PPA Zöliakie erfordert lebenslange glutenfreie Diät

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MEDIZINWISSEN
Zöliakie erfordert lebenslange glutenfreie Diät
von Dr. med. Marianne Schoppmeyer, Medizinjournalistin, Nordhorn
| Aktuelle Daten zeigen, dass die Zöliakie (früher auch einheimische Sprue
genannt) häufiger vorkommt als bislang vermutet. Zudem treten erste
­Beschwerden immer häufiger nicht bereits im Kindesalter auf, sondern
erst im Erwachsenenalter. Das bedeutet, dass viele Zöliakie-Patienten erstmals in der Hausarztpraxis mit ihren Beschwerden vorstellig werden. |
Was ist eine Zöliakie?
Zöliakie ist eine chronische Erkrankung des Dünndarms, von der in Deutschland bis zu 800.000 Menschen betroffen sind. Es handelt sich um eine sogenannte Autoimmunerkrankung, bei der es zu einer Fehlregulation des
­körpereigenen Abwehrsystems kommt, wenn Gluten mit der Nahrung auf­
genommen wird.
Zöliakie:
Fehlregulation des
Abwehrsystems
Das Klebereiweiß Gluten ist in vielen Getreidesorten wie Weizen, Roggen,
­Dinkel, Hafer, Grünkern und Gerste enthalten. In der Folge führt Gluten bei
betroffenen ­Menschen zu einer Entzündung der Dünndarmschleimhaut. Im
Dünndarm werden die mit der Nahrung zugeführten Nährstoffe in ihre Bestandteile ­zerlegt. Damit sie in ausreichender Menge vom Körper aufgenommen werden können, ist die Schleimhaut des Dünndarms in zahlreiche
finger­ähnliche Falten, die sogenannten Zotten, gelegt. Diese Zotten bilden
sich bei der Zöliakie zurück. In der Folge können Nährstoffe nicht in aus­
reichender Menge vom Dünndarm aufgenommen werden. Es tritt eine
Malabsorption auf, die Ursache weiterer Beschwerden ist. Nachfolgend
­
­gelangt die Nahrung nur halbverdaut in den Dickdarm und ruft dort Bauchkrämpfe und Durchfälle hervor.
Auslöser:
Glutenhaltige
Ernährung
Eine Krankheit mit vielen Gesichtern
PDF erstellt für Gast am 05.04.2017
Als klassische Symptome einer Zöliakie gelten Übelkeit, Durchfall, Gewichtsverlust, Wachstumsstörungen, Osteoporose und Anämie. Allerdings sind kaum
zwei Krankheitsfälle identisch, so unterschiedlich sind die Beschwerden, über
die Ihre Patienten klagen. Berichtet Ihnen ein Patienten beispielsweise von
Schlaflosigkeit, Müdigkeit oder Depressionen, können auch dies mögliche
­Anzeichen einer unbehandelten Zöliakie sein. Die Symptome sind mitunter so
unspezifisch, dass eine korrekte Diagnose erst nach Jahren gestellt wird.
Beschwerden sehr
unterschiedlich
MERKE | Wenn Kinder Beschwerden haben, können diese von chronischem
Durchfall bis zu chronischer Verstopfung reichen. Bei Kindern wird auch häufig
ein Eisenmangel, Unzufriedenheit oder Weinerlichkeit sowie stagnierendes
Wachstum beobachtet.
Langfristig haben Patienten mit einer unbehandelten Zöliakie ein erhöhtes
Risiko, an Tumoren zu erkranken, vor allem an Non-Hodgkin-Lymphomen.
Erhöhtes Krebsrisiko
07-2016PRAXISTEAM
PROFESSIONELL
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Wie wird die Diagnose gestellt?
Untersuchung
des Serums,
Gastroduoendoskopie
Vor allem das Team in den Praxen von Kinderärzten, Allgemeinmedizinern und
Internisten sollte für die Beschwerdevielfalt von Zöliakie­patienten aufmerksam sein. Klagen Patienten über zöliakieverdächtige Symptome, ist eine serologische Untersuchung angebracht. Dabei werden Antikörper gegen Gewebetransglutaminase im Serum nachgewiesen. Dieser Test ist sehr zuverlässig
und fällt bei den meisten Zöliakie-Patienten positiv aus. Um mit letzter Sicherheit feststellen zu können, dass eine Zöliakie vorliegt, sollte sich an die Blut­
untersuchung eine Gastroduodenoskopie (Magen- und Zwölffingerdarmspiegelung) anschließen. Dabei werden kleine Schleimhautproben aus dem Dünndarm entnommen, die dann zur Untersuchung in ein Labor geschickt werden.
◼◼Kinder mit diesen Erkrankungen auch ohne Symptome testen
„„ Diabetes mellitus Typ 1
„„ Trisomie 21 (Down-Syndrom)
„„ Ullrich-Turner-Syndrom
„„ Selektiver IgA-Mangel
„„ Schilddrüsenautoimmunerkrankung (Autoimmunthyreoiditis)
„„ Autoimmunhepatitis
„„ IgA-Nephropathie
Glutensensitivität
Glutenfreie Diät
lindert Beschwerden
Treten nach dem Genuss getreidehaltiger Produkte Bauchschmerzen und
weitere Beschwerden auf, eine Zöliakie konnte aber nicht nachgewiesen werden, liegt unter Umständen eine Glutensensitivität vor. Anders als bei der Zöliakie wird bei einer Glutensensitivität keine Rückbildung der Zotten im Dünndarm nachgewiesen. Trotzdem profitieren diese Patienten von einer glutenfreien Ernährung. Allerdings ist eine so strenge Diät wie bei der Zöliakie nicht
notwendig. Die Beschwerden verschwinden bei den meisten Patienten, wenn
der Genuss glutenhaltiger Lebensmittel um etwa 90 Prozent reduziert wird.
MERKE | Eine glutenfreie Ernährung wird immer beliebter. Viele Menschen
­ ntscheiden sich auf Gluten zu verzichten in dem Glauben, ihre Verdauung zu
e
verbessern und ihr Immunsystem zu stärken. Das sollte jedoch keinesfalls dazu
führen, glutenfreie Ernährung als Modeerscheinung abzutun. Patienten mit
­Zöliakie leiden an einer lebenslangen Erkrankung, deren einzige Therapie eine
glutenfreie Ernährung ist.
PDF erstellt für Gast am 05.04.2017
Was kann therapeutisch getan werden?
Bei anhaltenden
Beschwerden Diät
überprüfen
Eine lebenslange glutenfreie Diät ermöglicht Zöliakie-Patienten ein völlig beschwerdefreies Leben. Medikamente oder andere medizinische Behandlungsmöglicheiten existieren nicht. Klagen Patienten trotz glutenfreier Ernährung
weiterhin über Beschwerden, sollte die Diät genau überprüft werden. Eine
wirklich glutenfreie Diät einzuhalten, ist nicht einfach und Ernährungsfehler
aufgrund von Fehlinformationen oder mangelndem Wissen treten schnell auf.
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PPA
Glutenfreie Ernährung
Gluten besitzt Eigenschaften, die Lebensmittelhersteller gerne nutzen. In
Backwaren verleiht es dem Teig seine typisch klebrig-zähe elastische Konsistenz, die wichtig für die Backfähigkeit eines Teiges ist. Es stabilisiert aber
auch Lebensmittel, verbindet Fett mit Wasser und ist ein guter Trägerstoff für
Farb- und Aromastoffe. Daher findet sich Gluten aus lebensmitteltechno­
logischen Gründen auch in vielen Lebensmitteln, in denen auf den ersten
Blick kein Getreide enthalten ist. Dazu gehören viele Halbfertig- und Fertigprodukte. Zöliakie-Patienten dürfen diese Lebensmittel nicht essen.
Gluten: Häufiger
Zusatzstoff in
Fertigprodukten
◼◼Beispiele für Lebensmittel, die Gluten enthalten
„„ Brot, Kuchen, Pizza, Knabbergebäck
„„ Nudeln, Grieß, Müsli, Knödel
„„ Bier
„„ Pommes frites, Kroketten
„„ Suppen, Wurst, Frischkäse­zubereitungen
„„ Schokolade, Pudding, Eis
„„ Fertiggerichte
Auch scheinbar
„getreidefreie“
Lebensmittel
enthalten Gluten
INFORMATION
Glutenhaltiges Getreide und die daraus hergestellten Zutaten müssen auf
den Lebensmitteletiketten aufgeführt werden. Eine Liste glutenfreier
­Nahrungsmittel sowie eine Liste glutenhaltiger Nahrungsmittel kann auch
auf der Internetseite der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e. V. eingesehen
werden (siehe weiterführende Hinweise).
Lebensmittellisten
online
Selbsthilfegruppen empfehlen
Patienten, die von einer Zöliakie oder einer Glutensensitivität betroffen sind,
haben gerade kurz nach der Diagnosestellung viele Fragen. Diese reichen
von der richtigen medizinischen Betreuung über „sichere“ Lebensmittel bis
zu ­einem beschwerdefreien Alltag. Empfehlen Sie diesen Patienten, sich­
­einer Selbsthilfegruppe anzuschließen. Dort finden sie neben dem Austausch
mit Leidensgenossen u. a.:
Infos zu glutenfreien
Rezepten, Spezialprodukten und
Restaurants
PDF erstellt für Gast am 05.04.2017
„„ umfangreiche Informationen, wo beispielsweise glutenfreie Spezial­
produkte erworben werden können.
„„ eine Vielzahl glutenfreier Rezepte, mit denen sich leckere Brote und
­Kuchen zubereiten ­lassen,
„„ Adressen von Restaurants, die sich auf Zöliakiebetroffene eingestellt
­haben und glutenfreie Speisen anbieten
Viele dieser Informationen finden sich zudem auf der Internet-Seite „ZöliakieTreff“, einem Forum rund um Zöliakie.
INFORMATION
↘↘ WEITERFÜHRENDE HINWEISE
Selbsthilfegruppen
online
•Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e.V.: www.dzg-online.de
•Zöliakie-Treff: http://www.zoeliakie-treff.de/zoeliakie/index.php
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