Schwerhörigkeit – Ätiologie und Therapie

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2. Session
2. Vortrag
Schwerhörigkeit – Ätiologie und
Therapie
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Jakse
Privatklinik Leech GmbH
Hugo-Wolf-Gasse 2-4, 8010 Graz
Tel. +43 316/3632-827, Fax: +43 316/302-584
E-Mail: [email protected]
SCHWERHÖRIGKEIT - ÄTIOLOGIE UND THERAPIE
Auf dem Weg der Schallwellen vom äußeren Ohr zum Hörorgan im Innenohr
und von dort, umgewandelt in bioelektrische Impulse, über die Nervenbahnen zum Hörzentrum
sind zahlreiche Störungen möglich, die eine Schwerhörigkeit verursachen können.
Unter Schwerhörigkeit (SH) verstehen wir eine Verminderung der Hörfähigkeit.
Das Corti Organ verfügt über 15.000 – 20.000 Haarzellen bzw. Sinnes- oder Hörzellen. Diese Zahl
kann sich bereits ab dem 20.Lebensjahr verringern,wobei beim gesunden Menschen Lärmbelastungen über 85 dB im Beruf und in der Freizeit langfristig zu deren Untergang beitragen können.
Dadurch kann es zu einer leichtgradigen, nicht therapiebedürftigen SH bis zur Gehörlosigkeit
kommen.
Im letzten Jahrzehnt wurde in der Prophylaxe der Hörstörungen wenig erreicht – vor allem was
den Umgang mit Freizeit – und Straßenlärm betrifft, ausgenommen den Lärmschutz am Arbeitsplatz, wo wirkungsvolle Maßnahmen getroffen wurden. Enorme Fortschritte wurden dagegen in
der auditiven Rehabilitation der SH erzielt.
Die Hals-Nasen-Ohrenärzte sind heute durch den technischen Fortschritt in der Lage nahezu jede
Form der Hörstörung rehabilitieren zu können. Annähernd für jede Patientengruppe gibt es eine
Lösung mit technischen Hilfsmitteln eine ausreichende Wiederherstellung der Kommunikation zu
erreichen.
EPIDEMIOLOGIE
Frühkindliche Hörstörungen in der Normalbevölkerung werden in Österreich in 0,05- 0,1% gefunden. Bei 1,2 %o der Neugeborenen (1,2 pro 1000 Lebendgeborenen) liegt eine bilaterale, angeborene Hörstörung mit einem Hörverlust von mehr als 40 dB vor. 4 – 6% werden als Risikokinder
eingestuft, bei welchen sich das Auftreten einer Hörstörung auf 2 bis 10 % erhöht. Dagegen treten
aber nur 50% aller kindlichen Hörstörungen bei Kindern mit Risikofaktoren auf.
Ausgehend von Untersuchungen vergleichbarer Länder, wie Deutschland, werden für die heimische
Bevölkerung angenommen, dass 1,2 bis 1,6 Mill älter als 14 Jahre unter Hörstörungen leiden.
EINTEILUNG DER HÖRSTÖRUNGEN
Die Schwerhörigkeit lässt sich einteilen nach der Lokalisation im Hörsystem, der Art der Signalverarbeitung, dem Schweregrad, dem zeitlichen Verlauf, nach dem Schwellenverlauf, auslösende Ursache und Alter des Betroffenen. Vereinfacht teilen wir sie ein in periphere und zentrale Hörstörungen (s.Tab.1). Die peripheren Hörstörungen unterteilen wir in Schallleitungs -, Schallempfindungsund kombinierte Schwerhörigkeit.
Tabelle 1 Einteilung der Hörstörungen
Periphere Hörstörungen :
Schallleitungsschwerhörigkeit =Störung der Schallausbreitung über Ohrmuschel, Gehörgang,
Mittelohr (Mittelohr-SH)
Schallempfindungsschwerhörigkeit = gestörte Reizaufnahme im Innenohr (Innenohr-SH, cochleäre SH) und der Reizumwandlung zwischen Steigbügelfußplatte und erstem Neuron
des Hörnerven (Hörnerven-SH, neurale SH). Da die Lokalisation der Störung meist nicht genau
bestimmbar, wird sie auch sensorineurale SH bezeichnet.
Kombinierte Schwerhörigkeit = kombinierte Mittelohr-Innenohr-SH. Ist eine unterschiedliche
Störung der Schallleitung und der Innenohrfunktion. Der Abstand zwischen Knochen- und
Luftleitungskurve gibt das Ausmaß der MO-SH wieder.
Zentrale Hörstörungen :
Störungen im Kerngebiet der Hörbahn und in den Hörzentren.
Das Ausmaß der Hörstörung wird gemäß der WHO gemessen an der Luftleitung des Reintonaudiogramms, eingeteilt in gering-, mittel-, hochgradige und Hörreste bzw. Taubheit (s.Tab.2)
Tabelle 2 WHO – Einteilung der Schwerhörigkeit
Grad der SH
0 normalhörig
Mittlere Hörverlust bds
< 25 dB
1 geringgradig
26 - 40 dB
2 mittelgradig
41 – 60 dB
3 hochgradig
61 – 80 dB
4 Hörreste od. Taubheit
81 dB und mehr
Symptom
keine od. nur leichte Probleme, Flüstersprache wird gehört
Umgangsspr. im Abstand von 1
m verstanden
lautes Sprechen im Abstand
von 1 m verstanden
bei lautem Sprechen einige
Worte verstanden
bei maximaler Lautstärke kein
Sprachverständnis
DIAGNOSTIK
Mit den diagnostischen Maßnahmen sollen der Schweregrad, die Ursache und die Lokalisation bestimmt werden. Außerdem gilt es die subjektive Beeinträchtigung durch die SH am Arbeitsplatz und
in der Familie festzustellen. Die klinische Untersuchung umfasst vor allem eine Ohranamnese (Entzündungen, Operationen, Schwindel, Ohrgeräusch, Fazialisparese), Familien- und Berufsanamnese,
Otomikroskopie, Gehörprüfungen und bildgebende Verfahren (CT,MRT) bei Bedarf . Bereits eine
klinische Prüfung mit Stimmgabel und Hörweitenbestimmung erlauben eine Schwerhörigkeit zu
erfassen und zwischen Schallleitung- und Innenohrstörung zu differenzieren (s.Tab.3).
Tabelle 3 Klinische Hörprüfung
Test
Stimmgabelprüfung nach Weber
Stimmgabelprüfung nach Rinne
Flüstersprachtest
Befund
Lateralisation
Ergebnis
Schallleitung-od. Innenohr-SH ?
Lautheitsvergleich
Schallleitung-od. Innenohr-SH ?
normales Zahlenverständnis
Hörweitenprüfung
geflüsterte Zahlen normal bis
6m
Hörschwelle, Seitenvergleich
bei 0,6 m. Seitendifferenzierung mit verschlossenem Gehörgang
Hörschwelle für Zahlen
Mit Hilfe subjektiver und objektiver, messtechnischer Verfahren wird die Schwerhörigkeit gesichert, die tonotopische Lage und das Ausmaß bestimmt (Tab. 4 a u. b zeigen die häufigsten Tests)
Tabelle 4 a Hördiagnostik
Subjektive Testverfahren
Klinische Hörprüfung (s.Tab 3)
Tonschwellenaudiometrie: Hörschwelle für Knochen –u. Luftleitung für Frequenzen 125 bis
8000 (10000) Hz
Sprachaudiometrie: Prüfung des Hörverlustes für Zahlen u. Sprachverstehen (Diskrimination) für
Einsilber bei 55 dB Flüstersprache, bei 60 dB Umgangssprache u. bei 80 und 100 dB lauter Sprache
Test zur Prüfung der zentralen Hörverarbeitung u.-wahrnehmung = Überprüfung der
Sprachdiskrimination bei einer Prüflautstärke von 65 dB im Störlärm von 60 dB und Richtungshören
Überschwellige Teste (SISI, Fowler,etc): zur Unterscheidung zwischen sensorischer (Rekruitment) u. neuraler/zentraler SH
Hörermüdungsteste (Carhart, Schwellenschwund, Bekesy)
Tabelle 4 b Hördiagnostik
Objektive Testverfahren
Impedanzaudiometrie mit Stapediusreflexmessung : Prüfung der MO-belüftung u. der
Hörbahn bis zur oberen Olive. Hinweis für Kettenversteifung od. Unterbrechung, für sensorische
SH bei pos. Metz-Recruitment
Otoakustische Emissionen (OAE): klickevozierte Schallantworten der äußeren Haarzellen im
Gehörgang zur Erkennung von SH bei Säuglingen und Kleinkindern
Akustisch evozierte Potenziale (AEP) = (ERA) elektr. Responseaudiometrie : BERA
(brainsystem electric response audiometry) zur Bestimmung der Hörschwelle, ECochG (Elektrocochleografie): Differentialdiagnose sensorineurale SH (Mb. Meniere), intraop. Monitoring
Kindliche Schwerhörigkeit
Die Abklärung einer kindlichen SH bedarf einer speziellen Diagnostik und wird dem vermuteten
Entwicklungsstand angepasst (s.Tab.5)
Das Neugeborenen-Hörscreening ist ein objektives Messverfahren. Das Ziel ist die Erfassung
aller Kinder mit mittel- und höhergradiger SH sowie Gehörlosigkeit. Hierzu werden für jedes Ohr
getrennt entweder otoakustische Emissionen (OAEs) gemessen oder die automatisierte Hirnstammaudiometrie (AABR) innerhalb der ersten 3 Lebenstage angewendet. Die AABR hat gegenüber den OAEs den Vorteil auch auditorische Neuropathien oder Reifungsverzögerungen zu erkennen (bei Risikokindern könnte die Störung zentral der Cochlea liegen).
Auf Initiative von Prof. Albegger beschloss die Österr. Ges. f. HNO-Heilkunde, Kopf-und Halschirurgie 1995 im Millstätter Konzept ein Neugeborenen - Hörscreening einzuführen. Gemeinsam mit
Fr. Prof. Welzl- Müller gelang es ihm, ein nahezu flächendeckendes Hörscreening in Österreich zu
realisieren.
Seit 2003 ist das Screening-Programm im Mutter-Kind-Pass eingetragen und besteht aus
3 Phasen:
1) Vorsorgeuntersuchung (=Screening) in den ersten 3 Tagen nach der Geburt. Bein pathologischem Screening muss eine Wiederholung erfolgen.
2) Ist auch die zweite Screening –Untersuchung auffällig, muss innerhalb von 2 – 3 Wochen eine weiterführende pädaudiologische Untersuchung (Otomikroskopie, Tympanometrie ,
Stapediusreflexaudiometrie und BERA im natürlichen Schlaf oder Sedierung) vorgenommen
werden. Und
3) Einleitung von Fördermaßnahmen. Bei nachgewiesener Innenohr-SH sollte zwischen dem 3.
und 6.Lebensmonat mit einer Hörgeräteversorgung begonnen werden. Erforderliche Abklärungen möglicher Ursachen und die Mitbetreuung von Mehrfachbehinderungen müssen in
den entsprechenden Fachdisziplinen erfolgen. Umgehend sind Kinder und betroffene Eltern
einem Hörfrühförderteam
(in Zusammenarbeit mit HNO-Arzt, Pädaudiologen, Hörgeräteakustiker, Logopäden,
Psychologen u.a.) anzuvertrauen.
Eine rasche Abklärung des Hörvermögens ist für die Entwicklung des Kindes wichtig.
Bei der Geburt ist das periphere Hörorgan ausgereift, die Reifung des zentralen auditorischen Systems erfolgt aber erst in den ersten Lebensjahren. Dies ist aber nur möglich, wenn in dieser Zeit
eine Stimulation durch adäquate Schallreize stattfindet. Dazu muss wiederum eine funktionstüchtige
Peripherie vorhanden sein. Bereits in den ersten 6 Lebensmonaten werden wesentliche basale Erfahrungen für die Sprachentwicklung über das Gehör gesammelt, die Grundlagen für die spätere
Qualität von Lautsprache und Grammatik, auch für Lesen und Schreiben, sind. Ohne funktionierendes Hörvermögen ist eine normale sprachliche, intellektuelle und damit auch soziale
Entwicklung nicht möglich.
Ist die Hörminderung des Kindes so ausgeprägt, dass trotz Versorgung mit Hochleistungshörgeräten und optimaler Förderung keine Verbesserung zu erzielen ist, besteht noch vor Ende des ersten
Lebensjahres die Indikation zur Cochlea-Implantation (spätestens mit Erreichung des 2. Lebensjahres), Was in Österreich noch einer Realisierung bedarf sind die Schließung der Lücken in der Erfassung Neugeborener (bedingt durch Geburten in Privatanstalten, Sanatorien, und Heimgeburten)
und die Nachverfolgung (Tracking) auffällig gescreenter Kinder und ein qualitätsgesichertes Followup in spezialisierten pädaudiologischen Zentren. Dazu ist die Schaffung einer zentralen Datenbank
erforderlich wie dies z.B. in Tirol begonnen wurde.
Tabelle 5 Hördiagnostik bei Neugeborenen und Säuglingen bis 6.Lebensmonat
Reflexaudiometrie : Schreckreflex n.Morow oder auropalpebraler Reflex auf akustische Reize ab
60 – 90 dB auslösbar. Hat heute nur mehr orientierenden Wert.
Hörscreening : TEOAE ( transitorisch evozierte otoakustische Emissionen)
AABR ( Automatic Auditory Brainstem Response)
Impedanzaudiometrie
Im Säuglings-, Kleinkind – und Schulalter werden neben den objektiven Verfahren auch verhaltensaudiometrische Untersuchungen angewendet:
Reaktionsaudiometrie: ab dem 6.Lebensmonat bis zu 2,5 Jahren sind meist Hinwendungen zur
Schallquelle zu beobachten. Die Reaktionsschwelle liegt bei Säuglingen etwa 50 dB über der BERASchwelle, bei 3-jährigen beträgt der Unterschied nur noch 20 dB. Bewährt haben sich Ablenktest
und VRA (Visual Reinforcement Audiometry).
Spielaudiometrie: ab dem 2.-3 Lebensjahr ist die Bestimmung der Hörschwelle durch Bewältigung spielerischer Aufgaben auf akustische Reize möglich.
Kindersprachaudiometrie: ab dem 3.Lebensjahr sind bereits einfache Bildzeigetests möglich,
Kindersprachtests (Mainzer, Oldenburger) meist erst ab dem 4.-5. Lebensjahr. Bei Schulkindern
können bereits wie beim Erwachsenen Tonschwellen - und Sprachaudiometrie durchgeführt werden.
Test des Sprachverständnisses im Störgeräusch und Dichotischer Hörtest
werden bei Lese- und Rechtschreibschwäche zur Erkennung einer auditiven Verarbeitungs- und
Wahrnehmungsstörung versucht.
ÄTIOLOGIE
Die Ursachen der Schwerhörigkeit sind mannigfaltig, weshalb nur die wichtigsten des Kindes- und
der Erwachsenenalters aufgeführt werden sollen:
a) Schallleitungs- und sensorineurale Schwerhörigkeit im Kindesalter
Im Säuglings- und Kindesalter können sowohl Schallleitungs- als auch Schallempfindungsschwerhörigkeiten oder kombinierte SH vorliegen.
Passagere Schallleitungs-SH:
die häufigste Ursache ist der Paukenerguss mit einem Altersgipfel zwischen 1. u. 4. Lebensjahr und
einer Inzidenz von ca 30%.
Permanente Schallleitungs-SH :
wird selten bei Kindern mit angeborener SH (ca 6%) beobachtet ( Fehlbildung des äußeren Gehörganges und/oder des MO, genuines Cholesteatom, Gefäßanomalie, Liquorfistel ).
Kongenitale, sensorineurale Schwerhörigkeiten :
sind in zirka 60 % genetisch bedingt und können in etwa 30% an Fehlbildungssyndrome insbesondere des Kopfes, Herz und Nieren gebunden sein, daher sind genetische Untersuchungen und Beratungen bei Kinderwunsch zu empfehlen(s.Tab. 6).Der übrige Teil wird von Risikofaktoren abhängig gemacht, wie Asphyxie,
Beatmungsbehandlung, Chromosomenanomalie, Dysmorphien des Schädels, Hyperbilirubinämie,
Geburtsgewicht (< 1500 g), Frühgeburt (< 32 SSW), intrakranielle Komplikationen (Ödem, Blutung, Kontusion, Krämpfe) und Infektionen (Sepsis, Meningitis, Toxoplasmose, Cytomegalie, Röteln).
Tabelle 6 Hereditäre Syndromale und Nonsyndromale Schwerhörigkeiten
Syndromale Schwerhörigkeiten:
Alport – Synd.
mit fortschreitender NINS
Pendred
mit Struma
Cogan
mit interstitieller Keratitis
Waardenburg
mit Pigmentstörungen der Augen, Haare und Haut
Usher
mit Retinitis pigmentosa
Francescetti
mit kraniofaziale Dysmorphie
Goldenhar
mit Ohrmuschelfehlbildung, Gesichts- Dysmorphie
Pierre-Robin
mit Mikrogenie, Gaumenspalte
Fourman
mit Ohrmuscheldysplasie, Ohrfisteln, Halszysten, NINS
Nonsyndromale Schwerhörigkeiten:
in 20 % dominante Vererbung durch einen Elternteil. Manifestation erst im späten Kindesalter.
Progredient. in 80% rezessive Vererbung durch beide Elternteile.
X-chromosomale SH.
Mitochondrale SH.
b) Schwerhörigkeit im Jugend- und Erwachsenenalter
Sensorineurale Schwerhörigkeiten im Jugend- und Erwachsenenalter können durch zahlreiche Ursachen wie vor allem Infektionen mit Entzündungen des Innenohres, akustischeTraumen , Medikamente, gewerbliche Schäden, Immunerkrankungen, Schädelhirntraumen und chronische interne
Erkrankungen bedingt sein (s.Tab.7a,b).
Tabelle 7a : Ursachen sensorineuraler Schwerhörigkeit im Jugend- und Erwachsenenalter
Hörschäden durch Infektionen:
Otitis media ac. et chronica, Meningitis, Borreliose, Lues, Röteln, Cytomegalie, Mumps,
Herpes zoster, AIDS
Hörschäden durch akustische Traumen:
Akutes und chronisches Lärmtrauma, Knalltrauma, Explosionstrauma
Hörschäden durch toxische Substanzen:
Lokale Anwendung : Neomycin, Gentamycin, Polmyxin B .
Systemische Gaben: Aminoglykosidantibiotika ( Streptomycin, Gentamycin, Tobramycin, Amikacin)
Sonstige Antibiotika: Vancomycin, Teicoplanin Zystostatika: Cisplatin Nichtsteroidale
Antirheumatika (Acetylsalizylsäure 2 - 5 g)
Weitere Substanzen: Furosemid, Chinin
Hörschäden durch gewerbliche Noxen:
Schwermetalle ( Blei,Quecksilber, Mangan, Cadmium - zentrale Schädigung ?)
Aromatische Kohlenwasserstoffe (Benzol, Nitrobenzol, Vinylbenzol, Tetrachlorkohlenstoffe )
Tabelle 7 b : Ursachen sensorineuraler Schwerhörigkeit im Jugend- und Erwachsenenalter
Hörschäden im Rahmen von Immunerkrankungen:
Wegenersche Granulomatose, Cogan Syndrom, Mb.Behcet, Relapsing Polychondritis,
Lupus erythematodes, Panarteriitis nodosa, etc
Hörschäden durch Schädelhirntraumen:
Commotio und Contusio labyrinthi, Contusio cerebri
Hörschäden im Rahmen chronischer interner Erkrankungen:
Diabetes mellitus, Hypertonie, allgemeine Gefäßsklerose, Herzkrankheiten
Hörschäden nach Hörsturz:
Virusgenese ( Herpes simplex,H.zoster, Influenza-,Adeno-,Masern-,Mumps-V.)
Gefäßgenese ( Thrombose, Embolie der A.labyrinthi und Äste)
Hörschäden im Rahmen von Syndromen:
Hereditäre Schwerhörigkeiten entwickeln sich häufig erst in späterer Kindheit oder des frühen
Erwachsenenalters (s.Tab.6)
c) Schwerhörigkeit im Alter (Presbyakusis)
Ältere Menschen stellen zahlenmäßig die größte Gruppe der Hörbeeinträchtigten dar,in der Gruppe der 60- bis 70-Jährigen jeder Dritte.
Hörverlust ist im hohen Alter eine Kombination von reiner Alterschwerhörigkeit und einer Akkumulation mehr oder weniger schädigender Einflüsse auf das Gehör wie in Tabelle 7 a u.b aufgeführt. Unter reiner Alterschwerhörigkeit wird die Alterung des Gehörapparates verstanden (degenerative und vaskuläre Veränderungen, Verlust von Haar-, Stria- , Stützzellen und Neuronen). Dabei spielen biologische und erbliche Faktoren eine Rolle. Es kommt zum Absinken der Hörschwelle
für hohe Töne, wodurch die Unterscheidung von Konsonanten und damit die auditive Kommunikation schwierig werden. Meist erfolgt die Hörverminderung langsam, so dass oft erst die Umgebung
den Betroffenen aufmerksam macht.
THERAPIEOPTIONEN BEI SCHWERHÖRIGKEITEN
Therapie der Schallleitungsschwerhörigkeit
In jedem Fall ist abzuwägen, mit welchem operativen Risiko der Versuch eine Schallleitungsstörung
zu beseitigen verbunden ist oder ob die Versorgung mit einem Hörsystem günstiger ist. Die Entscheidung beeinflussen werden die Lokalisation der Störung, Alter und Allgemeinzustand des Patienten sowie die berufliche Situation.
Die Schalltransmission von der Ohrmuschel zum Innenohr wird vor allem durch Stenosen des Gehörganges ( postentzündliche obturierende Gehörgangsstenose, angeborene Gehörgangsstenose
und –atresie, Paukenerguss, chronische MO-Entzündungen , Fixationen und Fehlbildungen der
Gehörknöchelchenkette ) verursacht.
1) Gehörgangsstenosen: durch Exostosen, Tumore , Entzündungen und angeborene Einengungen und Atresie kann die Schallleitung wesentlich beeinträchtigt sein.
Postentzündliche Obliteration des Gehörganges : das Narben- und Granulationsgewebe wird
endaural unter Mitnahme des Stratum cutaneum des Trommelfells entfernt, der knöcherne Gehörgang erweitert und freiliegender Knochen und Trommelfell mit Haut gedeckt. Rezidive sind relativ
häufig, eine sorgfältige Nachbe- handlung erforderlich.
Gehörgangsexostosen: Exostosen werden endaural lateral umschnitten, mit Fräsen bis zum Anulus
des Trommelfells abgetragen, der Gehörgang erweitert und der freiliegende Knochen mit Haut
gedeckt.
Angeborene Gehörgangsstenose und –atresie: ist oft mit einer Fehlbildung der Ohrmuschel verbunden, kann von einer hochgradigen Stenose bis zur vollständigen knöchernen Atresie ausgebildet
sein, ein- und beidseitig auftreten. Kinder mit beidseitiger Atresie müssen im Säuglingsalter mit
Knochenleitungshörgeraten, welche an einem Stirnband befestigt sind, versorgt werden. Eine Operation ist vor dem Schuleintritt zu erwägen. Präoperativ ist durch eine HR-CT der Pyramiden eine
Fehlbildung des MO auszuschließen und damit der mögliche Hörerfolg abzuschätzen. Insbesondere
bei der vollständigen Atresie sind die operativen Risiken, wie Lärmtrauma, Fazialisverletzung und
Restenosen, zu bedenken.
2) Chronisches Seromucotympanon: ist die häufigste Ursache der beidseitigen Schallleitungsschwerhörigkeit im Kindesalter. Etwa 90% der Kinder haben temporär einen Paukenerguss, bei 10
% entsteht ein chronisches Mukotympanon, das eine Schwerhörigkeit von 30 bis 40 dB hervorruft
und eine Sprachentwicklungsverzögerung , eine Schädigung des Trommelfells mit Entwicklung eines
Narbenprozesses des MO ( Otitis adhaesiva) und eine bleibende Hörminderung verursachen sowie
die Entwicklung eines Cholesteatoms begünstigen kann.
Ein Paukenerguss kann im Kindesalter einerseits eine Schallempfindungs-SH maskieren und andererseits kommt es bei einer bestehenden SH durch den Erguss zu einer weiteren Verstärkung der
Hörminderung, was die Entwicklung des Kindes massiv beeinträchtigen kann. Daher soll frühzeitig
therapiert und nach Abheilung des Seromucotympanons die Hörschwelle überprüft werden.
Führen konservative Therapiemaßnahmen (abschwellende Nasensprays oder-tropfen, Wärme,
Tubenventilationsübungen –Valsalva, Nasenballon, Antihistaminikum und topische Steroide bei Allergie, etc) nicht zum Ziel, ist eine Operation der Rachenmandel (Adenektomie) mit Parazentese
(Trommelfellpunktion) und abhängig von der Viskosität des Ergusses die Einlage von Paukenröhrchen erforderlich.
3) Chronische Mittelohrentzündung (Otitis media chronica):
Im Rahmen von Schleimhaut- und Knocheneiterung oder Cholesteatom kann es zuTrommelfelldefekten unterschiedlicher Größe bis zum Totalverlust kommen. Operativ wird im Rahmen einer
Tympanoplastik die Pathologie des Mittelohres eradiziert, wenn erforderlich eine Rekonstruktion
der Ossikelkette durchgeführt und das Trommelfell zum Verschluss des Mittelohres wieder aufgebaut. Es werden abhängig vom Ausmaß der MO-Erkrankung und der Defekte der Ossikelkette verschiedene Typen der Tympanoplastik angegeben, welche letztlich Modifikationen der ursprünglichen Einteilung von Wullstein sind. Der Zugang zum Mittelohr kann durch den Gehörgang (endaural, transmeatal),hinter der Ohrmuschel (retroaurikulär) oder die Kombination beider Wege gewählt werden. Zur Rekonstruktion der Gehörknöchelchenkette kann autologes oder alloplastisches
Material (z.B.Titan) verwendet werden und für den Trommelfellaufbau Faszie, Perichondrium,
Knorpelstreifen oder –inseln.
4) Hammerkopffixation und Otosklerose
Durch eine teilweise oder komplette Fixation bzw. Versteifung der Ossikelkette kommt es zunächst zur Ausbildung einer Schallleitungsschwerhörigkeit in den tiefen Frequenzen und schließlich
im gesamten Frequenzbereich.
Die Fixation des Hammerkopfes im Epitympanon kann meist transmeatal ohne Kettenunterbrechung
mit dem Laser gelöst werden.
Die Steigbügeloperation besteht in einer Entfernung der Stapessuprastrukur und Einsetzen einer
Prothese, die den Defekt vom langen Ambossschenkel (in seltenen Fällen vom Hammergriff) in das
eröffnete Vestibulum überbrückt. Wir unterscheiden 2 Techniken: die am häufigsten angewandte
Stapedotomie , wobei manuell oder mit dem Laser eine kreisrunde Perforation in der Steigbügelfußplatte angelegt wird, und die Stapedektomie, bei welcher nicht mehr die ganze Fußplatte entfernt wird, sondern meist nur das dorsale Drittel.
Therapie der sensorineuralen Schwerhörigkeit
Bei mittel- bis hochgradiger sensorineuraler SH ist zur Wiederherstellung der Kommunikationsfähigkeit die Versorgung mit Hörgeräten erforderlich, in ausgewählten Fällen zur Schallverstärkung
mit einem Mittelohrimplantat. Bei Hörresten und Taubheit, bei denen Hörgeräte nichts mehr nützen, kommen Cochlea- oder Hirnstammimplantate zur Anwendung.
Versorgung mit Hörgeräten
Eine Hörgeräteversorgung wird vom HNO-Arzt indiziert, wenn die Kommunikationsfähigkeit des
Betroffenen durch die SH eingeschränkt ist und die Hörstörung weder medikamentös noch operativ zu verbessern ist. Die Kriterien dazu werden durch Tonschwellenaudio-, Sprachaudiogramm
und Tympanogramm mit Stapediusreflex bestimmt (s.Tab.8).
Der Hörgeräteakustiker wählt mit dem Schwerhörigen die Bauform des Gerätes aus, die von medizinischen, ästhetischen und leitungsabhängigen Faktoren bestimmt wird: HdO-Gerät („Hinter dem
Ohr G.“) mit offener oder geschlossener (mit Ohrpassstück) Versorgung, wird getragen hinter dem
Ohr mit Schallschlauch in den Gehörgang. IO-Gerät („Im Ohr G.“) wird in der Concha oder im
Gehörgang getragen.
Tabelle 8 : Audiometrische Kriterien für ein Hörgerät
Bei beidseitiger Schwerhörigkeit: tonaudiometrischer Verlust auf dem besser hörenden Ohr 30 dB
oder mehr in mindestens einer der Frequenzen zwischen 500 und 3000 Hz, und einem Sprachverstehen bei 65 dB 80% und weniger (über Kopfhörer gemessen)
Bei einseitiger Schwerhörigkeit: Hörverlust von 30 dB oder mehr im Reintonaudiogramm bei 2000
Hz oder in mindestens 2 Prüffrequenzen zwischen 500 und 3000 Hz
Technisch sind die verschiedenen konventionellen Hörgeräte ähnlich gebaut und bestehen aus
Mikrofon, Verstärker und Schallgeber. Die Geräte können sich unterscheiden durch Signalverarbeitung und die Verstärkung. Bei analoger Signalverarbeitung bleibt das vom Mikrofon an den Verstärker abgegebene Signal unverändert, digitale Geräte wandeln das Eingangssignal in ein digitalisiertes Signal um, wodurch die Signale schneller, genauer und frequenzspezifischer verarbeitet werden
und sich dadurch für den Anwender wesentliche Vorteile ergeben.Nach der Auswahl des Gerätes
und einer Gewöhnungsphase überzeugt sich der verordnende HNO-Arzt von der ausreichenden
Verbesserung des Kommunikationsvermögen und Zweckmäßigkeit der Hörhilfe (Sprauchaudiometrie). Eine technische Besonderheit besteht in der CROS-Versorgung (contralateral routing signal) bei
einseitiger Taubheit oder nicht versorgbarer SH. Hierbei wird der Schall auf dem nicht versorgbaren Ohr mit einem Mikrofon aufgenommen und dem gut
hörenden Ohr zugeführt.
Implantierbare Hörsysteme für Schallleitungs- und kombinierte Schwerhörigkeiten
Knochenleitungsimplantate und aktive Mittelohr-Implantatsysteme kommen dann zur Anwendung,
wenn eine operative Beseitigung der Schallleitungskomponente nicht möglich oder nicht erwünscht
ist, kein Gehörgang angelegt ist oder für das Tragen eines konventionellen Hörgerätes nicht geeignet ist, chronische Entzündungen des Gehörganges, des Mittelohres oder sezernierende OpHöhlen bestehen .
1) Knochenleitungsimplantate
Teilimplantiertes System: das knochenverankerte Hörgerät (BAHA) besteht aus einem Titanimplantat, das die Osseointegration gewährleistet, einer Schnappkupplung und einem
Soundprozessor. Es kann auch beim Kind implantiert werden, sobald der retroaurikuläre
Knochen ausreichend dick ist. Die Zeit im Säuglings- und Kleinkindesalter wird durch das
Tragen eines Stirnbandes mit integrierten Soundprozessoren überbrückt. Vollimplantiertes
System: das aktive Knochenleitungsimplantat (Bonebridge) setzt sich aus dem Implantat mit
elektromagnetischem Wandler, Spule und Magnet sowie einem Audioprozessor zusammen
und hat den Vorteil, dass es unter der geschlossenen Haut liegt.
2) Aktive Mittelohrimplantate
Auch hier wird zwischen teil- und vollimplantierbaren Systemen unterschieden, Schallleitungskomponenten können meist überbrückt werden und eine Anhebung der Knochenleitungskurve um etwa 20 – 30 dB im Sprachfrequenzbereich erreichen. Bei den Vollimplantierbaren liegen alle Gerätekomponenten unter der Haut und die Energiequelle wird über
eine Induktionsspule aufgeladen, wogegen bei den Teilimplantierbaren Batterie, Mikrofon
und Audioprozessor wie beim CI extern hinter dem Ohr liegen( z.B. Vibrant Soundbridge ).
Die Ankoppelung an die Gehörknöchelchen im MO kann am Amboss oder an der Membran
des runden Fensters erfolgen.
Versorgung hochgradiger Schwerhörigkeit, Hörreste oder Gehörlosigkeit mit CochleaImplantat ( CI , Innenohrprothese )
Das Cochlea-Implantat ermöglicht mit Hilfe elektrischer Reizung des noch funktionsfähigen Hörnerven auditive Wahrnehmung –Hörempfindungen und Sprachverstehen. Über ein Mikrofon wird,
wie bei einem konventionellen Hörgerät, Schall aufgenommen, in einem Sprachprozessor verarbeitet und drahtlos transkutan zum Implantat, das aus Empfänger und Stimulator besteht, gesendet.
Nach Decodierung der Signale werden über in die Scala tympani eingeführte Elektroden unterschiedliche Hörnervenabschnitte stimuliert.
Zu Beginn der C I- Entwicklung wurden praktisch nur gehörlose Kinder und Erwachsene operiert.
Das verbesserte operative Vorgehen und die Weiterentwicklung der Mikroprozessor gesteuerten
Signalverarbeitung machten eine Indikationserweiterung möglich:




hochgradig schwerhörige Kinder, die mit konventionellen Hörgeräten keine
oder unzureichende Sprachentwicklung erzielen,
hochgradig schwerhörige Erwachsene, die mit Hörgeräten bei 70 dB maximal 30- 40 % Einsilber
verstehen ( bei beidseitiger hochgradiger SH kann eine bimodale Versorgung überlegt werden –
CI am schlechter hörenden Ohr und Hörgerät am Gegenohr kann zu einer wesentlichen Verbesserung der auditiven Kommunikation führen ).
bei Kindern Implantation doppelseitig simultan ( in 1 Sitzung ) oder sequentiell
(im Abstand von einigen Monaten)
erworbene einseitige Ertaubung mit und ohne dekompensiertem Tinnitus
Bei kongenital und prälinqual gehörlosen sowie perilinqual ertaubten und resthörigen Kindern mit
einer BERA-Schwelle von 90 dB oder schlechter in den Frequenzen von 1 kHz sollte nach einer
Beobachtungsphase mit optimierter Versorgung mit Hörgeräten und entsprechender Frühförderung sowie fehlenden Ansätzen zur Entwicklung von Lautsprache die Indikation zu einem CI – in
Österreich die Einwilligung der Eltern vorausgesetzt – gestellt werden. Die Operation sollte
zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat (spätestens im 2. Lebensjahr) erfolgen. Bei bakterieller Meningitis droht eine obliterierende Labyrinthitis, die eine intracochleäre Elektrodenimplantation
deutlich erschwert, daher sollte bei diesen Kindern nach radiologischer Diagnostik so früh wie
möglich eine CI-Versorgung durchgeführt werden.
Zentral- auditorische Implantate ( Hirnstammimplantate )
Das Hirnstammimplantat unterscheidet sich vom CI durch Oberflächenelektroden, die am Hirnstamm in der Nähe des Nucleus cochlearis verlegt werden.
Die Indikation ist gegeben bei Patienten mit neuraler oder cochleärer Taubheit , wie sie u.a. beobachtet werden kann bei bilateralen Akustikusneurinomen ( Neurofibromatose ), traumatischer
Hörnervenschädigung, postmeningitische Ertaubung mit Obliteration der Cochlea und Aplasie des
Hörnerven
Literatur: beim Verfasser
Univ. Doz. Dr. Robert Jakse
Privatklinik Leech
8010 Graz, Hugo-Wolf-Gasse 2-4
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