Standardisierte Diagnostik und Therapie des Rektumkarzinoms

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Therapieleitfaden:
Standardisierte Diagnostik und Therapie
des Rektumkarzinoms
Autorenschaft
Verantwortlicher
Prof. Dr. R. Roscher, Klinik für Viszeral- und Gefäßchirurgie,
Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik
Mitautoren
Frau Dr. V. Ghilescu, Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie, Klinikum Heidenheim
PD Dr. M. Grünewald, Medizinische Klinik III, Klinikum Heidenheim
Prof. Dr. H. Hebart, Zentrum für Innere Medizin, Klinikum Schwäbisch Gmünd, Stauferklinik
Prof. Dr. A. Imdahl, Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Klinikum Heidenheim
Prof. Dr. G. Kleber, Medizinische Klinik I, Ostalb-Klinikum Aalen
Prof. Dr. M. Siech, Klinik für Allgemein-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Ostalb-Klinikum Aalen
Prof. Dr. B. Ultsch, Abteilung für Chirurgie, Virngrund-Klinik Ellwangen
Quellenangaben
Anlehnung an die Leitlinien der Deutschen Krebsgesellschaft
Erstellt 18.07.2006
Aktualisierungszeitraum alle 2 Jahre
Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Rektumkarzinoms
1.
Definition Rektumkarzinom:
Adeno-Carcinom dessen Unterrand bei der Messung mit dem starren
Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie entfernt liegt.
2.
Prätherapeutische Diagnostik:
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(nach Coloskopie und präoperativ gesicherter Carcinomdiagnose):
Labor: BKS, Blutbild, GPT, alkalische Phosphatase, GGT, CEA.
Röntgenuntersuchung der Lunge in 2 Ebenen.
Sonographie des Abdomens, insbesondere der Leber und Nieren (bei
Verdacht auf Stauungsniere: i.v.-Ausscheidungsurogramm).
Rektoskopie durch Chirurgen.
Endosonographie des Rektums.
Computertomographie des Abdomens, alternativ MRT.
Evtl. Röntgenkontrasteinlauf (wenn Tumorstenose mit Endoskop nicht
überwunden werden kann).
Evtl. Sphinctermanometrie (vor tiefer anteriorer Resektion bei klinischem
Verdacht auf nicht ausreichende Sphincterleistung.
Zusätzliche Untersuchungen bei Verdacht auf lokale
Tumorumgebungsinfiltration:
• Männliche Patienten: Urologische Untersuchung mit Cystoskopie.
• Weibliche Patienten: Gynäkologische Untersuchung.
Spezielle Untersuchung bei Verdacht auf Fernmetastasen:
• CT-Abdomen,
• CT-Thorax,
• Skelettszintigraphie.
3.
Prätherapeutische klinische TNM-Klassifikation:
Tx:
T1:
T2:
T3:
T4:
Primärtumor kann nicht beurteilt werden
Tumor infiltriert Submucosa
Tumor infiltriert Muscularis propria.
Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder nicht
peritonealisiertes rektales Gewebe.
Tumor infiltriert direkt in andere Organe oder Strukturen.
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4.
N0:
Nx:
N1:
N2:
Keine regionären Lymphknoten.
Lymphknoten nicht beurteilbar.
bis 3 perirektale Lymphknoten.
mehr als 3 perirektale Lymphknoten.
Mx:
M0:
M1:
Fernmetastasen nicht beurteilbar.
Keine Fernmetastasen.
Fernmetastasen diagnostiziert.
Standardisierte Therapie:
1. Neoadjuvante Therapie
Ist nach klinischem Staging (rektal-digitale Untersuchung, Rektoskopie,
Endosonographie und Becken-CT oder Becken-MRT) ein T3- oder T4-Tumor
nachgewiesen oder besteht der Verdacht auf Lymphknotenmetastasen bei
beliebigem Tumorstadium (c M0), wird der Patient zu einer neoadjuvanten
Radiochemotherapie überwiesen.
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Neoadjuvante Therapie bei Rektum-Carcinom:
Bei Tumoren im Stadium cT3/4 cN0-2 und bei Tumoren im unteren
Rektumdrittel und intendiertem Spinctererhalt ist eine neoadjuvante
Radiochemotherapie indiziert.
Die Bestrahlung erfolgt in konventioneller Fraktionierung mit 5 x 1,8 Gy/Woche
bis 50,4 Gy.
Parallel dazu erhalten die Patienten in der 1. und 5. Bestrahlungswoche eine
Chemotherapie mit 5-FU 1 000 mg/m²/24 h Dauerinfusion, Tag 1 bis 5
(maximal 1800 mg 5-FU absolut). Die Lagerung der Patienten erfolgt in
Bauchlage im Bellyboard. Vor Beginn der Strahlentherapie erfolgt eine
Kontrastierung des Dünndarms mit oralem Kontrastmittel und des Rektums
nach retrograder Rektumfüllung.
Dauer der neoadjuvanten Radiochemotherapie ca. 6 Wochen.
Chirurgische Therapie des Tumors dann 4-6 Wochen nach Abschluss der
neoadjuvanten Therapie.
Fakultativ vorher Stomaanlage bei stenosierendem Tumor und Portanlage zur
Chemotherapie.
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2. Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel.
Folgende operative Verfahren stehen zur Verfügung:
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lokale Excision mit kurativer Zielsetzung
anteriore Rektumresektion mit Kontinenzerhaltung
abdomino-perineale Rektumexstirpation.
Die Entscheidung zum Kontinenzerhalt kann oft erst intraoperativ
abschließend getroffen werden. In keinem Fall darf die chirurgischonkologische Radikalität zugunsten des Kontinenzerhaltes eingeschränkt
werden.
Operationsvorbereitung
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5.
Präoperative Darmspülung (fakultativ, nicht evidenzbasiert!).
perioperative Antibiotikaprophylaxe
präoperatives Anzeichnen einer definitiven Colostomaposition und einer
temporären Ileostomaposition.
Transurethraler Blasenkatheter (beim Mann Wechsel intraoperativ gegen
einen suprapubischen Blasenkatheter)
Lagerung in Steinschnittlage
Operatives Vorgehen:
1) Lokale Tumorexcision.
Bedingung für eine lokale Tumorexcision mit kurativer Zielsetzung ist:
• Tumordurchmesser unter 3 cm
• palpatorisch nicht fixierter Tumor
• Endosonographie uT1 und N0 = Fehlen von metastasenverdächtigen
pararektalen Lymphknoten.
• In der Histologie gute bis mäßige Differenzierung (G1, G2) keine
Lymphgefäß-infiltration entsprechend einem „low-risk“-Carcinom.
• Operationsmethode ist die direkte transanale Excision oder die transanale
endoskopische mikrochirurgische (TEM-) Entfernung
• Eine Indikation zur postoperativen Strahlentherapie nach lokaler
Tumorexcision ist nicht gesichert, kann aber großzügig gestellt werden.
CAVE: Nachoperation erforderlich bei Tumor T > 1 respektive G > 2.
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2) Anteriore Rektumresektion und abdomino-perineale
Rektumexstirpation
Das technische Vorgehen orientiert sich an der Technik der sog. totalen
mesorektalen Excision (TME) mit gleichzeitiger Schonung der vegetativen
Blasen- und Genitalnerven.
Bei Tumoren des unteren und mittleren Rektumdrittel ist im Allgemeinen
die totale mesorektale Resektion erforderlich, bei Tumoren des oberen
Rektumdrittels muß das Mesorektum mindestens bis 5 cm unterhalb der
unteren Tumorgrenze mit horizontaler und nicht konischer Durchtrennung
mitentfernt werden.
Der distale Sicherheitsabstand bei kontinenzerhaltender Resektion sollte
am nicht gespannten Präparat mindestens 2 cm betragen. Im Zweifelsfall
soll eine intraoperative Schnellschnittuntersuchung des distalen
Absetzungsrandes durchgeführt werden.
Bei Tumoradhärenz benachbarter Strukturen (Dünndarm, Blase, Uterus,
Ovarien, Vagina, Samenblasen etc.) müssen diese en-bloc mitreseziert
werden.
Bei Kontinenzerhalt und maschineller tiefer Colo-Rektostomie wird wegen
des stark erhöhten Insuffizienzrisikos die prophylaktische Anlage eines
doppelläufigen Deviationsileostomas empfohlen.
3) Stomaanlage
Die geplante Position sowohl des definitiven Stomas, als auch eines
temporärern Deviationsstomas wird präoperativ im Stehen, Sitzen und
Liegen mit Hilfe der Stomatherapeutin angezeichnet.
Die Rückverlagerung eines Deviationsileostoma erfolgt nach 3 Monaten
wenn ein Peritrast-KE oder die endoskopische Untersuchung suffiziente
Anastomosenverhältnisse dokumentiert hat.
6.
Postoperative patho-histologische Diagnostik
Nach radikaler Tumorresektion sind für die weitere Therapieplanung Aussagen über
die loco-regionäre Vollständigkeit der Tumorentfernung (R-Klassifikation), die
Invasionstiefe des Tumors (pT-Klassifikation), den Lymphknotenstatus (pNKlassifikation), zu Einriss/Einschnitt in oder durch den Tumor sowie über Ausmaß
und Qualität der Mesorektumresektion notwendig. Erforderlich ist eine Aussage über
die Anzahl der untersuchten Lymphknoten. Nach neoadjuvanter Therapie ist ein
histologisches Regressionsgrading wünschenswert.
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7.
Chirurgische Therapie des Tumorrezidivs
Das loco-regionäre Rezidiv nach Rektumkarzinom kann als Anastomosenrezidiv, als
extraluminales Rezidiv oder als Lymphknotenrezidiv im kleinen Becken auftreten. Die
Indikation zur operativen Therapie des loco-regionären Rezidiv ist gegeben, wenn sie
mit potentiell kurativer Zielsetzung durchgeführt werden kann. Sie ist aber auch bei
lediglich palliativer Situation anzustreben.
Vor chirurgischer Therapie
Radiochemotherapie sinnvoll.
ist
die
Durchführung
einer
neoadjuvanten
Bei potentiell kurativer Zielsetzung
der
Rezidivoperation
wird
nach
kontinenzerhaltender Primäroperation in der Regel eine abdomino-perineale
Rektumexstirpation erforderlich sein. Die Regel ist, dass der Rezidivtumor währen
der Operation nicht gesehen werden darf.
In Ausnahmefällen ist bei Beteiligung von Nachbarorganen eine Beckenexenteration
mit Resektion des Os sacrum erforderlich.
8.
Fernmetastasen
Die Fernmetastasen sind am häufigsten in Leber und Lunge nachzuweisen.
Bei Lebermetastasen besteht
Voraussetzungen erfüllt sind:
•
•
•
eine
Operationsindikation
wenn
folgende
kurativ entfernter Primärtumor
Ausschluss von extrahepatischen Tumormanifestationen
technische Operabilität der Lebermetastasen und Erhalt ausreichend
funktionellem Restlebergewebe
Vergleichbare Indikationskriterien gelten für die Resektion von Lungenmetastasen.
Die Indikation zur adjuvanten Chemotherapie nach Metastasenresektion ist nicht
gesichert.
Die Indikation zur neoadjuvanten Chemotherapie vor Metastasenresektion ist
ebenfalls nicht gesichert.
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9.
Adjuvante Therapie
Tumoren im Stadium II und III:
Adjuvante Radiochemotherapie (durch das präoperative Staging wird die Indikation
zur neoadjuvanten Radiochemotherapie gestellt).
Eine postoperative Radiochemotherapie sollte allenfalls als Ausnahmesituation in der
klinischen Praxis auftauchen.
Postoperative adjuvante Radiochemotherapie:
Die Voraussetzung für die adjuvante Therapie ist die R0-Resektion des Tumors. Bei
Patienten mit Tumoren im Stadium pT3, pT4, R0 und jedes N+ wird innerhalb der 4.
bis 6. Woche nach der Operation die adjuvante Chemo-/Radiotherapie begonnen.
Die Patienten erhalten eine Radiotherapie in konventioneller Fraktionierung von 5 x
1,8 Gy/Woche bis 50,4 Gy gefolgt von einer Boostbestrahlung der primären
Tumorregion mit 5,4 bis 9 Gy, abhängig von der Infiltrationstiefe in das perirektale
Fettgewebe.
In der 1. und 5. Bestrahlungswoche erhalten die Patienten eine Chemotherapie mit
5-FU 1 000 mg/m²/24 h Dauerinfusion, Tag 1 bis 5 (maximal 1800 mg 5-FU absolut).
Nach Ende der Bestrahlung wird die Chemotherapie noch insgesamt vier mal mit 5FU 500 mg/m Bolus i.v. Tag 1 bis 5 alle vier Wochen fortgesetzt.
Vorangegangene neoadjuvante Chemotherapie:
Postoperativ weitere Chemotherapiezyklen.
10.
Palliative Chemotherapie
Eine palliative Chemotherapie kommt bei nicht resezierbaren Fernmetastasen oder
bei peritonealer Metastasierung in Frage.
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Therapieleitfaden: Standardisierte Diagnostik und Therapie des Rektumkarzinoms
11.
Palliative Strahlentherapie bei Lokalrezidiven:
Nach R1-Resektion oder intraoperativem Tumoreinriss sollte postoperativ radio/chemotherapiert werden. Die Radiochemotherapie erfolgt wie in der adjuvanten
Situation, die Bootsdosis wird auf 14,4 Gy erhöht.
Lokalrezidive eines Rektumkarzinoms können präoperativ behandelt werden.
Dabei wird die kombinierte Chemo-/Radiotherapie wie in der primär-neoadjuvanten
Chemo-/Radiotherapie durchgeführt.
Inoperable Patienten erhalten eine kombinierte Chemo-/Radiotherapie wie bei R1Situation (5 x 1,8 Gy/Woche bis 50 Gy + 14,4 Gy Boost). Die Chemotherapie kann
mit 5-FU oder mit Capecitabine oder intensiverer Protokolle z. B. Oxaliplatin oder
Irinotecan, kombiniert werden.
12.
•
•
•
Nachsorge
Bei Tumorstadium UICC I sind regelmäßige Nachsorgeuntersuchungen nicht
indiziert.
Eine Coloskopie nach zwei und fünf Jahren zur Früherkennung von
Zweittumoren kann empfohlen werden. Lediglich bei G 3- und G 4-Tumoren
ist eine engmaschigere Nachsorge angezeigt.
Auch bei lokaler Tumorexcision wird in den ersten 2 Jahren eine
rektoskopische und endo-sonographische Untersuchung halbjährlich
empfohlen.
Nachsorgeempfehlungen bei Patienten mit Rektumkarzinom im
UICC-Stadium II und III:
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•
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•
•
•
Alle 6 Monate Anamnese, Ultraschall, CEA.
Coloskopie nach 6 Monaten falls präoperativ nicht vollständig, sonst erstmals
nach 3 Jahren, danach alle 5 Jahre.
Abdomensonographie alle 6 Monate.
Sigmoidoskopie nach 6, 12, 18 und 24 Monaten bei Rektum-Carcinom ohne
adjuvante oder neoadjuvante Radiochemotherapie.
Becken-CT 3 Monate nach Abschluss der Therapie (Ausgangsbefund).
Keine routinemäßige Röntgenkontrolle der Lunge empfohlen.
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