Forschungsprojekte Arbeitsgruppe Prof. Dr

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Projekt 3 AG Jahrsdörfer:
Entwicklung plasmazytoider dendritischer Zellen als Tumorvakzine
Zusammenfassung: Die überwiegende Zahl klinischer Studien, die sich mit
Tumorvakzinierung anhand dendritischer Zellen (DCs) beschäftigen, verwenden bislang
autologe, aus Monozyten abgeleitete dendritische Zellen (sog. Mono-DCs) von Patienten.
Dies hat zwei entscheidende Nachteile. Zum einen erfordert die ex-vivo-Ausreifung dieses
Typs von DCs etwa 7 Tage, also eine relativ lange Zeit, in der sich die Zellen außerhalb ihres
physiologischen Umfeldes befinden. Zum anderen sind sowohl die Zahl als auch die Qualität
autologer DCs häufig durch die Grunderkrankung und die Vorbehandlung des Patienten stark
eingeschränkt. Eine interessante Alternative stellen daher allogene plasmazytoide
dendritische Zellen (pDC) gesunder, HLA-gematchter Spender dar. PDC sind hochpotente,
antigenpräsentierende Zellen, deren Voräufer im peripheren Blut zirkulieren und nach
Aktivierung innerhalb von maximal 24 Stunden ausreifen. Seit kurzem ist ihre Isolation nach
den Richtlinien des good manufacturing practice möglich, eine klinische Anwendung daher in
greifbare Nähe gerückt. Das unten beschriebene Projekt soll den Weg zur Etablierung
allogener pDC als Vakzine für Tumor- und Infektionserkrankungen in Ulm bahnen.
Detailbeschreibung: Impfstoffe (Vakzine) sind inzwischen aus der medizinischen
Versorgung nicht mehr wegzudenken. Die primäre Idee einer Vakzinierung besteht darin,
einem Individuum inaktiviertes Material eines Krankheitserregers so zu applizieren, dass sein
Immunsystem eine Immunantwort gegen wichtige Bestandteile dieses Krankheitserregers
aufbauen kann, welche ihn in Zukunft gegen entsprechende Infektionen schützt. Die ersten
Versuche mit Impfstoffen gegen Pockenerreger wurden bereits im 18. Jahrhundert
durchgeführt, Seitdem wurden erfolgreich zahlreiche aktive Impfungen gegen verschiedene
Erreger entwickelt. Klassische Impfungen gegen Infektionserreger sind prophylaktische
Impfungen, welche den Verlauf einer Infektionserkrankung abschwächen oder ihren
Ausbruch verhindern sollen. Vakzinierungen gegen Tumoren stellen eine deutlich größere
Herausforderung dar, da man sich von ihnen auch einen therapeutischen Effekt bei bereits
aufgetretener Erkrankung erhofft. Ein solcher therapeutischer Effekt kann nur eintreten, wenn
die bereits etablierte Immuntoleranz gegen körpereigenes Gewebe, in diesem Fall also gegen
Tumorgewebe, wieder rückgängig gemacht wird. Zwar weiß man inzwischen, dass eine
Immunantwort gegen einen Tumor umso leichter induzierbar ist, je mehr Mutationen dieser im
Laufe seiner Entstehung akkumuliert hat. Nichtsdestotrotz wird die Mehrzahl der mit einem
Tumor assoziierten Antigene vom Immunsystem nicht erkannt und damit toleriert. Inzwischen
ist klar, dass die durch eine effektive Impfung ausgelöste Immunantwort nicht nur die
Entwicklung von Antikörpern beinhaltet, sondern über die Aktivierung sogenannter
dendritischer Zellen (DCs) auch antigenspezifische T-Zellen induziert. DCs sind also auch bei
klassischen azellulären Impfstoffen integral an der Entstehung einer wirksamen Impfantwort
beteiligt.
DCs können als hoch entwickelte zelluläre „Maschinen“ betrachtet werden, die darauf
spezialisiert sind, Antigene aufzunehmen, zu zerkleinern, und dann antigenspezifischen TZellen auf MHC-Molekülen so zu präsentieren, dass diese aktiviert werden, sich teilen, und
letztendlich zytotoxisches Potential gegen Zellen aufbauen, welche die gleichen bzw.
ähnliche Antigene exprimieren. DCs sind an praktisch jeder zellulären Immunantwort beteiligt,
also etwa bei Infektionserkrankungen oder bei der frühen Erkennung maligne entarteter
Zellen. DCs können jedoch nicht nur eine zytotoxische Immunantwort induzieren, sondern
eine solche auch hemmen bzw. Toleranz gegen bestimmte Antigene und
antigenexprimierende Zellen aufbauen. Dieser Dualismus von DCs hängt in allererster Linie
davon ab, in welchem Milieu DCs mit Antigenen beladen und ausgereift werden. Dies
bedeutet, dass die Vorbehandlung, Beladung und Ausreifung von DCs in einem definierten
Milieu ex-vivo eine Kontrolle darüber erlaubt, ob die resultierenden reifen DCs eine
zytotoxische Immunantwort oder stattdessen Toleranz gegenüber bestimmten Antigenen und
antigenexprimierenden Zellen induzieren. Im Gegensatz hierzu bietet eine azelluläre Vakzine
(also ohne exogen zugeführte DCs) kein solches Kontrollelement, hier hängt die
Immunantwort daher sehr stark von patientenassoziierten Faktoren ab, und muss durch
gleichzeitig mit den Antigenen applizierte Adjuvantien wie Alum oder MPL in die gewünschte
Richtung gelenkt werden.
Eine besondere Art von DCs sind sogenannte plasmazytoide dendritische Zellen (pDCs).
PDCs sind „natürlicherweise“ vorkommende DCs, deren Vorläufer in einer Frequenz von
etwa 0,1 - 0,5% kontinuierlich im peripheren Blut zirkulieren, und die bei Bedarf umgehend in
entzündete Gewebe (z.B. Infektionsherde oder Tumorgewebe) einwandern können. In
solchen Entzündungsherden können pDCs dann sehr rasch (< 24 Stunden) Antigene
aufnehmen und durch TLR-Liganden aktiviert werden. Dies ist ein klarer Vorteil gegenüber
artifizielleren Typen von DCs wie den in bisherigen klinischen Studien am häufigsten
eingesetzten, aus Monozyten abgeleiteten mono-DCs, deren Differenzierung insgesamt ca. 7
Tage in Anspruch nimmt. Zwei weitere Besonderheiten von pDCs sind zum einen, dass sie in
der Lage sind, exogene Antigene nicht nur auf MHC-II-, sondern auch auf MHC-I-Molekülen
+
+
zu präsentieren (Kreuzpräsentation), und damit sowohl CD4 als auch CD8 zytotoxische TZellen zu aktivieren. Zum anderen produzieren pDCs auch verschiedene Zytokine mit
potentiell antineoplastischer und antiviraler Aktivität wie z.B. IFN-α oder TNF-α. Wie bereits
erwähnt, können patientenassoziierte Faktoren wie das Tumormilieu in einem Patienten dafür
sorgen, dass auch pDCs einen tolerogenen Phänotyp entwickeln. Dies ist etwa bei Patienten
mit Kopf- und Halstumoren beschrieben, wo pDCs zwar primär erkennen, dass sie zur
Bekämpfung des Tumors benötigt werden und deshalb in das Tumorgewebe einwandern.
Statt dann aber nach Antigenaufnahme zu den drainierenden Lymphknoten zu wandern,
bleiben sie im Tumorgewebe gefangen, bewahren dort ihren unreifen tolerogenen Phänotyp
und supprimieren zusätzlich jegliche T-Zellen, die den Tumor attackieren könnten, anstatt sie
weiter zu aktivieren. Auf diese Weise schützt sich der Tumor indirekt vor einem Angriff durch
das Immunsystem. Auch bei der Verwendung von pDCs als Tumorvakzine ist es daher von
großer Wichtigkeit, Reifungsbedingungen zu identifizieren, die eine möglichst effiziente TZell-Aktivierung durch ex vivo ausgereifte pDCs ermöglichen. Unsere bisherigen Vorarbeiten
weisen darauf hin, dass die Ausreifung von pDCs über einen zweistufigen Prozess unter
Einwirkung verschiedener Zytokine (insb. IL-3 und IL-10) und Liganden (v.a. toll-like-receptor
(TLR)-Liganden und CD40-Ligand) vonstatten geht (Abb. 1).
Abbildung 1. Konzept der zweistufigen Aktivierung plasmazytoider dendritischer Zellen.
Abkürzungen: GzmB = Granzym B, MHC = Major Histocompatibility Complex , TLR = Toll Like Receptor
Eine weitere zentrale Frage ist, welche Antigenquelle für die Beladung von pDCs
herangezogen werden sollte. Der Vorteil einzelner definierter tumorassoziierter Peptide wie
z.B. MAGE oder NY-ESO-1 ist neben der sicheren Verfügbarkeit, dass diese ein exaktes
Monitoring der Immunantwort nach Vakzinierung erlauben. Demgegenüber hat die
Verwendung von Tumorlysat vor allem den Vorteil, dass der Antigengehalt individuell auf den
entsprechenden Tumor zugeschnitten ist, dass das Antigenspektrum insgesamt breiter ist
und sowohl unmutierte als auch mutierte Antigenvarianten enthält, und dass es
unterschiedliche Arten von Antigenen enthält wie etwa Peptidantigene, aber auch
Nukleinsäuren, die möglicherweise für die Biosynthese weiterer Tumorantigene in den pDCs
zur Verfügung stehen. Optimal wäre also am ehesten eine Kombination aus Tumorlysat des
Patienten und einigen definierten und für den Tumor relativ spezifischen Peptidantigenen. Die
klinische Applikation der resultierenden pDCs sollte dann letztendlich so durchgeführt
werden, dass sie eine schnelle und direkte Migration der pDCs zu den drainierenden
Lymphknoten mit raschen und häufigen T-Zell-Begegnungen erlaubt. Anbieten würden sich
hier z.B. eine initiale intranodale, gefolgt von mehreren lymphknotennahen subkutanen
Applikationen.
Für die Gewinnung von pDCs kommt grundsätzlich das periphere Blut des Patienten selbst
als auch das Blut eines nach bestimmten HLA-Kriterien ausgesuchten gesunden Spenders in
Frage (Abb. 2). Allgemein lässt sich feststellen, dass die Qualität von DCs in Anwesenheit
maligner Erkrankungen, insbesondere bei zusätzlicher chemotherapeutischer oder
radiologischer Behandlung des Patienten, deutlich leidet. Dies betrifft sowohl ihre Fähigkeit,
Antigene zu präsentieren, als auch ihr Potential, nach Aktivierung einen immunogenen
Phänotyp zu entwickeln. Zudem wurde vielfach beobachtet, dass DCs aus Tumorpatienten
dazu neigen, regulatorische T-Zellen zu induzieren, ein Effekt, der der Entwicklung einer
robusten Anti-Tumor-Immunantwort ebenfalls im Weg steht. Hinzu kommt die Tatsache, dass
die Gewinnung einer ausreichend hohen Zahl an pDC-Vorläuferzellen bei Patienten häufig
limitiert ist, sei es durch vorbestehende Chemotherapien oder durch die zugrunde liegende
Erkrankung selbst. All diese Punkte lassen es sinnvoll erscheinen, für zukünftige
Tumorvakzinierungsansätze prinzipiell eher auf allogene anstelle autologer pDCs zu setzen.
Abbildung 2. Mögliche Präparation und Applikation plasmazytoider dendritischer Zellen.
Unabhängig davon könnte eine gewisse HLA-Diversität einen zusätzlichen Vorteil bezüglich
der Effizienz der Antigenpräsentation durch allogene pDCs bringen. Es ist bekannt, dass
bestimmte HLA-Muster mit verschiedenen immunologischen Erkrankungen assoziiert sind.
Bei Autoimmunerkrankungen ist dies unter anderem darauf zurückzuführen, dass definierte
Antigene durch die HLA-Moleküle des betroffenen Patienten besser präsentiert werden,
wodurch es zum erleichterten Aufbau einer zytotoxischen T-Zell-Antwort gegen diese
Antigene bzw. gegen Zellen, die diese Antigene tragen, kommt. Beispiele hierfür sind das
myelin basic protein (MBP) bei multipler Sklerose oder melanozytäre Antigene bei Vitiligo.
Andererseits treten auch bestimmte Infektionen und Tumorerkrankungen gehäuft bei
Patienten mit definierten HLA-Mustern auf. Man kann daher im Umkehrschluss davon
ausgehen, dass bei diesen Patienten bestimmte Antigene schlechter präsentiert werden und
damit der Aufbau einer effizienten T-Zell-Antwort gegen virusinfizierte Zellen oder
Tumorzellen erschwert ist. Allogene pDCs, welche in wenigstens einem MHC I-Lokus (HLAA/B) different zum patienteneigenen HLA-Muster sind, könnten daher das Spektrum an
präsentierbaren tumorassoziierten Antigenen deutlich erweitern. Eine Vakzinierung mit
+
solchen allogenen pDCs könnte möglicherweise zusätzliche tumorreaktive CD8 T-Zellen
aktivieren, die patienteneigene pDCs selbst dann nicht aktivieren könnten, wenn sie
funktionell intakt wären.
Natürlich sind auf dem Weg zu einer allogenen pDC-Vakzine auch verschiedene Probleme
denkbar. Eine mögliche Hürde ergibt sich aus der Annahme, dass allogene pDCs aufgrund
ihrer differenten HLA-Ausstattung schneller aus der Zirkulation des Patienten entfernt werden
als autologe pDCs und damit eine kürzere Wirkdauer haben. Dies ist durchaus nicht
ausgeschlossen. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass selbst im autologen setting DCs
untergehen, sobald sie die zu ihnen passenden T-Zell-Klone aktiviert haben, da die aus
diesen Klonen hervorgehenden zytotoxischen T-Zellen die entsprechenden DCs erkennen
und damit zerstören können. Zudem haben pDCs als terminal differenzierte Zellen ohnehin
eine begrenzte Lebensdauer, was im Sinne der Selbstlimitierung der Immunantwort auch
erwünscht ist. Im allogenen setting sollten pDCs daher möglichst nah an dem oder den
tumordrainierenden Lymphknoten appliziert werden (subkutan oder intranodal), so dass sie
rasch in diese Lymphknoten einwandern und dort mit so vielen naiven T-Zellen wie möglich in
Kontakt kommen und sie aktivieren können. Eine weitere mögliche Besorgnis ist, dass
allogene pDCs möglicherweise gar nicht in der Lage sein könnten, HLA-fremde T-Zellen des
Empfängers antigenspezifisch zu aktivieren. Dies erscheint jedoch aus der Erfahrung heraus,
dass auch nach allogener Stammzelltransplantation HLA-fremde Interaktionen zwischen
pDCs und T-Zellen möglich sind, eher unwahrscheinlich. Dies erklärt auch, warum z.B. eine
graft-versus-host-disease (GvHD) primär in Geweben auftritt, die eine hohe Prävalenz an
antigenpräsentierenden Zellen aufweisen, also Leber, Haut und Darm. Umgekehrt könnte
man jedoch auch die Befürchtung haben, dass allogene pDCs bzw. im Präparat befindliche
allogene T-Zellen eine akute GvHD auslösen. Es ist jedoch zu bedenken, dass bei der
Applikation allogener pDCs ein gewisser GvHD- bzw. „Host-versus-Host“-Effekt“ gegen
tumorassoziierte Empfängerantigene durchaus erwünscht wäre. Letztendlich hat auch bei der
allogenen Stammzelltransplantation der sogenannte graft-versus-leukemia (GvL)-Effekt einen
signifikanten Anteil an der Verhinderung von Tumorrezidiven. Eine weitere wichtige
Erkenntnis aus der allogenen Stammzelltransplantation ist in diesem Zusammenhang der
Befund, dass höhere Zahlen an Spender-pDCs mit einem niedrigeren Rezidivrisiko und einer
gleichzeitig niedrigeren Rate an GvHD einhergehen, was insgesamt in einem höheren overall
survival resultiert. Unter dem Strich ist daher zu erwarten, dass eine allogene pDC-Vakzine
deutliche Vorteile für Patienten bringen wird.
Eine ganz andere Sorge bei der Entwicklung von DC-basierten Vakzinen gilt der Tatsache,
dass in den letzten Jahren eine Reihe von neuen Substanzen wie Kinase- und CheckpointInhibitoren die klinische Prüfung erreichen und teilweise beeindruckende Ergebnisse bei
bestimmten Tumoren erzielen konnten. Dies wirft die Frage auf, ob solche neuen Substanzen
möglicherweise DC-Vakzine überflüssig machen könnten. Insbesondere CheckpointInhibitoren wie Ipilimumab oder Pembrolizumab zeichnen sich neben ihrer hohen
Wirksamkeit jedoch auch durch ein breites Spektrum an teils schwerwiegenden
unerwünschten Wirkungen aus, die in erster Linie auf eine zu unspezifische Aktivierung des
Immunsystems zurückzuführen sind. Gerade hier erscheint es daher sogar als Chance, beide
Ansätze miteinander zu kombinieren. PDCs könnten als immunologisches „Steuerruder“
betrachtet werden, welches zunächst die Richtung für eine Immunantwort vorgibt. Parallel
dazu könnten dann niedrigdosierte Checkpoint-Inhibitoren wie Ipilimumab die
immunologische „Bremse“ auf antigenspezifischen zytotoxischen T-Zellen lösen und so eine
spezifischere Immunreaktion erlauben als ohne begleitende pDC-Vakzinierung (Abb. 3).
Abbildung 3. Kombination plasmazytoider dendritischer Zellen mit Checkpoint-Inhibitoren.
Eine Kombination von pDCs mit neuen immuntherapeutischen Substanzen wie Checkpoint-Inhibitoren könnte
synergistische Effekte ermöglichen. Während pDCs als immunologisches „Steuerruder“ fungieren und so die korrekte
Richtung für eine erwünschte Immunantwort vorgeben würden, könnten Checkpoint-Inhibitoren die immunologische
„Bremse“ auf zytotoxischen T-Zellen lösen oder weitere Substanzen wie Zytokine oder kostimulatorische
monoklonale Antikörper das immunologische „Gaspedal“ betätigen. Auf diese Weise würde eine erwünschte
antigenspezifische Immunantwort gegenüber unerwünschten Immunreaktionen in den Vordergrund treten.
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