Interview mit Heribert Gathof „Positive Leadership” ist ein relativ neuer Weg, um Führung wirkungsvoller, nachhaltiger und auch leichter zu machen. Positive Leadership beruht auf den theoretischen Grundlagen systemischen Denkens und auf den Erkenntnissen und Methoden der „Positive Sciences“, vor allem der Positiven Psychologie. In manchen Organisationen hat sich dieser Zugang bereits bewährt. Ruth Seliger hat mit einigen von ihnen gesprochen und sie zu ihren Erfahrungen befragt. Hier das Gespräch mit Heribert Gathof, bis vor kurzem Geschäftsführer von Eckes-Granini Deutschland. Herr Gathof, Sie waren 15 Jahre lang Geschäftsführer von Eckes-Granini Deutschland. In dieser Funktion haben Sie vieles in dem Unternehmen verändert und weiter entwickelt. Eine dieser Entwicklungen war die Neuausrichtung von Führung auf Prinzipien und Methoden von Positive Leadership. 1. Was hat Sie dazu veranlasst? Was war der Auslöser und was wollten Sie erreichen? Auf meinem „Karriereweg“ habe ich immer wieder die Widersprüche zwischen Sachebene und menschlicher Ebene beobachtet und erlebt. Als ich selbst Mitarbeiter führen sollte, wollte ich es irgendwie anders machen. 2. Wie haben Sie begonnen, was waren die ersten Schritte? Da ich mich schon während der Schul- und Studienzeit sehr für Psychologie interessiert hatte, versuchte ich z. B. die Erkenntnisse der Transaktionsanalyse nach Eric Berne für mich zu nutzen. Jedenfalls hat es mich immer interessiert, wie man mit der Brille „Mensch“ auf die handelnden Personen schaut, das hat mir früh geholfen mit Widersprüchen besser umzugehen. So richtig interessant wurde es, als ich Ende der 80’er Jahre ein Seminar „Seven-Basic-Habits“ mit Steven Covey besucht habe. Da wurde mir klar, dass ich kein „klassischer“ Manager sein wollte. Über Zeit wurden mir die Unterschiede zwischen Management und Leadership deutlich. Später kam die Systemtheorie, Soziologie und Neurobiologie dazu. Meine Frau hat eine Ausbildung in Systemischer Beratung gemacht, das hat mir immer wieder Ansätze für meine Praxis gegeben. Über viele Jahre habe ich mit systemischen Beratern gearbeitet. Mit Peter Kruse und Gerald Hüther wurden mir die Erkenntnisse der Hirnforschung zugänglich. 1 3. Was hat den Unterschied zur bisherigen Führungskultur bzw. dem bisherigen Führungsverständnis gemacht? Den Unterschied haben sicher in der Hauptsache die Fragen ausgelöst, in welchem Rahmen Kreativität, Freude am gemeinsamen Gestalten, Begeisterung für ein gemeinsames Ziel, höhere Kundenzufriedenheit, Entwickeln von Produktneuheiten etc. besser gelingt. Mittels dieser Fragen kamen die Erkenntnisse auf, was wirklich sinnvoll ist und wie man sich die Räume dafür schafft, dies auch anzupacken. 4. Wie haben die Führungskräfte darauf reagiert? Es hat eine Zeit gedauert bis die „andere“ Führungshaltung für die Führungskräfte lesbar und verstehbar war. Schwer fiel es, das Vertrauen Schritt für Schritt aufzubauen, teilweise gegen Blockaden. Sobald klar wurde, dass dadurch deutlich mehr Energie, mehr angeregte Diskussionen, mehr konstruktive Reibung und die Nutzung der im Geschäft und in der Organisation steckenden Potenziale möglich wurde, wurde es leichter. Vor allem haben die gemeinsamen Denk- und Konzeptionsprozesse die daran anschließenden Umsetzungsphasen schnell und einfach gemacht. Die Führungskräfte wollten das Gemeinsame dann auch selbst „in die Welt“ bringen. 5. Wie haben die Mitarbeiter darauf reagiert? Anfangs haben sich die Mitarbeiter wie die Führungskräfte reserviert gezeigt. Erst die neu entstandene Zusammenarbeit schaffte neue positive Erfahrungsfelder „auf Augenhöhe“ mit den Chefs. Es gab durchaus Einzelne, die erst spät „mitgezogen“ haben, weil Ihnen das alles zunächst suspekt war. Es führte in Summe aber zu einer deutlich höheren Leistungsbereitschaft, einem neuen Zusammengehörigkeitsgefühl, die Mitarbeiter fühlten sich gesehen und gehört, die emotionale Bindung an das Unternehmen und das Vertrauen wuchsen. 6. Hat diese Veränderung von Führung Auswirkungen auf das Unternehmen, etwa auf die Ergebnisse, gehabt? Welche? Die Organisation hat zunehmend gemerkt, dass dieses andere Führungsverständnis, die ungewohnten Formen der Zusammenarbeit in der Landesgesellschaft von der Firmenzentrale argwöhnisch betrachtet wurden. Umso mehr wurde klar, dass gute Ergebnisse, eine weiterhin klare betriebswirtschaftliche Orientierung und das Reporting wichtig waren. Die Attraktivität der neu entstandenen Gestaltungsräume galt es zu bewahren, teilweise zu verteidigen. Am Ende setzten sich die höhere Leistungsbereitschaft und die neuen Formen der Zusammenarbeit in deutlich bessere Zahlen um. Das Ergebnis des Unternehmens verdoppelte sich im Mehrjahres-Vergleich bei gleicher Kopfzahl. Die Qualifikation der Mitarbeiter wuchs, der Mut, das Zutrauen, die Identifikation, das „Wir-Gefühl“ waren im täglichen Tun spürbar und sichtbar. Es fiel auch zunehmend leichter talentierte neue Mitarbeiter zu gewinnen, da auch diese wussten oder spürten, dass da ein anderer „Geist“ herrscht. 2 7. Wie hat sich diese Veränderung auf Sie selbst ausgewirkt – auf Ihr Verhalten, auf Ihre Befindlichkeit? Über die Zeit ist für mich klarer geworden, dass dieser Leadership-Weg der zukunftsträchtigere ist. Das war nicht immer so. Ich fühlte mich lange als „Fremdkörper“, als Störenfried für meine Chefs, die eher dem „alten“ Managementdenken mit Schubladen-Menschenbildern anhingen. Verhalten aus dieser Management-Überzeugung heraus hat mich zornig gemacht, aber hat mich auch stets motiviert dem etwas „dagegen“ zu setzen. Frei nach dem Motto: „... und es geht auch anders“! Und zwar mit Menschlichkeit und herausragenden Zahlen, Daten, Fakten. So konnte ich die Widersprüche für mich überbrücken lernen. Ich habe auch stets offen mit meiner Mannschaft über meine Überzeugungen gesprochen. Heute bin ich stolz darauf und gleichzeitig bleibe ich bescheiden, denn es gibt nicht den einen Weg. 8. Worauf kommt es Ihrer Meinung nach an, wenn man Positive Leadership in die Praxis umsetzen möchte? Was ist zu beachten? Was sind die wichtigsten Empfehlungen? Es braucht ein gutes Verständnis, wie ein Unternehmen „tickt“. Wo setze ich auf? Was gelingt im Unternehmen gut, vielleicht sogar trotz festgestellter Defizite? Wo steht das Unternehmen in seiner Betriebswirtschaft? Welche Verhaltensmuster herrschen in der Führung, im Mittelmanagement und bei den kunden-/marktnahen Mitarbeitern? Wie sehen die Kunden das Unternehmen? Womit wird im Wesentlichen das Geld verdient? Wo schlummern die Potenziale? Und was ist zu erwarten, wenn es genau so weiter geht, wie das alles heute so „tickt“? Durch die Beantwortung dieser Fragen werden die Wurzeln des Unternehmens, die schon vorhandenen Kompetenzen, das gute Gelingen, aber eben auch die „bremsenden“ Energien sichtbar. Dann kann ich anfangen den daraus abzuleitenden Handlungsfeldern neue Impulse Innen und nach Außen zu setzen. Dies wird von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Zum Beispiel ist in einem Fall die Meinung da es sei eine Strategieentwicklung nötig, nach genauerem Hinsehen und Hinhören liegt der Grund aber in einem bremsenden Führungsverhalten. In einem anderen Fall beklagt man die fehlende Motivation, das fehlende Mitziehen der Organisation, man stellt jedoch fest, es fehlt eine Perspektive, ein Leitbild, der Glaube an die Zukunft. Jedes mal werden andere Impulse gebraucht, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Die Zusammenarbeit ist gegebenenfalls neu auf den Sinn und Zweck des unternehmerischen Tuns zu justieren. Es geht dann nicht länger um Ressourcen(aus)nutzung sondern um die in Geschäft und Menschen steckenden Potenziale. Deshalb die Aussage: es gibt nicht den einen Weg. Die Haltung, einhergehend mit einem anderen Führungsverständnis, zielt auf eine sinnhafte Kopplung von Geschäft und Mensch, ausgerichtet auf Leistungserbringung und einer lebendigen Zusammenarbeit in einer zunehmend komplexer werdenden Welt. Vielen Dank für das Gespräch und alles „Gute“ – in jeder Hinsicht! 3 Zur Person: Heribert Gathof Nach Studium der Betriebswirtschaft und Berufseinstieg in der Werbeagentur GREY in Düsseldorf setzte Heribert Gathof seinen Berufsweg in Marketing und Vertrieb von namhaften Markenartiklern fort. Nach KRAFT, WICK Pharma und Proctor & Gamble vertiefte er seine unternehmerische Kompetenz bei ECKES-Granini. Die letzten 15 Berufsjahre war er Geschäftsführer von ECKES-Granini Deutschland (hohes C, granini) und Mitglied der Internationalen Geschäftsleitung der ECKES-Granini Group (15 Landesgesellschaften in Europa). Heute berät er Unternehmen als Impulsgeber für Führung, Organisation und nachhaltige Geschäftserfolge. Neben der Betriebswirtschaft setzt er Instrumente des systemischen Managements ein, die er bereits in seiner Berufspraxis nutzte, um Geschäft und handelnde Personen „nach Vorne zu bringen“. Er ist überzeugt, dass Veränderung und Geschäftserfolg dann am Besten gelingt, wenn Menschen sich wertgeschätzt sehen, Verbundenheit spüren, gefragt sind und damit die Geschäftspotenziale und Ihre Leistungs-Potenziale besser entwickelt werden. 4