Modul 5: Risikobewertung und -management im Naturhaushalt Inhaltsverzeichnis Modul 5 Risikobewertung und -management im Naturhaushalt 01 Schutz von wildlebenden Pflanzen und Tieren 12 Abdrifteckwerte 02 Biodiversität/ Biologische Vielfalt 13 Tabellierte Abdrifteckwerte 03 Allgemeine und konkrete Ziele zur biologischen Vielfalt 14 Abschätzung der Exposition durch Abschwemmung und Drainage 04 Biodiversität in der Agrarlandschaft 15 Abschätzung der Exposition durch Verflüchtigung 05 Biodiversität und Pflanzenschutzmaßnahmen 16 Expositionsabschätzung Grundwasser 06 Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft 07 Geschützte und streng geschützte Arten 08 Risikobewertung und Risikomanagement im Zulassungsverfahren 09 Grundlagen der Risikobewertung 10 Ermittlung der PEC zur Abschätzung der Exposition 11 Abschätzung der Exposition durch Abdrift 17 Standard PEC-Werte für die Umweltbewertung 18 Toxizität Ermittlung der Wirkung 19 Ökotoxikologische Standard-Untersuchungen 20 Weiterführende ökotoxikologische Untersuchungen 21 Quantitative Risikobewertung 22 Risikomanagement Schutz von wildlebenden Pflanzen und Tieren Erhalt der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten (Nichtzielorganismen) in der Agrarlandschaft Voraussetzung dafür: Schonung von Populationen auf behandelten Flächen Erhalt von Populationen auf benachbarten unbehandelten Flächen/ Gewässern Keine unvertretbaren Auswirkungen auf den Naturhaushalt durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln (PflSchG) Sicherstellung der Wiederbesiedlung und Erholung auf behandelten Flächen Minderung von Wirkstoffeinträgen in benachbarte Flächen/ Gewässern 01 / 22 Biodiversität/ Biologische Vielfalt Definition (Konvention über die biologische Vielfalt) „Biologische Vielfalt: die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft, darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten und zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme“ 02 / 22 Allgemeine und konkrete Ziele zur biologischen Vielfalt Allgemeine Ziele zum Schutz der Biologischen Vielfalt: Schutz von Lebensräumen und Schutz von wildlebenden Tieren, Pflanzen, Pilzen und Mikroorganismen. Nachhaltige Nutzung von wildlebenden und gezüchteten Arten sowie deren genetische Vielfalt. Konkrete Ziele in der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (2007): „Bis zum Jahre 2020 ist die Biodiversität in Agrarökosystemen deutlich erhöht. Bis 2015 sind die Populationen der Mehrzahl der Arten (insbesondere wildlebende Arten), die für die agrarisch genutzten Kulturlandschaften typisch sind, gesichert und nehmen wieder zu.“ „Bis 2015 nimmt der Flächenanteil naturschutzfachlich wertvoller Agrarbiotope (hochwertiges Grünland, Streuobstwiesen) um mindestens 10% gegenüber 2005 zu. In 2010 beträgt in agrarisch genutzten Gebieten der Anteil naturnaher Landschaftselemente (z.B. Hecken, Raine, Feldgehölze, Kleingewässer) mindestens 5%.“ 03 / 22 Biodiversität in der Agrarlandschaft (http://www.bmu.de/) Aus: Indikatorenbericht 2010 zur Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt. Indikator für die Artenvielfalt: EG-Verordnung 1107/2009 zur Genehmigung von Pflanzenschutzmitteln, Pflanzenschutzgesetz: Erhalt der Biodiversität als Schutzziel Richtlinie 2009/128/EG zur nachhaltigen Verwendung von Pestiziden Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität, z.B. Verbesserung des Potentials der Landschaft zur Kompensation von Effekten auf Organismen in NATURA 2000 Gebieten 04 / 22 Biodiversität und Pflanzenschutzmaßnahmen direkte Effekte auf Biodiversität schon bisher bei der Zulassung durch Schutz von Arten und Populationen zu berücksichtigen indirekte Effekte durch Wirkungen auf wichtige Nahrungsquellen und Strukturen auf Nutzflächen insbesondere für geschützte Arten bisher nicht berücksichtigt bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln darf es nicht zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen geschützter Arten kommen Integrierter Pflanzenschutz auf Nutzflächen wichtig 05 / 22 Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität in der Agrarlandschaft Maßnahmen zum Erhalt und zur Förderung der Biodiversität in der Agrarlandschaft: Blühstreifen, Lerchenfenster etc. anlegen weniger intensive Nutzung auf Teilen der landwirtschaftlichen Nutzfläche (z.B. technologisch schlecht nutzbare Ecken) Agrarumweltmaßnahmen und Vertragsnaturschutz beantragen Grünland erhalten/ extensivieren Saumbiotope erhalten/ einrichten 06 / 22 Geschützte und streng geschützte Arten Regelungen im Bundesnaturschutzgesetz und im Pflanzenschutzgesetz: Es ist verboten: wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungsund Wanderungszeiten erheblich zu stören, Fortpflanzungs- oder Ruhestätten der wild lebenden Tiere der besonders geschützten Arten aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören, wild lebende Pflanzen der besonders geschützten Arten oder ihre Entwicklungsformen aus der Natur zu entnehmen, sie oder ihre Standorte zu beschädigen oder zu zerstören. Erhaltungszustand von lokalen Populationen darf sich nicht verschlechtern: falls dies eintritt, können Bewirtschaftungsvorgaben angeordnet werden 07 / 22 Risikobewertung und Risikomanagement im Zulassungsverfahren Gesetzliche Vorgaben Art der Anwendung Festlegung des Schutzniveau und Sicherheiten Mittel- und Wirkstoffeigenschaften Risikobewertung: Beschreibung möglicher Risiken im Naturhaushalt Risikomanagement: Ableiten notwendiger Risikominderungsmaßnahmen Risiken vertretbar Zulassungsfähig bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung Risiken nicht vertretbar Nicht zulassungsfähig 08 / 22 Grundlagen der Risikobewertung Exposition: Welche Konzentrationen/ Rückstände sind in der Umwelt zu erwarten Toxizität: Welche Auswirkungen hat ein bestimmter Wirkstoff auf Organismen Exposition (erwartete Umweltkonzentration= predicted environmental concentration (PEC)): z.B.: im/ auf Boden, in Grund- und Oberflächenwasser, auf Pflanzen und Insekten als Nahrung für Nichtzielorganismen Toxizität Auswirkungen auf Organismen, z.B.: letale Wirkungen (Mortalität) subletale Wirkungen (z.B. Auswirkungen auf die Nachkommen) Verhältnis von Toxizität und Exposition auch als TER (Toxicity Exposure Ratio) bezeichnet 09 / 22 Ermittlung der PEC zur Abschätzung der Exposition Atmosphäre Exposition Welche Konzentrationen/ Rückstände sind in der Umwelt zu erwarten Expositionswege über Gewässer, Boden, Atmosphäre und/oder Pflanzen z.B. durch Berührung, Fressen oder über die Nahrungskette berücksichtigt Verflüchtigung Abdrift Deposition PSM Run-off Pflanzen Versickerung Drainage Gewässer Boden Grundwasser PEC die zu erwartende Wirkstoffkonzentration in der Umwelt Beeinflusst durch: Anwendungsmuster des Mittels Anwendungstechnik, Kultur, Stadium, Aufwandmenge Verteilung und Abbau des Wirkstoffs in der Umwelt 10 / 22 Abschätzung der Exposition durch Abdrift Ermittlung der Einträge durch Abdrift (Spray-Drift) Wichtige Eingangsgrößen: Abdrift • Art der Kultur (Flächen-/ Raumkultur) • Abdriftmindernde Technik verschiedener Minderungsklassen Abdrift • Aufwandmenge/ Zahl der Behandlungen Ergebnis: tabellierte Abdrifteckwerte, Berechnung mit Computermodell EVA 11 / 22 Abdrifteckwerte Abtrifteckwerte auf Basis der 90. Perzentile (Stand: März 2011) Bodensediment in % der Aufwandmenge 30 Obstbau früh Hopfenbau Obstbau spät Weinbau spät Ackerbau 25 20 15 10 5 0 0 10 20 30 40 50 60 Entfernung von der behandelten Fläche 12 / 22 Tabellierte Abdrifteckwerte Tabelle der Abdrifteckwerte für Einfachanwendungen Bodensedimente in % der Aufwandmenge berechnet auf Basis der 90. Perzentile Auszug aus Bundesanzeiger (Stand: März 2011) Abstand Ackerbau [m] Obstbau früh 1 Weinbau Hopfenbau spät 2.77 3 29.20 15.73 8.02 19.33 5 0.57 19.89 8.41 3.62 11.57 10 0.29 11.81 3.60 1.23 5.77 15 0.20 5.55 1.81 0.65 3.84 20 0.15 2.77 1.09 0.42 1.79 Quelle: http://www.jki.bund.de/geraete.html 13 / 22 Abschätzung der Exposition durch Abschwemmung und Drainage Abschätzung der Einträge über Abschwemmung (Run-off) und Drainage Run-off und Erosion Drainage Wichtige Eingangsgrößen: • Aufwandmenge • Interzeption durch die Kulturpflanze (Stadium der Kultur) • Zeitpunkt der Anwendung • Abbau (DT50) und Adsorption (Koc-Wert) im Boden Berechnungen (Computermodell EXPOSIT) 14 / 22 Abschätzung der Exposition durch Verflüchtigung Abschätzung der Einträge durch Verflüchtigung und Deposition Atmosphäre Wichtige Eingangsgrößen: • Dampfdruck • Aufwandmenge Verflüchtigung Deposition • Art der Kultur (Blattfläche) Entfernungsabhängige Berechnung (Computermodell EVA) mit tabellierten Depositionswerten (basierend auf Verflüchtigungsversuchen in Windkanal) 15 / 22 Expositionsabschätzung Grundwasser Abschätzung der Einträge durch Versickerung bzw. Uferfiltration aus Oberflächengewässer Oberflächenabfluss ggf. mit Erosion Drainage Uferfiltration Grundwasser Wichtige Eingangsgrößen: • Aufwandmenge • Interzeption durch die Kulturpflanze (Stadium der Kultur) • Abbau (DT50) und Adsorption (Koc-Wert) im Boden • Zeitpunkt der Anwendung Berechnungen (Computermodelle PELMO/ PEARL und EXPOSIT) Untersuchung zur Versickerung (z.B. Lysimeter-Studie) 16 / 22 Standard PEC-Werte für die Umweltbewertung Im Ergebnis Ermittlung folgender PEC-Werte PEC Boden PEC gw (Grundwasser) PEC sw (Oberflächenwasser) PEC Saumstruktur Eintragspfade: Direkter Mitteleintrag auf der behandelten Fläche PEC Boden x PEC gw Versickerung x Drift Verflüchtigung / Deposition PEC gw Uferfiltration PEC sw x x PEC Saum x x Drainage Run-off x x x x 17 / 22 Toxizität Ermittlung der Wirkung Effekt (%) Beispiel einer Konzentrations-Wirkungs-Beziehung LC50 NOEC Dosis (mg/l) Konzentration Je nach Art werden unterschiedliche Kenngrößen untersucht (z.B. Mortalität, Reproduktion, Gewicht, Verhalten) Akute und längerfristige Kenngrößen der Tests LC50 = Lethal Concentration 50% Wirkstoffkonzentration, bei der 50% der Test-Organismen sterben EC50 = Effect Concentration 50% Wirkstoffkonzentration, bei der 50% der Test-Organismen beeinträchtigt werden NOEC = No Observed Effect Concentration Höchste untersuchte Konzentration ohne Auswirkungen auf TestOrganismen 18 / 22 Ökotoxikologische Standard-Untersuchungen Untersuchungen zu ökotoxikologischen Auswirkungen werden mit Stellvertreterarten verschiedener Organismengruppen durchgeführt: gut standardisierbare Laborversuche häufig künstliches Substrat einfach zu züchtende Arten Individuen einer Altersklasse meist gut standardisierte Exposition • Die Risikobewertung muss auch die nicht geprüften Arten und die Übertragbarkeit auf Freilandbedingungen abdecken. • Daher wird ein Sicherheitsfaktor im zu erreichenden Schutzniveau berücksichtigt (Sollwert). 19 / 22 Weiterführende ökotoxikologische Untersuchungen Tests unter realitätsnäheren Bedingungen können erforderlich werden, wenn auf der Grundlage einer Standard-Risikobewertung mit unannehmbaren Auswirkungen zu rechnen ist. Höherstufige Testsysteme im Labor • Prüfung weiterer Arten • Exposition realitätsnäher gestalten Freilanduntersuchungen Gewässerökologische Untersuchungen • Prüfung von Lebensgemeinschaften mit vielen Arten • realitätsnahe Exposition und Umwelteinflüsse • Wiedererholung von Populationen wird erfasst Der Sicherheitsfaktor (Sollwert) kann möglicherweise wegen größerer Prognosesicherheit reduziert werden. 20 / 22 Quantitative Risikobewertung Der bewertungsrelevante Toxizitätswert wird ins Verhältnis gesetzt zur erwarteten Exposition (Toxizitäts-Expositions-Verhältnis, TER) EC50 (bzw. NOEC) PEC = TER ≥ Sollwert Je höher der TER-Wert desto niedriger das Risiko (Das Verhältnis zwischen erwarteter Umweltkonzentration und Toxizitätswert ist weit). Nach den gesetzlichen Zulassungskriterien muss der TER mindestens einen Sollwert erreichen, der abhängig ist von Organismengruppe (z.B. Gewässerorganismen, Vögel etc.) Toxizitätswert aus akuten oder längerfristigen Tests 21 / 22 Risikomanagement Wird der erforderliche TER-Wert nicht erreicht, muss durch zusätzliche Risikominderungsmaßnahmen die zu erwartende Exposition von Nichtzielorganismen verringert werden, um eine Zulassung zu ermöglichen. mit der Zulassung festgesetzte Risikominderungsmaßnahmen, z.B. Einsatz abdriftreduzierender Applikationstechnik (z.B. Minderungsklassen 50%, 75%, 90%) Einhaltung von Abständen (zu benachbarten Gewässern oder Saumstrukturen wie Hecken) Begrenzung der Wirkstoffaufwandmenge (z.B. Zahl der Behandlungen reduzieren, Anwendungszeitpunkt modifizieren) Festlegung einer Wirkstoffobergrenze, die bei anderen den Wirkstoff enthaltenden Mitteln nicht überschritten werden darf 22 / 22