Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit nach Peter L. Berger und

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Geisteswissenschaft
Andrea Müller
Die soziale Konstruktion der Wirklichkeit
nach Peter L. Berger und Thomas
Luckmann
Studienarbeit
„DIE SOZIALE KONSTRUKTION DER WIRKLICHKEIT“
NACH PETER L. BERGER UND THOMAS LUCKMANN
HAUSARBEIT IM HAUPTSEMINAR „SYMBOLISCHER INTERAKTIONISMUS UND
PHÄNOMENOLOGIE“ BEI PROFESSOR MICHAEL VON ENGELHARDT IM SS 2003
INSTITUT FÜR SOZIOLOGIE
FRIEDRICH-ALEXANDER-UNIVERSITÄT ERLANGEN-NÜRNBERG
ANGEFERTIGT VON ANDREA MÜLLER
INHALTSVERZEICHNIS
I.
EINLEITUNG ..............................................................................................2
II.
DIE GESELLSCHAFTLICHE KONSTRUKTION DER WIRKLICHKEIT
NACH PETER L. BERGER UND THOMAS LUCKMANN...................................................4
1. EINE NEUE DEFINITION VON WISSENSSOZIOLOGIE .........................................................................................4
2. DIE GRUNDLAGEN DES WISSENS IN DER ALLTAGSWELT.................................................................................5
3. GESELLSCHAFT ALS OBJEKTIVE WIRKLICHKEIT...................................................................................................8
4. GESELLSCHAFT ALS SUBJEKTIVE WIRKLICHKEIT .............................................................................................14
III.
KRITISCHE ANMERKUNGEN ........................................................................ 21
1. DIE T HEMATISIERUNG DER MACHTFRAGE .........................................................................................................22
2. ZUR DICHOTOMIE VON SUBJEKTIVER UND OBJEKTIVER WIRKLICHKEIT....................................................24
3. ZUR VERNACHLÄSSIGUNG DER KULTURHISTORISCHEN UND
KULTURVERGLEICHENDEN DIMENSIONEN VON GESELLSCHAFT....................................................................25
IV.
SCHLUSSBEMERKUNG ............................................................................... 28
LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................... 29
1
I.
EINLEITUNG
Eine der Grundsatzdiskussionen im Wissenschaftsbereich Soziologie dreht sich um die
Frage, aus welcher Perspektive ihr Untersuchungsgegenstand „Gesellschaft“, d.h. die
Bedingungen und Formen menschlichen Zusammenlebens und die komplexen Strukturund Funktionszusammenhänge der Gesellschaft und ihrer Institutionen, am besten erfaßt
werden kann.
Es haben sich im wesentlichen zwei Traditionen entwic kelt, welche die
entgegengesetzten
Pole
des
gesellschaftswissenschaftlichen
Spektrums
bilden:
Mikroperspektivische Ansätze sind handlungstheoretisch ausgerichtet und fokussieren die
individuellen oder auch kollektiven Akteure und ihre von subjektivem Sinn geleiteten
Handlungen,
die es wiederum für den Sozialforscher zu deuten und zu verstehen gilt.
Der komplementäre Ansatz dagegen untersucht aus der Makroperspektive vor allem die
Funktionsweisen sozialer Strukturen und Institutionen, die als gesellschaftliche Ordnung
objektive gesellschaftliche Wirklichkeit manifestieren, und die Handlungen der sozialen
Akteure vorstrukturieren und bedingen. Der erste Ansatz betont somit die Kreativität
sozialer Akteure und betrachtet Gesellschaft als Produkt sozialen Handelns, hat aber
häufig nur mangelhafte Erklärungen für das dauerhafte Bestehen sozialer Ordnung und
deren komplexe Strukturen. Der strukturfunktionalistische Ansatz dagegen, wie er vor
allem durch Talcott Parsons vertreten wurde und lange bis in die 60er insbesondere die
amerikanische
Soziologie
dominierte,
unterstreicht
den
Objektcharakter
sowie
die
Stabilität gesellschaftlicher Ordnung, seine Schwächen liegen dadurch eher in der
mangelnden Erklärungskraft für Individualität und sozialen Wandel.
Die meisten der erstgenannten Positionen werden unter dem Begriff des interpretativen
Paradigma zusammengefasst, mit dem sich ein Ansatz entwickelte, der als Gegenentwurf
zum Parsonschen Strukturfunktionalismus verstanden werden kann, wenn er sich auch
nicht
gleichermaßen
etablieren
konnte1 .
In
diesem
Rahmen
werden
handlungstheoretische mit sozialpsychologischen Ansätzen verknüpft und ins Zentrum
der Aufmerksamkeit geraten die Kommunikationsprozesse und -symbole, mittels derer
die sozialen Akteure interagieren. Die zwei bekanntesten „Theoriestränge“ innerhalb
dieses Paradigmas sind der Symbolischer Interaktionismus und die Phänomenologie, die
von Alfred Schütz als soziologische Methode „erschlossen“ wurde.2
Den Symbolischen Interaktionismus bezeichnet Joas als
„Fortsetzung jenes lockeren
interdisziplinären Geflechtes von Theoretikern, Sozialforschern und Sozialreformern an
der University of Chicago, welches in der eigentlichen Institutionalisierungsphase der
amerikanischen Soziologie zwischen 1890 und 1940 bestimmend für das Fach war.“3
1
2
3
Wenzel 1990, 12
Er modifizierte die philosophische Phänomenologie Husserls.
Joas 1988, 419
2
Als „Ahnherr des Symbolischen Interaktionismus“ gilt der Philosoph und Psychologe
George
Herbert
Mead,
wegen
seines
„theoretisch
fundiertesten
und
4
klassischen Beitrag zum Begriff symbolisch vermittelter Interaktion.“
inzwischen
Namensgeber
dieser Theorierichtung war jedoch sein Schüler Herbert Blumer, der in einem berühmt
gewordenen Aufsatz die Grundposition des symbolischen Interaktionismus anhand dreier
Prämissen5 formulierte:
1) Menschen handeln „Dingen“ gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen, die diese
für sie besitzen; mit Dingen wird alles bezeichnet, was der Mensch wahrzunehmen
vermag,
Gegenstände,
Menschen,
Institutionen,
Leitideale,
Handlungen
anderer
Personen etc.
2) Die Bedeutung dieser Dinge entsteht oder leitet sich ab aus der sozialen Interaktion,
die man mit seinen Mitmenschen eingeht.
3) Diese Bedeutungen werden in einem interpretativen Prozess, den die Person in ihrer
Auseinandersetzung mit den ihr begegnenden Dingen anwendet, gehandhabt und
abgeändert.
Um folglich soziales Handeln erklären zu können, muss der oder die wissenschaftliche
BeobachterIn nicht nur „objektive“ Umstände oder Folgen von Handeln erfassen, sondern
vor allem die subjektive Sicht der Handelnden berücksichtigen, denn „wenn eine Person
eine Situation als real definiert, dann ist diese Situation in ihren Konsequenzen real.“6
Mit diesen Annahmen ist der Grundstein gelegt für eine Auffassung von sozialer
Wirklichkeit, die nicht mehr nur objektive gesellschaftliche Phänomene zu erklären sucht,
sondern konsequent Wirklichkeit als gesellschaftlich konstruiert betrachtet. Im folgenden
soll die bekannte Theorie von Berger und Luckmann dargestellt und kritisch untersucht
werden, die diesen Ansatz verfolgt, und die für sich in Anspruch nimmt, den dialektischen
Widerspruch
von
subjektiver
und
objektiver
gesellschaftlicher
Wirklichkeit
in
einer
theoretischen Synthese aufzulösen.
4
Wenzel 1990, 7
Blumer 1973, 81
6
Dies ist eine sinngemäße Wiedergabe des sogenannten Thomas-Theorems, benannt nach W. I. Thomas
(1863-1947), der ebenfalls zu den Vertretern des symbolischen Interaktionismus zählt.
5
3
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