031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd

Werbung
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd:Print
05.06.2013
9:23 Uhr
Seite 3
Karl-Josef Kuschel
JUDEN
CHRISTEN
MUSLIME
Herkunft und Zukunft
Patmos Verlag
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd:Print
05.06.2013
9:23 Uhr
Seite 4
Für die Schwabenverlag AG ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Maßstab ihres
Handelns. Wir achten daher auf den Einsatz umweltschonender Ressourcen
und Materialien. Dieses Buch wurde auf FSC®-zertifiziertem Papier gedruckt.
FSC (Forest Stewardship Council®) ist eine nicht staatliche, gemeinnützige
Organisation, die sich für eine ökologische und sozial verantwortliche Nutzung
der Wälder unserer Erde einsetzt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen
Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
3. Auflage 2013
Alle Rechte vorbehalten
© 2007 Patmos Verlag der Schwabenverlag AG, Ostfildern
www.patmos.de
Umschlaggestaltung: init . Büro für Gestaltung, Bielefeld
Umschlagmotive: Mose mit den Gesetzestafeln (Ausschnitt), Darstellung aus der
Alba-Bibel, die Rabbi Moses Arragel von Guadalajara 1422 aus dem Hebräischen
ins Spanische übersetzte; Jesus Christus und der Hauptmann von Kafarnaum
(Ausschnitt), Egbert-Codex, um 980; Der Prophet Mohammed im Gebet vor der
Kaaba (Ausschnitt),Türkei, 16. Jh.
Druck: CPI – buchbücher.de, Birkach
Hergestellt in Deutschland
ISBN 978-3-8436-0475-8 (Print)
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Der Stiftung Weltethos (Tübingen)
und ihren „Säulen“:
Hans Küng
Stephan Schlensog
Günther Gebhardt
in der Verbundenheit gemeinsamer, unermüdlicher Arbeit
für interreligiöse Forschung, Bildung und Begegnung
Seite 5
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 6
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 7
INHALT
PROLOG:
WAS AUF DEM SPIEL STEHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Erster Teil:
Vom Konfrontations- zum Beziehungsdenken
I.
NEUE SIGNALE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
1. Päpste in Synagogen und Moscheen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Johannes Paul II. in der Synagoge zu Rom . . . . . . . . . . . . . . . .
Benedikt XVI. in der Synagoge zu Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Johannes Paul II. in der Moschee zu Damaskus . . . . . . . . . . . .
Benedikt XVI. in der Blauen Moschee zu Istanbul . . . . . . . . .
32
33
34
35
37
2. Bewegendes in Weimar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
Hafiz, Goethe, Khatami und ein Denkmal für den Dialog . . . 41
Barenboim, Oz und die Kraft der Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
II. DIE AUFGABE:
RELIGIÖS VERNETZTES DENKEN LERNEN . . . . . . . . . 46
1. Entwicklungen wahrnehmen: Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . 46
„Dabru Emet“ – ein wegweisendes Dokument . . . . . . . . . . . . . 46
Leo Baecks Vermächtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
2. Entwicklungen wahrnehmen: Christentum . . . . . . . . . . . . .
Die Geister, die man rief . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zwei Gesichter des Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Konzil über die Muslime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Konzil über das jüdische Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Vermächtnis des Konzils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
53
55
61
64
66
3. Entwicklungen wahrnehmen: Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
Muslimische Gelehrte antworten Benedikt XVI. . . . . . . . . . . . 68
7
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 8
Klarstellungen zum Gottesverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69
Aufruf zu einem „freien und ernsthaften Dialog“ . . . . . . . . . . 71
4. Den je Anderen Raum geben vor Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Politische Stellungnahmen genügen nicht . . . . . . . . . . . . . . . . .
Welchen Ort hat der je Andere für mich? . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die „Würde der Differenz“ respektieren . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
73
74
75
III. VORAUSSETZUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
1. Die Asymmetrie der Heiligen Schriften erkennen . . . . . . . .
Haben Juden und Christen denselben Kanon? . . . . . . . . . . . . .
Juden, Christen und der Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie der Koran jüdische und christliche Überlieferungen liest .
78
79
83
86
2. Sackgassen des Koranverständnisses durchschauen . . . . . . .
Religionsgeschichtlicher Relativismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Selbstimmunisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Prophetengeschichten – muslimisch vereinnahmt . . . . . . . . . . .
88
89
91
92
3. Einen dritten Weg suchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Einsicht in die begrenzte Quellenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Geschichtliche Einbettung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Art der Selbstbeglaubigung des Koran . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Adressaten des Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Formensprache des Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Drama der Propheten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
96
97
100
101
102
104
4. Wider die religiöse Selbstgefälligkeit streiten . . . . . . . . . . . . .
Die Falle der Selbstisolierung und Selbstimmunisierung . . . . .
Einsatz beim Koran – mit anderen Interessen . . . . . . . . . . . . . .
Rechenschaft über den Aufbau dieser Studie . . . . . . . . . . . . . . .
106
106
109
111
Zweiter Teil:
Adam oder: Gottes Risiko Mensch
I.
ZEITSPIRALE I: WARUM SCHÖPFUNG ÜBERHAUPT? 114
1. Ein polyphones Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
„Adam“ – Ur-Mensch, jeder Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Lesen mit literarischem Blick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
8
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 9
2. Kontrastive Menschen-Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
Dem Chaos abgetrotzte Ordnung: Schöpfungsbericht I . . . . . 117
Vom Umgang mit dem Chaos: Schöpfungsbericht II . . . . . . . . 119
3. Kontrastive Gottes-Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Polyphonie ohne Harmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122
Gottgewolltes Risiko Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
II. „DER ERWÄHLTE GOTTES“: ADAM IM KORAN . . . . . . 125
1. Grundthema Stolz und Sturz: Sure 95 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Beschwörende Erinnerungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Dramatisches Menschenbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
2. Schon der erste Mensch – verführt und vertrieben: Sure 20
Wie damals so heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Menschsein als nachparadiesische Existenz . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Freiheit der Gnade Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
128
128
129
132
3. Von der „Göttlichkeit“ des Menschen: Sure 15 . . . . . . . . . . . 133
Wesen mit Gottesgeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
Rebellion und Vertreibung des Teufels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135
4. Die Signatur adamitischer Existenz: Sure 7 . . . . . . . . . . . . . .
Jüdische Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gottesentfremdung ohne Gotteszynismus . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was heißt: Menschen sind „Kinder Adams“? . . . . . . . . . . . . . .
137
138
140
142
5. Der Mensch als Stellvertreter Gottes: Sure 2 . . . . . . . . . . . . .
Im Übergang von Mekka nach Medina . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Auseinandersetzung mit den Juden Medinas . . . . . . . . . . .
Menschenskepsis der Engel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gott geht das Risiko Mensch ein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
145
145
147
150
153
6. Adams Söhne: der erste Brudermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Abgründige Geschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Welche Rolle spielt Gott? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eine Exempelgeschichte zur Mordprophylaxe . . . . . . . . . . . . . .
Unschätzbarer Wert jedes menschlichen Lebens . . . . . . . . . . . .
156
156
159
160
161
9
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 10
III. JEDER MENSCH ABBILD GOTTES:
ISRAELS VERMÄCHTNIS AN DIE MENSCHHEIT . . . . . 163
1. Was heißt Gottesebenbildlichkeit des Menschen? . . . . . . . . .
Der Mensch – Erdenkloß mit Gottesgeist . . . . . . . . . . . . . . . . .
Statthalter Gottes auf Erden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Repräsentation und Entsprechung Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . .
163
164
164
165
2. Die Verantwortung des königlichen Menschen . . . . . . . . . .
Keine Lizenz für Ausbeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gewaltfreies Leben mit den Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
„Statthalter Gottes“: Biblische und koranische Konvergenzen
167
167
168
169
3. Der eine Gott – die eine Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Elie Wiesels Midrasch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Leo Baecks Testament aus Theresienstadt . . . . . . . . . . . . . . . . .
Leonard Bernsteins „Kaddish“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
171
171
172
173
IV. VOM ADAM-DILEMMA ZUM CHRISTUS-DRAMA . . . . 177
1. Wie Muslime und Juden „Adam“ retten . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Rechtleitung durch Gottes Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
Leben durch die Tora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
2. Macht und Gegenmacht: Adam – Christus . . . . . . . . . . . . . .
Paulus ist anders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Dilemma adamitischer Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Menschsein – mit sich selbst zerfallen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die erste Befreiungstheologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Warum es einen „letzten Adam“ braucht . . . . . . . . . . . . . . . . .
181
181
182
185
188
190
3. „Abbild Gottes“ als Gabe und Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . 193
Gottesebenbildlichkeit in Christus erneuert . . . . . . . . . . . . . . . 193
Gott – die Lebensenergie aller Menschen: Paulus in Athen . . . 194
V. JUDEN, CHRISTEN UND MUSLIME ALS
„KINDER ADAMS“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1. Bekenntnis zur Einheit und Gleichheit aller Menschen . . . 198
Der biblische und koranische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
Konsequenzen für eine Theologie des Anderen . . . . . . . . . . . . . 199
10
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 11
2. Wissen um Versagen und Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Der biblische und koranische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201
Nicht Gottes letztes Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
3. Verteidigung der Würde aller Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Der biblische und koranische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
Christliche, jüdische und muslimische Stimmen . . . . . . . . . . . . 204
4. Begründung von Menschenrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zur Idee und Geschichte der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . .
Wie Christen Menschenrechte begründen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie Juden Menschenrechte begründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie Muslime Menschenrechte begründen . . . . . . . . . . . . . . . . .
Für einen Universalismus der Menschenrechte und
Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Für eine Bilderkritik im Zeitalter der Bilderflut . . . . . . . . . . . .
208
209
216
219
223
228
230
Dritter Teil:
Noach oder: Gottes zweite Chance für die
Schöpfung
I.
ZEITSPIRALE II:
WARUM MENSCHHEIT ÜBERHAUPT? . . . . . . . . . . . . . . . 234
1. Im Gedächtnis der Menschheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Tief ist der Brunnen der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
Noach als gottebenbildlicher Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
2. Gottes Widerruf seiner Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Noach bleibt stumm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
Vor der Flut – nach der Flut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
3. Bindungen für den Menschen, für Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Töten ist Brudermord . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
Gott verpflichtet sich auf den Erhalt der Schöpfung . . . . . . . . . 241
4. Familiendrama als Weltdrama . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243
Noachs Fluch und Segen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
Die Menschheit als Völkerfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247
11
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 12
II. „PROPHET GOTTES“: NOACH IM KORAN . . . . . . . . . . . 250
1. Noach beginnt zu sprechen: Sure 54 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
Noach als Warner: jüdische und christliche Parallelen . . . . . . . 252
Zeichen Gottes nicht verachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
2. Für was Noach kämpft: Sure 71 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Dramatische Dialoge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Botschaft mit scharfem Profil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wider den Dienst an den Götzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
256
256
258
259
3. Gericht und Rettung: Sure 11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wider die Oberen und Herrschenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Angriffe auf den Propheten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rettung der Glaubenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die neue Menschheitsfamilie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
260
260
263
264
267
4. Ein Prophet des Islam vor dem Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Dieselbe Sache einst und jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270
Die Selbstlegitimation des Islam als Islam . . . . . . . . . . . . . . . . . 272
III. EIN GRUND-ETHOS FÜR ALLE MENSCHEN:
ISRAELS VERMÄCHTNIS AN DIE MENSCHHEIT . . . . . 275
1. Was Juden dem Papst zu sagen haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Benedikt XVI. in der Synagoge zu Köln . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
Was das Judentum für die Menschheit tut . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
2. Wie mit den Fremden umgehen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277
Koexistenz mit den Völkern nach der Katastrophe . . . . . . . . . . 278
Der Status von Proselyten, Mitbewohnern, Gottesfürchtigen . 279
3. Nachdenken über eine Tora für die Völker . . . . . . . . . . . . . . 282
Grundgebote für alle Menschen: Erste Versuche . . . . . . . . . . . 283
Die sieben noachidischen Gebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284
4. Können Nichtjuden das Heil erlangen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Kein jüdischer Heilsexklusivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
Gerechte aus den Weltvölkern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288
IV. VON ABEL UND NOACH AN: KIRCHE ALS
UNIVERSALE GLAUBENSGEMEINSCHAFT . . . . . . . . . . 293
12
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 13
1. Noachidische Gebote – christlich rezipiert . . . . . . . . . . . . . . 293
Das Dekret der Apostel – und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . 293
Für eine Gemeinschaft von Juden- und Heidenchristen . . . . . 295
2. Noachs Glaube – christlich verstanden . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Erkenntnisschwund und Wiederholungskurs . . . . . . . . . . . . . . 295
Noach im Hebräerbrief und im Koran . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297
3. Wer sind Noachs Kinder? Eine Geschichte aus unserer Zeit 300
Eine neue Sintflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Eric-Emmanuel Schmitt: „Das Kind von Noach“ . . . . . . . . . . 301
V. JUDEN, CHRISTEN UND MUSLIME ALS
„KINDER NOACHS“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
1. Die Signatur noachidischer Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der biblische und koranische Befund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Aschura-Fest: Wie Muslime Noachs gedenken . . . . . . . . .
Konsequenzen für ein post-noachidisches Leben . . . . . . . . . . . .
302
302
303
304
2. Durchsetzung des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gott will die Menschheit als Völkerfamilie . . . . . . . . . . . . . . . .
Moralische Grundlagen des Rechts? Zur Rolle der Religionen
Biblisch-jüdische Grundlagen eines Völkerrechts . . . . . . . . . . .
Christliche Grundlagen eines Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . .
Islamische Grundlagen eines Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . .
305
305
306
311
313
317
3. Bewusstmachung eines Menschheitsethos . . . . . . . . . . . . . . .
Die Weltethos-Erklärung von Chicago . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Menschenrechte und Menschenpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie ethische Grundlagen in der Weltgesellschaft finden? . . . .
322
323
326
328
Vierter Teil:
Mose oder: Der Kampf für ein „Grundgesetz des
Menschenanstandes“
I.
ZEITSPIRALE III: WARUM EIN GOTTESVOLK? . . . . . . . 334
1. Die Monumentalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334
Die große Komposition: Exodus – Wüste – Sinai . . . . . . . . . . . . 334
Mose und die Frage der Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
13
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 14
2. Die Menschlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339
Sinnlichkeit und Sittlichkeit: Thomas Mann . . . . . . . . . . . . . . . 340
Mühselige Erziehung des Menschengeschlechts . . . . . . . . . . . . . 341
3. Der Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mose wehrt sich gegen Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Volk wehrt sich gegen die Moral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Nie wieder einer wie Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Muslime errichten Mose ein Grab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
343
343
344
349
350
II. „MIT DEM GOTT GESPROCHEN HAT“:
MOSE IM KORAN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352
14
1. Mohammed als neuer Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pädagogisch-didaktischer Gestus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein Lebensmuster wiederholt sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das schmerzlich erlebte Paradox . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
352
352
355
356
2. Prophet gegen Pharao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gottes Auftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Theozentrische Angstüberwindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wider die Verblendung der Mächtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie Gott seine Macht demonstriert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Konflikte mit dem eigenen Volk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
357
358
360
363
366
369
3. Befreiung aus den Fängen der Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pharao als verblendeter Götze: Sure 26 . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Machtkampf in Mekka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Pharao als größenwahnsinniger Despot: Sure 40 . . . . . . . . . . .
Rettung aus Unterdrückung: Sure 28 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Mose als fehlbarer, bedürftiger Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Orientierung Jerusalem: Richtung des rituellen Gebets: Sure 10
372
372
374
377
378
380
382
4. Empfänger göttlicher Weisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Ein Land für die unterdrückten „Kinder Israels“ . . . . . . . . . . .
Mose als Fürsprecher des Volkes bei Gott . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erschütternde Begegnung mit Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
384
385
386
388
5. Ein Grundgesetz für die Menschen: Sure 2 . . . . . . . . . . . . . .
Im Konflikt mit den Juden Medinas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die „Zehn Gebote“ auch im Koran? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der biblische und koranische Mose: ein Vergleich . . . . . . . . . .
Die Himmelfahrt Mohammeds und ein Gespräch mit Mose . .
390
391
394
395
397
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 15
III. EINE „ERSTE VERFASSUNG“:
ISRAELS VERMÄCHTNIS AN DIE MENSCHHEIT . . . . . 401
1. Die „Mosaische Unterscheidung“ – nur ein Verhängnis? . . 401
Konflikte, Intoleranz und Gewalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402
Kritik und Gegenkritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403
2. Exodus: Befreiung von der Allmacht des Staates . . . . . . . . .
Der Urkonflikt: Prophet gegen Pharao . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Von der Königsideologie zur Volkstheologie . . . . . . . . . . . . . . .
Die prophetische Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
405
405
407
409
3. Sinai: Grundgebote der Humanität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Grundlage des Judentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was Juden der Welt gegeben haben: Thomas Mann . . . . . . . .
Das Vermächtnis: Martin Buber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
411
411
412
416
IV. GESETZ UND FREIHEIT: MOSE UND CHRISTUS . . . . . 419
1. Liebe als „wichtigstes Gebot“: Jesus von Nazaret . . . . . . . .
Konflikte um die Auslegung der Mose-Tora . . . . . . . . . . . . . . .
Jesus als neuer Mose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das wichtigste Gebot mit Parallelen im Koran . . . . . . . . . . . . .
419
419
422
424
2. Freiheit von den „Werken des Gesetzes“: Paulus . . . . . . . . .
Die Spannung: Jude und Christ zugleich . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wie in Mekka, so schon in Korinth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Einzigartige der Christuserfahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Mose-Geschichte – kritischer Spiegel auch für Christen . .
Mose als Held aller Glaubenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
427
427
429
432
434
438
V. JUDEN, CHRISTEN UND MUSLIME ALS VON GOTT
„BERUFENE“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
1. Die Signatur prophetischer Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was macht einen Propheten zum Propheten? . . . . . . . . . . . . . .
Der jüdisch-christliche Dekalog und der islamische
Pflichtenkodex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Wider die Verschleuderung des Prophetischen . . . . . . . . . . . . .
442
442
443
445
2. Beispiele prophetischen Widerstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446
Arnold Schönbergs Oper „Moses und Aron“ . . . . . . . . . . . . . . . 446
15
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 16
Der Dekalog-Hirtenbrief der Deutschen Bischöfe 1943 . . . . . . 453
Gebetsstätten auf dem Moses-Berg: Anwar as-Sadat . . . . . . . . 455
Fünfter Teil:
Maria und Jesus oder: Zeichen Gottes für alle Welt
I.
JESUS UND DAS JUDENTUM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462
1. Schwierige Gespräche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die christliche Zumutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Belastete Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Asymmetrie der normativen Traditionen . . . . . . . . . . . . . .
462
462
463
463
2. Neue Annäherung: Der Jude Jesus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Heimholung Jesu ins Judentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Glauben wie Jesus ja – Glauben an Jesus nein . . . . . . . . . . . . .
Ein Rabbi redet mit Jesus – und folgt ihm nicht:
Jacob Neusner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
464
465
466
468
II. JOHANNES, MARIA UND JESUS IM KORAN . . . . . . . . . 473
1. Johannes – der Prophet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474
Die Geburt des Johannes: Sure 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475
Parallelfigur zu Jesus: Sure 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478
16
2. Maria – Gottes Erwählte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Ankündigung von Gottes Geist : Sure 19 . . . . . . . . . . . . . .
Rückzugsbewegungen – Freiwerden für Gott . . . . . . . . . . . . . .
Die Geburt Marias: Sure 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christliche Parallelen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Kindheit Marias . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Eine theozentrische Mariologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
480
480
482
485
487
489
490
3. Jesus – Marias Sohn, Gottes Gesandter . . . . . . . . . . . . . . . . .
„Gottes Diener“: Sure 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Kein Sohn neben Gott: Sure 19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Kette der Gesandten Gottes: Suren 2 und 3 . . . . . . . . . . . .
Wie Muslime sich mit Christen verständigen: Sure 3,59-64 . . .
Nicht gekreuzigt, zu Gott erhöht: Sure 4,157 . . . . . . . . . . . . . .
Zeuge beim Endgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
494
494
497
499
503
505
510
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 17
III. „EINER IST DER HERR“: JESUS FÜR CHRISTEN . . . . . . 513
1. Das unverwechselbare christliche Glaubenszeugnis . . . . . . 513
Das Apostolikum als christlicher Grundtext . . . . . . . . . . . . . . . 514
Die Dramaturgie des christlichen Bekenntnisses . . . . . . . . . . . . 515
2. Den Glauben bekennen – im Angesicht der Anderen . . . . .
Was Muslime und Christen eint und trennt . . . . . . . . . . . . . . .
Nachdenken über Maria mit Juden: David Flusser . . . . . . . . .
Nachdenken über Maria mit Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Benedikt XVI. redet mit einem Rabbi – ein Dialog? . . . . . . . .
Bekenntnis zu Christus – Gefährdung des Monotheismus? . . .
Nachdenken über die Bedeutung des Kreuzes Christi . . . . . . .
519
520
522
525
528
532
532
IV. JUDEN, CHRISTEN UND MUSLIME ALS
GEMEINSCHAFT VON GOTTGLÄUBIGEN . . . . . . . . . . . 535
1. Glauben Juden, Christen und Muslime an denselben Gott? 535
Ein Papst schreibt einem muslimischen Herrscher . . . . . . . . . . 536
Der Brief Gregors VII. und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 538
2. Glauben an den einen Gott – in verschiedener Weise . . . . .
Das spezifisch jüdische Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das spezifisch christliche Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das spezifisch muslimische Bekenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
540
540
541
541
3. Grundhaltungen vor Gott einüben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Gleichnisse – jüdisch, christlich, muslimisch . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Gleichnis von den Saatkörnern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Gleichnis vom reichen Kornbauern . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Gleichnis vom Weltgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das „muslimische Evangelium“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
541
541
542
543
544
545
Sechster Teil:
Abraham oder: Das Risiko des Gottvertrauens
I.
ZEITSPIRALE IV: DREI WELTGESCHICHTLICHE
AUFBRÜCHE IM ZEICHEN ABRAHAMS . . . . . . . . . . . . . 548
1. Warum Abraham für Juden unverzichtbar ist . . . . . . . . . . . 549
Der Fremdling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549
17
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 18
Was Bund bedeutet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553
Segen für alle Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 555
2. Warum Abraham für Christen unverzichtbar ist . . . . . . . .
Vor der Sinai-Tora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Legitimation des Christusglaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unser aller Vater vor Gott . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Neuer Segen für die Völker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
557
558
559
561
562
3. Warum Abraham für Muslime unverzichtbar ist . . . . . . . . .
Radikales Vertrauen in Gottes Zusage: Sure 51 . . . . . . . . . . . .
Durchbruch zum Monotheismus: Sure 37 . . . . . . . . . . . . . . . . .
Religionskonflikt als Generationskonflikt: Sure 19 . . . . . . . . . .
Wiederherstellung der Religion Abrahams: Sure 16 . . . . . . . . .
Ismael – der bevorzugte Sohn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Die Mekka-Wallfahrt als Abraham-Erinnerung . . . . . . . . . . .
Abraham trennt – Abraham eint . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
564
564
567
570
573
574
576
577
II. ABRAHAMS VOLK: ISRAELS VERMÄCHTNIS
AN DIE MENSCHHEIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581
1. Nachdenken über Ismael . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Erstgeborener Sohn mit dem Zeichen des Bundes . . . . . . . . . . .
Von Menschen verstoßen, von Gott gerettet . . . . . . . . . . . . . . .
Ismael und seine Nachkommen unter Gottes Segen . . . . . . . . .
582
582
583
587
2. Der „offene Bund“: Irving Greenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
Nichtjuden als Partner im Bunde Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590
Konsequenzen für Christen und Muslime . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
3. „Keine Religion ist ein Eiland“: Abraham Joshua Heschel . 592
Die Gegenwart Gottes in jedem Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . 592
Konsequenzen für interreligiöse Zusammenarbeit . . . . . . . . . . 594
III. „ABRAHAMS RELIGION“:
KONSEQUENZEN FÜR MUSLIME . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
1. Abraham – der vorbildliche Muslim:
Islamischer Exklusivismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
Warnung vor den „Leuten der Schrift“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 597
Das alleinige Recht auf Abraham . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598
18
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_1.qxd
05.09.2008
9:45 Uhr
Seite 19
2. Abrahams Segen: Muslimisches Beziehungsdenken . . . . . . . 599
„Abrahamische Foren“ in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 599
Einladung zu gemeinsamen Feiern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601
IV. „ABRAHAM – UNSER VATER“:
KONSEQUENZEN FÜR CHRISTEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 603
1. Der „Gründervater“ abrahamischer Ökumene:
Louis Massignon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Das Geheimnis Abrahams: drei Gebete . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Christliches Zeugnis unter Muslimen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Massignon, Vaticanum II und die Muslime . . . . . . . . . . . . . . .
Appelle an die „geistigen Nachkommen Abrahams“:
Päpste heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
603
603
605
606
607
2. Für eine abrahamische Geschwisterlichkeit . . . . . . . . . . . . . . 608
Was heißt „abrahamische Ökumene“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608
Juden, Christen und Muslime als Erinnerungsund Erzählgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609
3. Wie Christen Judentum und Islam sehen können:
systematische Perspektiven . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anteil am Segen Abrahams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Zeichen des Geistes Gottes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Unterscheidung der „Zeichen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Was ist abrahamische Spiritualität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
616
616
618
619
620
EPILOG: CORDOBA JULI 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 625
ZITIERWEISE VON QUELLEN UND HILFSMITTELN . . . . . 635
LITERATUR UND ANMERKUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil III . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil IV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
zu Teil VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
637
637
647
655
662
668
673
EIN WORT DES DANKES . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679
PERSONENREGISTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681
19
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 20
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 21
PROLOG: WAS AUF DEM SPIEL STEHT
„Wer nicht von dreytausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.“
JOHANN WOLFGANG GOETHE, „West-östlicher Divan“,
Buch des Unmuts
„Sei keinem Juden, keinem Muselmanne
Zum Trotz ein Christ!“
Saladin zum Tempelherrn
„Und ist denn nicht das ganze Christentum
Aufs Judentum gebaut? Es hat mich oft
Geärgert, hat mir Tränen gnug gekostet,
Wenn Christen gar so sehr vergessen konnten,
Dass unser Herr ja selbst ein Jude war.“
Der Klosterbruder zu Nathan
„Wohl uns! Denn was
Mich Euch zum Christen macht,
Das macht Euch mir
Zum Juden!“
Nathan zum Klosterbruder
GOTTHOLD EPHRAIM LESSING, „Nathan der Weise“1
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 22
Der Kalender 2006 fügte es, dass in der Woche vom 10.–16. April drei
große Festtage der drei prophetischen Religionen Judentum, Christentum
und Islam zusammenfielen. Am Dienstag, den 11. April, feierten Muslime
in aller Welt den Geburtstag des Propheten Mohammed, den Maulid alNabi. In den meisten islamischen Ländern ruht dann der Verkehr, die Beamten haben Urlaub, die Kinder schulfrei. Gerade in Ägypten wird der
Prophetengeburtstag als eine Art islamisches Weihnachtsfest gefeiert. In
den Städten des Nildeltas ziehen Tausende mit Trommeln und Trompeten
durch die Straße, die Mädchen bekommen Puppen, die Jungen kleine
Pferde aus Zucker geschenkt. Es ist das größte religiöse Volksfest in
Ägypten. In Pakistan ähnlich. Hier setzen die Gläubigen einen als Beduinen verkleideten Knaben auf ein Pferd und lassen ihn durch die Straße reiten: die Wiederkehr des Propheten in Kindesgestalt.
Am Donnerstag, den 13. April, fing für Christen die Fest-Zeit an, in
der sie des Leidens, des Sterbens und der Auferstehung Jesu Christi gedenken. Wie zu Jesu Zeiten fiel das jüdische Pesach-Fest mit dem Beginn
der christlichen Passionsgeschichte zusammen. Grund genug, wieder einmal über die unlösbare Verknüpfung zwischen Pesach und Ostern nachzudenken. Grund aber auch genug, in unserer Weltstunde über das Jüdisch-Christliche hinaus auch die Koexistenz mit der dritten Religion zu
bedenken, die nicht weniger als die beiden anderen Geschwister-Religionen abrahamischen Ursprungs, monotheistischen Glaubens und prophetischen Charakters ist.
Welch eine Woche! Ohne missverstanden zu werden, wird man
behaupten dürfen: Die Geburt des Propheten Mohammed im Jahre 570
ist mittelbar so sehr die Geburtsstunde des Islam wie Pesach die Geburtsstunde des Judentums und Ostern die Geburtsstunde des Christentums
ist. Dass diese drei „Geburtstage“ auch inhaltlich zusammengehören, ist
unabweisbar. Jesus von Nazaret hat als Jude unmittelbar vor seinem Tode
Pesach gefeiert. Wie könnten Juden und Christen je die innere Zusammengehörigkeit von Pesach und Ostern vergessen? Der Prophet Mohammed hat seinerseits die Offenbarungen im Koran als Bestätigung von
„Tora“ und „Evangelium“ betrachtet und auf zahlreiche jüdische und
christliche Überlieferungen zurückverwiesen. Wie könnten Muslime je
dieses ihr Wurzelwerk vergessen? Eigentlich undenkbar, dass man mit
Scheuklappen nur sein Eigenes sehen dürfte.
Faktisch aber, auf der Ebene der Mentalitäten, der kulturellen Prägungen, religiösen Sozialisationen praktizieren Juden, Christen und Muslime
kein vernetztes, sondern ein abspaltendes Denken. Die Existenz des je
22
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 23
Anderen ist für das eigene Selbstverständnis buchstäblich gleich-gültig.
Antagonistisch-abstoßende Tendenzen zwischen Menschen der drei Religionen sind heute stärker geworden. Identitätssicherung durch neue Profilierung gegeneinander lautet die Devise. Abstoßung wird als „Klarheit“
und „Entschiedenheit“ ausgegeben. Rücksichtslose Selbstdarstellung als
Recht auf Religionsfreiheit. Religionsfreiheit als Freiraum für unkontrollierte Religionspraktiken.
Das hier vorgelegte Buch wird von einem anderen Interesse getrieben.
Es stellt Menschen aller drei Religionen die Grundfrage: Welchen Ort hat
der je Andere für mich? Welchen Raum hat das je andere Glaubenszeugnis neben mir? Welche Herausforderung stellt es für mich dar? Herausforderung zu selbstkritischem Nachdenken vor allen reflexhaften Bekenntnissen? Diese Herausforderung ist keineswegs schon mit äußerer
Solidarität zwischen Juden, Christen und Muslimen in gesellschaftspolitischen Fragen und Konfliktfeldern angenommen, so wichtig diese wechselseitige Solidarität gesellschaftlich und politisch ist. Sie besteht im Versuch der Erhellung der inneren Beziehung von Synagoge, Kirche und
Umma. Die Aufgabe besteht im Nachdenken über das Zeichen Gottes,
warum trotz aller feindseliger Abstoßung in der Vergangenheit Synagoge,
Kirche und Umma nebeneinander existieren. Was bedeuten sie füreinander in ihrem dreifachen und dreifach verschiedenen Bekenntnis zu dem
einen Gott Abrahams, dem Schöpfer, Bewahrer und Richter von Welt und
Mensch?
Grundgelegt und eingeübt wird in diesem Buch: Beziehungsdenken,
vernetztes Denken, konkret: trialogisches Denken. Eine solche Denkform ist im Raum der Religionen noch ungewohnt. In anderen Theorieund Praxisfeldern hat man diese Notwendigkeit früher erkannt. Wir
leben in einer Welt vielfacher ökonomischer, ökologischer, kommunikativer und kultureller Vernetzung. Wie könnte sich der riesige Raum der
Religionen davon ausnehmen wollen? „Religion“ ist heute ein Faktor der
„Weltpolitik“ geworden! Religionen haben weltweit Einfluss auf Hunderte Millionen von Menschen, ein Einfluss, der zu Hass und Feindschaft, aber auch zu Frieden und Versöhnung genutzt werden kann.
Gerade aus dem Raum der aktiven Politik kommen immer stärkere
Forderungen, dass die Führer der großen Religionen Zeichen aktiver
Kooperation und wechselseitiger Respektierung setzen. Wie aber sollen
sie dies tun, wenn sie geistig darauf nicht vorbereitet sind? Wenn ihre
Theologien vor allem dem Vorschub leisten: monoperspektivischem
Monologisieren?
23
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 24
Der frühere deutsche Bundeskanzler HELMUT SCHMIDT musste anlässlich seiner Weltethos-Rede in Tübingen noch am 8. Mai 2007 daran
erinnern: „Heute beunruhigt es mich sehr, dass zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Gefahr eines weltweit religiös motivierten oder auch religiös verbreiteten ‚Clash of Civilizations‘ durchaus real geworden ist. Das
ist keine intellektuelle Spielerei, die Gefahr ist wirklich gegeben. An
manchen Orten der heutigen Welt vermischen sich religiös verbrämte
Herrschaftsmotive mit Empörung über Armut und mit Neid auf den
Wohlstand anderer. Religiöse Sendungsmotive vermischen sich mit exzessiven Herrschaftsmotiven. Die abwägenden und mäßigenden Stimmen der Vernunft haben es dort schwer, Gehör zu finden.“ Aber müssten
diese abwägenden und mäßigenden Stimmen nicht vor allem auf Seiten
der Religionsvertreter erklingen? Aufgrund seiner langen Lebensgeschichte aber kommt HELMUT SCHMIDT zu der eher nüchternen Erkenntnis: „Es ist eine Tragödie, dass auf allen Seiten die Rabbiner, die
Priester, Pastoren und Bischöfe, die Mullahs und Ayatollahs uns Laien
jede Kenntnis der anderen Religionen weitgehend vorenthalten haben.
Sie haben uns im Gegenteil häufig gelehrt, über die anderen Religionen
ablehnend oder sogar abfällig zu denken. Wer aber Frieden zwischen den
Religionen will, der sollte religiöse Toleranz und Respekt predigen.
Respekt gegenüber dem Anderen setzt ein Minimum an Kenntnis des
Anderen voraus.“
Oft dauert es lange, bis sich neue Konzeptionen durchsetzen. Das gilt
für alle drei Religionen, um die es in diesem Buche geht. Hart mit der veränderten Situation vor Ort konfrontiert, haben vor allem Religionspädagogen Vorstöße unternommen, die noch zu wenig in die Praxis von Schulen und Gemeinden gedrungen sind. Ich erinnere an das Werk von
JOHANNES LÄHNEMANN „Evanglische Religionspädagogik in interreligiöser Perspektive“ (1998) sowie an die von ihm initiierten, organisierten
und in zahlreichen Bänden dokumentierten interreligiösen Lernprozesse
auf den „Nürnberger Foren“. Ich erinnere an STEPHAN LEIMGRUBERs
Programmschrift „Interreligiöses Lernen“. Ein Abschnitt daraus ist mir
besonders wichtig, sodass ich ihn hier festhalte:
„Interreligiöses Lernen beginnt mit einer Umkehr des Sehens bzw. mit
einer tieferen Wahrnehmung. Die anderen sind nicht mehr als bloß
vorhandene Objekte oder für unsere Interessen vorhandene Wesen zu
konstatieren, sondern mit dem ‚dritten Auge‘ (Hubertus Halbfas), mit
den Augen des Glaubens zu sehen. Wenn die Menschen aus der Tiefe
24
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 25
des Glaubens betrachtet werden, sind sie als Geschöpfe Gottes, als originelle Einfälle des Schöpfers zu erkennen […] Die Anders-Gläubigen
sind als Anders-Gläubige zu entdecken.“2
Und ich erinnere insbesondere an die Arbeit des Nestors der gegenwärtigen deutschen Religionspädagogik, KARL ERNST NIPKOW, der sowohl in
seinem großen zweibändigen Werk „Bildung in einer pluralen Welt“
(1998) als auch in seiner jüngsten Untersuchung „Der schwere Weg zum
Frieden. Geschichte und Theorie der Friedenspädagogik von Erasmus bis
zu Gegenwart“ (2007) Beziehungsdenken zwischen den verschiedenen
Religionen theoretisch grundgelegt und für die Praxis fruchtbar gemacht
hat. Im Anschluss an den jüdischen Philosophen EMMANUEL LÉVINAS
fordert Nipkow programmatisch: „Verständigung ist zu suchen, indem
man sich wechselseitig der ‚Andersheit‘ des ‚Anderen‘ in ‚Verwundbarkeit‘ aussetzt.“3 Und diese Anerkennung des ‚Anderen‘ sei gerade dort zu
suchen, wo es einem schwer falle. Anhänger unterschiedlicher Religionen
kämen in dem Maße zu einem tiefer gegründeten, glaubwürdigeren und
wirkungsvolleren gemeinsamen Handeln in ethischen und politischen
Fragen, wie sie sich in Wahrhaftigkeit über ihren Glauben verständigten.
Woraus folgt: „Die drei geschichtsbezogenen Zukunftsreligionen [Judentum, Christentum und Islam] sind in der Gegenwart mitverantwortlich
dafür, was im Blick auf das zukünftige Leben auf diesem Planeten in Verantwortung vor Gott zu tun ist.“4 Mitverantwortung lernen: das ist in der
Tat die entscheidende Herausforderung der jetzigen Zeit.
Auch aus heutiger Geschichtswissenschaft kommen neue Impulse. 2006
legt der Berliner Historiker MICHAEL BORGOLTE eine „Geschichte Europas“ vor, in der erstmals in dieser Form das europäische Ineinander (Mitund Gegeneinander) von „Juden, Christen, Muselmanen“ beschrieben
wird.5 Der Grundgedanke sei programmatisch für dieses Buch ins Bewusstsein gehoben. Europa sei keineswegs mit der Verbreitung der lateinischen Sprache, dem Abendland oder dem Bereich der Papstkirche identisch, schreibt dieser Historiker. Zwar habe keine der drei Religionen
Europa jemals ganz beherrscht, und jede habe umgekehrt über Europa hinausgereicht, aber bis Mitte des 10. Jahrhunderts habe es in Europa einen
Staat unter jüdischer Herrschaft gegeben und, abgesehen von al-Andalus
in Spanien und von Sizilien, habe ein muslimisches Reich an der Wolga bis
zum Mongoleneinfall im 13. Jahrhundert bestanden. Daraus folgt: Das
Bild von Europa, das sich ergibt, „ist bunter, als sich viele träumen lassen“.6 Für die Selbsteinschätzung der Ursprünge Europas heißt das:
25
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 26
„Europa ist, historisch betrachtet, weder eine geographische Einheit
noch eine Wertegemeinschaft oder eine ideale Größe; es war bisher
noch nie ‚fertig‘ und hatte keine unstrittige Identität. Auch durch die
Überlieferung ist es nicht vorgegeben; das Mittelalter hat den Namen
benutzt, aber keinen Begriff von ‚Europa‘ ausgebildet. Zwar wurde
Europa geographisch beschrieben und mythologisch gedeutet, aber ein
Diskurs über seine Eigenart, der die Intellektuellen entzweien oder zusammenbringen könnte wie in unseren Tagen, haben die Jahrhunderte
vor der Wende zur Neuzeit nicht gekannt. Wer Europa historisch begreifen will, muss anerkennen, dass seine Vielfalt keinen Pluralismus
der Gleichgültigkeit hervorgebracht hat, sondern dass sich seine kulturellen Formationen in ständigem Bezug aufeinander anpassten, wandelten und auch abstießen.“7
In ständigem Bezug aufeinander: Diese Grundeinsicht in ein Europa, das
„noch nie ‚fertig‘ gewesen“ und dessen Identität nicht zementiert ist, wollen wir für einen Vorstoß nutzen, der versucht, die drei Europa prägenden
Religionen, Judentum, Christentum und Islam, in ihrem inneren Beziehungsgefüge zu beschreiben. Wer in Wechselseitigkeiten denkt, denkt in
vielfachen Reaktionsmustern, denkt nicht in dualistischen Kategorien des
Entweder – Oder, sondern in der Beziehungskategorie des sowohl – als
auch, des Gegeneinander im Miteinander, des Miteinander im Gegeneinander. Gibt es dafür aber Grundlagen in den Religionen selbst?
Dieses Buch wird von der Überzeugung getragen: Wechselseitige
Wertschätzung zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen erfolgt
nicht aus gutem Willen, besten Absichten, politischem Kalkül oder aufgeklärtem Zeitgeist (so wichtig das alles ist), sondern vor allem und zuerst
aus Rückbesinnung auf die Ur-Kunden, auf die die Menschen der verschiedenen Religionen verpflichtet sind. Eine theologische Fundierung ist
prioritär vor allen ethischen, politischen, pädagogischen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Ohne Rückbindung an ihre Heiligen Schriften
bleibt alles buchstäblich bodenlos und auf längere Sicht wirkungslos. Die
Ur-Kunden verpflichten, binden Gewissen. Nur wenn man seinen Auftrag und seine Sicht des je Anderen von innen her begründet, wird man
resistenter gegen den Zeitgeist, hält man gerade auch dann durch, wenn
die Dialoge scheitern, die guten Absichten ins Gegenteil verkehrt werden
und der Zusammenhalt zwischen Menschen verschiedener Religionen
erodiert. Die dunkle Seite interreligiöser Kommunikation ist die wechselseitige Enttäuschung, der wechselseitige Isolationismus, die Gegenprofi26
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 27
lierung, die Funktionalisierung des Anderen zur Stabilisierung der eigenen gebrochenen Identität.8
Trialogisch denken ist das Gegenteil von isolierendem und totalitärem
Denken. Beides verstärkt sich gegenwärtig wieder. Das isolierende Denken
führt zur Selbstabkapselung und Selbstprofilierung der eigenen Religion
auf Kosten aller Anderen, gepaart oft mit raffinierter Ausnutzung von
Rechten in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen, für die man
andernorts nicht einzutreten bereit ist. Als sei Religionsfreiheit teilbar!
Aus Angst vor Identitätsverlust betont man die eigene „Identität“ mit dem
Rücken zu dem je Anderen, die eigene Substanz ohne Rücksicht auf Mitglaubende, die eigenen Werte so, als habe man sie für sich gepachtet. Die
Konsequenz ist Rückzug in Ghettostrukturen, Tunnelblick, monoperspektivisches Monologisieren, ängstliches Bestandsichern, Parallelgesellschaften, doppelte Rechtsordnung (Gottesrecht gegen Menschenrecht).
Wer sich „immer noch“ um „Dialoge“ bemüht, wird als „naiv“ bespöttelt,
als „blauäugig“ stigmatisiert, als „ahnungslos“ abgestempelt.
Spiegelbildlich dazu vollzieht sich zum isolierenden totalitäres Denken – in allen Spielarten des jüdischen, christlichen und islamischen „Fundamentalismus“. Das Wort hat zwar einen doppelten Sinn. Es kann die seriöse Suche nach Vergewisserung der eigenen Glaubensfundamente bedeuten. Vielfach aber bedeutet es schlicht: aggressiv-dualistischer Totalitarismus. Die eigene Religion soll über alle anderen triumphieren. Die
Welt der Anderen ist dazu da, „missionarisch“ so bearbeit zu werden,
dass sie zum Verschwinden gebracht wird. Denn die Welt „der Anderen“
ist eine Welt von Unglauben und Unmoral. Andere sind nicht Mitgeschöpfe, sondern Glaubens-Gegner, Glaubens-Feinde. Meine eigene Religion ist nicht Teil einer von Gott gewollten Lebensordnung, sondern die
einzig wahre. Mein Gottesglaube macht mich nicht sensibler für die
Werte anderer, sondern verstärkt Trennungen, intensiviert Spaltungen,
hetzt Menschen gegeneinander auf! Die Welt ist aufgeteilt in Gläubige
und Ungläubige, in „Haus des Friedens“ und „Haus des Krieges“, Erlöste und Unerlöste, Defizitäre und Vollkommene. Gott wird zu „meinem“
Gott, „meine“ Religion zu „meinem“ Auftrag zur Bekehrung der Welt.
Es ist nicht zu leugnen: Dualistisch-spalterisches Denken hat Anhalt
auch in Texten der Heiligen Schriften von Judentum, Christentum und
Islam, wird auch aus diesen Heiligen Schriften heraus legitimiert und propagiert. Wir aber vernehmen aus den Ur-Kunden einen anderen Grundton, eine andere Botschaft, einen anderen Auftrag. Deshalb ist die Auseinandersetzung mit den Ur-Kunden immer auch eine Auseinandersetzung
27
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 28
um die sachgemäße Auslegung der großen Texte. Und dieser Auslegungsprozess ist keineswegs harmonisch. Es gibt immer auch Konflikte um die
angemessene Schriftauslegung, Kontroversen, Streit. Das ist unvermeidlich. Aber er vollzieht sich nach Regeln. Und eine Grundregel ist: die eigenen Interessen freilegen, die eigene Perspektive reflektieren, die eigenen
Auslegungsprinzipien transparent machen. Das wird auf den folgenden
Seiten geschehen.
Als meine Leser und Leserinnen will ich Sie neu hineinziehen in die
komplexe Welt der Ur-Kunden von Judentum, Christentum und Islam:
die Hebräische Bibel, das Neue Testament und den Koran. Mit dem Vorsatz, Ihnen bei allen Differenzen auch die großen Konvergenzen zu zeigen.
Ich will die uralten Texte wieder neu sprechen lassen, sie miteinander in
Beziehung setzen, Gesprächsfäden knüpfen, wechselseitig Dialoge eröffnen. Und vor allem: Ich will Lernprozesse anstoßen mit Konsequenzen
für die Praxis und so interreligiös vernetztes Denken einüben und interreligiös vernetztes Handeln anstoßen. HANS KÜNG hat in seinem Buch „Der
Islam“ (2004) von einer „trilaterale Methodik“9 gesprochen, die es heute
brauche. In der Tat: Bei der Darstellung einer Religion gilt es, immer auch
die Perspektiven der je Anderen im Blick zu behalten, Kritik an Anderen
stets mit Selbstkritik zu verbinden, Lernprozesse ausgewogen einzufordern. Was wissen wir wirklich von Geschichte, Theologie und Recht unserer abrahamischen Glaubensgeschwister? Was ist für sie unverzichtbar?
Worum geht es, wenn sie ihre Feste feiern, ihre Kinder initiieren und ihre
Toten beerdigen? Wie sehen bei allen äußeren Unterschieden die inneren
Verbindungen aus?
Ich schreibe dieses Buch im Bewusstsein einer prekären Doppelrolle.
Auf der einen Seite kann und will ich meine Herkunft als Christ nicht verleugnen. Auch diese Klarstellung gehört zur Wahrhaftigkeit trialogischer
Kommunikation. Niemand kann seine Wurzeln und Prägungen abstreiten
wollen. Zugleich versuche ich, die anderen Traditionen „treuhänderisch“
darzustellen, vom ehrlichen Bemühen getragen, die Perspektive der je Anderen so zu präsentieren, dass sie deren Selbstverständnis gerecht wird.
Diese Herstellung von Gerechtigkeit war die größte Herausforderung bei
der Arbeit an diesem Buch. „Trilaterale Methodik“ ist leicht gefordert,
aber schwer umgesetzt. Ob dieser mein prekärer Balanceakt gelungen ist,
müssen Sie als meine Lesererinnen und Leser, meine Kritikerinnen und
Kritiker entscheiden. Aber viel wäre schon erreicht, wenn dieses Buch
dazu beitragen würde, dass interreligiös vernetztes Denken, Denken also
mit Rücksicht auf die je Anderen, Konsequenzen für die Praxis hätte:
28
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 29
– Was würde es bedeuten, wenn künftige Rabbiner-Generationen Dialogkompetenz erwürben, indem das gemeinsame Studium mit Christen
und Muslimen zum Bestandteil ihres Ausbildungsprogramms würde?
– Was würde es bedeuten, wenn wir eine Generation von Pfarrerinnen
und Pfarrern, Religionslehrerinnen und Religionslehrern bekämen,
denen es selbstverständlich würde, mit Juden und Muslimen „auf Augenhöhe“ den Dialog zu führen, weil sie sich in der Hebräischen Bibel,
im Neuen Testament und im Koran, in Geschichte und Theologie von
Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen auskennen?
– Was würde es bedeuten, wenn wir eine Generation von Mullahs und
Hodschas bekämen mit Kompetenz in der Geschichte von Judentum
und Christentum, mit Leidenschaft für den Trialog, mit Visionen für
eine ökumenische Zukunft von Juden, Christen und Muslimen in
Europa?
Nicht auszudenken, was dies für die Gemeinden vor Ort bedeutete, wenn
ihre jeweiligen Vorsteherinnen und Vorsteher geschult würden in der gegenseitigen Auslegung von Hebräischer Bibel, Neuem Testament und
Koran.
Dieses Buch jedenfalls ist dem verpflichtet, was der große rabbinische
Gelehrte ABRAHAM JOSHUA HESCHEL schon in den 60er Jahren als sein
Vermächtnis hinterlassen hat: „Keine Religion ist ein Eiland. Wir alle sind
miteinander verbunden. Verrat am Geist auf Seiten eines von uns berührt
den Glauben aller.“10 Daraus folgt: Juden, Christen und Muslimen können nicht länger in religiöser Selbstzufriedenheit erstarren. Sie sind in dieser Weltstunde mehr denn je herausgefordert, vor Gott über den Sinn der
Gleichzeitigkeit ihrer Existenz nachzudenken. Was in der einen Religion
geschieht, geht alle anderen an. Die geschichtliche Existenz und Persistenz von Judentum, Christentum und Islam hat ja nicht nur eine kulturelle, soziale, politische und ökonomische, sie hat eine theozentrische Dimension! Der eine Gott lässt sich in dieser einen Menschheit bezeugen
durch drei Glaubensgemeinschaften aus der Wurzel Abrahams. Anlass
genug, dass Juden, Christen und Muslime ihre eigene Geschichte immer
wieder selbstkritisch lesen im Lichte des je größeren Gottes, der sich von
keiner von Menschen gemachten religiösen Tradition und Institution in
seiner Freiheit und Größe fassen lässt. Der Auftrag an Juden, Christen
und Muslimen in der heutigen Weltstunde lautet: Stärkeres Wahrnehmen
der Präsenz des je Anderen, Kennenlernen-Wollen von Wurzeln und
Wirklichkeiten, Einladen und Teilnehmen, kurz: ein interreligiös vernetztes Denken und Handeln.
29
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 30
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 31
Erster Teil:
Vom Konfrontations- zum Beziehungsdenken
„Unser Zeitalter bedeutet das Ende der Selbstzufriedenheit
[…] Die Religionen der Welt sind ebenso wenig selbständig,
unabhängig oder isoliert wie einzelne Menschen oder Nationen. Kräfte, Erfahrungen und Ideen, die außerhalb des Bereichs einer bestimmten Religion oder aller Religionen entstehen, betreffen jede Religion und stellen sie fortgesetzt in Frage
… Keine Religion ist ein Eiland. Wir alle sind miteinander verbunden. Verrat am Geist auf Seiten eines von uns berührt den
Glauben aller.“
ABRAHAM JOSHUA HESCHEL (1965)11
„In einer Zeit der globalen Verflechtung von immer mehr Lebensräumen der Menschheit in Politik, Wirtschaft, Verkehr,
Umwelt und Kultur lebt keine Religion mehr in einer ‚splendid
isolation‘. In der einen Welt, wo vielerorts Menschen verschiedener Religionen in derselben Straße wohnen, im selben Büro
arbeiten und an derselben Universität studieren, kann es
Christen nicht gleichgültig sein, was im Judentum, was im
Islam vor sich geht … Im Zeitalter eines erwachten globalen
ökumenischen Bewusstseins muss für die ökumenische Gesamtverantwortung aller geworben werden.“
HANS KÜNG (1991)12
„Ich wünschte mir, die religiösen Quellentexte würden viel
öfter noch als bisher den Kammern der jeweiligen Theologie
entwendet und den Ghettos einer einzelnen Religion entrissen.
Ich wünschte mir, der Koran, das Alte Testament, das Evangelium […] würden als zentrale und herausragende Sprachschöpfung begriffen, die einen gemeinsamen Kulturraum geprägt,
ihn überhaupt erst hervorgebracht haben.“
NAVID KERMANI (2003)13
31
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 32
Jahrhundertelang wurde in allen drei Glaubensgemeinschaften eine Theologie der Konfrontation betrieben. Identität glaubte man nur durch Abgrenzung bestimmen zu können, nach der Devise: Ich weiß, wer ich bin,
weil ich weiß, wogegen ich bin. Ich bin Christ, weil ich auf gar keinen Fall
ein Jude oder ein Muslim, ich bin ein Jude, weil ich auf gar keinen Fall ein
Christ und ein Muslim, ich bin ein Muslim, weil ich auf gar keinen Fall ein
Jude oder ein Christ sein kann.14 Jahrhundertelang hat man so in den jeweiligen Glaubensgemeinschaften sein Gottesverständnis absolut gesetzt:
ohne Rücksicht auf Gotteserfahrungen außerhalb der eigenen Religion.
Identität profilierte man mit dem Rücken zu den anderen, auf Kosten
aller anderen. Die eigene Wahrheit konnte umso heller strahlen, je mehr
man sie von einer grauen oder schwarzen Folie von Teilwahrheiten oder
Unwahrheiten abhob.
I. NEUE SIGNALE
Neue Signale zeigen eine neue Situation. Wie neu, dokumentieren vier Ereignisse aus der jüngsten Geschichte. Es gibt eine Geschichte interreligiösen Versagens, Verfehlens und Scheiterns. Sie ist lang und schrecklich
genug. Es gibt aber auch eine Geschichte interreligiösen Gelingens: Momente glückhafter Begegnungen, zukunftsweisender Gespräche, grenzüberschreitender Kommunikation.
1. Päpste in Synagogen und Moscheen
Vier Daten haben sich mir eingeprägt: der 13. April 1986, der 6. Mai 2001,
der 19. August 2005 und der 28. November 2006. Von ihnen will ich stellvertretend erzählen. Leicht ist man geneigt, solche Daten wieder zu ver32
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 33
gessen, beherrscht von einer oft bedrückenden Tagesaktualität. Dem zum
Trotz gilt es, die Erinnerungen wachzuhalten. Das dient der Resignations-, ja der Zynismusprophylaxe. Es sind nicht die einzigen Signale in der
Hoffnungsspur. Ungezählte Menschen engagieren sich bereits interreligiös weltweit vor Ort: in Schulen, Gemeinden, Gruppen, bei Sozialprojekten oder Friedenseinsätzen. Es bräuchte Päpste nicht, um Momente interreligiöser Hoffnung festzuhalten. Aber Zeichen eines Papstes weisen
über den Moment hinaus, sind von symbolischer Bedeutung für die
Gesamtkirche, oft auch für die Menschheit als ganze. Deshalb – um der
weltweiten Symbolbedeutung willen – seien hier solche Momente erwähnt.
Im April 1986 besucht mit JOHANNES PAUL II. zum ersten Mal in der
Geschichte ein Papst die Synagoge Roms und trifft dort die Repräsentanten der jüdischen Gemeinde.15 Wer auch nur ein wenig die von den Päpsten jahrhundertelang betriebene schmähliche Diskriminierung gerade der
römischen Judenschaft kennt16, weiß, dass dies mehr ist als eine freundliche Geste. Der Besuch ist Ausdruck tiefen Respektes vor dem lebendigen
Judentum. Mehr noch: Er ist Ausdruck einer unlösbaren Verbindung von
Israel und Kirche. JOHANNES PAUL II. macht Ernst damit, dass das Judentum für die Kirche nicht nur irgendeine der nichtchristlichen Weltreligionen ist, dass die Kirche vielmehr in einer besonderen Beziehung zu Israel
und damit zum Judentum steht. Die Kirche ist mit Israel unlöslich verbunden. Warum? Nach der neutestamentlichen Ur-Kunde selbst ist Gottes Bund mit Israel auch nach dem Christus-Ereignis „unwiderrufen“
(Röm 11,29).
Johannes Paul II. in der Synagoge zu Rom
Rom, 13. April 1986: Nach dem Einzug des Papstes und des Oberrabbiners in die Synagoge intoniert ein Chor den Lobes-Psalm 150, mit dem
das „Buch der Preisungen“ (MARTIN BUBER) abschließt: „Alles, was
atmet, / lobe den Herrn! / Halleluja!“ (150,6). Anschließend wird aus dem
Buche Genesis vorgelesen, nicht zufällig eine Passage über Abraham. Sie
ist Juden und Christen kostbar, ist diese Schlüsselaussage der Hebräischen
Bibel doch auch in den Briefen des Apostels Paulus an die Römer und Galater fruchtbar gemacht (Gen 15,5-7; vgl. Röm 4,3; Gal 3,6). Ebenfalls in
hebräischer und italienischer Sprache wird die Juden und Christen kostbare Vision des Propheten Micha von der Wallfahrt der Völker auf den
33
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 34
Berg Zion vorgetragen und damit erinnert an eine Zeit des Friedens und
der Versöhnung, die Juden und Christen gemeinsam erwarten (Mi 4,3).
In seiner Ansprache an die jüdische Gemeinde erinnert JOHANNES
PAUL II. an die nachkonziliare Geschichte der Annäherung zwischen Kirche und Judentum, vor allem an die weichenstellende Konzilserklärung
„Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“
(„Nostra aetate“) und den hier vorhandenen Abschnitt Nr. 4 über das
Verhältnis Kirche/Israel. Diesen epochalen Text will JOHANNES PAUL II.
weiter präzisieren und wählt dafür eine ungewöhnliche Formulierung:
„Die jüdische Religion ist für uns nicht etwas ‚Äußerliches‘, sondern
gehört in gewisser Weise zum ‚Inneren‘ unserer Religion. Zu ihr haben
wir somit Beziehungen wie zu keiner anderen Religion. Ihr seid unsere
bevorzugten Brüder und, so könnte man gewissermaßen sagen, unsere
älteren Brüder.“17
Die Ansprache wird von der versammelten Gemeinde mit innerer Bewegung, Freude und Beifall aufgenommen. Nach weiteren Psalmen-Rezitationen durch den Papst (Ps 133) und den Oberrabbiner (Ps 124), nach
einer Schweigeminute der Sammlung und des Gebetes erheben sich alle
Anwesenden zum vom Chor gesungenen „Ani ma’amin“ („Ich glaube“).
Mit dem Gesang von Psalm 16 und der Umarmung von Papst und Oberrabbiner endet diese denkwürdige Begegnung, die nicht die einzige mit
Vertretern des Judentums in der langen Geschichte seines Pontifikats bleiben wird, das am 2. April 2005 zu Ende geht.
Benedikt XVI. in der Synagoge zu Köln
Sein Nachfolger, der deutsche Kardinal JOSEPH RATZINGER, besucht bereits auf seiner ersten „Auslandsreise“ anlässlich des Weltjugendtags im
August 2005 ebenfalls eine Synagoge, die zu Köln. Als Deutscher weiß er
um die von Deutschen zu verantwortenden grauenhaften Ereignisse der
Shoa, die beinahe eine Gemeinde ausgelöscht hätten, deren Wurzeln bis in
die Römerzeit zurückreichen. In seiner Ansprache am 19. August erinnert der Papst gezielt an ein Doppeltes: erstens daran, dass sich im Jahr
2005 die Befreiung aus den nationalsozialistischen Konzentrationslagern
zum 60. Mal jähre, aus Lagern, „in deren Gaskammern Millionen von
Juden – Männer, Frauen und Kinder – umgebracht und in den Krematorien verbrannt worden“ seien.18
34
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 35
Zweitens aber auch daran, dass es die epochale Erklärung „Nostra aetate“ des Zweiten Vatikanischen Konzils nun bereits 40 Jahre gäbe. „Neue
Perspektiven in den jüdisch-christlichen Beziehungen“ habe sie eröffnet,
die durch „Dialog und Partnerschaft“ gekennzeichnet seien. „Unsere gemeinsamen Wurzeln und das äußerst reiche geistliche Erbe“, das „Juden
und Christen miteinander“ teilten, habe diese Erklärung hervorgehoben:
Sowohl Juden als auch Christen würden in Abraham ihren Vater im Glauben erkennen (vgl. Gal 3,7; Röm 4,11f) und sich berufen auf die Lehren
des Mose und der Propheten. Gott habe alle Menschen „als sein Abbild“
(Gen 1,27) geschaffen und alle dadurch „mit einer transzendenten Würde
ausgezeichnet“. Vor Gott besäßen alle Menschen die gleiche Würde, unabhängig davon, welchem Volk, welcher Kultur oder Religion sie angehörten. Aus diesem Grund spräche die Erklärung „Nostra aetate“ mit
„großer Hochachtung von den Muslimen und den Angehörigen anderer
Religionen“. BENEDIKT XVI. folgert daraus:
„Deshalb möchte ich ausdrücklich ermutigen zu einem aufrichtigen
und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen. Nur so
wird es möglich sein, zu einer beiderseits akzeptierten Interpretation
noch strittiger historischer Fragen zu gelangen und vor allem Fortschritte in der theologischen Einschätzung der Beziehung zwischen Judentum und Christentum zu machen. Ehrlicherweise kann es in diesem Dialog nicht darum gehen, die bestehenden Unterschiede zu übergehen oder zu verharmlosen: Auch und gerade in dem, was uns aufgrund unserer tiefsten Glaubensüberzeugung voneinander unterscheidet, müssen wir uns gegenseitig respektieren und lieben.“
Wir sprechen diesen letzten Satz noch einmal ruhig und bewusst nach:
Auch und gerade in dem, was sie aufgrund ihrer tiefsten Glaubensüberzeugung voneinander unterscheide, müssten Christen und Juden sich
gegenseitig respektieren und lieben. Und lieben!
Johannes Paul II. in der Moschee zu Damaskus
Ein nicht weniger bewegendes Datum ist der 6. Mai 2001. Mit JOHANNES
PAUL II. besucht zum ersten Mal in der Geschichte des Christentums ein
Papst eine Moschee: die Umaiyaden-Moschee zu Damaskus. Vorausgegangen sind in seinem mittlerweile 23 Jahre dauernden Pontifikat unge35
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 36
zählte Begegnungen mit Repräsentanten des Islam in zahlreichen Ländern der Erde.19 Aber noch nie zuvor hatte ein Papst eine islamische Gebetsstätte betreten. JOHANNES PAUL II. setzt damit – im Wissen um die
welthistorisch prekäre politische Situation im Nahen Osten – ein einzigartiges Zeichen. Er weiß, dass die Umaiyaden-Moschee von Damaskus
nicht irgendein Bauwerk der islamischen Welt ist. Ab dem Jahr 661 ist
Damaskus Hauptstadt des ersten arabischen Reiches, gegründet von
KALIF MU’ĀWIJA aus der Dynastie der Umaiyaden. Die in christlicher Zeit
gebaute Basilika, Johannes dem Täufer geweiht, wird nach der islamischen Eroberung zunächst teilweise als Moschee benutzt, bis KALIF
WALID um 706 einen prächtigen Neubau errichten lässt. Bis heute befindet sich im Innern der Moschee unter einem Kuppelmonument eine Johannes-Reliquie, wird doch Johannes der Täufer auch im Koran verehrt –
und zwar als einer der „Propheten“ (vgl. Sure 19,1-15; 3,38-41). Wir werden später (im Fünften Teil) mehr darüber hören. In seiner Ansprache an
die „muslimischen Freunde“ erinnert der Papst gezielt daran:
„Wir treffen uns ganz in der Nähe jener Stätte, die sowohl Christen als
auch Muslime als Grab Johannes’ des Täufers ansehen, der in der muslimischen Überlieferung ‚Yahya‘ genannt wird. Der Sohn des Zacharias
ist eine Persönlichkeit von grundlegender Bedeutung in der Geschichte der Christenheit, denn er war der Vorläufer, der für Christus den
Weg ebnete. Das Leben des Johannes, das vollständig Gott geweiht
war, wurde vom Martyrium gekrönt. Möge sein Zeugnis alle erleuchten, die sein Andenken an diesem Ort verehren, damit sie – ebenso wie
wir – verstehen, dass unsere große Lebensaufgabe darin besteht, Gottes Wahrheit und Gerechtigkeit zu suchen.“20
Gleich anschließend kommt JOHANNES PAUL II. auf das Gemeinsame
zwischen Christen und Muslimen zu sprechen. Für beide sei der Mensch
„ein spirituelles Wesen“, dazu berufen, „den absoluten Vorrang Gottes in
allen Dingen anzuerkennen und zu achten.“ Die „Begegnung mit Gott im
Gebet“ sei „notwendige Nahrung für unsere Seelen“. Woraus für den
Papst folgt: Christen und Muslime haben eine gemeinsame Verantwortung für die religiöse Erziehung der nachwachsenden Generationen. Religionsführer und Lehrer auf beiden Seiten seien aufgerufen, „unsere beiden großen Gemeinschaften als Gemeinschaften in respektvollem Dialog
darzustellen und niemals mehr als in Konflikt stehende Gemeinschaften“.
Warum nicht? Für junge Menschen sei es äußerst wichtig, dass ihnen
Wege des Respekts und des Verständnisses beigebracht würden, damit sie
36
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 37
nicht dazu verleitet würden, „die Religion selbst zur Förderung oder
Rechtfertigung von Hass und Gewalt zu missbrauchen“. Aus all dem
folgt organisch der Aufruf des Papstes, den Dialog gerade auch mit Muslimen fortzuführen:
„Es ist wichtig, dass Muslime und Christen auch in Zukunft gemeinsam philosophische und theologische Fragestellungen erforschen, um
eine objektivere und vollständigere Kenntnis des Glaubens der anderen Seite zu bekommen. Ein besseres gegenseitiges Verständnis wird
auf praktischer Ebene gewiss dazu führen, unsere beiden Religionen
auf neue Art und Weise darzustellen: Nicht als Gegner, wie es in der
Vergangenheit allzu oft geschehen ist, sondern als Partner für das Wohl
der Menschheitsfamilie.“
Wir hören auch hier genau hin: Nicht um Gegnerschaft soll es zwischen
Christen und Muslimen gehen, sondern um Partnerschaft – um des
„Wohls der Menschheitsfamilie“ willen …
Benedikt XVI. in der Blauen Moschee zu Istanbul
Diese Linie hat auch BENEDIKT XVI. fortgesetzt. In Köln anlässlich des
Weltjugendtreffens war es nicht nur zu einer Begegnung mit Vertretern
des Judentums, sondern auch einen Tag später, am 20. August 2005, mit
Vertretern „einiger muslimischer Gemeinschaften“ in Deutschland gekommen. Direkt sprach der Papst das gegenwärtig bedrückendste Problem an: das des Terrorismus.21 Gerade deshalb fordert BENEDIKT XVI. wie
sein Vorgänger Christen und Muslime auf, sich gemeinsam den Herausforderungen zu stellen:
„Für Apathie und Untätigkeit ist kein Platz und noch weniger für Parteilichkeit und Sektentum. Wir dürfen der Angst und dem Pessimismus
keinen Raum geben. Wir müssen vielmehr Optimismus und Hoffnung
pflegen. Der interreligiöse und interkulturelle Dialog zwischen Christen und Muslimen darf nicht auf eine Saisonentscheidung reduziert
werden. Tatsächlich ist er eine vitale Notwendigkeit, von der zum großen Teil unsere Zukunft abhängt.“22
Der interreligiöse Dialog ist keine „Saisonentscheidung“, sondern von vitaler Bedeutung für die Zukunft! Auch das wollen wir bewusst festhalten.
BENEDIKT XVI. kann zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass – anlässlich
37
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 38
seines zweiten Deutschlandbesuches im September 2006 – ausgerechnet
seine Äußerungen über den Islam in Teilen der islamischen Welt für Unruhe sorgen würden. Am 12. September 2006 hält er an der Universität
Regensburg eine Vorlesung mit dem erklärten Ziel, Glaube und Vernunft
so zu versöhnen, dass Gewaltausübung als mit dem Wesen Gottes grundsätzlich unvereinbar verworfen werden muss. Da BENEDIKT aber in diesem Zusammenhang einen mittelalterlichen Kaiser zitiert, der sich negativ
über eine angebliche Inhumanität des Propheten Mohammed geäußert
hatte und dieses Zitat zu wenig vor dem Missverständnis schützt, seine eigene Meinung sei damit identisch, erreicht er paradoxerweise das Gegenteil. Seine Rede – in den Massenmedien reduziert auf dieses eine Zitat –
löst in Teilen der islamischen Welt bei Religionsführern Empörung, beim
Mob auf der Straße antichristliche Hassgefühle und Gewaltausbrüche
aus. Gleichzeitig erweckt der Papst in derselben Vorlesung mit einer Äußerung über das islamische Gottesverständnis den Eindruck, Muslime
glaubten an eine Art Willkürgott, der an nichts „gebunden“ sei.
Die Reaktionen in der islamischen Welt erzwingen Klarstellungen.
Noch im Dezember 2006 lässt BENEDIKT XVI. eine revidierte Fassung
seiner Regensburger Vorlesung veröffentlichen. Sie ist in subtiler Weise an
nicht weniger als 30 Stellen korrigiert und mit 13 erklärenden Fußnoten
versehen.23 Wochen vorher, am 25. September, unmittelbar nach der
Rückkehr aus Deutschland, hatte er „Botschafter von Ländern mit einer
muslimischen Mehrheit“ und „Repräsentanten muslimischer Gemeinschaften in Italien“ in seine Sommerresidenz nach Castel Gandolfo gebeten, um seine „Wertschätzung“, ja seinen „tief empfundenen Respekt“ für
Muslime zum Ausdruck zu bringen:
„Treu den Lehren ihrer eigenen religiösen Traditionen, müssen Christen und Muslime lernen zusammenzuarbeiten, wie sie es in der Tat bereits in vielen gemeinsamen Unternehmungen tun, um sich zu schützen gegen alle Formen der Intoleranz und allen Manifestationen der
Gewalt entgegenzutreten. Wir, religiöse Autoritäten und politische
Führer, müssen sie führen und ermutigen in dieser Richtung.“24
Solche Klarstellungen sind auch deshalb nötig, weil BENEDIKT XVI. Ende
November 2006 einen Besuch in einem muslimisch geprägten Land wie
der Türkei plant und dann auch durchführt. Sensibilisiert durch die Turbulenzen rund um seine Regensburger Rede, spricht sich der Papst am 28.
November 2006 in Ankara bei einem Treffen mit dem Präsidenten des Direktoriums für Religiöse Angelegenheiten der Türkei BARDAKOGLU un38
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 39
zweideutig für den Dialog aus, die Erklärungen des Konzils sowie seine
Äußerungen von Köln und Castel Gandolfo aufnehmend. Mehr noch:
Theologisch ist seine Erklärung jetzt substantieller denn je:
„Der biblischen Tradition folgend, lehrt das Konzil, dass das gesamte
menschliche Geschlecht einen gemeinsamen Ursprung und eine gemeinsame Bestimmung teilt: Gott, unseren Schöpfer und das Ziel unserer irdischen Pilgerschaft. Christen und Muslime gehören zur Familie derer, die an den einen Gott glauben, und die, entsprechend ihren eigenen Traditionen, ihre Abstammung auf Abraham zurückführen.
Diese menschliche und geistliche Einheit in unseren Ursprüngen und
unserer Bestimmung fordert uns heraus, einen gemeinsamen Weg zu
suchen […] Als Illustration des brüderlichen Respektes, mit dem
Christen und Muslime zusammenarbeiten können, möchte ich Worte
zitieren, die Papst Gregor VII. im Jahre 1076 an einen muslimischen
Prinzen in Nordafrika gerichtet hat, der unter seiner Jurisdiktion
Christen mit großem Wohlwollen behandelt hatte. Papst Gregor
sprach von der besonderen Liebe, die Christen und Muslime einander
schulden, ‚weil wir an den einen Gott glauben, obwohl in verschiedener Weise, und weil wir ihn preisen und verehren jeden Tag als Schöpfer und Herrscher der Welt‘.“25
Zum Abschluss des Türkei-Besuchs besucht der Papst am 30. November
2006 in Istanbul nicht nur die gewaltige, einst größte Kirche der Christenheit, die Hagia Sophia (seit 1453 Moschee; seit 1934 ein Museum), sondern auch – überraschend, weil ungeplant – die gleich gegenüber liegende
Sultan-Ahmet-Moschee, volkstümlich wegen der blauen Kachelung des
zentralen Gebetsraums auch Blaue Moschee genannt, ein nicht weniger
gewaltiges Bauwerk, 1616 eröffnet. An der Seite des Großmufti von Istanbul, MUSTAFA ÇAGRICI, verharrt der Papst in stillem Gebet. Dieser
zweite Besuch eines Papstes in einer Moschee wird als zusätzliche Geste
der Versöhnung von Christen und Muslimen verstanden. Am selben Tag
trifft der Papst den Großrabbiner der Türkei.
Was ist all diesen Daten von April 1986 bis November 2006 gemeinsam? Wer, wie die beiden letzten Päpste, anders als in der Vergangenheit,
heute zu einem „aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog“ auffordert,
wer ein „besseres gegenseitiges Verständnis“ befördern will, und den je
Anderen nicht länger als „Gegner“, sondern als „Partner für das Wohl der
Menschheitsfamilie“ zu gewinnen trachtet, wer die Auffassung vertritt,
dass der interreligiöse und interkulturelle Dialog keine „Saisonentschei39
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 40
dung“, sondern eine „vitale Notwendigkeit“ sei, ja, wer erkannt hat, dass
Juden, Christen und Muslime – indem sie ihre Abstammung auf Abraham
zurückführen – von ihren Ursprüngen und ihrer Bestimmung her eine
„menschliche und geistige Einheit“ bilden und deshalb „einen gemeinsamen Weg“ suchen müssten, der sieht die drei prophetisch-monotheistisch-abrahamischen Religionen ohne alle Gleichmacherei nicht länger
isoliert oder sich gar antagonistisch abstoßend, sondern in innerer Verbindung miteinander. Der denkt nicht länger konfrontativ, sondern relational. Der formuliert sein eigenes, unaufgebbares Glaubenszeugnis nicht
länger auf Kosten des Anderen, sondern im Angesicht des Anderen.
2. Bewegendes in Weimar
Signale dieser Art gibt es nicht nur im Raum der Kirche, sondern auch im
Raum der Kultur. Gerade sie hat für ungezählte Menschen Beziehungscharakter, ja Kommunikations- und Versöhnungscharakter in zerrissener
Welt. Auf der Agenda steht für mich deshalb auch der 12. Juli 2000. Mit
SEYED MOHAMMED KHATAMI, damals Staatspräsident des Iran, besucht an
diesem Tag erstmals in der Geschichte eine Autorität der islamischen Welt
Weimar. Viele konnten die Bilder kaum glauben: einer der geistigen Nachfolger von Ayatollah Khomeini in der Stadt Goethes! Eine islamische Autorität unserer Zeit fordert auf zum Dialog der Kulturen im Geiste des
„West-östlichen Divan“.
Hafiz, Goethe, Khatami und ein Denkmal für den Dialog
Diesem Dialog stellt sich Khatami auch persönlich. Unter Leitung des damaligen Bundespräsidenten JOHANNES RAU führt er im Weimarer Schloss
ein öffentliches Gespräch mit den beiden Tübinger Professoren JOSEPH VAN
ESS (Islamologie) und HANS KÜNG (Ökumenische Theologie). Einen
Grundgedanken aus diesem Gespräch wollen wir festhalten. Auch KHATAMI denkt das Verhältnis von Christentum und Islam nicht konfrontativ,
sondern relational, ja, stellt ausdrücklich eine innere Beziehung zwischen
Islam, Christentum und Judentum als „abrahamitischen Religionen“ her:
40
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 41
„Nach unserer Überzeugung haben alle Religionen die gleiche Wurzel;
alle abrahamitischen Religionen besitzen eine einzige Substanz. So wie
wir unseren Propheten respektieren, respektieren wir auch Jesus
Christus, Moses und Abraham als die Propheten Gottes, die die gleiche
Wahrheit verkündet haben, die unser Prophet verkündet hat. Von unserer Seite ist also das Christentum trotz aller Unterschiede als eine Religion Gottes akzeptiert; wir haben gemeinsame Werte und können
daher miteinander zurechtkommen.“26
Mehr noch: Während seines Weimar-Besuchs weiht Präsident KHATAMI
ein Denkmal für den Dialog der Kulturen ein, aufgestellt auf dem Beethovenplatz. Eine Referenz an den genius loci: an JOHANN WOLFGANG VON
GOETHE und dessen 1819 erschienenen Gedichtzyklus „West-östlicher
Divan“. Einer der größten Poeten der persischen Literatur, MOHAMMED
SCHEMESDIN HAFIZ (1325–1389), bekennender Muslim, hatte den damals
fast 70-jährigen Weimarer „Dichterfürsten“ dazu inspiriert. 1814 hatte
Goethe den „Diwan“ des Hafiz durch die kurz zuvor erschienene deutsche Übersetzung des damaligen Wiener Orientalisten JOSEPH VON HAMMER kennengelernt und war zu einem einzigartigen Zwiegespräch mit
diesem muslimischen Dichter herausgefordert worden, in dem er, immer
klarer, seinen geistigen „Zwilling“ erblickt.27
Das Weimarer Denkmal überrascht. Auf einer schmalen, langgezogenen Bronzeplatte finden sich zwei aus einem gewaltigen Granit herausgeschnittene, einander gegenübergestellte, überdimensional hohe Sitze.
Beide gleich gestaltet, bewusst unbesetzt. Eine Stein gewordene Einladung
zu einem Zwiegespräch. Überraschend auch: Es ist der Muslim KHATAMI,
der die deutsche Öffentlichkeit an einen exemplarischen Versuch ost-westlicher Kommunikation erinnert. Wie vielen deutschen Lesern ist schon
präsent, dass sich Verse wie diese in GOETHEs „Divan“ finden:
„Närrisch, dass jeder in seinem Falle
Seine besondere Meynung preisst!
Wenn Islam gottergeben heisst,
Im Islam leben und sterben wir alle.“28
Solche Worte fallen in unsere heutige Wirklichkeit, vielfach gefangen in
Islamophobie, hinein wie ein Meteorit. Nicht anders zwei weitere Goethe-Vierzeiler, die nicht zufällig in die Bronzeplatte des Weimarer Denkmals eingelassen sind. Der eine lautet:
41
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 42
„Wer sich selbst und andre kennt
Wird auch hier erkennen:
Orient und Occident
Sind nicht mehr zu trennen.“29
Und der andere:
„Herrlich ist der Orient
Ueber’s Mittelmeer gedrungen,
Nur wer Hafis liebt und kennt,
Weiss, was Calderon gesungen.“30
CALDERON? CALDERON und HAFIZ? Eine seltsame Paarung. Wir halten
einen Moment inne und denken über diese merkwürdige Verbindung
nach. Was hat der von 1600 – 1681 zumeist in Madrid lebende große Vertreter des katholisch-barocken spanischen Nationaltheaters Don PEDRO
CALDERON DE LA BARCA (1600 – 1681) mit einem 300 Jahre zuvor im persischen Schiras lebenden muslimischen Lyriker wie Hafiz zu tun? Persien
und Spanien, welch kühne Kombination, zumal der Goethesche Vierzeiler ein Jubelruf zu sein scheint über das Vordringen des Orients übers
Mittelmeer bis nach Spanien, ein Vordringen notabene im Zeichen des
Islam!
Die Literaturwissenschaftlerin KATHARINA MOMMSEN, der wir bahnbrechende Werke wie „Goethe und 1001 Nacht“ und „Goethe und der
Islam“ (2001) verdanken31, hat diese von Goethe hergestellte Verbindung
Hafiz – CALDERON erhellend gedeutet und zeigen können: GOETHES Verehrung für CALDERONS Werk ist legendär. Er war ein präziser Leser und
engagierter Förderer dieses Spaniers auf dem Theater. So wusste er, dass
eines der Schlüsselstücke CALDERONS, „Der standhafte Prinz“, eine Botschaft für den Frieden zwischen den Religionen enthält. Denn CALERDONS Grundhaltung ist ohne die jahrhundertelange Präsenz des Islam in
Spanien undenkbar. Westliches und Östliches mischten sich gerade in seinem Werk wie bei kaum einem anderen europäischen Dichter seiner Zeit.
Zwar ist sein „Standhafter Prinz“ seinem geschichtlichen Stoff nach ein
Märtyrer-Drama, das CALDERON zur Verherrlichung des Christentums
zu gestalten hatte, aber die islamischen Gegner der christlichen Ritter in
diesem Stück werden mit gleicher Achtung behandelt, seine farbigen
Afrikaner sind edelmütige, feinfühlige, liebenswerte Menschen von hoher
Würde und durchaus ebenbürtige Gegner der christlichen Ritter. Das ist
für europäisch-christliche Dichtung des 17. Jahrhunderts, zumal in Spani42
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 43
en, ganz ungewöhnlich und äußerst gewagt. Nicht zufällig rühmt
GOETHE CALDERON als „hoch- und feinsinnigen Mann“! Und nicht zufällig sieht er Bezüge zwischen seinem und des Spaniers kultur- und religionsübergreifendem Denken.
Folgen wir KATHARINA MOMMSEN, so gilt: „Bekanntlich tritt Goethe
im Divan als Fürsprecher des Islam auf. Seine Sympathie für den Islam ist
in diesem Werk überall spürbar. Von allen drei monotheistischen Religionen wird dort mit gleicher Achtung gesprochen. Rangunterschiede sind
nicht bemerkbar. […] Ja, seine Sympathie für den Islam ging so weit, dass
er 1816 in einer Vorankündigung zum Divan erklärte: ‚Der Verfasser
lehne den Verdacht nicht ab, dass er selbst ein Muselman sei.‘ Dadurch erhält der Divan eine unüberhörbare Friedensbotschaft: den Aufruf zu gegenseitiger Anerkennung und friedlichem Zusammenleben. Eine Friedensbotschaft, die wir erst 180 Jahre nach Erscheinen des Divans beginnen zu verwirklichen. Dabei denke ich vor allem an das von Daniel Barenboim gegründete West-östliche Divan-Orchester, in dem Muslime,
Juden und Christen miteinander musizieren.“32
Barenboim, Oz und die Kraft der Kunst
In der Tat wird auch heute noch im Geiste GOETHES und HAFIZ’ in Weimar interkulturelle Verständigungsarbeit geleistet. Ein Orchester unter
der Leitung des international hoch angesehenen Dirigenten jüdischer
Provenienz DANIEL BARENBOIM bringt Musiker aus Syrien, Jordanien
und den Palästinensergebieten mit Musikern aus Israel zusammen. Dokumentiert ist dieses Zeugnis interkultureller Kooperation im Zeichen der
Musik in dem 2003 veröffentlichten Dialog zwischen DANIEL BARENBOIM und EDWARD W. SAID, dem Literaturwissenschaftler und Kulturkritiker palästinensischer Herkunft, dessen 1978 veröffentlichtes Buch „Orientalism“ eine weltweit geführte Debatte über kulturelle Stereotypen im
Westen bezüglich des Orients eingeleitet hat.
EDWARD SAID ist nicht mehr unter den Lebenden, und so ist dieses
Gespräch mit dem jüdischen Partner auch für ihn eine Art Vermächtnis.
Wer es liest, wird in den Dialog zweier Künstler verwickelt, die auf ihre
Weise umgetrieben sind von der Frage, wie der die ganze Welt aufwühlende Nahost-Konflikt pazifiziert werden könnte. Vor allem von der
Frage, was Künstler mit ihren ureigenen Mitteln zum Frieden beitragen
können?
43
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 44
„Wir glaubten, dieses Projekt könne auf eine ungewöhnliche Art und
Weise dazu beitragen, miteinander Frieden zu schließen … Aus meiner
Sicht war der Leitgedanke, einfach einmal zu sehen, was passiert, wenn
man diese Leute zusammenbringt, um in Weimar als Orchester zu
spielen. Und dies im Geiste Goethes, der aus Begeisterung für den
Islam einen wunderbaren Gedichtzyklus verfasst hat. Goethe hat den
Islam durch die Lektüre arabischer und persischer Quellen entdeckt …
und schuf diese außergewöhnliche Gedichtsammlung über das ganz
‚Andere‘, den West-östlichen Divan … Zudem sollten die Musiker in
Weimar zusammenkommen, einer Stadt, die sich in unmittelbarer
Nähe zu Buchenwald befindet, dem schrecklichen Todeslager. Tatsächlich war Buchenwald dazu ausersehen, nahe bei Weimar zu liegen, das
ja als Hort der deutschen Hochkultur verklärt worden war: Goethe,
Schiller, Wagner, Liszt und Bach, sie alle hatten dort gelebt. Keiner von
uns vermochte wirklich zu begreifen, wie nahe Erhabenheit und Grauen beieinander liegen können.“33
KHATAMI und BARENBOIM in Weimar! Was ist beiden Ereignissen strukturell gemeinsam? Gemeinsam ist ihnen die Überwindung des Konfrontations- zugunsten des Beziehungsdenkens. Beziehungsdenken entsteht
durch die Übung, sich in die Perspektive des jeweils Anderen zu versetzen.
Gerade Künstler haben dafür ein einzigartiges Gespür. Unvergessen sind
mir Vorlesungen an der Universität Tübingen im Januar 2002. Im Rahmen
der Tübinger Poetik-Dozentur treffen der israelische Schriftsteller AMOS
OZ und der palästinensische Schriftsteller IZZAD GHAZZAWI aufeinander.
Thema ihrer Podiumsdiskussion am 25. Januar 2002: „Enemies – a Love
Affair“. Die zentrale Frage lautet auch hier: Was können Schriftsteller mit
ihren Mitteln angesichts der politisch schier aussichtslosen Lage gerade im
Nahen Osten einbringen? Was soll man tun, fragt AMOS OZ öffentlich,
„wenn man fortwährend Tür an Tür mit Schmerz, Ungerechtigkeit, Unterdrückung, Gewalt und Demagogie, Chauvinismus, religiösem Fundamentalismus und Fanatismus lebt, was soll man tun?“34
Antwort: Gerade der Schriftsteller gehört zu denjenigen Menschen, die
mehr als andere imstande sind, sich in die Lage eines jeweils Anderen zu versetzen, Perspektiven des Gegenüber einzubeziehen. Um einen Roman
schreiben zu können, müsse man – so OZ – fähig sein, „ein halbes Dutzend
widersprüchlicher, miteinander in Konflikt stehender Gefühle mit dem gleichen Grad an Überzeugung, an Vehemenz und an innerer Unterstützung
gutzuheißen“.35 Und wörtlich fügt dieser israelische Schriftsteller hinzu:
44
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 45
„Vielleicht bin ich ein wenig besser ausgerüstet als andere, um von meinem israelisch-jüdischen Standpunkt aus beurteilen zu können, wie es
sich anfühlt, ein vertriebener Palästinenser zu sein, oder ein palästinensischer Araber, dessen Heimatland von Fremdlingen eines anderen Planeten eingenommen wurde. Wie fühlt es sich an, ein israelischer Siedler in der Westbank zu sein? Ja, manchmal schlüpfe ich in die Haut dieser ultraorthodoxen Menschen, oder ich versuche es zumindest. Das
qualifiziert mich möglicherweise dazu, meine Stimme zu erheben und
Kritik zu üben.“36
Frieden also kann nur dann entstehen, wenn man bereit ist zum Perspektivenwechsel, bereit zum Verstehen des Standpunkts des Anderen. Ein
friedliches Miteinander ist nur dann möglich, wenn man die umstrittene
Sache mit den Augen des Anderen zu begreifen, dem Anderen Raum in
seiner Vorstellungswelt zu geben lernt. Gibt es dafür aber auch Grundlagen in den Religionen? Gibt es Grundlagen für eine „Theologie des Anderen“ auch in den Heiligen Schriften von Juden, Christen und Muslimen? Gibt es Grundlagen für die Ablösung eines Konfrontations- zugunsten eines Beziehungsdenkens? Wie lautet also die zentrale Aufgabe,
der diese Studie sich verschrieben hat?
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 46
II. DIE AUFGABE:
RELIGIÖS VERNETZTES DENKEN LERNEN
Die New York Times und die Baltimore Sun veröffentlichen am 10. September 2000 eine Erklärung unter dem Titel „Dabru Emet“ („Redet
Wahrheit“). Mehr als 200 jüdische Gelehrte und Rabbiner geben eine Stellungnahme ab über das Verhältnis von Juden zu Christen, vom Judentum
zum Christentum – im Interesse des Dialogs!37
1. Entwicklungen wahrnehmen: Judentum
„Dialog“ freilich ist innerjüdisch nicht überall erwünscht. Das Gegenteil
zu behaupten, wäre naiv. Insbesondere auf orthodoxer Seite gibt es die
Haltung schroffster Zurückweisung. „Dialog“ sei sinnlos, gefährlich und
überflüssig, hört man von dieser Seite.38 Sinnlos, weil er am Judentum ohnehin nichts ändern könne; Tora und Halacha stünden ein für allemal fest.
Gefährlich, weil ein „Dialog“ unweigerlich zur Verwischung der Botschaft des Judentums führe: zur Verwischung der Einzigartigkeit der Offenbarung Gottes am Berg Sinai. Und überflüssig, weil es im Verhältnis
von Juden zu Nichtjuden nicht auf theologische Debatten, sondern
bestenfalls auf Zusammenarbeit in Fragen gesellschaftlicher Praxis ankomme.
„Dabru Emet“ – ein wegweisendes Dokument
Angesichts einer solchen Mischung aus schroffer Abgrenzung und kalkulierter Interessenwahrung beeindruckt „Dabru Emet“ durch ein theologisch motiviertes Beziehungsdenken. Keine Rede hier von einem Alleinvertretungsanspruch auf Offenbarung, unbekümmert um andere Glaubenswege. Abwesend auch die nicht selten von jüdischer Seite geäußerte
Asymmetrie-Behauptung, derzufolge zwar Christen auf das Gespräch
mit dem Judentum, Juden aber nicht auf ein Gespräch mit dem Christentum angewiesen seien. Stattdessen gilt: Im Bewusstsein der Tatsache, dass
46
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 47
es in Theologie und Kirche auf christlicher Seite seit den 60er Jahren zu
epochalen Veränderungen gekommen ist (vor allem im Blick auf die Mitschuld am Antisemitismus und die selbstkritische Aufarbeitung eines
jahrhundertelang praktizierten Anti-Judaismus), will man von jüdischer
Seite nun seinerseits konstruktiver als früher die eigene Haltung zu Christen und Christentum reflektieren. Mit den Worten eines der jüdischen
Initiatoren, Professor MICHAEL A. SIGNER (Notre Dame University):
„DABRU EMET wurde geschrieben, um eine Diskussion in der jüdischen Gemeinschaft in Gang zu setzen. Nur wenige Juden sind sich
über die tiefgreifenden Veränderungen im klaren, die die christliche
Theologie der katholischen wie auch der protestantischen Kirchen zuletzt erfahren haben. Die meisten Juden in den USA erfahren über das
Christentum nur das, was einschlägige Radiostationen nach dem alten
‚Sein-Weg-oder-kein-Weg-Muster‘ in die Welt setzen. Unsere Hoffnung ist, dass sie dennoch angeregt werden, auch die neuen Haltungen
im Christentum kennenzulernen und ihre Ängste vor dem Eintritt in
einen Dialog aufgeben.“39
In der Tat hat in den christlichen Kirchen nach der Shoa spät (aber nicht
zu spät) ein theologischer Paradigmenwechsel stattgefunden.40 Er beruht
vor allem auf einer Neuentdeckung des Judeseins Jesu sowie auf einer
Neulektüre der Israel-Theologie des Apostels Paulus, niedergelegt in den
Kapiteln 9 – 11 des Römerbriefs. Ernstgenommen wird nun erstmals die
Tatsache, dass – um mit Lessings „Nathan“ zu sprechen – „unser Herr“
nun einmal „ein Jude“ war und der Völkerapostel auch nach dem Christus-Ereignis den Bund Gottes mit Israel für „unwiderruflich“ erklärt hat
(Röm 11,29; vgl. 9,4f.). Für die „Dabru Emet“-tragenden jüdischen Partner ist dies die entscheidende Voraussetzung für Dialog überhaupt, was
leicht nachvollziehbar ist. Einem angeblich von Gott „verworfenen“ und
durch die Kirche „ersetzten“ Israel kann man schlecht einen „Dialog“
anbieten oder zumuten. Deshalb ist es nur konsequent, wenn MICHAEL
SIGNER erklärt:
„DABRU EMET ist eine Antwort auf christliche ‚Teshuva‘ oder ‚Metanoia‘ (Buße) gegenüber dem Judentum. Ein Dialog ist Juden nur mit
solchen Christen möglich, die der festen Überzeugung sind, dass Gott
den Bund mit dem jüdischen Volk bis an das Ende der Zeit bewahren
will. Der Dialog ist Juden nur mit jenen Christen möglich, die die Existenz des jüdischen Volkes anerkennen, indem sie sich aller Bekeh47
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 48
rungsversuche enthalten. Juden können Dialog mit Christen haben, die
bereit sind, ihre theologischen Positionen gegenüber dem Judentum
einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen.“41
Umgekehrt besteht das Spezifische und Zukunftsweisende der Erklärung
vor allem darin, dass nun Juden ihrerseits ihre theologische Position gegenüber dem Christentum einer ernsthaften Prüfung unterziehen, was innerjüdisch ebenfalls unumstritten ist.42 Zwar lässt das relativ knappe, acht
Punkte umfassende Dokument noch viele Fragen offen. So bleiben die
Beziehungen zwischen Synagoge und Kirche von jüdischer Seite theologisch weitgehend ungeklärt. Und doch lässt schon der erste Hauptpunkt
aufhorchen, wenn es heißt:
„Juden und Christen beten den gleichen Gott an. Vor dem Aufstieg des
Christentums waren es allein die Juden, die den Gott Israels anbeteten.
Aber auch Christen beten den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, den
Schöpfer von Himmel und Erde an. Wenngleich der christliche Gottesdienst für Juden keine annehmbare religiöse Alternative darstellt, freuen wir uns als jüdische Theologen darüber, daß Abermillionen von
Menschen durch das Christentum in eine Beziehung zum Gott Israels
getreten sind.“43
Der zweite Hauptpunkt ist ebenso wenig selbstverständlich:
„Juden und Christen stützen sich auf die Autorität ein und desselben
Buches – die Bibel (das die Juden ‚Tenach‘ und die Christen das ‚Alte
Testament‘ nennen). In ihm suchen wir nach religiöser Orientierung,
spiritueller Bereicherung und Gemeinschaftsbildung und ziehen aus
ihm ähnliche Lehren: Gott schuf und erhält das Universum; Gott ging
mit dem Volk Israel einen Bund ein und es ist Gottes Wort, das Israel
zu einem Leben in Gerechtigkeit leitet; schließlich wird Gott Israel
und die gesamte Welt erlösen. Gleichwohl interpretieren Juden und
Christen die Bibel in vielen Punkten unterschiedlich. Diese Unterschiede müssen immer respektiert werden.“44
Auf Einzelkritik von christlicher Seite ist hier zu verzichten. Sie ist angesichts der geschichtlichen Bedeutung von „Dabru Emet“ letztlich zweitrangig – erinnert man sich an eine jahrhundertelange Tradition antijüdischer Theologie im Christentum und einer dadurch miterzeugten antichristlichen Theologie im Judentum. Entscheidend ist das die Erklärung
prägende Beziehungsdenken. Wenn nach „Dabru Emet“ gilt:
48
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 49
„So wie Juden die Treue der Christen gegenüber ihrer Offenbarung anerkennen, so erwarten auch wir von Christen, daß sie unsere Treue unserer Offenbarung gegenüber respektieren. Weder Jude noch Christ
sollten dazu genötigt werden, die Lehre der jeweils anderen Gemeinschaft anzunehmen“
dann heißt das im Klartext:
䊳 So wie es für Christen aus Gründen des Glaubens an Jesus Christus eine blei-
bende Verbindung zum lebendigen Judentum gibt, so gibt es für viele jüdische
Gelehrte und Rabbiner eine bleibende Verbindung zum Christentum, die sich
weder auf Negativerfahrungen der Vergangenheit reduziert, noch auf Zusammenarbeit in praktisch-gesellschaftlichen Fragen heute. Im Glauben an den
einen Gott, der Himmel und Erde schuf, sich ein Volk erwählte, seinen Willen in
einer Lebensordnung kundtat und Verantwortung im Leben sowie Rechenschaft
nach dem Tode fordert, sind Israel und Kirche vereint, obgleich sie getrennte
Wege gehen. Abermillionen von Menschen sind durch das Christentum in eine
„Beziehung zum Gott Israels“ getreten! Und aus diesem Glauben an den einen
Gott, den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der für Christen auch der „Vater“
Jesu Christi ist, folgt die gemeinsame Arbeit daran, „unserer Welt Gerechtigkeit
und Frieden zu bringen“.
Nicht zufällig endet „Dabru Emet“ mit der Juden und Christen gemeinsamen Vision des Propheten Jesaja:
„In der Folge der Tage wird es geschehen: Da wird der Berg des Hauses des Herrn festgegründet stehen an der Spitze der Berge und erhaben sein über die Hügel. Zu ihm strömen alle Völker. Dorthin pilgern
viele Nationen und sprechen: Auf, lasst uns hinaufziehen zum Berg des
Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs! Er lehre uns seine Wege, und
wir wollen auf seinen Pfaden wandeln.“ (Jes 2,2f.)
Man mag es bei diesem Dokument bedauern, dass zwar eine Verbindung
von Juden und Christen reflektiert wird, Muslime aber außen vor bleiben.
Eine vergleichbare Erklärung zum „Trialog“ von Juden, Christen und
Muslimen fehlt von jüdischer Seite. Eine Erfahrung bestätigt sich hier:
Die Vorkämpfer des christlich-jüdischen oder jüdisch-christlichen Dialogs sind nicht notwendigerweise interessiert, den Islam einzubeziehen
und damit den Dialog zu einem „Trialog“ zu erweitern. Das hat geschichtliche, das hat politische Ursachen. Und doch gibt es auch aus der
49
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 50
Welt des Judentums ein starkes Signal in dieser Hinsicht. Es stammt von
keinem Geringeren als dem großen Rabbiner LEO BAECK, der am Ende
seines dramatischen Lebens in einem programmatischen Vortrag zum
Thema „Judentum, Christentum und Islam“ sein Vermächtnis hinterließ.
Diesem Vermächtnis ist diese Studie verpflichtet. Wir blicken deshalb zurück auf den Anfang des 20. Jahrhunderts.
Leo Baecks Vermächtnis
Am 2. November 1956 stirbt LEO BAECK in London, hochbetagt, mit 83
Jahren.45 Schon vor 1933 war er, 1873 in Lissa in der damaligen preußischen Provinz Posen geboren und seit 1912 in Berlin als Rabbiner und
Gelehrter tätig, zu einem führenden Repräsentanten des deutschen Judentums aufgestiegen. Er behält diese Position auch nach 1933, in schwierigster Zeit. Verschiedene Male verhaftet, wird er 1943 noch als Siebzigjähriger nach Theresienstadt deportiert. Verschleppt ist er in ein „Lager“,
das die Nazi-Propaganda als sogenanntes „jüdisches Siedlungsgebiet“
oder jüdisches „Altersghetto“ ausgibt, in dem sogar Konzerte, Lesungen
und Vorträge stattfinden können. In Wirklichkeit ist Theresienstadt für
Zehntausende nur eine Zwischenstation in die osteuropäischen Vernichtungslager. Rund 50 000 Menschen leben zusammengepfercht von Juni
1942 bis März 1945 auf engstem Raum. Einige Tausend überleben, darunter, wie durch ein Wunder, auch Rabbi BAECK, der im Lager vor allem
Aufgaben in der Seelsorge und in der Weiterbildung seiner Mitgefangenen
übernommen hatte. Es gelingt ihm, ein schon in Berlin begonnenes Manuskript unter dem Titel „Dieses Volk. Jüdische Existenz“ zu Ende zu
schreiben, das – später in zwei Teilen veröffentlicht (I. Buch 1955, II.
Buch 1957) zu den eindrucksvollsten Zeugnissen jüdischer Theologie des
20. Jahrhunderts gehört.46 Nach der Befreiung siedelt Rabbi BAECK nach
London über und ist jetzt noch mehr als zuvor – zwischen England, den
Vereinigten Staaten und Israel hin und her reisend – eine große geistiggeistliche Autorität für Juden in aller Welt.
Dann, am 22. April 1956, noch einmal eine programmatische Rede.
BAECK wählt dafür einen Titel, der überrascht: „Judentum, Christentum
und Islam“. Und Islam! Ein halbes Jahr vor seinem Tod beschreibt dieser
große Rabbiner wie nie zuvor die tragenden Pfeiler für einen Brückenbau
zwischen den drei monotheistischen Religionen. Die fragile Existenz des
Staates Israel nach dessen Gründung 1948 vor Augen, macht BAECK klar:
50
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 51
Jüdische Geschichte kann nicht verstanden werden „ohne diese christliche Welt und diese mohammedanische Welt zu verstehen“.47 Mohammed gilt ihm als „einer der eigensten und kühnsten Menschen, die es je gegeben“ habe, als ein „Mann von einer Kraft des Glaubens“, welche „Berge
versetzen“ könne, „einer Kraft des Glaubens an sich und an seine Aufgabe ohnegleichen“. Insbesondere stellt BAECK in unbestechlicher Sachlichkeit Verbindungen Mohammeds zum Judentum heraus, ohne ihn zu
vereinnahmen oder abzuwerten:
„Der Islam ist nicht von einem Manne, der ein Jude war und, solange
er lebte, ein Jude nur sein wollte, gestiftet worden, von einem Manne
vielmehr aus einem Volke, das sich als Brudervolk der Juden oft betrachtet hat, aus dem arabischen Volke, das von Ismael, dem Sohne
Abrahams, herkommt, wie das jüdische Volk von Isaak, dem Sohne
Abrahams.“ 48
Unleugbar ist für Rabbi BAECK, dass aus dem Glauben Mohammeds ein
„Weltglaube und eine Weltmacht neben dem Christentum“ hervorgegangen ist.49 Mehr noch: Bei näherer Betrachtung findet BAECK unter Berufung auf mittelalterliche jüdische Autoritäten wie den großen Dichter
JEHUDA BEN HALEVI und den nicht weniger bedeutenden Gelehrten
MOSES MAIMONIDES, dass Islam und Judentum theologisch nur wenig
trenne:
„Für die Juden ist Mohammed nicht der letzte und entscheidende der
Propheten, er hat sich nie Messias genannt, sondern nur Prophet, aber
der Glaube an den einen Gott eint, und der Islam hat auch das Gebot
aufgenommen: er fordert Wohltun. Er hat auch eines gebracht, was die
Kirche nie so hatte, die wahre Demokratie. Im Islam, wo der Islam gilt,
dort gibt es keine Standesunterschiede, dort ist einer wie der andere,
einer neben den anderen gestellt. Er hat die Sklaverei weiter geduldet,
aber diese Sklaven wurden gut behandelt. Dinge, wie sie aus der Geschichte in Afrika und Amerika zu berichten waren, sind im Islam nie
etwas gewesen, was zu berichten war. Er hat die Kultur dort, wohin er
drang, gehoben. Und auch das eint mit dem Judentum. So ist es begreiflich, daß im Mittelalter Juden und Mohammedaner, einander gebend und voneinander empfangend, nebeneinander friedlich im Bewußtsein einer Zusammengehörigkeit gelebt haben.“50
BAECKS Grundanliegen wird von daher klar und kommt am Ende seiner
Rede in einem beschwörenden Appell auch explizit zum Ausdruck. Ange51
031 Kuschel Juden-Christen-Muslime_2.qxd
05.09.2008
9:31 Uhr
Seite 52
sichts der jetzt gegebenen neuen Existenz des Staates Israel hängt für ihn
alles davon ab, dass wie einst im Mittelalter „ein Weg vom Islam zum Judentum, von der arabischen zur israelitischen Welt, ein Weg von Israel und
seiner Religion zur arabischen Welt und ihrer Religion gefunden“ werde.51
Wie dies konkret aussehen kann, deutet BAECK wenigstens noch kurz an.
Auf jüdischer Seite hänge alles davon ab, dass Juden es lernten, in dem Besten, was sie suchten, vor sich selber „Respekt zu hegen“. Dann würden
Juden auch lernen, vor den Anderen „echten Respekt“ zu haben, vor dem,
was „im andern groß“ sei. Wörtlich lässt BAECK seine Rede so enden:
„Im Christentum ist vieles groß. Jahrhundert um Jahrhundert hat es
Menschen getröstet, erhoben, hat es Wohltun und Hingebung gepflegt,
hat Hoffnung in ihnen aufrecht erhalten. Im Islam ist vieles groß. Völker,
die in der Barbarei und in Niedrigkeit lebten, hat er in eine höhere Sphäre erhoben, hat ihnen ein neues Leben geschenkt. Wir Juden sollten das
begreifen. Wir sollten Respekt hegen, und wir werden dann die Hoffnung
hegen, daß dadurch, daß wir vor uns Respekt haben, die andern es lernen,
vor uns Respekt zu hegen und zu sehen, wie wir sind. Dann werden gute
Tage kommen. Menschen und Völker und Bekenntnisse werden geschieden bleiben, werden in ihrer Besonderheit weiterleben, aber sie werden
wissen, daß sie zusammen gehören, Teile der einen Menschheit sind, zusammenleben sollen auf dieser unserer Erde, einander sehend und einander verstehend, und, wenn es Not tut, einander helfend.“52
Dieser Text ist erst wieder durch den 2002 erschienenen fünften Band der
Leo-Baeck-Werke greifbar geworden. Die Herausgeber, der protestantische Theologe BERTOLD KLAPPERT und der Reform-Rabbiner ALBERT H.
FRIEDLANDER, betonen mit Recht: Wir haben es hier mit Baecks gleichsam testamentarisch hinterlassener messianischer Vision von einem „gemeinsamen Weg von Judentum, Christentum und Islam für die zweite
Hälfte der vierten Epoche jüdischer Geschichte (1500 – 2500)“ zu tun. Zu
tun mit einer Vision für das 21. Jahrhundert: „Sie wird nicht nur für das
Überleben der drei abrahamitischen Religionen und der drei von Abraham und Sara herkommenden Ökumenen, sondern auch für das Überleben der Menschheit in der großen Weltökumene des einen Gottes, des
Schöpfers des Himmels und der Erde, von entscheidender Bedeutung
sein.“53 So ist es. Und wir wollen Rabbi BAECKs Vermächtnis dadurch
ehren, dass wir noch stärker die inneren Beziehungen zwischen Judentum, Christentum und Islam herausarbeiten. Bevor wir dazu kommen,
werfen wir einen Blick auf Entwicklungen in Christentum und Islam.
52
Herunterladen