveau durch die Anzahl der durchgeführten
Vergleiche dividiert, um einer α-Fehler-Inflation durch eine erhöhte Testanzahl entgegenzuwirken. Falls nicht anders angegeben, verwenden wir das übliche Signifikanzniveau von α = .05 (Vorgehen z. B. beschrieben bei Pallant, 2010).
Zur Untersuchung der ersten Fragestellung wurden alle Kinder und Jugendlichen,
die die Diagnose einer psychischen Störung nach ICD-10 (unabhängig von der konkreten Diagnose) erhalten hatten, als eine Gruppe (n = 100) angesehen und mit
1 Eine Einteilung der Gruppen aufgrund von CBCL-Werten wurde zusätzlich durchgeführt, um
eine Vergleichbarkeit zu anderen Studien, die die CBCL in gleicher Weise genutzt hatten, zu gewährleisten. Aus Platzgründen wurde auf eine ausführliche Darstellung verzichtet.
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Strategien zur Emotionsregulation bei Kindern mit psychischen Störungen������
377
dem t-Test für eine Stichprobe auf allen Skalen des FEEL-KJ mit dem Mittelwert
der Normstichprobe (T = 50) verglichen. Die von Grob und Smolenski (2005) untersuchte Normstichprobe umfasste 780 schweizerische Kinder und Jugendliche im
Alter zwischen 10 und 19 Jahren, die sich aus drei Stichproben zusammensetzten
(exakte Altersangabe für N fehlt, n1: m = 13;4, n2 = 12;7, n3 = 16;0; M (gewichtet
nach Stichprobengröße = ca. 14,68; SD = nicht angegeben, S. 21-22 u. 34, T-Test zum
Vergleich nicht möglich, hier: M = 11,58 Jahre, SD = 2,55, sign. Unterschied angenommen). Der Anteil der Mädchen liegt in der Normstichprobe mit 58 % höher als
in unserer Stichprobe (45 %; χ2 = 7.58, df = 1, p < .01). Die Normstichprobe wurde
aus verschiedenen Schulformen rekrutiert und wird im Manual als Schulstichprobe
und als „unauffällig“ (S. 34) beschrieben. Psychische Erkrankungen sollten hier allenfalls mit der Wahrscheinlichkeit der Basisraten auftreten (Jugendalter: ca. 18 %,
behandlungsbedürftig: ca. 9 %; Barkmann u. Schulte-Markwort, 2010).
2.4 Vorangestellte Analysen
Grob und Smolenski berichten im Manual zum FEEL-KJ (2005) mit Ausnahme der
hier nicht weiter beachteten Skala Soziale Unterstützung allenfalls sehr kleine Alters- und Geschlechtseffekte auf den Skalen des FEEL-KJ. Zuletzt konnten jedoch
z. B. Braet et al. (2014) deutlichere Effekte zeigen, sodass wir die hier verwendete
Stichprobe auf Alters- und Geschlechtseffekte hin untersuchen.
2.4.1 Alterseffekte
Während die Verwendung adaptiver Strategien in der vorliegenden Stichprobe altersunabhängig ist, zeigte sich ein positiver Zusammenhang zwischen dem Alter und
dem Gesamtwert zur Verwendung Maladaptiver Strategien (r = .20, N = 129, p = .02),
der sich emotionsspezifisch jedoch nur bei der Regulation von Trauer zeigt (r = .28,
N = 129, p < .01). Mit zunehmendem Alter geben die untersuchten Kinder und Jugendlichen eine häufigere Verwendung maladaptiver Strategien bei der Regulation
von Trauer an. Der gezeigte Alterseffekt kann als klein beschrieben werden.
2.4.2 Geschlechtseffekte
Mithilfe einer MANCOVA (unter Kontrolle des Alters) untersuchten wir darüber
hinaus geschlechtsspezifische Unterschiede. Es ergab sich weder ein signifikanter
Effekt für die multivariate Kombination der adaptiven Strategien (F(7,120) = 1.23,
Wilks’ Lambda = .93, p = .29, ηp² = .07) noch auf univariater Ebene (F(1,126) < 0.010.67, p = .42-.96, ηp² < .01). In einer zweiten vergleichbaren MANCOVA wurden
Geschlechtseffekte auf den fünf maladaptiven Strategien untersucht. Auf der Kombination aller abhängigen Variablen ergab sich eine signifikante häufigere Nutzungen
maladaptiver Strategien durch Mädchen (F(5, 122) = 3.87, Wilks’ Lambda = .86, p < .01,
378 J. F. Greuel et al.
ηp² = .14). Auch bei der Betrachtung der univariaten Effekte auf den maladaptiven
Strategieskalen zeigten sich geschlechtsspezifische, kleine bis mittlere Unterschiede
auf drei der fünf Skalen, wobei Mädchen die jeweiligen Strategien häufiger nutzten
als Jungen (Aufgeben: F(1, 126) = 6.99, p < .01, ηp² = .05; Rückzug: F(1, 126) = 8.24, p < .01,
ηp² = .06; Perseveration: F(1, 126) = ,15.20, p < .01, ηp² = .11). Die Untersuchung der Skalen Aggressives Verhalten und Selbstabwertung ergab keine signifikanten Unterschiede
zwischen beiden Geschlechtern (F(5,122) = 0.34-3.50, p = .06-.56, ηp² < .01-03).
3
Ergebnisse
3.1 Unterschiede zwischen der ER psychisch kranker Kinder und Jugendlicher
und einer gesunden Normstichprobe
Tabelle 2 gibt einen Überblick zu den deskriptiven Statistiken der ER-Parameter der
Gruppe psychisch kranker Kinder und Jugendlicher und enthält darüber hinaus die
Angaben zu den Vergleichen mit dem Normwert der Normstichprobe von 50 T-Wertpunkten. Die Mittelwerte psychisch kranker Kinder und Jugendlicher auf jeder der
adaptiven Skalen sind signifikant niedriger ausgeprägt als die Mittelwerte der Normstichprobe, wobei auf allen Skalen mittlere, beim Problemorientierten Handeln sogar
eine große Effektstärke gefunden werden konnte. Dagegen können nicht auf jeder der
maladaptiven Strategieskalen signifikant erhöhte Werte berichtet werden. Lediglich
die Skalen Aufgeben und Rückzug weisen (nach Bonferroni-Korrektur) signifikant erhöhte Mittelwerte auf, wobei die Effektstärken auch hier im mittleren Bereich liegen.
3.2
Vergleich verschiedener Formen von Psychopathologie auf Basis von
ICD-10-Diagnosen
Tabelle 3 zeigt die relevanten Statistiken der vier Gruppen psychischer Störungen
nach ICD-10-Diagnose. Deskriptiv betrachtet zeigen sich für die Gruppe der Kinder und Jugendlichen, bei denen keine Diagnose vergeben wurde, emotions- (Wut,
Angst, Trauer) und strategiegruppenübergreifend (adaptiv, maladaptiv) nur kleine
Abweichungen vom Mittelwert der Normstichprobe (T = 50).
Deutlich niedrigere mittlere T-Werte lassen sich bei allen übrigen Diagnosegruppen bei der Verwendung adaptiver Strategien beobachten, wobei die Abweichung der
mittleren T-Werte der Gruppe Externalisierende Störung bei der Anwendung Adaptiver Strategien bei Angst und Trauer weniger stark zu sein scheint als bei den Diagnosegruppen Internalisierende und Kombinierte (Int. und Ext.) Störung.
In der durchgeführten MANCOVA mit den drei emotionsspezifischen Skalen Adaptiver Strategien konnte ein multivariater Unterschied zwischen den Gruppen gezeigt
werden (F(9, 189) = 2.26, Wilks’ Lambda = .78, p = .02, ηp² = .08), wobei weder das Alter
(F(3,78) = .47, Wilks’ Lambda = .98, p = .71, ηp² = .02), noch das Geschlecht (F(3,78) = .41,
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379
Tabelle 2: Emotionsregulationsstrategien (FEEL-KJ) bei psychisch kranken Kindern im Vergleich zur
Normstichprobe
Problemorientiertes Handeln
Zerstreuung
Stimmung anheben
Akzeptieren
Vergessen
Kognitives Problemlösen
Umbewertung
Adaptive Strategie Wut
Adaptive Strategie Angst
Adaptive Strategie Trauer
Adaptive Strategie Gesamt
Aufgeben
Aggressives Verhalten
Rückzug
Selbstabwertung
Perseveration
Maladaptive Strategie. Wut
Maladaptive Strategie Angst
Maladaptive Strategie Trauer
Maladaptive Strategie Gesamt
T-Wert
Min Max
m
20
62 40.68
23
68 43.79
26
67 44.33
24
75 42.36
20
73 44.21
20
69 42.61
28
80 46.15
21
73 41.64
22
75 41.88
20
71 43.41
20
78 41.35
30
81 54.95
37
80 52.56
34
80 54.96
24
77 46.78
24
74 47.21
23
79 52.43
23
80 52.70
23
79 51.75
20
80 52.42
SD
11.57
12.17
10.89
11.52
11.45
12.21
10.72
12.00
12.22
12.59
12.51
11.46
11.54
10.99
11.87
10.99
11.41
12.79
12.96
12.24
T
-8.05
-5.10
-5.20
-6.63
-5.06
-6.05
-3.59
-6.97
-6.65
-5.24
-6.91
4.32
2.22
4.51
-2.71
-2.54
2.13
2.11
1.34
1.98
df
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
99
p
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
<.01
.03*
<.01
.01*
.01*
.04
.04
.18
.05
Mittl.
Diff.
-9.32
-6.21
-5.87
-7.64
-5.79
-7.39
-3.85
-8.36
-8.12
-6.59
-8.65
4.95
2.56
4.96
-3.22
-2.79
2.43
2.70
1.75
2.42
Cohens
d
-.84
-.56
-.54
-.71
-.52
-.71
-.35
-.75
-.73
-.58
-.77
.46
.24
.47
-.29
-.27
.23
.24
.15
.22
Anmerkungen: n = 100, Min = Minimale Ausprägung auf der Skala, Max = maximale Ausprägung auf
der Skala, m = Mittelwert, SD = Standardabweichung, T-Werte (M = 50, SD = 10), T = Prüfstatistik,
df = Freiheitsgrade, p = Prüfstatistik Signifikanz (* = aufgrund der α-Fehlerkorrektur nicht signifikant)
Wilks’ Lambda = .99, p = .75, ηp² = .02) einen signifikanten Einfluss als Kovariate hatte.
In den univariaten Analysen (Kennwerte in Tab. 3) für die Skalen Adaptive Strategien
bei Angst und Adaptive Strategien bei Trauer zeigten sich ebenfalls signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Keine signifikanten Unterschiede gab es auf der Skala
Adaptive Strategien bei Wut.
Post-hoc-Tests (p-Wert bereits an das veränderte α-Fehlerniveau angepasst) zum
Vergleich der Skalenmittelwerte Adaptive Strategien bei Angst bzw. Trauer ergaben eine
signifikante Differenz zwischen den Gruppen Keine Diagnose und Internalisierende Störung (Adaptive Strategien bei Trauer: p < .05, d = .76). Kinder und Jugendliche mit einer
internalisierenden psychischen Störung gaben folglich bei der Verarbeitung von Trauer
an, seltener adaptive Strategien einzusetzen als Kinder und Jugendliche, die keine Diagnose erhalten hatten. Zusätzlich fanden sich zwei signifikante Unterschiede zwischen
den Gruppen Keine Diagnose und Kombinierte (Int. und Ext.) Störung (Adaptive Strategien bei Angst: p < .01, d = 1.08; Adaptive Strategien bei Trauer: p < .01, d = 1.14). Jeder
380 J. F. Greuel et al.
der gefundenen Effekte ist groß. Das Ergebnis zeigt, dass Kinder und Jugendliche, die
eine psychische Störung mit internalisierenden wie externalisierenden Anteilen haben,
die Nutzung adaptiver Strategien bei der Verarbeitung von Angst und Trauer seltener
angab als die Gruppe, bei der keine Diagnose vergeben wurde.
Tabelle 3: Emotionsregulationsstrategien (FEEL-KJ) bei verschiedenen Formen von Psychopathologie
(ICD-10 Diagnosen)
Strategie
ICD-10 Diagnosegruppe
Adaptive Strategie Wut
Keine Diagnose
F(3,80) = 2.49, p = .07, ηp² = .09 Internalisierende Diagnose
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
Adaptive Strategie Angst
Keine Diagnose
Internalisierende Diagnose
F(3,80) = .5.82, p < .01, ηp².18
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
Adaptive Strategie Trauer
Keine Diagnose
F(3,80) = 4.27, p < .01, ηp² = .14 Internalisierende Diagnose
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
Maladaptive Strategie Wut
Keine Diagnose
F(3,80) = 2.10, p = .11, ηp² = .07 Internalisierende Diagnose
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
Maladaptive Strategie Angst Keine Diagnose
F(3,80) = 1.73, p = .17, ηp² = .06 Internalisierende Diagnose
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
Maldaptive Strategie Trauer Keine Diagnose
F(3,80) = .85, p = .47, ηp² = .03 Internalisierende Diagnose
Externalisierende Diagnose
Kombinierte (Int. und Ext.) Diagnose
n
20
33
18
15
20
33
18
15
20
33
18
15
20
33
18
15
20
33
18
15
20
33
18
15
m
48.90
40.61
41.72
39.60
51.10
39.58
45.89
37.33
52.05
42.58
46.78
37.53
48.95
53.61
56.28
49.60
49.80
55.82
51.78
59.53
47.65
56.58
49.89
54.27
SD
13.38
9.45
13.28
15.86
12.50
9.39
12.50
13.03
13.35
11.63
13.11
12.15
13.06
11.93
9.63
12.36
13.19
12.70
11.79
13.28
14.82
12.88
13.20
13.25
Anmerkungen: n = Gruppengröße, m = Mittelwert, SD = Standardabweichung, Angaben zu den univariaten Vergleichen zwischen den Gruppen: F =Prüfstatistik, df= Freiheitsgrade, p=Prüfstatistik Signifikanz, ηp²=Schätzer der Effektstärke
Deskriptiv betrachtet, zeigen die Statistiken der Diagnosegruppen bei den maladaptiven
Strategien deutlich weniger starke Abweichungen vom Mittelwert der Normstichprobe
(T = 50).Während die MANCOVA auch hier bedeutsame Unterschiede zwischen den
Diagnosegruppen zeigt (F(9, 189) = 2.15, Wilks’ Lambda = .79, p = .03, ηp² = .08) ergaben
sich keine signifikanten Kovariateneffekte für Alter (F(3,78) = .1.38, Wilks’ Lambda = .95,
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381
p = .26, ηp² = .05) und Geschlecht (F(3,78) = .1.35, Wilks’ Lambda = .95, p = .27, ηp² = .05).
Darüber hinaus konnten auf Ebene der univariaten Analysen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen nachgewiesen werden (Kennwerte in Tab. 3), sodass
keine weiteren Analysen vorgenommen wurden.2
4
Diskussion
4.1 Unterschiede in der ER psychisch kranker Kinder und Jugendlicher im
Vergleich zur Normstichprobe
Die Stichprobe psychisch kranker Kinder und Jugendlicher zeichnet sich vor allem
durch mittlere bis starke, jedoch konsistent über jede der adaptiven Strategieskalen
hinweg auftretende Defizite in der Häufigkeit der Anwendung adaptiver Strategien
aus, sodass Hypothese 1b als bestätigt angesehen werden kann. Diese Defizite traten
darüber hinaus emotionsübergreifend in ähnlicher Intensität auf. Bezüglich der maladaptiven Strategien zeigte die psychisch kranke Stichprobe deutlich weniger bedeutsame Abweichungen von der Normstichprobe. So konnten nur auf den Skalen Aufgeben und Rückzug signifikant häufigere Anwendungen gefunden werden. Insgesamt
ergibt sich für die Kinder und Jugendlichen mit psychischen Störungen keine erhöhte
Anwendung maladaptiver Strategien, sodass Hypothese 1a allenfalls als teilweise bestätigt angesehen werden kann. Unter Berücksichtigung der gesamten Stichprobe
kann daher festgehalten werden, dass sich Psychopathologie in dieser Stichprobe am
stärksten durch das konsistente Fehlen adaptiver ER und weniger durch eine überdurchschnittlich häufige Anwendung maladaptiver Strategien, die bisher in der Literatur stark hervorgehoben wird (z. B. Aldao et al., 2010), auszeichnete.
4.2 Analyse der ER verschiedener Formen von Psychopathologie nach ICD-10Diagnosen
Die Kinder und Jugendlichen, bei denen keine Diagnosen vergeben wurde, erreichten auf jeder der Skalen mit einer Normstichprobe vergleichbare Mittelwerte. Auf
den Skalen adaptiver Strategien waren die Werte aller weiteren Diagnosegruppen
gegenüber der Normstichprobe deutlich herabgesetzt. In der adaptiven Verarbeitung von Angst und Trauer hatten sich signifikante Unterschiede zwischen der
2 Die Analysen wurden für eine ähnliche Gruppeneinteilung ausschließlich basierend auf der CBCL
nochmals durchgeführt. Die Ergebnisse der Vergleiche ergaben in Abhängigkeit von der Form der
Auffälligkeiten keine spezifischen Abweichungen in der ER. Im Gegensatz zu den oben gezeigten
Analysen, unterschied sich auch die Gruppe ohne Auffälligkeiten (auf der CBCL) in ihrer ER nicht
von den übrigen Gruppen. Die Analysen auf Basis der CBCL wurden aus Platzgründen aus dem
Manuskript herausgenommen.
382 J. F. Greuel et al.
Gruppe Keine Diagnose und einzelnen Gruppen von Psychopathologie gezeigt, jedoch keine Effekte zwischen den Gruppen verschiedener Psychopathologien. In der
Konsequenz konnten wir keine diagnosegruppespezifische Abweichung bezüglich
adaptiver Strategien zeigen. Die Analyse der maladaptiven Strategien ergab über
einen multivariaten Effekt hinaus keine univariaten Effekte und schließlich keine
spezifischen Effekte für bestimmte Formen von Psychopathologie.
Insgesamt legen die dargestellten Befunde ein eher transdiagnostisches (als diagnosespezifisches) Verständnis von ER im Kindes- und Jugendalter nahe. In der Literatur werden zwar beide Aspekte berücksichtigt, die höhere Bedeutung wird jedoch deutlich dem
diagnosespezifischen Ansatz zugesprochen. In Studien, die verschiedene Strategie- Psychopathologie-Kombinationen untersuchen (z. B. Braet, 2014) oder in Metaanalysen, die
die Studien zu jeweils einzelnen Strategie-Psychopathologie-Kombinationen integrieren
(z. B. Aldao et al., 2010), gewinnt der transdiagnostische Ansatz jedoch deutlich an Bedeutung. Hinweise auf emotionsspezifische Regulationsdefizite in Abhängigkeit von der
Psychopathologie konnten nicht gezeigt werden, sodass ER in dem untersuchten Altersbereich möglicherweise eher emotionsübergreifend als emotionsspezifisch betrachtet
werden könnte. Gestärkt wird diese Annahme durch die Skaleninterkorrelationen adaptiver und maladaptiver Strategien bei der Regulation der verschiedenen Emotionen.
Grob und Smolenski (2005) berichten geringfügig niedrigere Korrelationen als die hier
gefundenen (s. 2.2.1), gehen aber von einer ausreichenden Unabhängigkeit der Werte
aus. Unter Berücksichtigung des limitierenden Einflusses der (teilweise niedrigen) Reliabilitäten (s. Tab. 1) sind die gefundenen Zusammenhänge aus unserer Sicht hoch.
4.3 Stärken und Einschränkungen der Studie
Neben der Verwendung einer klinischen Stichprobe zeichnet sich die Studie durch
die gleichzeitige Untersuchung adaptiver und maladaptiver Strategien, eine Berücksichtigung emotionsspezifischer ER sowie die Berücksichtigung verschiedener Formen von Psychopathologie aus.
Der Anteil der Mädchen und das durchschnittliche Alter und liegen in der hier
untersuchten Stichprobe unterhalb der Kennwerte der Normstichprobe, die als Referenz diente. Darüber hinaus wurden Kinder in die Analyse einbezogen, die dem
normierten Altersbereich des FEEL-KJ noch nicht entsprechen. Aufgrund der hier
und im Manual (Grob u. Smolenski, 2005) gezeigten weitgehenden Geschlechtsund Altersunabhängigkeit der Skalen des FEEL-KJ gehen wir jedoch davon aus, dass
die Ergebnisse dadurch nicht verfälscht werden. Der zunächst nach Indikation erfolgte Einsatz des FEEL-KJ, von dem jedoch nur ein kleiner Anteil der Stichprobe
betroffen war (16 %), führte wahrscheinlich zum Vorliegen einer leicht selektierten
Gruppe. Diese sollte jedoch eher eine Extremgruppe mit stark von der Norm abweichender ER sein, sodass die eingetretene Selektion sich eher entgegen der hier
gezeigten Befunde und der gezogenen Schlüsse ausgewirkt haben sollte. Unabhängig davon ist nicht auszuschließen, dass die Normstichprobe als Schulstichprobe
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383
psychisch kranke Kinder und Jugendliche im Umfang der Basisraten einschloss.
Die Werte einer vollständig gesunden Stichprobe unterscheiden sich gegebenenfalls
noch stärker von denen psychisch Kranker, sodass einzelne Effekte doch signifikant
würden (z. B. erhöhte Anwendung Aggressiven Verhaltens). Dennoch gehen wir davon aus, dass die Normstichprobe die entsprechenden ER-Merkmale repräsentativ
abbildet. Insgesamt liegt die Anzahl der eingeschlossenen Fälle als klinische Stichprobe vergleichsweise hoch. Dennoch limitierte die Stichprobengröße die Anzahl
möglicher Diagnosekategorien aufgrund gegebenenfalls zu kleiner Stichprobengrößen in den jeweiligen Kategorien deutlich. So konnte z. B. eine zunächst angestrebte
Differenzierung zwischen affektiven und Angststörungen nicht umgesetzt werden.
Auch die jeweiligen Größen der hier verwendeten Gruppen sind vergleichsweise
klein. Statistische Signifikanz erreichen so nur große Effekte zwischen den Gruppen.
Aus diesem Grund müssen die vorliegenden Ergebnisse als vorläufig betrachtet werden. Es ergaben sich auch Unterschiede mittlerer Effektstärken, die beim Vorliegen
einer externalisierenden Diagnose weniger starke Defizite bei der Regulation von
Angst und Trauer vermuten lassen als in den anderen Diagnosekategorien, sodass
eventuell doch emotionsspezifische Unterschiede zwischen den verschiedenen Pathologien bestehen. Zugunsten der emotionsspezifischen Auswertung des FEEL-KJ,
die eine inhaltlich enge Anlehnung an die Störungskonzepte der ICD-10 darstellen sollte, wurde hierbei auf eine Auswertung auf Ebene der einzelnen Strategien
verzichtet. Im Falle adaptiver Strategien ist dies wahrscheinlich unproblematisch,
denn die Werte der verschiedenen Einzelstrategien scheinen sich in Abhängigkeit
von vorliegender Psychopathologie ähnlich zu verändern. Bei den maladaptiven
Strategien zeigten sich über die gesamte Stichprobe psychisch kranker Kinder und
Jugendlicher lediglich auf zwei von fünf Einzelstrategien erhöhte Werte gegenüber
der Normstichprobe, sodass eine intensivere Untersuchung dieser Skalen eventuell
weiterführende Ergebnisse erbringen könnte. Eine Auswertung der Einzelstrategien
ist jedoch bedingt durch die teilweise unzureichenden Reliabilitätskennwerte der
Strategieskalen (s. Tab. 1) und die teilweise hohen Skaleninterkorrelationen methodisch schwer umzusetzen und inhaltlich fragwürdig.
Fazit für die Praxis
Aus unserer Sicht sollte die ER im Rahmen der klinisch-psychologischen Diagnostik
erfasst werden. Eine Berücksichtigung spezifischer Emotionen rückt dabei eher in den
Hintergrund. Die Erfassung adaptiver Regulationsstrategien ist mindestens so wichtig wie die Erfassung maladaptiver Strategien. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass
der Vermittlung adaptiver ER-Strategien in der Prävention und Therapie psychischer
Störungen bei Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle zukommt, denn anders
als im Erwachsenenalter scheinen sich Kinder und Jugendliche mit psychischen Störungen besonders durch eine unterdurchschnittliche Nutzung adaptiver ER-Strategien
von Normstichproben zu unterscheiden.
384 J. F. Greuel et al.
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Korrespondenzanschrift: Jan Felix Greuel, TU Braunschweig, Institut für Psychologie, Humboldtstraße 33, 38106 Braunschweig; E-Mail: [email protected]
Jan Felix Greuel, Nina Heinrichs und Markus Wenglorz, Technische Universität Braunschweig; Nadine
Reinhold, Hochschulambulanz für Kinder- und Jugendliche an der Universität Bielefeld
Emotionsregulation bei Jugendlichen mit Nichtsuizidalen
Selbstverletzungen
Tina In-Albon, Taru Tschan, Daniela Schwarz und Marc Schmid1
Summary
Emotion Regulation in Adolescents with Nonsuicidal Self-Injury
Nonsuicidal self-injury (NSSI) is a prevalent and impairing condition that was newly included in DSM-5 in the section III criteria for further research. Difficulties in emotion regulation
play an important role in the development and maintenance of NSSI. This study investigated
the emotion regulation in female adolescents with NSSI according to DSM-5 (n = 55), clinical control adolescents with mental disorders without NSSI (n = 30), and nonclinical control
adolescents (n = 58) using self-report questionnaires and interviews. As expected, results indicated that adolescents with NSSI have significantly more difficulties in emotion regulation
compared to healthy controls. In addition, adolescents with NSSI reported also significantly
more difficulties in impulse control, lack of emotional clarity, difficulties engaging in goal-directed behavior, and limited access to emotion regulation strategies compared to nonclinical
and clinical controls. Adolescents with NSSI felt significantly more often sadness compared to
clinical controls (d = 0.66) and compared to other emotions. Adolescents with NSSI indicated
significantly less often happiness compared to nonclinical controls (d = 1.83). Results support
that adolescents with NSSI have difficulties in emotion regulation and that these difficulties
are even more pronounced than in adolescents with other mental disorders. Clinical implications will be discussed.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64/2015, 386-403
Keywords
nonsuicidal self-injury – emotion regulation – DSM-5
1 Wir danken dem Schweizerischen Nationalfonds (100014_135205) für die Projektförderung sowie
folgenden Einrichtungen für die Rekrutierung: Clienia Littenheid, Kinder- und Jugendpsychiatrischer
Dienst Königsfelden, Kinder- und Jugendpsychiatrie Kriens, St. Elisabethen-Krankenhaus Kinderund Jugendpsychiatrie Lörrach, Kinder- und Jugendpsychiatrie Chur, Universitäre Psychiatrische
Kliniken Kinder- und Jugendpsychiatrie Basel, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie
Bern, Kinder- und Jugendpsychiatrische Klinik Solothurn und Klinik Sonnenhof Kinder- und Jugendpsychiatrisches Zentrum Ganterschwil.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 386 – 403 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
387
Zusammenfassung
Nichtsuizidale Selbstverletzungen (NSSV) ist ein prävalentes und beeinträchtigendes Störungsbild, welches neu als Forschungsdiagnose in das DSM-5 aufgenommen wurde. Bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von NSSV spielen Schwierigkeiten in der Emotionsregulation
eine zentrale Rolle. Diese Studie untersuchte die Emotionsregulation von weiblichen Jugendlichen mit NSSV nach DSM-5 (NSSV, n = 55), Jugendlichen einer klinischen Kontrollgruppe
mit psychischen Störungen ohne NSSV (KKG, n = 30) und Jugendlichen einer gesunden Kontrollgruppe (GKG, n = 58) anhand verschiedener Selbstbericht-Fragebögen und Interviews zur
Emotionsregulation. Wie erwartet, zeigten sich bei Jugendlichen mit NSSV signifikant mehr
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation als bei psychisch gesunden Jugendlichen über alle
Fragebögen hinweg. Zudem zeigte sich, dass Jugendliche mit NSSV signifikant mehr Schwierigkeiten in den Bereichen Impulskontrolle, begrenzter Zugriff auf Emotionsregulationsstrategien,
Klarheit über eigene Gefühle und zielgerichtetes Verhalten aufweisen als die GKG und die KKG.
Traurigkeit wird von Jugendlichen mit NSSV im Vergleich zur KKG signifikant häufiger empfunden (d = 0.66) als andere Emotionen. Jugendliche mit NSSV berichteten signifikant weniger
die Emotion Freude im Vergleich zur GKG (d = 1.83). Die Ergebnisse bestätigen, dass Jugendliche mit NSSV auch im Vergleich zu einer klinischen KG Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufweisen. Klinische Implikationen werden aufgezeigt.
Schlagwörter
Nichtsuizidale Selbstverletzungen – Emotionsregulation – DSM-5
1
Hintergrund
1.1 Definition NSSV und Epidemiologie
Nichtsuizidale Selbstverletzungen (NSSV) wurde als neue Forschungsdiagnose ins
DSM-5 (APA, 2013) aufgenommen. Dies betont, dass das Verhalten einen Störungswert aufweist, aber auch noch weitere Studien z. B. zur Spezifität notwendig sind.
Definiert wird NSSV als direktes, repetitives selbstverletzendes Verhalten, welches
sozial nicht akzeptiert ist und ohne suizidale Absicht einhergeht (APA, 2013; Lloyd-Richardson, Perrine, Dierker, Kelley, 2007). Repetitives NSSV betrifft ungefähr
4-6 % der Jugendlichen, sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz, den USA
und Schweden (Brunner et al., 2007; Muehlenkamp, Claes, Havertape, Plener, 2012;
Plener et al., 2013; Zetterqvist, Lundh, Dahlström, Svedin, 2013). Im stationären Setting lässt sich NSSV bei mehr als 49 % der Jugendlichen beobachten (Kaess et al.,
2013). Prävalenzraten von einmaligem NSSV liegen bei circa 20 % (Plener, Libal,
Keller, Fegert, Muehlenkamp, 2009), was bereits darauf hinweist, dass zwischen einmaligem und repetitivem NSSV zu unterscheiden ist, wie dies auch in der Definition
von NSSV aufgenommen wurde. Mit dem selbstverletzenden Verhalten begonnen
388 T. In-Albon et al.
wird durchschnittlich zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr (In-Albon, Ruf, Schmid,
2013; Plener et al., 2009). Die Prävalenzraten sind bei Frauen deutlich höher als bei
Männern, sowohl für das einmalige wie auch das repetitive NSSV (Brunner et al.,
2007; Zetterqvist et al., 2013). Das beeinträchtigende Bild von Jugendlichen mit
NSSV wird ergänzt durch eine hohe Komorbidität insbesondere mit depressiven
Störungen (89.8 %), Sozialer Phobie (38.5 %) und Posttraumatischer Belastungsstörung (28.2 %) (In-Albon et al., 2013), wobei NSSV auch in Abwesenheit einer weiteren Diagnose auftreten kann (Nock, Joiner, Gordon, Lloyd-Richardson, Prinstein,
2006; Rauber, Hefti, In-Albon, Schmid, 2012). Selbstverletzendes Verhalten tritt
häufig im Rahmen einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) auf (Kaess et al.,
2013), wobei bei selbstverletzendem Verhalten nicht von einer BPS oder umgekehrt
auszugehen ist (Nock et al., 2006; Glenn u. Klonsky, 2013). In den Forschungskriterien des DSM-5 gibt es kein Ausschlusskriterium, dass nur die eine oder andere
Diagnose vergeben werden soll. In einer Untersuchung von Bracken-Minor und
McDevitt-Murphy (2014) zeigte sich, dass Jugendliche mit BPS und NSSV häufiger
die Methode des sich Verbrennens anwenden als Jugendliche mit NSSV ohne BPS
und als Funktion häufiger Selbstbestrafung, Anti-Suizid Funktion und eine AntiDissoziationsfunktion angegeben wird. Gemeinsamkeit beider Störungsbilder sind
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation. In den Kriterien für NSSV ist explizit
aufgeführt, dass NSSV ohne suizidale Absicht einhergehen sollte, dennoch ist NSSV
mit einer erhöhten Suizidalität assoziiert (Klonsky u. Olino, 2008) und NSSV stellt
einen starken Risikofaktor für Suizidalität dar (Klonsky, May, Glenn, 2013; Tuisku et
al., 2014; Victor u. Klonsky, 2014), sodass Jugendliche mit NSSV regelmäßig nach der
suizidalen Intention der Selbstverletzungen befragt werden müssen.
1.2 Emotionsregulation
Die Motivation für dieses in seiner Intention schwer verständliche Verhalten aufzuklären, ist von zentraler Wertigkeit, um effektive Interventionen und präventive
Maßnahmen zu entwickeln. Ein derzeit noch weit verbreiteter Mythos besagt, dass
Selbstverletzungen vorgenommen werden, um Aufmerksamkeit zu erhalten oder seine Position unter Gleichaltrigen zu stärken. Dies ist jedoch selten der Fall (vgl. Klonsky, 2009; Laye-Gindhu u. Schonert-Reichl, 2005; Rauber et al., 2012). Stattdessen sind
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation für Jugendliche mit NSSV charakteristisch
(Klonsky, 2009; Wilkinson, 2013).
Mit Emotionsregulation ist die Fähigkeit gemeint, die eigenen Gefühle den Anforderungen einer vorliegenden Situation entsprechend zu kontrollieren und zu
beeinflussen. Ebenso beeinflusst die Fähigkeit zur Emotionsregulation soziale Interaktionen. Eine einheitliche Definition der Emotionsregulation liegt bis heute nicht
vor. Allgemein kann festgehalten werden, dass mit dem Begriff der Emotionsregulation alle Prozesse bezeichnet werden, die der mentalen Verarbeitung emotionaler
Zustände dienen, das heißt Prozesse, durch die Individuen das Entstehen, die Be-
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
389
wertung, den Verlauf und den Ausdruck von Emotionen modifizieren (z. B. Garber
u. Dodge, 2004; Gross, 1998, 1999). Auf die Definitionen und Modelle von Gross
(2002) und Gratz und Roemer (2004) wird im Folgenden spezifischer eingegangen,
da diese beiden Modelle als Basis für die Fragebögen dienen, die auch in dieser Studie eingesetzt wurden.
Gross (2002) zufolge bezieht sich Emotionsregulation auf alle Prozesse, die einen
Einfluss darauf haben, ob und wann welche Emotion auftritt, wie intensiv wir sie
wahrnehmen und wie sie ausgedrückt wird. Das Prozessmodell beschreibt zunächst
den zeitlichen Ablauf von Situation, Aufmerksamkeit, Bewertung und Reaktion.
Bei diesen Prozessen, welche automatisch oder kontrolliert und bewusst ablaufen
können, setzen fünf Emotionsregulationsstrategien an. Dabei werden diese fünf
Emotionsregulationsstrategien in zwei übergeordnete Strategien eingeteilt, die zu
unterschiedlichen Zeiten der Emotionsregulation eingesetzt werden, die antizipatorischen und die reaktive. Die antizipatorischen Strategien beziehen sich auf die
Zeit, bevor eine Emotion entfaltet ist. Die antizipatorischen Strategien umfassen die
Situationsauswahl, die Situationsmodifikation, die Aufmerksamkeitslenkung und
die Kognitive Veränderung. Die reaktive Strategie hingegen fokussiert auf die unmittelbare emotionale Reaktion, wenn die Emotion bereits erlebt wird. Als reaktive
Strategie wird die Strategie der Reaktionsveränderung beschrieben (Gross, 1998,
2002; s. auch In-Albon, 2013).
Gratz und Roemer (2004) fassen mehrere Teilbereiche von Emotionsregulation
zu einem umfassenden, multidimensionalen Modell zusammen. Sie gehen davon
aus, dass eine adaptive Regulation flexibel ist, das heißt auch abhängig von Kontext­
informationen betrachtet werden muss, und unter anderem die Modulierung von
Emotionen beinhaltet und nicht die Elimination bestimmter Emotionen. Gerade
dieser Aspekt der Berücksichtigung des Kontextes stellt Personen mit Schwierigkeiten in der Emotionsregulation oft vor große Herausforderungen, da diese bereits
auf kleinste Hinweisreize reagieren und den Kontext nicht mehr adäquat beachten
können. Die innere Anspannung und Sensitivität für bestimmte Schlüsselreize resultiert häufig aus einer sozialen Lerngeschichte, in der an sich neutrale Reize mit
emotional belastenden Ereignissen über klassisches Konditionieren verbunden
wurden (Schmid, 2013; Herpertz, 2009). Für eine adaptive Regulation ist es auch
zentral, Emotionen zu akzeptieren und zu validieren, da Versuche, Emotionen zu
unterdrücken, die Gefahr einer Emotionsdysregulation und die damit einhergehende Anspannung erhöhen können. Eine erfolgreiche Emotionsregulation hat die
Veränderung von Intensität und Dauer einer Emotion zur Folge, die Emotion selbst
bleibt gleich. Zudem ermöglicht eine erfolgreiche Emotionsregulation einer Person,
unangemessene oder impulsive Verhaltensweisen trotz negativer Emotionen zu
kontrollieren. Des Weiteren verstehen Gratz und Roemer (2004) Emotionsregulation nicht nur als die Fähigkeit, das emotionale Erleben und den emotionalen Ausdruck zu kontrollieren, sondern fügen an, dass die zentrale Voraussetzung für eine
erfolgreiche Emotionsregulation im Wahrnehmen der eigenen Emotionen liegt. Ba-
390 T. In-Albon et al.
sierend auf diesen Konzepten der Emotionsregulation entwickelten Gratz und Roemer (2004) ihr multidimensionales Modell, welches sich wie folgt zusammensetzt:
Emotionsregulation beinhaltet:
1. Bewusstsein und Verständnis von Emotionen,
2. Akzeptanz von Emotionen,
3. die Fähigkeit, impulsives Verhalten zu kontrollieren und trotz negativer Emotionen zielgerichtet zu handeln,
4. flexible, situationsangepasste Strategien, die dem Erreichen von Zielen dienen.
Fehlen eine oder mehrere dieser Fertigkeiten, so kommt es zu Schwierigkeiten bei
der Emotionsregulation (Gratz u. Roemer, 2004; s. In-Albon, 2013 für einen theoretischen Hintergrund zur Emotionsregulation).
1.3 Auslöser, Emotionsregulation und Funktionen
Die am häufigsten genannten Motive für NSSV sind die Bewältigung depressiver
Stimmung, der Abbau von Anspannung, die Bewältigung von Nervosität und Angst
sowie der Ausdruck von Frustration und Ärger (Klonsky, 2009; Nixon, Cloutier,
Aggarwal, 2002). Betroffene verfügen oft über keine anderen Möglichkeiten, um
negative Emotionen zu regulieren, als sich selbst zu verletzen (vgl. In-Albon u.
Schmid, 2012). Betroffene berichten häufig nach einer selbstverletzenden Handlung
eine zügige Entlastung von aversiven Gefühlen, womit lerntheoretisch verständlich
wird, warum diese Handlungen repetitiv fortgeführt werden und mitunter einen
suchtartigen Charakter annehmen können. Aufgrund dieser Entlastungserfahrung
erscheinen häufig Jugendliche auch nicht oder wenig motiviert, professionelle Hilfe
zu suchen (Plener, Fegert, Freyberger, 2012).
Wodurch kommt es zu diesen Schwierigkeiten in der Emotionsregulation? Zum
gegenwärtigen Stand kann festgehalten werden, dass Jugendliche mit NSSV aufgrund verschiedener Vulnerabilitätsfaktoren wie z. B. einer genetischen Prädisposition zur emotionalen Reaktivität, traumatischer Erlebnisse in der Kindheit sowie
familiärer Feindseligkeit und Kritik Schwierigkeiten in der Emotionsregulation
aufweisen (Nock, 2009, 2010). Häufig dient NSSV mehreren Funktionen gleichzeitig (In-Albon, Ruf, Schmid, 2013; Klonsky, 2007). Als konkrete Auslöser für NSSV
nennen die Jugendlichen zusätzlich zu intrapersonellen Schwierigkeiten auch häufig
interpersonelle Schwierigkeiten (z. B. In-Albon, Bürli, Ruf, Schmid, 2013; Muehlenkamp, Brausch, Quigley, Whitlock, 2013; Zetterqvist et al., 2013), wobei bei schwer
beeinträchtigten Patienten intrapersonelle Motive überwiegen (Lloyd-Richardson et
al., 2007; Rauber et al., 2012). Soziale Faktoren (z. B. „um eine Reaktion von jemandem zu bekommen, auch wenn es eine negative Reaktion ist“, „um andere wissen
zu lassen, wie verzweifelt man ist“ oder „seine Wut gegen andere Personen ausdrücken zu können“) scheinen insbesondere für das Initiieren von NSSV relevant zu
sein (Muehlenkamp et al., 2013). Am häufigsten sind jedoch intrapersonelle Funkti-
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
391
onen wie der Umgang mit negativen Emotionen und etwas zu fühlen, auch wenn es
Schmerz ist (Cha u. Nock, 2009).
Das Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der Emotionsregulation
bei weiblichen Jugendlichen mit NSSV, diagnostiziert nach den DSM-5-Kriterien,
und die Analyse von Gruppenunterschieden zwischen Jugendlichen mit NSSV,
einer klinischen und einer psychisch gesunden Kontrollgruppe. Hervorzuheben
ist, dass bisherige Studien häufig einmaliges und repetitives NSSV nicht getrennt
voneinander betrachtet haben. Die großen Unterschiede in den Prävalenzraten
zwischen einmaligem (Plener et al., 2009) und repetitivem NSSV (Brunner et
al., 2007; Muehlenkamp et al., 2012; Plener et al., 2013; Zetterqvist et al., 2013)
verdeutlichen die Wichtigkeit der getrennten Untersuchung. Zudem ist bislang
unklar, ob sich Jugendliche mit NSSV und Jugendliche mit anderen psychischen
Störungen ohne NSSV in der Emotionsregulation unterscheiden. Die Ergebnisse
sollen Hinweise für die klinisch praktische Tätigkeit von Jugendlichen mit NSSV
geben. Es wird erwartet, dass Jugendliche mit NSSV im Vergleich zu den beiden
Kontrollgruppen (KKG, GKG) mehr negative Emotionen erleben, mehr Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufweisen und negative Gefühle häufiger unterdrücken als neubewerten.
2
Methode
2.1 Stichprobe
Die vorliegende Stichprobe besteht aus 55 weiblichen Jugendlichen mit NSSV mit
einem durchschnittlichen Alter von 16 Jahren (SD = 1.29), 30 weiblichen Jugendlichen mit einer Diagnose einer psychischen Störung ohne NSSV (MW = 16.1 Jahre,
SD = 1.35) und 58 weiblichen Jugendlichen ohne aktuelle oder frühere psychische
Störungen (MW = 15.87 Jahre, SD = 2.04). Sowohl die Jugendlichen mit NSSV als
auch die klinische Kontrollgruppe waren zum Zeitpunkt der Untersuchung in stationärer kinder- und jugendpsychiatrischer Behandlung.
In der NSSV Gruppe sind die häufigsten zusätzlichen Diagnosen eine Major Depression, Soziale Phobie, Posttraumatische Belastungsstörung und Dysthymie, wobei durchschnittlich die DSM-IV-TR Kriterien von 3.36 Diagnosen (inkl. NSSV)
erfüllt wurden. Jugendliche mit NSSV, welche auch die Kriterien für eine BorderlinePersönlichkeitsstörung erfüllten (n = 14), wurden aufgrund der Stichprobengröße
bereits im Vorfeld von dieser Studie ausgeschlossen. In der klinischen Kontrollgruppe (KKG) war ebenfalls die Major Depression die häufigste Diagnose, gefolgt von
Sozialer Phobie, Spezifischer Phobie und Anorexia Nervosa. Durchschnittlich erfüllte die KKG die Kriterien für zwei Diagnosen.
392 T. In-Albon et al.
2.2 Datenerhebung
Die vorliegende Studie wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts zur Emotionsregulation, Emotionserkennung und Emotionsausdruck bei Jugendlichen mit NSSV
durchgeführt. Die Rekrutierung der klinischen Stichprobe erfolgte in verschiedenen
Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken in der Schweiz und in Deutschland.
Die gesunde Kontrollgruppe wurde in unterschiedlichen Schulen in der Schweiz
und Deutschland rekrutiert. Die Studie wurde von der Ethikkommission beider
Basel geprüft und erhielt ein positives Votum.
2.3 Diagnostische Verfahren
Die psychischen Störungen aller Jugendlichen und deren Ausschluss wurden mit
dem Kinder-DIPS (Schneider, Unnewehr, Margraf, 2009) erhoben. Das KinderDIPS ist ein strukturiertes Interview zur Erfassung der häufigsten psychischen Störungen im Kindes- und Jugendalter. Das Interview hat eine gute Validität (Adornetto, In-Albon, Schneider, 2008) und Reliabilität; für die Kinderversion liegen die
Kappa-Werte zwischen 0.48 und 0.88 (Neuschwander, In-Albon, Adornetto, Roth,
Schneider, 2013). Das Kinder-DIPS wurde ergänzt um Fragen der Kriterien für
NSSV nach DSM-5 sowie Substanzmissbrauch und -Abhängigkeit aus dem DIPS
(Schneider u. Margraf, 2011). Die Sektion NSSV wurde zusätzlich gegenkodiert
und zeigte eine gute Interrater-Reliabilität (Kappa = 0.90). Des Weiteren wurde das
SKID-II (Wittchen, Zaudig, Fydrich, 1997) durchgeführt, um Persönlichkeitsstörungen zu diagnostizieren.
Fragebögen
Emotion Regulation Questionnaire (ERQ). Der ERQ basiert auf dem Prozessmodell
der Emotionsregulation von Gross (1998) und erfasst die zwei häufig angewandten
Regulationsstrategien Unterdrückung (suppression) und Neubewertung (reappraisal). Mit Neubewertung und Unterdrückung wurde aus dem Modell von Gross je
eine antizipations- und eine reaktive Strategie gewählt. Neubewertung wird definiert als kognitive Strategie, bei der bevorstehende emotionale Situationen gedanklich so umgedeutet werden, dass sich deren emotionale Bedeutung verändert. Ein
Beispielitem ist „Wenn ich in eine stressige Situation gerate, ändere ich meine Gedanken über die Situation so, dass es mich beruhigt“. Unterdrückung dagegen ist
eine reaktive Regulationsstrategie, bei der es darum geht, Verhalten und Ausdruck
infolge emotionalen Erlebens zu unterdrücken (Gross u. John, 2003). Ein Beispiel
für Unterdrückung ist „Wenn ich negative Gefühle empfinde, sorge ich dafür, sie
nicht nach außen zu zeigen“. Unterdrückung und Neubewertung sind dahingehend
interessant, dass sich die Strategien unmittelbar darauf auswirken, wie eine Person
in einer emotionalen Situation reagiert oder damit zurecht kommt. Neubewertung
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
393
und Unterdrückung dienen der Down-Regulation von Emotionen und haben affektive, kognitive und soziale Konsequenzen, z. B. Einfluss auf Wohlbefinden, Erinnerungsleistung und Emotionsausdruck. Die Anwendung der Strategien steht auch in
Verbindung mit dem Sozialverhalten und mit dem langfristigen Erleben positiver
und negativer Emotionen (Abler u. Kessler, 2009). Der ERQ beinhaltet zehn Items
(sechs Items zur Neubewertung, vier Items zu Unterdrückung), die auf einer Skala
von 1 (stimmt überhaupt nicht) bis 7 (stimmt vollkommen) bewertet werden. Für
die Auswertung werden die Mittelwerte aus den 6 beziehungsweise 4 Items berechnet. Die deutsche Version erzielte gute Validitäts- und Reliabilitätswerte (Abler u.
Kessler, 2009). In der vorliegenden Stichprobe ergab sich für die interne Konsistenz
ein Cronbachs alpha von 0.80 für die Skala Neubewertung und 0.72 für die Skala
Unterdrückung.
Difficulties in Emotion Regulation Scale (DERS). Die DERS (Gratz u. Roemer; 2004;
dt. Version Ehring, Svaldi, Tuschen-Caffier, Berking, 2013) besteht aus 36 Items.
Ziel des Fragebogens ist, klinisch relevante Schwierigkeiten der Emotionsregulation
abzubilden. Man erhält einen Gesamtwert und Werte der sechs Subskalen (Nichtakzeptanz emotionaler Reaktionen, Schwierigkeiten bei zielgerichtetem Verhalten,
Impulskontrollschwierigkeiten, mangelndes Emotionsbewusstsein, begrenzter Zugriff auf Emotionsregulationsstrategien und Fehlen emotionaler Klarheit). Als Antwortformat dient eine fünfstufige Likert-Skala (1 = fast nie bis 5 = fast immer). Mehr
Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation resultieren in höheren DERS Werten.
Die Gütekriterien können als gut eingeschätzt werden (Gratz u. Roemer, 2004). Für
die sechs Subskalen ergab sich in der vorliegenden Stichprobe ein Cronbachs alpha
von 0.55 bis 0.93 und für die Gesamtskala ein Cronbachs alpha von 0.80.
Emotionsregulationsinterview (ERI). Das ERI (Werner, Goldin, Ball, Heimberg,
Gross, 2011) erfasst auf der Grundlage von eigenen Beispielen der Versuchspersonen den Umgang mit Gefühlen. Obwohl die Emotionsregulation größtenteils
unbewusst abläuft, spielen auch die bewussten Prozesse eine wichtige Rolle (Gross,
1999). Während der oben beschriebene ERQ (Abler u. Kessler, 2009) die generelle
Tendenz zur Neubewertung und Unterdrückung negativer Gefühle erfragt, geht es
im ERI um die detaillierte Erfassung der Emotionsregulation in den letzten zwei
Wochen. Die Versuchsperson soll zunächst angeben, wie häufig sie jede der vorgegebenen Emotionen (Freude, Wut, Angst, Traurigkeit und Scham) empfindet (auf
einer Likert-Skala von 0 = nie bis 4 = sehr oft). Anschließend wird die Person aufgefordert, eine Rangreihe der drei schwierigsten Emotionen zu bilden und zu jeder der
drei Emotionen eine typische, kürzliche Situation zu beschreiben, in der sie diese
Emotion hatte. Anhand von vorgegebenen Fragen wird die Person zum Umgang
mit dem Gefühl in der beschriebenen Situation befragt. Somit ermöglicht das ERI
die Erfassung von alltäglichen Emotionsregulationsschwierigkeiten. In dieser Studie
wurden ausschließlich die Frage nach den häufigsten Gefühlen und die Rangreihe
mit den schwierigsten Gefühlen ausgewertet.
394 T. In-Albon et al.
2.4 Statistische Auswertung
Unterschiede zwischen den drei Gruppen (NSSV, KKG, GKG) wurden mittels multivariaten Varianzanalysen (MANOVA) untersucht. Die Gruppenunterschiede sowie die Richtung wurde jeweils mit Hilfe von Post-Hoc-Tests analysiert. Da die Varianzhomogenität nicht gegeben war, erfolgte eine Korrektur nach Tamhane (Bortz,
2005). Zusätzlich zu den Gruppenunterschieden wurden Effektstärken nach Cohens
d anhand der Mittelwerte und Standardabweichungen berechnet, wobei d = 0.2 für
einen kleinen, d = 0.5 für einen mittleren und d = 0.8 für einen großen Effekt steht
(Cohen, 1992). Des Weiteren wird das partielle Eta-Quadrat mit den folgenden Interpretationen (ηp2) ≥.01 für einen kleinen, ηp2 ≥ .06 für einen mittleren und ηp2 ≥ .14
für einen großen Effekt (Cohen, 1988) angegeben.
3
Ergebnisse
3.1 Emotionsregulationsinterview (ERI)
Die MANOVA zur ersten Frage im ERI „Wie häufig empfindest du das Gefühl (Freude, Wut, Angst, Traurigkeit, Scham)?“ ergab einen signifikanten Gruppenunterschied,
F(10, 264) = 14.25, p < .01, ηp2 = .35. Die Jugendlichen der drei Gruppen unterscheiden
sich in der Häufigkeit, mit der sie Freude, Wut, Angst, Traurigkeit und Scham empfinden. Die Post-Hoc-Analysen (s. Tab. 1, folgende Seite) zeigen, dass Jugendliche mit
NSSV signifikant häufiger negative Gefühle wie Wut (p < .01), Angst (p < .01), Traurigkeit (p < .01) und Scham (p < .05) erleben als Jugendliche der GKG empfinden.
Freude hingegen wird von Jugendlichen mit NSSV signifikant seltener (p < .01) erlebt
als von Jugendlichen der GKG. Jugendliche der KKG unterscheiden sich ebenfalls von
den Jugendlichen der GKG, indem sie weniger Freude (p < .01) und mehr Angst (p
< .01) und Traurigkeit (p < .01) berichten. Jugendliche mit NSSV empfinden im Vergleich zur KKG signifikant häufiger Traurigkeit (p < .05).
Bei Frage 1.3 des ERI „Wenn du eine Rangreihe der schwierigsten Emotionen
machen müsstest, welches ist die schwierigste Emotion?“ gaben alle drei Gruppen
Traurigkeit als schwierigste Emotion an. Die klinischen Gruppen (NSSV und KKG)
nannten an zweiter Stelle Angst, gefolgt von Wut. In der GKG wurde an zweiter
Stelle Wut genannt, gefolgt von Angst (s. auch Abb. 1). In der NSSV Gruppe gaben
drei Jugendliche an, Freude als schwierigste Emotion zu empfinden, während in den
beiden Kontrollgruppen (KKG, GKG) keine der Jugendlichen Freude als schwierigste Emotion nannte.
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
395
Tabelle 1: Mittelwerte (Standardabweichungen), Post-hoc-Vergleiche (p) und Effektstärken (Cohen’s d)
zwischen Jugendlichen mit NSSV und der GKG, Jugendlichen der KKG und GKG und Jugendlichen mit
NSSV und Jugendlichen der KKG zum ERI
NSSV
(n = 49)
MW (SD)
2.16 (.93)
2.18 (1.03)
2.25 (1.15)
3.18 (.91)
1.45 (1.22)
ERI
Freude
Wut
Angst
Trauer
Scham
KKG
(n = 28)
MW (SD)
2.48 (.95)
1.97 (.98)
2.34 (1.26)
2.55 (1.09)
1.31 (1.04)
GKG
(n = 58) NSSV vs.
MW (SD) GKG (p)
3.49 (.54)
.000**
1.54 (.68)
.001**
1.14 (.57)
.000**
1.39 (.74)
.000**
.95 (.75)
.038*
KKG vs.
d
GKG (p)
1.8
.000**
0.75
.123
1.27 .000**
2.20 .000**
0.51
.277
NSSV vs.
d KKG (p)
1.46
.368
0.55
.748
1.42
.985
1.35
.035*
0.43
.930
d
0.35
0.21
0.08
0.65
0.12
Anmerkungen. *p < .05, **p < .01, d = Cohen‘s d
45
GKG
40
KKG
35
30
%
NSSV
25
20
15
10
5
0
Traurigkeit
Angst
Wut
Abbildung 1: Antworten der drei Gruppen auf die Frage “Wenn du eine Rangreihe der schwierigsten
Emotionen machen müsstest, welches ist die schwierigste Emotion?“
3.2 Difficulties in Emotion Regulation Scale (DERS)
Die MANOVA ergab einen signifikanten Gruppenunterschied für den Gesamtwert
und die Subskalen der DERS, F(14, 252) = 10.26, p < .01, ηp2 = .36. Die Jugendlichen
der drei Gruppen unterscheiden sich signifikant in ihren Emotionsregulationsfä-
396 T. In-Albon et al.
higkeiten. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt. Jugendliche mit NSSV weisen
über alle Subskalen der DERS hinweg mehr Schwierigkeiten in der Emotionsregulation auf als Jugendliche der GKG (p < .05). Jugendliche mit NSSV haben im Vergleich zur GKG mehr Schwierigkeiten in den Bereichen Akzeptanz von Gefühlen,
Impulskontrolle, Strategien im Umgang mit Gefühlen, Klarheit über eigene Gefühle,
zielgerichtetes Verhalten bei negativen Gefühlen und Bewusstsein über eigene Gefühle. Auch Jugendliche der KKG zeigen mehr Schwierigkeiten in der Emotionsregulation als Jugendliche der GKG, insbesondere bei Strategien im Umgang mit Gefühlen und Klarheit über eigene Gefühle (p < .01). Jugendliche mit NSSV zeigen im
Vergleich zur KKG noch signifikant mehr Schwierigkeiten in der Impulskontrolle,
bei den Strategien im Umgang mit Gefühlen, der Klarheit über eigene Gefühle und
zielgerichtetem Verhalten bei negativen Gefühlen (p < .05).
Tabelle 2: Mittelwerte (Standardabweichungen), Post-hoc-Vergleiche (p) und Effektstärken (Cohen’s
d) zwischen Jugendlichen mit NSSV und der GKG, Jugendlichen der KKG und GKG und Jugendlichen
mit NSSV und Jugendlichen der KKG zu den Fragebögen DERS und ERQ
DERS
Total
Nicht-Akzept.
Impulskontrolle
Strategien
Klarheit
Zielger. Verh.
Bewusstsein
ERQ
Unterdrückung
Neubewertung
NSSV
(n = 49)
MW (SD)
KKG
(n = 28)
MW (SD)
GKG
(n = 58)
MW (SD)
NSSV
vs.
GKG
(p)
118.27
(24.40)
15.55 (6.22)
17.81 (6.55)
29.47 (7.50)
16.80 (5.32)
19.08 (4.42)
19.60 (4.84)
96.16
(25.84)
14.18 (5.96)
12.64 (5.26)
22.50 (7.59)
13.60 (5.06)
15.05 (5.00)
18.24 (5.74)
74.16
(20.41)
11.19 (4.82)
9.90 (3.19)
14.55 (5.23)
9.25 (3.20)
12.34 (8.71)
16.90 (4.90)
.000**
.000**
.000**
.000**
.000**
.000**
.016*
3.40 (1.39)
3.32 (1.28)
3.59 (1.23)
3.85 (1.17)
2.99 (1.05)
4.18 (.91)
.000** 0.34
.001** 0.79
d
KKG
vs.
GKG
(p)
d
NSSV
vs.
KKG
(p)
d
1.99 .001** 1.00 .002** 0.90
0.80 .074 0.58 .716 0.23
1.59 .046 0.70 .001** 0.86
2.36 .000** 1.32 .001** 0.94
1.77 .001** 1.13 .033* 0.62
0.96 .200 0.36 .003** 0.88
0.56 .644 0.26 .656 0.27
.092
.469
0.55
0.33
.462
.204
0.14
0.43
Anmerkungen. Zielger. Verh. = Zielgerichtetes Verhalten, *p < .05, **p < .01, d = Cohen‘s d
3.3 Emotion Regulation Questionnaire (ERQ)
Die MANOVA lieferte einen signifikanten Gruppenunterschied für die Subskalen
Unterdrückung und Neubewertung des ERQ, F(4, 262) = 8.42, p < .01, ηp2 = .11. Die
drei Gruppen unterscheiden sich signifikant in den Emotionsregulationsstrategien
Unterdrückung und Neubewertung. Die Post-Hoc-Vergleiche zeigen, dass Jugendliche mit NSSV im Vergleich zu Jugendlichen der GKG negative Gefühle signifikant
häufiger unterdrücken und seltener neubewerten (p < .01), siehe auch Abbildung 2.
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
397
Zwischen den Jugendlichen der KKG und der GKG zeigen sich keine signifikanten
Unterschiede in der Unterdrückung (p = .09) und Neubewertung (p = .47). Jugendliche mit NSSV unterscheiden sich zudem nicht signifikant von Jugendlichen der
KKG in der Unterdrückung (p = .43) und Neubewertung (p = .20) negativer Gefühle. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 ersichtlich.
7
NSSV
KKG
GKG
MW (SD)
6
5
4
3
2
1
Unterdrückung
Neubewertung
Abbildung 2: Mittelwerte (und Standardabweichungen) der Subskalen des Emotion Regulation Questionnaire (ERQ) über alle drei Gruppen hinweg
4
Diskussion
Ziel der vorliegenden Studie war die Untersuchung der Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV, diagnostiziert nach DSM-5 und der Vergleich mit einer klinischen und einer gesunden Kontrollgruppe. Die Ergebnisse bestätigen bisherige
Studien, dass Jugendliche mit NSSV im Vergleich zu Jugendlichen ohne psychische
Störungen in verschiedenen Bereichen Schwierigkeiten mit der Emotionsregulation
haben (z. B. Klonsky, 2009; für einen Überblick s. auch McKenzie u. Gross, 2014).
Darüber hinaus zeigen die vorliegenden Ergebnisse, dass Jugendliche mit NSSV im
Vergleich zu einer ähnlich belasteten klinischen Kontrollgruppe signifikant mehr
Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufweisen, insbesondere der Impulskontrolle, Klarheit über eigene Gefühle, zielgerichtetem Verhalten und Schwierigkeiten im Zugriff auf Emotionsregulationsstrategien. Der Mittelwert bei der DERS
für die Jugendlichen mit NSSV in der vorliegenden Studie lag bei 118.27 (24.4),
welcher vergleichbar ist mit Studien mit Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung, z. B. lag der Mittelwert in der Studie von Gratz et al. (2013) bei 102.08
398 T. In-Albon et al.
(17.9) und in der Studie von Bracken-Minor et al. (2014) bei 100.73 (23.85) für Erwachsene mit einer BPS ohne NSSV und bei 105.28 (22.95) für Patienten mit BPS
und NSSV. Dies kann als Hinweis interpretiert werden, dass Jugendliche mit NSSV
unabhängig von einer Diagnose einer BPS starke Schwierigkeiten in der Emotionsregulation aufweisen, was auch dafür spricht, dass NSSV eine eigenständige Störung
darstellt, die häufig mit verschiedenen komorbiden Störungen einhergehen kann (s.
auch Wilkinson, 2013).
Im Vergleich der Jugendlichen mit NSSV und der klinischen Kontrollgruppe anhand des Emotionsregulationsinterviews zeigte sich, dass die Emotion Trauer signifikant häufiger genannt wurde und die Emotion Freude von Jugendlichen mit
NSSV im Vergleich zur GKG signifikant weniger häufig genannt wurde. Dies ist
in Übereinstimmung mit den Ergebnissen von Victor und Klonsky (2013), in der
Tagebücher zur Erfassung alltäglicher Emotionen eingesetzt wurden. Auch in dieser
Studie zeigte sich, dass NSSV mit starker negativer Emotionalität, vor allem Unzufriedenheit mit sich selbst, und weniger positiven Emotionen einherging.
Die Ergebnisse im Fragebogen zur Emotionsregulation (ERQ), dass Jugendliche
mit NSSV signifikant häufiger die Strategie Unterdrückung und signifikant weniger
häufig die Strategie Neubewertung angaben, steht in Übereinstimmung mit einer
Vielzahl von Studien mit unterschiedlichen Störungsbildern z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörung (Fernando, Griepenstroh, Urban, Driessen, Beblo, 2014) oder
Angst- und affektive Störungen (Cambell-Sills, Barlow, Brown, Hofmann, 2006). In
der Meta-Analyse von Aldao, Nolen-Hoeksema und Schweizer (2010) zeigte sich
dieses Bild bei Angst- und Affektiven Störungen sowie Essstörungen.
4.1 Limitationen
Einschränkend muss festgehalten werden, dass die klinische Kontrollgruppe eine
sehr heterogene Stichprobe mit einer Vielzahl psychischer Störungen ausmacht, sodass keine weiteren spezifischen Aussagen zum Vergleich mit Jugendlichen mit NSSV
und ihren unterschiedlichen komorbiden Störungen gezogen werden können. In zukünftigen Studien wäre es wünschenswert, homogenere klinische Kontrollgruppen
untersuchen zu können, jedoch ist aufgrund der hohen Prävalenz von selbstverletzendem Verhalten in Kinder- und Jugendpsychiatrischen Kliniken diese Gruppe nur
sehr schwer zu rekrutieren. Als weitere Limitation ist aufzuführen, dass die vorliegenden Ergebnisse im Rahmen einer querschnittlichen Studie erhoben wurden. Um
den zeitlichen Verlauf der Zusammenhänge und aufgeführten Faktoren untersuchen
zu können, sollten Längsschnittstudien durchgeführt werden. In der vorliegenden
Studie wurden nur weibliche Jugendliche einbezogen, sodass die Ergebnisse nicht auf
männliche Jugendliche mit NSSV generalisiert werden können. Kritisch anzumerken
ist zudem, dass die Erhebung der Emotionsregulationsstrategien ausschließlich auf
Selbstberichten der Jugendlichen basiert, und gerade die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung bei diesen Patienten häufig stark eingeschränkt ist (Rauber et al., 2012). Es wäre
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Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV������
399
in weiteren Studien zu untersuchen, ob der Einbezug von Peers oder Eltern zusätzliche
Informationen liefern würde.
Zusammengefasst kann festgehalten werden, dass diese Ergebnisse deutlich auf
die zentrale Rolle spezifischer Schwierigkeiten in der Emotionsregulation bei Jugendlichen mit NSSV hinweisen. Aufgrund der Häufigkeiten und weitreichenden
Folgen von NSSV sind evaluierte Therapieprogramme wichtig. Glenn, Franklin und
Nock (2015) kommen in ihrer aktuellen Übersicht zur Therapiewirksamkeit bei
selbstverletzenden Gedanken und Verhalten (inkl. Suizidgedanken und -versuche)
zum Fazit, dass gegenwärtig noch keine gut evaluierten Programme vorliegen, dass
aber für die kognitive Verhaltenstherapie, die Interpersonelle Therapie, die Familienbasierte Therapie und eine Kombination von psychodynamischer Therapie mit
Familienbasierter Therapie als wahrscheinlich wirksam eingestuft werden kann (für
einen Überblick zum aktuellen Stand der Psychotherapie- und Psychopharmakotherapie siehe auch In-Albon, Plener, Brunner, Kaess, 2015).
4.2 Klinische Implikationen
Aufgrund der aufgeführten Befunde kommt in der psychotherapeutischen Behandlung von NSSV der Förderung der Fähigkeit zur Emotionsregulation und interpersoneller Fertigkeiten eine entscheidende Bedeutung zu. Am besten evaluiert in ihrer
positiven Auswirkung auf die Emotionsregulationsfähigkeit ist die Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT; Linehan, Bohus, Lynch, 2007) beziehungsweise die DBT
für Adoleszente (DBT-A; Fleischhaker, Sixt, Schulz, 2010). Die Wirksamkeit der
DBT für Jugendliche wurde in einer ersten Pilotstudie belegt (Fleischhaker et al.,
2011). Durch die DBT-A konnte eine signifikante Reduktion der Häufigkeit von
NSSV erreicht werden. Im Modul Emotionsregulation lernen die Betroffenen, ihre
Gefühle zu erkennen und zu differenzieren, sie zu benennen und ihre Bedeutung für
das eigene Handeln zu begreifen. Ziel ist, die Bedeutungen und Auswirkungen von
Gefühlen verstehen und akzeptieren zu lernen sowie das Vertrauen in die eigenen
Gefühle zu stärken. Aufgrund der Ergebnisse, dass Jugendliche nicht nur Schwierigkeiten im Umgang mit negativen Emotionen haben, sondern auch weniger positive
Emotionen wahrnehmen, sind in der Therapie auch positive Emotionen gezielt anzusprechen, einzubeziehen und zu fördern. Gerade bei der Förderung von Freude
und Spaß kommt auch der Einbindung in eine Gruppe von Gleichaltrigen eine hohe
Bedeutung zu. Additiv zur Psychotherapie können Patienten gerade bei der Förderung von positivem Freizeitverhalten sehr von ambulanten und stationären Angeboten der Jugendhilfe profitieren, insbesondere, wenn sich in ihrem Herkunftssystem
psychosoziale Belastungen akkumulieren und sie dort in ihrer Emotionsregulation
nicht unterstützt werden, sondern eher emotional abwertende Beziehungserfahrungen machen.
400 T. In-Albon et al.
Fazit für die Praxis
Die Ergebnisse verweisen darauf, dass Jugendliche mit NSSV nach DSM-5 große
Schwierigkeiten im Umgang mit ihren Emotionen aufweisen. Die Schwierigkeiten
umfassen dabei nicht nur negative, sondern auch positive Emotionen. Daher ist in
der psychotherapeutischen Tätigkeit mit Jugendlichen mit NSSV das Erlernen von
angemessenen Emotionsregulationsstrategien beziehungsweise das Erlernen von Zusammenhängen zwischen Emotionen und Handlungen zentral. Die Ergebnisse dieser
Studie unterstützen des Weiteren die Annahme, dass NSSV eine schwerwiegende und
daher eigenständige Störung mit eigener Entität darstellt.
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Korrespondenzanschrift: Prof. Dr. Tina In-Albon, Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universität Koblenz-Landau, Ostbahnstr.
12, 76829 Landau; E-Mail: [email protected]
Tina In-Albon, Taru Tschan und Daniela Schwarz, Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters, Universität Koblenz-Landau; Marc Schmid, Kinder- und Jugendpsychiatrie der
Universitären Psychiatrischen Kliniken, Basel
AUTOREN UND AUTORINNEN
Anna Andreas, M. Sc. Psychologie, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters,
Universität Leipzig.
Anika Fäsche, Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZNL Transferzentrum für
Neurowissenschaften und Lernen an der Universität Ulm, vorher Universität Freiburg, Forschergruppe Empirische Bildungsforschung.
Wolfgang Friedlmeier, Dr. phil., Professor für Psychologie an der Grand Valley State University, Grand Rapids, Michigan, USA.
Jan Felix Greuel, MSc. Psych., Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeut in Ausbildung,
Promotionsstudent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl „Klinische Psychologie
und Psychotherapie“ an der Technischen Universität Braunschweig.
Catherine Gunzenhauser, Dr. phil., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Psychologie des Lehrens und Lernens, der Entwicklung und Erziehung in sozialen Kontexten an der Universität Leipzig, vorher Universität Freiburg, Forschergruppe Empirische Bildungsforschung.
Nina Heinrichs, Prof. Dr. rer. nat., Dipl.-Psych., Psychologische Psychotherapeutin, Inhaberin
des Lehrstuhls „Klinische Psychologie und Psychotherapie“ an der Technischen Universität
Braunschweig, davor Inhaberin des Lehrstuhls „Klinische Kinder- und Jugendlichenpsychologie und Psychotherapie an der Universität Bielefeld.
Tina In-Albon, Prof. Dr. phil., Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), Inhaberin des Lehrstuhls Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters
an der Universität Koblenz-Landau, Leiterin der Landauer Psychotherapie-Ambulanz für
Kinder und Jugendliche.
Annette M. Klein, Dr. phil., Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin und Forschungskoordinatorin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik
des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Kai von Klitzing, Prof. Dr. med., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Psychoanalytiker, Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie
und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 404 – 405 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Autoren und Autorinnen 405
Claudia Köppe, Dipl.-Soz., B. Sc. Psychologie, wissenschaftliche Hilfskraft an der Klinik und
Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters,
Universität Leipzig.
Katja Kolmorgen, Dipl.-Psych., wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik
für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität
Leipzig.
Yvonne Otto, M. A. Erziehungswissenschaft, approbierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Verhaltenstherapie), wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters, Universität Leipzig.
Nadine Reinhold, Dr. rer.nat, Dipl.-Psych., Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin, Mitarbeiterin der Hochschulambulanz für Kinder und Jugendliche an der Universität Bielefeld.
Marc Schmid, Dr. biol. hum., Leitender Psychologe der Kinder- und Jugendpsychiatrischen
Klinik Basel. Psychologischer Psychotherapeut (KVT, Systemische Familientherapie, Körperzentrierte Psychotherapie), Supervisor für Verhaltenstherapie und leitet den Bereich Liaison,
in welchem die Kinder- und Jugendpsychiatrische/-psychotherapeutische Unterstützungsangebote für Heime und die Multisystemische Therapie koordiniert werden.
Daniela Schwarz, Dr. phil., Psychologische Psychotherapeutin (Verhaltenstherapie), Geschäftsführung des Landauer Studienganges zur Ausbildung in Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie an der Universität Koblenz-Landau.
Antje von Suchodoletz, Dr. rer. nat., Professorin für Psychologie an der New York Universität, Abu Dhabi, VAE, vorher Universität Freiburg, Projektleitung Forschergruppe Empirische
Bildungsforschung.
Taru Tschan, M. Sc. Psychologin, Wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitseinheit „Klinische Psychologie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters“ an der Universität
Koblenz-Landau, in Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin (Kognitive Verhaltenstherapie).
Markus Wenglorz, Dr. rer. nat., Dipl.-Psych., Psychologischer Psychotherapeut, niedergelassen in eigener Praxis für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Leiter der Jugendlichen- und
Kinder-Psychotherapieambulanz an der TU Braunschweig (JuKiPsy), davor Leiter der Hochschulambulanz für Kinder- und Jugendliche an der Universität Bielefeld (HAKIJU).
BUCHBESPRECHUNGEN
Conen, M.-L. (2014). Kinderschutz: Kontrolle oder Hilfe zur Veränderung? Freiburg: Lambertus, 64 Seiten, 7,50 €.
Der in der Öffentlichkeit angeheizten Forderung nach mehr Kontrolle im Bereich
Kinderschutz entgegnet die renommierte Autorin mit dem Denkanstoß, eine veränderungsorientierte Kinderschutzarbeit anzustreben, als der sinn- und hoffnungsvollere Schritt zur Sicherung des Kindeswohls.
Marie-Luise Conen spricht sich für ein Umdenken hinsichtlich der Risikoeinschätzungen bei Kindeswohlgefährdungen aus. Grundlegend hierbei ist der systemische Ansatz, der Problemverhalten immer auch als Lösungswege begreift. Aus dieser Perspektive
handelt es sich bei Kindeswohlgefährdungen um Versuche, die Eltern unternommen
haben, um Probleme oder Konflikte innerhalb der Familie oder mit dem Kind zu lösen.
Fachkräfte nehmen den Eltern gegenüber eine nicht ablehnende, sondern interessierte
Haltung ein, um in ein offenes Gespräch mit den Familienmitgliedern zu treten, um
gemeinsam zu verstehen, wie es zu dem nicht angemessenen Verhalten kam und um
sie zu konstruktiveren Verhaltensmustern zu ermutigen. Systemisch gesehen ist ein
Problemverhalten nicht nur ein Lösungsverhalten, sondern stellt innerhalb seines ursprünglichen Kontextes auch ein sinnvolles Verhalten dar. Diese Betrachtungsweise erleichtert das Verstehen von Problemverhalten, etwa von Kindern und Jugendlichen, die
auf diese Weise auf Konflikte innerhalb ihrer Familien aufmerksam machen. Es sind also
Veränderungen in den Mustern und Dynamiken des gesamten familialen Systems anzustreben. Die Autorin geht ebenso auf den Aspekt der destruktiven Loyalitätsbindungen
ein. Sie thematisiert die oftmals wenig beachtete Lebensgeschichte der Eltern sowie den
Verlust der ursprünglichen Idee der Erarbeitung eines Genogramms, das Sichtbarmachen von Überlebensstrategien und Ressourcen einzelner Familienmitglieder. Bedeutsam für die gelingende Arbeit mit Multiproblemfamilien sind Zuversicht, Zutrauen in
deren Potenziale und eine gemeinsame Zielerabeitung. Neben Hilfe und Kontrolle ist
deshalb die Beratungsarbeit ein wesentlicher Bestandteil der sozialarbeiterischen Tätigkeit mit Familien und Trägermitarbeiter/innen.
Das Buch stellt deutlich heraus, welche Konsequenzen sich auftun, wenn Kinderschutz vorrangig auf Kontrolle ausgerichtet ist. Dabei hat Marie-Luise Conen entdeckt,
dass man sich in der Jugendhilfe bislang kaum mit der grundlegenden Frage beschäftigt
hat, was den Menschen antreibt, sich zu verändern. Sie beanstandet, dass die verstärkte
Orientierung an der Sicherung des Kindeswohls und die erhöhte Kontrolle und Beobachtung von Eltern standardisierte Regelwerke hervorgebracht haben, die einen Zuwachs an verwaltungsmäßigem und dokumentarischem Aufwand bedeuten. Aber vor
allem werden die vorgegebenen Standardisierungen den komplexen Problemfällen nicht
gerecht. Es fehlen die zeitlichen und strukturellen Rahmenbedingungen für eine angePrax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 406 – 409 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Buchbesprechungen 407
messene Beratungsarbeit. Die Autorin setzt sich dafür ein, dass Sozialarbeiter/innen ein
politisches Verständnis entwickeln und dass sie, sofern alle an einem Strang ziehen, Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können.
Mit ihrer Sichtweise zum Thema Kinderschutz gelingt es Marie-Luise Conen, die
Leser/innen zu konfrontieren und aufzurütteln. Darüber hinaus offenbart sie ihr
Engagement und Interesse sowohl für die betroffenen Familien als auch für die Unterstützung der Sozialarbeiter/innen der Allgemeinen Sozialen Dienste durch eine
Veränderung der Organisationsstruktur und -kultur und dem öffentlichen und gesellschaftlichen Stellenwert der Jugendämter überhaupt. Das kleine Buch beinhaltet
Fallbeispiele, es verweist auf weiterführende Literatur und macht einige anschauliche
Vorschläge zur Verbesserung der Kinderschutzarbeit. In jedem Fall schafft der Inhalt
zu verstören und neue Überlegungen zuzulassen. Er macht Mut, eigene resignative
Gedanken und Haltungen zu überwinden.
Anna-Daria Wisniewski, Berlin
Wöller, W., Kruse, J. (Hrsg.) (2014) Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie:
Basisbuch und Praxisleitfaden (4. Aufl.). Stuttgart: Schattauer, 589 Seiten, 59,99 €.
Die vierte Auflage dieses Buches stellt ein außergewöhnliches Werk dar, für welches
die Herausgeber den Heigl-Preis zurecht erhalten haben. Insbesondere die bereits
im Klappentext genannten Attribute der Spürbarkeit, Konkretheit und Integration
sind hervorzuheben. Dass dieses von den Herausgebern als Basisbuch und Praxisleitfaden beschriebene Buch ausgesprochen fundiertes Fachwissen vermittelt,
braucht fast nicht erwähnt zu werden. Es sollte Pflichtlektüre für alle psychotherapeutisch tätigen Helfer darstellen. Warum? Das Werk zeigt einen ausgesprochen gelungenen Aufbau, hervorragende Übersicht und Übersichtlichkeit und ist unterteilt
in ein einleitendes Kapitel, in welchem als Ziel des Buches formuliert wird, dass der
Leser sich nicht eingeengt sondern angeregt fühlen sollte. Dieses Ziel ist in jedem
Falle auf ungewöhnliche Weise erreicht worden. Neben einer kurzen Darstellung,
was tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie überhaupt beinhaltet mit einem
bereits ersten Hinweis auf die gerade in den vergangenen Jahren immer mehr an
Bedeutung gewinnende Ressourcenorientierung, ist das Buch in den Kapiteln II-IV
in die Phasen, bevor eine Therapie beginnt, dann die Anfangsphase und die mittlere Phase unterteilt. Dann folgen Kapitel zu speziellen psychotherapeutischen Techniken bei Patienten mit Strukturpathologien und zu besonderen Patientengruppen
(so z. B. der hilflos abhängige Patient, der vorwurfsvoll aggressive Patient etc.) und
in Kapitel VII störungsspezifische Aspekte zu depressiven und suizidalen Patienten,
Patienten mit Angsterkrankungen, somatoformen Beschwerden, somatischen und
psychosomatischen Erkrankungen und Patientinnen mit posttraumatischen Störungsbildern. Vor der Darstellung der Endphase der tiefenpsychologisch fundierten
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Psychotherapie (Kapitel IX) werden in Kapitel VIII besondere Therapieformen ausführlicher dargestellt, so Gruppenpsychotherapie, körpertherapeutische Verfahren,
Kunst- und Gestaltungstherapien und Musiktherapie, jeweils im tiefenpsychologischen Setting.
Das Basisbuch geht erfreulicherweise in einzelnen Kapiteln auf beziehungsorientiertes Arbeiten ein, auch auf ressourcenorientierte und supportive Aspekte sowie Stabilisierungstechniken wird ein besonderes Augenmerk gelenkt und natürlich auf die
der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie immanente Arbeit mit Abwehr,
Widerständen, Übertragung und Gegenübertragung sowie Durcharbeiten.
Das Kapitel zu depressiven und suizidalen Patienten könnte möglicherweise ausführlicher sein, da der Umgang mit suizidalen Patienten von besonderer Bedeutung
ist und doch eine Reihe von Spezifika aufweist, die aus Sicht des Rezensenten nicht
ausreichend deutlich werden konnten.
Das Basisbuch ist erfreulich integrativ. In einem Ausblick werden weitere empfohlene Therapiemaßnahmen dargestellt, wobei sich der Rezensent hier die Erwähnung
weiterer Verfahren natürlich gewünscht hätte, obgleich der Ausblick selbstverständlich zunächst einmal an sich positiv zu bewerten ist und nicht alle Therapieverfahren angesprochen werden können (so auch die psychodynamische imaginative Traumatherapie) oder der Einsatz von Achtsamkeitsübungen. Eine kurze Übersicht zur
Testpsychologie und den Stellenwert auch im Rahmen tiefenpsychologisch fundierter
Psychotherapie mit kritischer Würdigung könnte gegebenenfalls in einer weiteren
Auflage Erwähnung finden.
Der Hinweis der Verfasser, das Basisbuch entweder in einem Stück oder aber auch je
nach Erfahrungsstand zirkulär zu lesen, ist ausgesprochen hilfreich.
Insgesamt ist das Buch mit Begeisterung zu lesen, die Vorgehensweise, beispielhafte
Kurzinterventionen und konkrete Behandlungsempfehlungen auch in einem als wenig
strukturiert geltenden Therapieverfahren vorzustellen, ist nicht nur für Helfer, die am
Anfang ihrer professionellen Laufbahn stehen, sondern auch als ausgesprochen anregende Empfehlung für bereits erfahrende Psychotherapeuten anzusehen. Besonders
positiv herauszuheben ist auch der Umgang mit möglichen behandlungstechnischen
Fehlern. So wird auch auf die Frage des Umgangs mit Geschenken von Patienten eingegangen. Dieses „Basisbuch“ sollte die Basis für jeden psychotherapeutisch tätigen
Helfer darstellen. Es hat begeistert, und ich wünsche dem Werk eine weite Verbreitung
in jeder Institution. In jeder Mitarbeiterbibliothek sollten einige Exemplare zur Ausleihe vorrätig sein, wenn nicht jeder Therapeut sich dieses Werk selber anschaffen mag.
Allerdings ist dies aufgrund des ganz besonders herausragenden Preis-Leistungsverhältnisses unbedingt empfehlenswert.
Holger Koppe, Oldenburg
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Die folgenden Neuerscheinungen können zur Besprechung bei der Redaktion
angefordert werden:
–– Girsberger, T. (2015). Die vielen Farben des Autismus: Spektrum, Ursachen, Diagnose, Therapie und Beratung. Stuttgart: Kohlhammer, 181 Seiten, 24,99 €.
–– Moser, T. (2015). Großmütter, Mütter und Töchter. Psychoanalytisch-körpertherapeutische
Fallgeschichten. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 180 Seiten, 19,90 €.
–– Kahl-Popp, J. (2015). Das Gefühl, Gestalt anzunehmen. Zur Subjektivität in der Psychotherapieausbildung. Frankfurt a. M.: Brandes & Apsel, 208 Seiten, 24,90 €.
–– Pollak, A. (2015). Auf den Spuren Hans Aspergers. Fokus Asperger-Syndrom: Gestern, Heute,
Morgen. Stuttgart: Schattauer, 75 Seiten, 14,99 €.
–– Seeger, D. et al. (Hrsg.) (2015). BIKO-Screening zur Entwicklung von Basiskompetenzen für
3- bis 6-Jährige (BIKO 3-6). Göttingen: Hogrefe, Test komplett: 898,- €.
–– Staemmler, F.-M. (2015). Das dialogische Selbst. Postmodernes Menschenbild und psychotherapeutische Praxis. Stuttgart: Schattauer, 440 Seiten, 49,99 €.
–– Thiel, A. (2014). Kinder coachen: die bessere Pädagogik. Professionelle Erziehung und Betreuung. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 140 Seiten, 14,99 €.
–– Webb, J. T. et al. (2015). Doppeldiagnosen und Fehldiagnosen bei Hochbegabung. Bern: Huber,
ca. 300 Seiten, ca. 34,95 €.
–– Wittmann, A. J. (2015). Kinder mit sexuellen Missbrauchserfahrungen stabilisieren. Handlungssicherheit für den pädagogischen Alltag. München: Reinhardt, ca. 249 Seiten, ca. 29,90 €.
TAGUNGSKALENDER
17.-19.6.2015 in Heidelberg:
28. Heidelberger Kongress des Fachverbandes Sucht e.V. Abstinenz als modernes Therapieziel!?
Auskunft: Internet: www.sucht.de/veranstaltungen.html
13.-17.7.2015 in Salzburg/Österreich:
64. Internationale Pädagogische Werktagung Salzburg. Einander anerkennen
Auskunft: Internet: www.bildungskirche.at/Werktagung
19./20.9.2015 in Bremen:
65. Kindertherapietage an der Universität Bremen
Auskunft: Eva Todisco, Zentrum für Klinische Psychologie, Grazer Str. 6, 28359 Bremen;
Tel.: 0421-218-68603, Fax: 0421-218-68629, E-Mail: [email protected],
Internet: www.zrf.uni-bremen.de
24.-26.9.2015 in Magdeburg:
15. wissenschaftliche Jahrestagung der DGSF. simply emotional – simply systemic. Wie Gefühle Systeme bewegen
Auskunft: ISFT Magdeburg, Hegelstr. 18, 39104 Magdeburg; Tel.: 0391-50968999, E-Mail:
[email protected], Internet: www.dgsf-tagung-2015.de
1./2.10.2015 in Freiburg:
Fachtagung: Bilanz und Perspektiven der Resilienzforschung
Auskunft: E-Mail: [email protected]
23.-24.10.2015 in Wien/Österreich:
16. Jahrestagung der Österreichischen Adipositas Gesellschaft. Adipositas 2015, Vision &
Wirklichkeit
Auskunft: Österreichische Adipositas Gesellschaft, Währingerstraße 76/13, A-1090 Wien;
Tel.: +43-650-7703378, Fax: +43-1-2645229, E-Mail: [email protected]
Aus dem Inhalt des nächsten Heftes
B. Traxl u. M. Gerlach: Online-Rollenspielsucht eines Jugendlichen – X. Kienle et al.: Autistische Störungen nach DSM-5: Spektrum oder Cluster? – J. Schultheiß et al.: Wirksamkeit des Präventionsprogramms JobFit – S. Warncke et al.: Das Rachefantasieinventar für
Jugendliche (RFI-J)
Prax. Kinderpsychol. Kinderpsychiat. 64: 410 (2015), ISSN: 0032-7034 (print), 2196-8225 (online)
© Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen 2015
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Ängste abbauen – Stärken fördern
Kinder- und Jugendlichentherapie bei Carl-Auer
Neu
230 Seiten, Kt, 2015
€ (D) 24,95/€ (A) 25,70
ISBN 978-3-8497-0069-0
303 Seiten, Kt, 2013
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ISBN 978-3-89670-869-4
120 Seiten, Kt, 2013
€ (D) 13,95/€ (A) 14,40
ISBN 978-3-8497-0004-1
Neu
283 Seiten, 41 Abb., Kt, 2014
€ (D) 29,95/€ (A) 30,80
ISBN 978-3-8497-0034-8
28 Seiten, Gb, 2015
€ (D) 19,95/€ (A) 20,60
ISBN 978-3-8497-0051-5
30 Seiten, Gb, 2014
€ (D) 19,95/€ (A) 20,60
ISBN 978-3-8497-0030-0
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Pia Fuhrmann
Alexander von Gontard
Depression und Angst
bei Klein- und Vorschulkindern
Leitfaden Kinder- und Jugendpsychotherapie
Hendrik Büch · Manfred Döpfner
Ulrike Petermann
Soziale Ängste
und Leistungsängste
2015, 174 Seiten, Kleinformat,
€ 19,95 / CHF 26,90
ISBN 978-3-8017-2627-0
Auch als
E-Book
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Auch Kinder im Kleinkind- und Vorschulalter können unter Depressionen und Angststörungen leiden. Neben der
genauen Darstellung der Störungsbilder, wird in diesem
Ratgeber erläutert, wie sich normale Ausprägungen von
Trauer und Ängsten von psychisch auffälligem Verhalten
unterscheiden lassen. Es werden therapeutischen
Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt und zahlreiche
Informationen gegeben, wie betroffene Kinder im Alltag
unterstützt werden können.
KLINISCHE KINDERPSYCHOLOGIE
Franz Petermann · Dennis Nitkowski
Soziale Ängste und Leistungsängste treten insbesondere
dann auf, wenn sich Kinder und Jugendliche einer Bewertungssituation ausgesetzt fühlen. Der Band fasst die
aktuellen Erkenntnisse zur Beschreibung, Diagnostik und
Behandlung sozialer Ängste zusammen. Detailliert werden dann Leitlinien zur Diagnostik, Indikationsstellung,
Verlaufskontrolle und Therapie dargestellt. Die Leitlinien
erläutern evidenzbasierte Schritte der Diagnostik und das
multimodale Vorgehen. Materialien zur Diagnostik und
Behandlung sowie Fallbeispiele ergänzen den Leitfaden.
Sigrun Schmidt-Traub
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Franz Petermann
Dennis Nitkowski
K
Kinder
liebevoll und
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Selbstverletzendes
Verhalten
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3., überarbeitete Auflage
Auch als
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Soziale Ängste
und Leistungsängste
(Reihe: »Leitfaden Kinder- und
Jugendspsychotherapie«, Band 20)
2015, X/189 Seiten,
€ 24,95 / CHF 35,50
ISBN 978-3-8017-2536-5
Ein Ratgeber für Eltern und Erzieher
Auch als
Hendrik Büch · Manfred Döpfner
Ulrike Petermann
Erscheinungsformen, Ursachen
und Interventionsmöglichkeiten
(Reihe: »Klinische Kinderpsychologie«, Band 9)
3., überarb. Auflage 2015,
264 Seiten, € 26,95 / CHF 36,90
ISBN 978-3-8017-2681-2
Die Neuauflflage iinformiert
f i umfassend über das Thema
„Selbstverletzendes Verhalten“ und beschreibt Möglichkeiten der Diagnostik und Intervention. Schwerpunkt des Buches sind selbstverletzende Verhaltensweisen, die im Kontext psychologischer Belastungen,
bei psychischen Störungen und bei Kindern mit
geistiger Behinderung auftreten können. Die vielfältigen Erscheinungsformen der Störung und ihre meist
komplexen Ursachen werden ausführlich dargestellt.
Bewährte und neue Strategien in Diagnostik, Prävention und Therapie werden ausführlich dargestellt.
Ein Ratgeber für Eltern
und Erzieher
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Kinder
liebevoll und
konsequent
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2015, ca. 160 Seiten, Kleinformat,
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ca. € 16,95 / CHF 21,90
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für Eltern
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Erziehungsziele
i l festzulegen
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fällt häufig leichter als diese
dann erzieherisch konkret umzusetzen. In diesem Ratgeber wurde daher der Schwerpunkt auf wirkungsvolle,
lernpsychologisch untermauerte Erziehungsmethoden
gelegt, die für Kinder aller Altersgruppen gelten. Eltern
und Erzieher erhalten eine detaillierte Anleitung, wie
sie diese im Alltag umsetzen können. Zudem wird auf
Problembereiche, wie z.B. Geschwisterrivalität, Ordnung
und Medienkonsum, eingegangen.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Merkelstraße 3 · 37085 Göttingen · Tel.: (0551) 99950-0 · Fax: -111
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Psychosozial-Verlag
Josef Christian Aigner, Gerald Poscheschnik (Hg.)
Kinder brauchen Männer
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Carina López Uribe
Pädagogisches Wissen
in Zeiten des Neoliberalismus
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Siegfried Bernfeld
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Schulkritik
ca. 500 Seiten • Broschur • € 34,90
ISBN 978-3-8379-2473-2
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Kultursensitiv beraten? So gehts!
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Angelika Schöllhorn / Joscha Kärtner
Kultur – Entwicklung –
Beratung
Kultursensitive Therapie und Beratung für
Familien mit Säuglingen und Kleinkindern
Mit einem Vorwort von Ute Ziegenhain.
2015. Ca. 245 Seiten, mit 7 Abb. und 4 Tab.,
kartoniert
ca. € 24,99 D
ISBN 978-3-525-40252-8
(Juni 2015)
eBook: ca. € 19,99 D
ISBN 978-3-647-40252-9
Das Buch stellt die Grundzüge einer kultursensitiven beraterischen Arbeit mit
Eltern von Säuglingen und Kleinkindern dar. Es beschreibt eine angemessene Beratungshaltung und kulturell angepasste Interventionen.
Ein Säugling schreit ununterbrochen. Wie reagieren die Eltern? Reagieren sie überall auf der Welt gleich? In Deutschland, in China, in Italien? Je nach kulturellem
Hintergrund gehen Menschen von unterschiedlichen Erziehungsmodellen aus.
Welche praktischen Herausforderungen sich für die Beratungsarbeit aus dieser
Erkenntnis der kulturvergleichenden Säuglings- und Kleinkindforschung ergeben,
stellt das Buch systematisch dar. Dabei werden neben einer angemessenen Beratungshaltung auch kulturell angepasste Interventionen besprochen.
Verlagsgruppe Vandenhoeck & Ruprecht
www.v-r.de
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