P 1 - Messung kristallphysikalischer Parameter

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P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
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P 1 - Messung kristallphysikalischer Parameter
1) Dielektrische Eigenschaften von Festkörpern
Das elektrische Feld
Eine elektrische Ladung zeichnet sich durch die Eigenschaft aus, dass sie ohne materielle
Verbindung eine Kraftwirkung auf eine zweite Ladung ausübt. Der Raum um die Ladungsträr
ger ist von einem Kraftfeld erfüllt, welches als elektrisches Feld E bezeichnet wird. Das Vorhandensein eines elektrischen Feldes lässt sich dadurch nachweisen, dass auf eine in dieses
r
Feld gebrachte Probeladung Q eine Kraft wirkt. Die Feldstärke E wird definiert durch das
Verhältnis der auf diese Ladung wirkende Kraft zur Größe der Ladung Q:
r
r F
E=
Q
(1)
Die Einheiten für das elektrische Feld sind [N/C], [N/As] oder [V/m]
r
Werden in ein elektrisches Feld der Feldstärke E zwei sich berührende, dünne Metallplättchen gebracht, die in diesem Feld getrennt werden, so lässt sich feststellen, dass diese Plättchen dann
ebenfalls eine elektrische Ladung aufweisen. Dieser Effekt wird als elektrische Influenz bezeichnet. Die Dichte der so erzeugten Oberflächenladung σ = Q/A ([σ] = [C/m2]) ist pror
portional zur Feldstärke E . Es gilt im MKSA-Einheitensystem:
r
σ0 = ε0E0
(2)
C
(3)
ε 0 = 8,854 *10 −12
Vm
Die Proportionalitätskonstante ε 0 bezeichnet man als Dielektrizitätskonstante des Vakuums.
Da die Influenzladung durch eine Verschiebung von Ladungsträgern durch das elektrische
r
r
Feld entstanden ist, bezeichnet man die Vektorgröße D = ε 0 E als Verschiebungsdichte. Der
r
Betrag von D ist gleich der Oberflächenladungsdichte.
Bringt man nun einen nichtleitenden Stoff, welcher als Dielektrikum bezeichnet wird, in ein
elektrisches Feld, so findet man ebenfalls Ladungen an der Oberfläche, welche als Polarisationsladung bezeichnet wird. Die Ladungsdichte ist jedoch gegenüber einem Leiter reduziert.
Das bedeutet, dass die Verschiebungsdichte verringert wird. Diese 'Gegenverschiebung' wird
r
Polarisation P genannt. Die Verschiebungsdichte ergibt sich nun zu:
r
r r
D = ε0E + P
(4)
r
r
Die Polarisation P ist im einfachsten Fall proportional zur Feldstärke E . Man schreibt
gewöhnlich:
r
r
P = ε 0 χE
(5)
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Die Konstante χ heißt elektrische Suszeptibilität. Für die Verschiebungsdichte ergibt sich
nun:
r
r
D = ε 0 (1 + χ)E
(6)
Man setzt ε r = 1 + χ und erhält so:
r
r
D = ε 0ε r E
(7)
Für ε r werden die Bezeichnungen relative Dielektrizitätszahl bzw. relative Dielektrizitätskonstante verwendet. Sie ist eine dimensionslose Zahl größer als eins.
2) Atomare Ursachen der Polarisation
Die beiden wichtigsten molekularen Mechanismen für das Zustandekommen der Polarisation
eines Dielektrikums sind die Verschiebungspolarisation und die Orientierungspolarisation.
Beide Mechanismen werden hier nun kurz beschrieben. Für eine ausführlichere Diskussion
sei auf die Literatur verwiesen [2,3].
2.1 Verschiebungspolarisation:
Die elektrischen Ladungen, aus denen die Atome aufgebaut sind, können durch ein elektrisches Feld so verlagert werden, dass die Schwerpunkte der positiven und negativen Ladungen
nicht mehr zusammenfallen. Das Atom wird zum elektrischen Dipol mit dem Dipolmoment
r
r
p = q I , welches die Größe der Verschiebung angibt. Dieses Moment ist proportional der anr
liegenden Feldstärke E :
r
r
p = αE .
(8)
Die Polarisierbarkeit α . ist ein Proportionalitätsfaktor und charakteristisch für das jeweilige
r
Atom. Sind pro Volumeneinheit n Teilchen mit gleichgerichtetem Dipolmoment p vorhanden, so ergibt sich die gesamte Polarisation aus:
r
r
r
(9)
P = np = nαE
2.2 Orientierungspolarisation
Viele Moleküle besitzen ein permanentes Dipolmoment (z.B. Wasser). Durch ein angelegtes
elektrisches Feld werden die Dipolmomente ausgerichtet. Allerdings wirkt hier die Wärmebewegung der Orientierung entgegen. In erster Näherung ist die Polarisation immer noch proportional dem angelegten Feld, jedoch ist sie jetzt stark von der Temperatur und der Frequenz
des Feldes abhängig. Für die Temperaturabhängigkeit findet man in der statistischen Mechanik folgende Beziehung ( k B : Boltzmann-Konstante):
α=
p2
3k B T
(10)
42
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3) Ferroelektrische Erscheinungen
Bei ferroelektrischen Kristallen kann eine elektrische Polarisation beobachtet werden, ohne
dass sie einem äußeren elektrischen Feld ausgesetzt sind. Sie zeigen eine spontane Polarisation. Das Verhalten in einem äußeren Feld ist infolgedessen anders als bei dielektrischen Subr
r
stanzen. Während bei diesen ein linearer Zusammenhang zwischen P und E besteht, wird die
entsprechende Beziehung bei ferroelektrischen Kristallen durch eine Hysteresiskurve beschrieben (Abb. 1).
Abb. 1: Typische Hysteresiskurve eines
ferroelektrischen Kristalls
Abb.2: Beispiel einer ferroelektrischen Domänenstruktur
In makroskopischen Kristallen hat die Polarisation i. A. nicht überall die gleiche Richtung.
Vielmehr besteht der Kristall aus Domänen mit unterschiedlicher Polarisation (Abb. 2). In
Abb. 1 ist die Summe der Dipolmomente der einzelnen Domänen im Punkt A gleich Null.
r
Durch das Einschalten eines elektrischen Feldes wachsen die Domänen in Richtung von E
auf Kosten der anderen Domänen. Schließlich besteht der Kristall aus einer einzigen Domäne
r
(Punkt B). Eine weitere Zunahme von P ist durch die normale dielektrische Polarisation ber
dingt. Extrapolation des linearen Anstiegs BC der Hysteresiskurve auf E = 0 ergibt den Wert
r
der spontanen Polarisation PS einer einzelnen Domäne. Zu unterscheiden hiervon ist die rer
r
r
manente Polarisation Pr des gesamten Kristalls, die zurückbleibt, wenn E = 0 ist. Um Pr zu
beseitigen, wird ein elektrisches Feld von entgegengesetzter Richtung benötigt, welches als
r
Koerzitivfeld E k bezeichnet wird. Oberhalb einer kritischen Temperatur, der sog. ferroelektrischen Curie-Temperatur TC verschwindet die spontane Polarisation (paraelektrischer Zustand). Für die Temperaturabhängigkeit der elektrischen Suszeptibilität gilt ein Curie-WeissGesetz:
Cp
χ=
(11)
T−Θ
C p ist die paraelektrische Curie-Konstante und Θ die paraelektrische Curie-Temperatur. Im
Rahmen einer Molekularfeldnäherung ergibt sich Θ = TC .
In Tabelle 1 sind einige Werte für Übergangstemperaturen angegeben. Viele Materialien besitzen mehrere Übergangstemperaturen, wie z.B. Seignettesalz und BaTiO 3 , zwischen denen
ferroelektrische Bereiche mit einer anderen Kristallklasse auftreten.
Es lässt sich zeigen, dass ein Festkörper nur dann ferroelektrische Eigenschaften besitzen
kann,
wenn seine Kristallstruktur polare Achsen aufweist, d.h., wenn keine Inversionssymmetrie
vorliegt. Dies ist eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung. Sind mehrere Achsen
vorhanden, so ist der Kristall lediglich piezoelektrisch, d.h., er lässt sich durch eine mechani-
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
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sche Deformation polarisieren. Eine spontane Polarisation bildet sich hingegen bei Kristallen
mit einer einzigen polaren Achse aus. Solche Kristalle werden i.a. als pyroelektrisch bezeichnet. Gewöhnlich tritt bei ihnen die elektrische Polarisation nicht in Erscheinung, da die Oberflächenladung durch von außen angelagerte Ladungen kompensiert wird. Von Ferroelektrizität spricht man erst dann, wenn die elektrische Polarisation durch ein geeignetes E-Feld umgekehrt werden kann. [1]
Während Piezo- und Pyroelektrizität bereits durch die Kristallstruktur eines Festkörpers vorgegeben sind, können ferroelektrische Eigenschaften letztlich nur experimentell bestimmt
werden. Es sei noch einmal darauf hingewiesen, dass zwar jeder ferroelektrische Kristall piezoelektrisch ist, die Umkehrung aber nicht gilt. Zum Beispiel sind Quarzkristalle piezoelektrisch, aber nicht ferroelektrisch.
Chemische Formel
Punktgruppe
Temperatur des
Phasenüberganges
(°C)
Spontane
Polarisation
( µC / cm )
2
BaTiO 3
m3m-4mm-mm2-3m
120.5.-90
26
PbTiO 3
m3m-4mm
490
57
KNbO 3
m3m-4mm-mm2-3m
435.225.-10
30
LiBnO 3
3 m - 3m
1210
71
LiTaO
3 m - 3m
665
50
m3m-3m
850
60
Sr0.6 Ba 0.4 Nb 2 O 6
(4m)mm-4mm-m
75-213
32
Ba 2 NaNb 5 O15
(4m)mm-4mm-mm2
560.300
40
K 0.6 Li 0.4 NbO 3
(4m)mm-4mm
430
40
HCl
SC(NH 2 ) 2
m3m-m2m
-175
3.6
mmm-m2m
-71
3.2
NaNO 2
mmm-mm2
165
8.5
β − Gd 2 (MoO 4 ) 3
42m − mm2
159
0.17
C(NH 2 ) 3 Al(SO 4 ) 2 6H 2 O
3m
-
0.35
(GASH)
KH 2 PO 4 (KDP)
42m − mm2
-150
-4.8
CaB 3 O 4 (OH) 3 H 2 O
2m-2
-24.5
0.65
LiH 3 (SeO 3 ) 2
m
-
15.0
49
3.0
BiFeO
3
3
(NH CH COOH) H SO
2m-2
2
3
3 2 4
(TGS)
NH 4 HSO 4
2m-m
-3
0.8
NaKC 2 H 4 O 2 4H 2 O
222-2-222
-18. –24
0.25
(Rochelle salt)
KTiOPO 4 (KTP)
mmm-mm2
934
17
Tab. 1: Übersicht ferroelektrischer Kristalle, deren Übergangstemperaturen, Kristallklassen und
spontane Polarisation bei Raumtemperatur
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P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
3.3 Phasenumwandlungen und strukturelle Symmetrien
Je nachdem, wie der Übergang vom paraelektrischen in den ferroelektrischen Zustand erfolgt,
werden die Ferroelektrika in zwei Hauptgruppen eingeteilt. Die erste Gruppe umfast ferroelektrische Kristalle mit Wasserstoffbrücken. Hierunter fällt z.B. KDP ( KH 2 PO 4 ). Bei dieser
Substanz ist u.a. die Umlagerung von H + -Ionen, die Verbindung zwischen den PO 4 -Ionen
bewirken, wesentlich für die spontane Polarisation. Aus Neutronenstreuexperimenten folgt,
dass die im paraelektrischen Zustand gleichmäßige Verteilung der H + -Ionen über die verschiedenen möglichen Positionen in der Brücke unterhalb der Curie-Temperatur in eine Verteilung auf bevorzugte Positionen übergeht. Man spricht von einem Unordnung-OrdnungsÜbergang. Zu der anderen Hauptgruppe gehören Ionenkristalle mit einer Perowskit-Struktur,
z.B. Bariumtitanat ( BaTiO 3 ). Abb. 3 zeigt die Einheitszelle von BaTiO 3 im paraelektrischen
und im ferroelektrischen Zustand. Im paraelektrischen Zustand liegt eine kubische Kristallstruktur vor. Unterhalb der Curie-Temperatur von 128°C verschieben sich die Untergitter gegeneinander. Es bildet sich ein tetragonales Kristallgitter. Man bezeichnet das als einen Verschiebungsübergang vom paraelektrischen in den ferroelektrischen Zustand. Bei einer weiteren Abkühlung bildet sich bei 5°C eine rhombische und schließlich bei
boedrische Kristallstruktur aus.
-90°C eine rhom-
Abb.3: Einheitszelle eines Bariumtitanatkristalls im paraelektrischen (a) im ferroelektrischen
(b) Zustand
Nach dem Neumannschen Prinzip sollten die Symmetrieelemente aller physikalischen Eigenschaften eines Kristalls in den Symmetrieelementen der entsprechenden Kristallklasse vorhanden sein. Wendet man dieses Prinzip auf die Piezoelektrizität an, so ergeben sich 20 mögliche Kristallklassen. Von diesen 20 haben 10 eine einzige ausgezeichnete Rotationsachse
ohne senkrechte Spiegelebene: 1, 2, m, mm2, 4, 4mm, 3, 3m, 6 und 6mm. Die atomare Anordnung an einem Ende dieser Rotationsachse unterscheidet sich von der Anordnung der anderen Seite. Solche Kristalle bezeichnet man als polare Kristalle, weil sie eine spontane Polarisation zeigen.
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
45
3.4 Beschreibung des Phasenüberganges
3.4.1 Polarisationskatastrophe
Aus einer eingehenden Betrachtung der elektrischen Felder im Festkörper findet man folgenden Zusammenhang [3]:
nα
χ=
(12)
1 − γna
worin γ ein Geometriefaktor (z.B. γ = 1/3 für einen Ellipsoid) ist.
Sobald die Größe γna den Wert eins erreicht, kommt es zur sog. Polarisationskatastrophe.
Eine beliebig kleine Änderung würde χ und damit auch ε sehr groß werden lassen. Bei
BaTiO 3 wird z.B. bei einer bestimmten Temperatur γna. auf Grund der thermischen Ausdeh-
nung des Kristalls kleiner als eins. Dadurch verschwindet die spontane Polarisation. Für Temperaturen oberhalb der Umwandlungstemperatur kann man nun folgenden Näherungsansatz
machen:
1
(13)
γna = 1 −
(T − Θ)
γC p
Dabei ist (T − Θ)/γC p << 1 . Mit einer weiteren kleinen Näherung ergibt sich aus den
Gleichungen (12) und (13) das Curie-Weiss-Gesetz:
Cp
χ=
T−Θ
(14)
3.4.2 Landau- Theorie der Phasenübergänge
Ausgangspunkt der Theorie [2] ist die Annahme, dass die freie Energie F eines Systems als
Funktion eines Ordnungsparameters q in eine Potenzreihe entwickelt werden kann. Richtiger
wäre es von der Landauschen freien Energie zu sprechen, denn nur im Minimum stimmen F
und Helmholtzsche freie Energie überein. Es wird zwischen zwei Arten von Phasenübergängen unterschieden. Bei Phasenübergängen erster Ordnung ändert sich der Ordnungsparameter
sprunghaft bei der Übergangstemperatur. Dagegen gibt es bei einem Phasenübergang zweiter
Ordnung einen kontinuierlichen Anstieg. Bei der Beschreibung der Ferroelektrika übernimmt
das Quadrat der Polarisation die Rolle des Ordnungsparameters. Bei Ferroelektrika zeigt z.B.
BaTiO 3 einen Phasenübergang erster Ordnung, TGS einen zweiter Ordnung (Abb. 4).
Abb. 4: Spontane Polarisation in Abhängigkeit von der Temperatur für BaTiO3(a) und TGS (b)
46
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
Die freie Energie kann somit als Potenzreihe in P geschrieben werden:
1
1
F(P, T, E) = − EP + g 0 + g 2 P 2 + g 4 P 4 + ...
(15)
2
4
wobei die Koeffizienten g n von der Temperatur abhängen und der Term -EP die Wechselwirkung mit einem äußeren elektrischen Feld beschreibt. Der Wert für P im thermischen
Gleichgewicht ist gegeben durch ein Minimum von F:
∂F
= 0 = − E + g 2 P1 + g 4 P 3 + ...
(16)
∂P
Um einen ferroelektrischen Zustand zu erhalten, wird angenommen, dass der Koeffizient g 2
bei T0 einen Nulldurchgang besitzt: worin γ eine positive Konstante und T0 eine bestimmte
Temperatur ist, die insbesondere ungleich der Umwandlungstemperatur TC ist. Diese ergibt
sich vielmehr aus T0 und den g n .
Phasenübergänge erster Ordnung
Ein Übergang erster Ordnung liegt vor, wenn g 4 negativ ist. In diesem Fall muss g 6 >O sein,
da sonst F gegen ∞ geht. Der Verlauf von F ist in Abb. 5 für einige Temperaturen dargestellt.
Die Lage des absoluten Minimums der Funktion ändert sich sprunghaft, sobald T< TC ist.
Die Gleichgewichtsbedingung bei E=O für die spontane Polarisation PS ist entweder PS =O
oder
γ(T − T0 ) − g 4 P
2
4
+ g6P = 0
s
s
(18)
Abb.5: Die freie Energie (F) als Funktion des Ordnungsparameters Polarisation (P² bei einem Phasenübergang erster Ordnung. Die Pfeile markieren die Lage des globalen
Minimums.
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
47
Die Dielektrizitätskonstante berechnet man aus der Gleichgewichtspolarisation in einem elektrischen Feld E. Im Gleichgewicht bei T> TC werden die Terme mit P 4 und P 6 in der Regel vernachlässigt. Es folgt:
E = γ(T − T0 )P ⇒ ε(T > TC ) ∼
1
T − T0
(19)
Phasenübergänge zweiter Ordnung
In diesem Fall ist g 4 positiv und g 6 wird nicht berücksichtigt. PS für E=O ergibt sich zu:
PS2 =
γ
(T0 − T)
g4
(20)
Abb.6: F als Funktion von P² bei verschiedenen Temperaturen (a) Die Pfeile markieren die
Lage des Minimums. l/E als Funktion von T = T − TC ; (b) - Die Linearität wird für einen Phasenübergang zweiter Ordnung vorhergesagt.
Für T ≥ T0 ist PS = 0 die einzige Lösung. Daher ist T= TC . Für T< TC ergibt sich das Minimum
der freien Energie zu:
1/2
 γ

PS =  (T − T0 ) 
(21)
 g4

Der Phasenübergang ist von zweiter Ordnung, weil bei der Übergangstemperatur PS
kontinuierlich verschwindet. Der Verlauf von F ist in Abb. 6 (a) wiedergegeben. Bei TGS
liegt ein Phasenübergang zweiter Ordnung vor. Er wird sehr gut durch das obige Modell
beschrieben Abb. 6 (b).
Für (T> TC ) erhält man ebenfalls das Curie-Weiss-Gesetz mit dem Unterschied, dass T0 = TC
ist. Bei Phasenübergängen erster Ordnung gilt dagegen T0 < TC .
48
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
4) Triglycinphosphat (TGS) [4]
4.1 Struktur und spontane Polarisation von TGS
Die chemische Struktur von TGS lautet: (NH 2 CH 2 COOH) 3 H 2 SO 4 . Obwohl die
kristallographische Struktur von TGS wesentlich komplizierter ist als bei anderen
Ferroelektrika, sind die ferroelektrischen Eigenschaften sehr ausgeprägt und gut verstanden.
TGS zeigt als eine der wenigen Ferroelektrika einen ausgeprägten Phasenübergang zweiter
Ordnung. Im Gegensatz zu KDP gibt es bei TGS einen reinen Ordnung-UnordnungsTGS besitzt eine Curie-Temperatur von 49.7°C. Bei T> TC gehört TGS der Kristallklasse 2/m
Übergang.
mit einem Symmetriezentrum an. Sobald T< TC verschwindet die Spiegelsymmetrie und der
Kristall wird ferroelektrisch mit der Symmetrie der monoklinen Kristallklasse 2.
Im ferroelektrischen Bereich ist die Richtung der b-Achse die Symmetrieachse, in welche
Richtung auch die spontane Polarisation auftritt. Es wird angenommen, dass der Stickstoff in
der Glycingruppe entlang der b-Achse beim Übergang umgeordnet wird.
4.2 Physikalische Eigenschaften von TGS
TGS ist ein farbloser, durchsichtiger und wasserlöslicher Kristall mit einer Dichte von
o
o
o
1.69g/cm3 und Gitterkonstanten a=9.15 A , b=12.69 A , c=5.73 A und ß=105°40' bei Raumtemperatur. Die dielektrischen Konstanten von TGS betragen ε 11 /ε 0 =8.6, ε 22 /ε 0 = ε 33 /ε 0 =5.7
(bei 500 kHz, 1 V /cm und T=300 K). ε erreicht entlang der polaren Achse ε 22 /ε 0 am CuriePunkt ein Maximum von etwa 10 5 und gehorcht dem Curie-Weiss-Gesetz mit C p = (3200 K +
TC ). Die bei den anderen Komponenten der Dielektrizitätszahl sind temperaturunabhängig.
TGS wird als pyroelektrisches Material in Infrarotdetektoren verwendet. Der pyroelektrische
Koeffizient beträgt bei Raumtemperatur etwa 3,5 *10 −2 mCcm −2 K −1 .
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
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5) Teilversuch a: Ferroelektrizität
5.1 Aufgabenstellung
- Messung der Sättigungspolarisation Ps und der Koerzitivfeldstärke Ek in Abhängigkeit von
der Temperatur
- Graphische Darstellung von PS (T) und E K (T)
- Angabe der aus PS (T) und E K (T) extrapolierten Curie- Temperatur
- Fehlerbetrachtung [6]
5.2 Zubehör
- Beheizbare Messzelle
- Magnetrührer
- Probenhalterung
- Niederspannungsnetzgerät zum Erwännen
- Thermoelement NiCr-Ni + Anzeige
- Hochspannungsnetzgerät mit vorgeschaltetem Drehtransformator (siehe auch Abb. 10)
- Oszilloskop mit X- Y Darstellung (Hameg HM 312) und Messkabel mit Tastteiler 10:1
5.3 Versuchsdurchführung
5.3.1 Vorbereitung der Proben:
Man schleife/ätze die TGS-Scheibe planparallel (bei Bedarf) und bringe zwei Kondensatorplatten an, indem man beidseitig, gegenüberliegend eine definierte Fläche mit Leitsilber bestreicht und kontaktiert. Es empfiehlt sich die Fläche durch Tesafilmstreifen zu begrenzen,
das Leitsilber aufzutragen, und die Streifen nach der Trocknung abzuziehen. Danach befestige
man die TGS- Scheibe an der Probenhalterung.
50
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
Abb. 7: Befestigung der Probe an den Haltern
5.3.2 Versuchsaufbau
Man tauche die Probenhalterung mit der Probe in die mit Siliconöl gefüllte Messzelle und
schließe die Heizung an das Niederspannungsnetzgerät an. Das Thermoelement wird ebenfalls
in die Messzelle eingeführt. Der Magnetrührer sollte nicht vergessen werden. Netzgerätschalter auf "Aus"!!! Der Kondensator wird mit dem Netzgerät (Abb. 9) verbunden (BNCBuchsen "Hochspannung" und "Vertikalablenkung"). Drehtransformator steht auf Null. Dann
verbinde man den Tastkopf des Oszilloskops Eingang I (Y -Ablenkung) mit der BNC-Buchse
"Vertikalablenkung", den Tastkopf des Eingangs II (X-Ablenkung) mit der BNC-Buchse
"Hochspannung" und bringe beide Drehknöpfe "Ampl. I" und "Ampl. II" in die unempfindlichste Stellung (20 V/cm). Die Drucktaste "Hor.ext." ist gedrückt.
Vor dem Einschalten der Geräte lasse man den Aufbau vom Betreuer überprüfen!
5.3.3 Ablauf der Messung
An dem Netzgerät wähle man für die Gesamtspannung einen Wert, der hoch genug ist, um
den Kristall sicher bis zur Sättigung zu polarisieren. Vor dem Umschalten von einem Spannungswert auf einen anderen ist der Drehtrafo auf Null zurückzudrehen. Den Serienkondensator (siehe Bemerkung) wähle man möglichst groß, aber nur so groß, dass die an ihm auftretende Spannung bequem gemessen werden kann (1 - 5 V - Tastteiler). Die auf der Skala angegebenen Kapazitätswerte sind bis auf 1 % genau. Von der auf dem Oszilloskop sichtbar gemachten Hysteresisschleife lassen sich die zu PS (T) und E K (T) proportionalen Spannungen
ablesen und mittels der später zusammengestellten Formeln errechnen.
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
51
Bemerkungen:
Das eigentliche Messprinzip lässt sich folgendermaßen erläutern (siehe Abb.8 + 9):
Abb. 8: Messprinzip
Abb. 9: Schaltung der Hysteresisschleife
Der kontaktierte Kristall stellt einen Plattenkondensator dar. Durch das anliegende Feld werden auf den Elektroden freie Ladungen induziert. Die direkte Messung dieser Ladungen wäre
messtechnisch sehr aufwendig, da jedes Messinstrument, das an diesen Kondensator angeschlossen wird, infolge seines endlichen Innenwiderstandes einen gewissen Strom aufnimmt
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
52
und dadurch die Polarisationsladungen ausgleicht. Man schaltet deshalb in Reihe mit diesem
Kondensator C p einen zweiten C m , dessen Kapazität groß gegen C p ist. Da die Ladungen
auf beiden Kondensatoren gleich sind, ist die Spannung U cm kleiner aus U CP , aber noch gut
messbar. Ein an U cm angeschlossenes Messinstrument muss zwar auch einen hohen Innenwiderstand (der Tastkopf der benutzten Oszilloskops hat einen Eingangswiderstand von 10
MOhm) haben, jedoch ist der aufgenommene Strom im Verhältnis U cm / U CP kleiner, als
wenn es an U CP angeschlossen wäre, und die Verfälschung des Messwertes infolge eines
Ladungsausgleichs ist vernachlässigbar klein.
5.3.4 Benötigte Formeln
Die Feldstärke E in einem Plattenkondensator mit Plattenabstand S und der anliegenden Spannung U hat folgenden Wert:
E=
U
S
(22)
Die auf einen Kondensator mit der Kapazität C beim Anlegen einer Spannung U befindliche
Ladung Q ist gegeben durch:
Q = CU
(23)
und die Polarisation durch:
P=
Q
A
(24)
worin Q die in den Elektroden induzierte Ladung und A die Fläche der Elektroden bezeichnet.
P1 – Messung kristallphysikalischer Parameter
53
6) Teilversuch b: Dielektrizitätskonstante
6.1 Aufgabenstellung:
- Messung und Auftragen der Dielektrizitätskonstanten in Abhängigkeit von der Temperatur
an Triglycinsulfat (TGS)
- Bestimmung des Curie-Punktes
- Auftragen von 1/ ε als Funktion von T- TC und Bestimmung der Ordnung des Phasenübergangs
- Fehlerbetrachtung [6]
6.2 Zubehör:
- Beheizbare Messzelle
- Magnetrührer Probenhalterung
- Niederspannungs-Netzgerät zum Erwärmen
- Thermoelement NiCr-Ni und Anzeige
- Kapazitätsmessgerät
6.3 Vorbereitung der Probe -siehe Teilversuch a
6.4 Versuchsaufbau:
Der Einbau der Probe erfolgt wie bei Versuch P 1. Die Anschlüsse der Messzelle werden direkt mit dem Kapazitätsmessgerät verbunden. Eine Verbindung zum Netzgerät ist bei diesem
Aufbau nicht erforderlich! Wie üblich ist am Messgerät zuerst der unempfindlichste Messbereich zu wählen.
Vor dem Einschalten der Geräte lasse man den Versuchsaufbau vom Betreuer überprüfen! ! !
Bemerkung: Zur Berechnung der Dielektrizitätskonstanten wird folgende Formel benötigt
(siehe auch einführende Physiklehrbücher über Elektrizitätslehre). Die Kapazität eines Kondensators hängt von der Größe der Platten und ihrem Abstand, sowie dem Material zwischen
den Platten (Dielektrikum) ab. Es gilt:
C=
mit:
εA
S
C: Kapazität des Kondensators
A: Fläche der Kondensatorplatte
S: Plattenabstand
E: Dielektrizitätskonstante
(25)
54
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Literatur
[1] N. W. Ashcroft, N.D. Mermin, Solid State Physics, Chap. 27
[2] C. Gerthsen, H.O. Kneser, H. Vogle, Physik, 15. Aufl. Springer (1986)
[3] C. Kittel, Einführung in die Festkörperphysik, 9. Aufl. Oldenburg (1992)
[4] K. Kopitzki, Einführung in die Festkörperphysik, 2. Aufl. Teubner (1989)
[5] Y. Xu, Ferroelectric Materials and Their Applications, 1. Aufl. North Holland
[6] W. Walcher, Praktikum der Physik, 6. Aufl. Teubner (1989)
Anhang 1 - Sicherheitsaspekte
Die Praktikanten werden vor Beginn der experimentellen Arbeiten auf die Gefahren im
Zusammenhang mit elektrischen Strömen und Spannungen hingewiesen. Ein über das
normale Maß im Umgang mit elektrischen Geräten hinausgehendes Gefahrenpotential besteht
nicht.
Anhang 2 – Für das Kolloquium relevant!!!
Der Inhalt der Praktikums Anleitung muss verstanden worden sein, wenn nötig ist ergänzende
Literatur zum Beispiel aus dem Bereich der Festkörperphysik zu Rate zu ziehen.
Die Praktikanten haben sich vor dem Kolloquium mit dem Versuchsaufbau und Versuchsablauf auseinander zu setzen. Hierzu haben sie sich Wissen zu den Messprinzipien von Temperaturmessung und Kapazitätsmessung anzueignen. Außerdem sollen sie sich Gedanken machen über die Messgeschwindigkeit/Zahl der Messpunkte/ Messintervall in den einzelnen
Teilversuchen.
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