4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 4 Schlanksalmler (Lebiasinidae) – ideale Aquarienfische von Dr. Axel Zarske Paar von Pyrrhulina semifasciata, Foto: H.-J. Richter Prächtiges Männchen des alten Aquarienstammes von Copella arnoldi, Foto: H.-J. Richter 4 AF 227 E inige Arten der Schlanksalmler oder Lebiasinidae der Gattungen Copeina, Copella, Pyrrhulina und Nannostomus gehören bereits seit mehr als einhundert Jahren quasi zum eisernen Bestand der Aquarienkunde. Sie lassen sich im Allgemeinen unter Aquarienbedingungen leicht pflegen und vermehren. Weitere Vorzüge sind ihre relativ geringe Körperlänge (nur wenige Arten erreichen eine Gesamtlänge von bis zu 15 cm) und ihre absolute Friedfertigkeit sowohl gegenüber Artgenossen als auch anderen Arten. Hinzu kommt, dass diese Fische meist über eine ansprechende Färbung und ein überaus interessantes Verhaltensinventar verfügen. Wenn man alle diese Fakten bedenkt, so sollte man meinen, dass hier die häufigsten und beliebtesten Aquarienfische charakterisiert werden. Doch weit gefehlt. Obwohl die Schlanksalmler der Unterfamilie 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 5 Pyrrhulininae alle die genannten Vorzüge aufweisen, trifft man sie vergleichsweise selten in den Aquarien der Liebhaber an. Diese Situation ist eigentlich schwer zu verstehen. Richtig triftige Gründe hierfür kann ich nicht anführen. Vielleicht liegt es aber gerade daran, dass diese Fische so anspruchslos und pflegeleicht sind, dass sie in keiner Hinsicht Probleme bereiten und deshalb auch keine ernsthafte Herausforderung für den heute in vieler Hinsicht arg verwöhnten Aquarienfreund darstellen. Mich jedenfalls faszinieren die Schlanksalmler seit meiner frühesten Jugend. Und sie haben für mich bis heute nichts von dieser Faszination verloren. Im Gegenteil, ich finde es immer noch spannend, mich mit diesen Tieren zu beschäftigen, weil es in diesen Gattungen viel Neues zu entdecken gibt und noch etliche ungelöste Rätsel auf ihre Klärung warten. Es scheint damit an der Zeit, alle gesicherten Daten über diese Fischgruppe sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus aquaristischer Sicht einmal zusammenzustellen, weil es aufgrund der Fülle der Informationen schwierig ist, den Überblick zu behalten. Dabei bin ich mir durchaus im Klaren darüber, dass die hier dargestellten Fakten noch lange nicht den Endstand unseres Wissens darstellen. Dazu sind viel zu viele Probleme ungelöst und so manche Missverständnisse als „gesichertes Allgemeinwissen“ verbreitet. Vielleicht gelingt es mir ja, mit dieser Übersicht Gleichgesinnte zu finden, die ebenfalls von diesen Tieren begeistert sind, und die mit mir gemeinsam versuchen, etwas mehr Licht in das Dunkel der vielen offenen Fragen zu bringen. Im Folgenden möchte ich also kurz den gegenwärtigen aquaristischen und wissenschaftlichen Wissensstand über die Unterfamilie der Pyrrhulininae zusammenfassen und auf Probleme hinweisen, die von Aquarianern mit ihren Möglichkeiten bearbeitet und vielleicht auch gelöst werden können. Dabei sollen hier zunächst die Gattungen Copeina, Copella und Pyrrhulina abgehandelt werden. Eine spätere ausführliche Publikation wird sich mit den Ziersalmlern der Gattung Nannostomus beschäftigen. In der Übersicht (rechts) sind alle bislang wissenschaftlich bekannten Arten dieser Gattungen aufgeführt. Solche, von denen bereits aquaristische Erfahrungen vorliegen, werden in diesem Beitrag ausführlich besprochen und in vielen Abbildungen dargestellt. Die Schlanksalmler der Familie Lebiasinidae leben in stehenden oder langsam fließenden, häufig stark mit Wasserpflanzen bewachsenen Gewässern Mittel- und Südamerikas. Von Costa Rica und Panama im Norden reicht das Verbreitungsgebiet bis nach Argentinien im Süden. Außer in Chile kommen Schlanksalmler in allen Ländern Südamerikas vor. Historisch betrachtet war lange Zeit umstritten, wo diese Fische im System der Salmler (Characiformes) eigentlich anzuordnen sind. Auch heute sind diese Probleme noch nicht abschließend geklärt. Die Familie gliedert sich in zwei oder vielleicht auch drei Unterfamilien, deren genaue phylogenetische Zusammenhänge ebenfalls noch nicht zufriedenstellend aufgeklärt sind. Dabei handelt es sich zum Einen um die eigentlichen Lebiasininae. Diese Unterfamilie umfasst gegenwärtig drei Gattungen. Dabei handelt es sich um die meist relativ großwüchsigen Arten der Gattungen Lebiasina (17 Arten), Piabucina (9 Arten) und Derhamia (1 Art), die teil- Bislang bekannte Arten der Gattungen der Unterfamilie Pyrrhulininae in alphabetischer Reihenfolge Copeina FOWLER, 1906 Copeina guttata (STEINDACHNER, 1876) Copeina osgoodei EIGENMANN, 1922 Copella Copella Copella Copella Copella Copella Copella Copella Copella Copella MYERS, 1956 arnoldi (REGAN, 1912) callolepis (REGAN, 1912) carsevennensis (REGAN, 1912) compta (MYERS, 1927) eigenmanni (REGAN, 1912) meinkeni ZARSKE & GÉRY, 2006 nattereri (STEINDACHNER, 1876) nigrofasciata (MEINKEN, 1956) vilmae GÉRY, 1963 Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina Pyrrhulina VALENCIENNES in CUVIER & VALENCIENNES, 1847 australis EIGENMANN & KENNEDY, 1903 beni PEARSON, 1924 brevis STEINDACHNER, 1876 eleanorae FOWLER, 1940 elongata ZARSKE & GÉRY, 2001 filamentosa VALENCIENNES in CUVIER & VALENCIENNES, 1847 laeta (COPE, 1872) lugubris EIGENMANN, 1922 maxima EIGENMANN & EIGENMANN, 1889 melanostoma (COPE, 1870) obermuelleri MYERS, 1926 rachoviana MYERS, 1926 semifasciata STEINDACHNER, 1876 spilota WEITZMAN, 1960 stoli BOESEMAN, 1953 vittata REGAN, 1912 zigzag ZARSKE & GÉRY, 1997 Piabucina astrigata REGAN, 1903, Foto: D. Bork Forellensalmler-Weibchen, Copeina guttata, Foto: H.-J. Richter AF 227 5 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 6 Weibchen des Forellensalmlers, Copeina guttata, Foto: F. Schäfer Bezahnung der Kiefer von Lebiasina bimaculata (L) und Pyrrhulina filamentosa (P) in der Ansicht von außen sowie von Nannostomus beckfordi (N) in der Ansicht von innen, Zeichnung: aus ZARSKE & GÉRY 2002 oberflächlich mit wissenschaftlichen Namen um, so dass viele Probleme hausgemacht erscheinen. Andererseits muss aber auch gesagt werden, dass es in der Vergangenheit nicht möglich war, bestimmte Typusexemplare, besonders amerikanischer Museen, einzusehen, so dass manche Fragestellungen deshalb noch nicht abschließend geklärt werden konnten. Die zahlreichen Verwechslungen haben in der Geschichte der Aquarienkunde mehrfach zu hitzigen Diskussionen geführt, die bis in die jüngste Aquarienliteratur reichen. Andererseits hat aber auch die Aquarienkunde die spezielle Ichthyologie auf diesem Gebiet sehr stark befruchtet. Immerhin ist fast die Hälfte der jetzt wissenschaftlich bekannten Arten mancher Gattungen zunächst von aquaristischen Freizeitforschen entdeckt und später von Wissenschaftlern beschrieben worden. Im Typusmaterial besonders der alten Species befinden sich oft mehrere Arten und/oder die Typusexemplare sind Jungfische, bei denen die wichtigen artcharakteristischen Merkmale noch nicht ausgebildet sind. Das führt dazu, dass wir uns zwangläufig auch mit der Historie der Aquaristik und der ungeliebten Taxonomie der einzelnen Arten auseinandersetzen müssen, wenn wir ein umfassendes und 6 AF 227 weise relativ farblos und auch meist aggressiv gegenüber anderen Fischen sind. Als Aquarienfische sind diese Tiere deshalb nicht gut geeignet. Die Gattung Lebiasina unterscheidet sich von der Gattung Piabucina durch das Fehlen einer Fettflosse, die bei Piabucina vorhanden ist. In diesem Fall scheint die Unterscheidung der beiden Gattungen anhand dieses Merkmales praktikabel zu sein. Bei der Gattung Nannostomus hat die Abgrenzung einer Gattung (Poecilobrycon) anhand dieses Merkmales jedoch versagt, da es bei verschiedenen Arten sowohl Exemplare mit einer Fettflosse als auch Tiere ohne Fettflosse gibt. Die Gattung Derhamia stellt vermutlich die Schwestergruppe zu der gesamten Unterfamilie der Pyrrhulininae dar (LUJAN & ARMBRUSTER 2011). Die verbleibenden Arten gehören gegenwärtig zur Unterfamilie der Pyrrhulininae. Sie verteilen sich auf die Gattungen Copeina (2 Arten), Copella (9 Arten), Pyrrhulina (17 Arten) und Nannostomus (18 Arten). Dabei ist davon auszugehen, dass in beiden Unterfamilien noch lange nicht alle Arten wissenschaftlich beschrieben wurden. In der Vergangenheit gab es zahlreiche taxonomische Probleme und auch gegenwärtig werden viele Arten oft verwechselt, so dass es zur Zeit noch große Unsicherheiten beim richtigen Ansprechen gibt. Aquarianer bemerken es daran, dass mehrere Arten mit unterschiedlichen wissenschaftlichen Namen gepflegt und gehandelt wurden und werden. Es sind nicht unbedingt Fehler, die durch das Fehlen wissenschaftlicher Kenntnisse begründet sind. Manche Aquarienfreunde gehen sehr Kopfmorphologie von Pyrrhulina filamentosa (links) und Copella carsevennensis (rechts), beachte die dreieckige bzw. trapezartige Form des Zwischenkiefers (Praemaxillare), den geraden bzw. gebogenen Verlauf der Oberkiefers (Maxillare) sowie die Stellung der Nasenlöcher (Narinen), Zeichnung: aus ZARSKE & GÉRY 2004 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 7 schlüssiges Bild von dieser Artengruppe bekommen wollen, soweit das gegenwärtig möglich ist. Die Familie der Schlanksalmler ist nicht sehr artenreich. Sie besteht gegenwärtig nur aus knapp über 60 wissenschaftlich beschriebenen Arten. Darüber hinaus sind in der Aquarienkunde auch Formen bekannt, die gegenwärtig noch nicht offiziell wissenschaftlich benannt sind. Schlanksalmler sind langgestreckte, seitlich wenig zusammengedrückte Fische mit einem oberständigen Urostyl von Pyrrhulina rachoviana bei einem 24 Tage altem Jungfisch von etwa 14 mm Gesamtlänge, Zeichnung: aus HOLLY, MEINKEN, RACHOW (o.J.) Paar von Copella arnoldi vom Rio Xingu, Foto: K. Arendt Maul. Die Bezahnung ist gattungscharakteristisch, insbesondere die Form der Zähne erlaubt gewöhnlich eine Gattungszuordnung der einzelnen Arten. Die Reduktion der Seitenlinie bis auf wenige durchbohrte Schuppen oder deren vollständiges Fehlen ist neben der Abwesenheit eines kleinen Knochens am oberen Rand der Augenhöhle (Supraorbitale) eines der wichtigsten morphologischen Merkmale der Familie. Die Flossen sind vergleichsweise kurz. Bei vielen Arten sind die Rücken-, Bauch-, After- und auch Schwanzflossen bei den Männchen verlängert. Hinzu kommt, dass die Männchen meist etwas größer und Aufsitzen des Weibchens auf dem Männchen beim Spritzsalmler, Copella arnoldi, Foto: H.-J. Richter AF 227 7 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 8 Paarungsbeginn bei Copella arnoldi Paar vor dem Absprung Paar beim Laichen oberhalb des Wassers Frisch abgelegte Eier Männchen beim Bespritzen des Geleges Larven vor dem Schlupf, Fotos: H.-J. Richter Pyrrhulina australis mit der Krankheit „Black Blotch“; vermutlich handelt es sich um Parasiten, die sich in der Haut eingenistet haben, die Fische aber nicht allzu stark belasten, Foto: H.-J. Richter Pyrrhulina rachoviana mit Ichthyothirius-Befall, Foto: H.-J. Richter 8 AF 227 farbenfreudiger erscheinen. Die Arten entsprechen demnach mehr dem ökologischen Typ eines Oberflächenfisches, z.B. eines Eierlegenden Zahnkarpfens, als dem eines typischen, generalisierten Salmlers. Diesen würde man als einen die mittleren Wasserschichten bevorzugenden Fisch, etwa einen Vertreter der Gattungen Astyanax, Moenkhausia, Hyphessobrycon oder Hemigrammus ansehen. Ein weiteres Merkmal der gesamten Familie ist das Auftreten eines Urostyls im Larvenstadium der Fische. Beim Urostyl handelt es sich um ein stabförmiges Knochenstück, das in einem bestimmten Stadium der Embryonalentwicklung der Jungfische gebildet wird und eine Stütze der Schwanzflosse darstellt. Später wird es zurückgebildet und ist bei den älteren Entwicklungsstadien nicht mehr zu erkennen. Das Urostyl wurde in dieser Familie erstmalig von MEINKEN (1927) an 10 bis 15 Tage alten und etwa sieben Millimeter großen Jungfischen einer Art, die von ihm als Nannostomus anomalus bezeichnet wurde, entdeckt und als Fettflosse fehl gedeutet. MYERS (1928) identifizierte die von MEINKEN beobachtete Fettflosse jedoch als Urostyl. Für Pyrrhulina rachoviana ist das Urostyl von MEINKEN (ohne Jahrgang) in der Bearbeitung RACHOWs in HOLLY, MEINKEN & RACHOW (7 m, 42; S. 127/128) abgebildet. Die Gattungen Copeina und Copella unterscheiden sich durch den einreihig mit konischen Zähnen besetzten Kieferknochen Praemaxillare von der Gattung Pyrrhulina, die ein zweireihig bezahntes Praemaxil- 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 9 lare besitzt, und durch die Kopfmorphologie. Oft werden schlanke Arten, deren Männchen über stark ausgezogene Rücken-, After-, Bauch- und Schwanzflossen verfügen, mit der Gattung Copella assoziiert. Es gibt aber auch Pyrrhulina-Arten, die diese Merkmale aufweisen. So wurde zum Beispiel Pyrrhulina zigzag in der Aquaristik lange für eine Copella-Art gehalten, obwohl die ausschlaggebende Kopfmorphologie etwas ganz anderes aussagt. Die Gattung Copeina ist vor allem dadurch charakterisiert, dass ihr Körper relativ hochrückig ist und dass die Flossen besonders im männlichen Geschlecht nicht so stark verlängert sind, wie das bei den Copella-Arten der Fall ist. Die Pflege der Schlanksalmler ist, wie bereits angedeutet, sehr einfach, wenn es sich nicht um frische Wildfänge aus extremen Schwarzwassergebieten handelt. Derartige Fische werden bei zu krassem Umschwung der Wasserverhältnisse von sauren zu neutralen Wasserwerten stark von Bakterien befallen, die unter den extrem sauren Wasserverhältnissen in manchen natürlichen Habitaten nicht in der Häufigkeit wie im Aquarium vorkommen. In diesem Fall leiden die Fische z.B. an Flossenfäule. Gesunde Tiere überstehen diesen Umschwung aber gut, wenn er langsam erfolgt und sie ausreichend und optimal ernährt werden. Gut eingewöhnte Fische, wie man sie im Zoohandel angeboten bekommt, gedeihen in kleinen bis mittelgroßen Aquarien mit dichtem Pflanzenwuchs am besten, eigentlich unter fast allen, nicht zu extremen Wasserverhältnissen. Die Vorzugstemperatur richtet sich nach der Herkunft der Fische und kann demnach entsprechend des großen Verbreitungsgebietes der Arten beträchtlich schwanken. Sie sollte zwischen 22 und 26°C liegen. Ein wöchentlicher Teilwasserwechsel von etwa einem Drittel des Aquarienwassers wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Fische aus. Paar von Pyrrhulina lugubris beim Einleiten der Paarung, Foto: H.-J. Richter Paarung bei Pyrrhulina lugubris, Foto: H.-J. Richter Moment der Eiablage bei Pyrrhulina lugubris, Foto: H.-J. Richter AF 227 9 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 10 Moment des Besamens bei Pyrrhulina lugubris, Foto: H.-J. Richter Männchen von Pyrrhulina lugubris beim Bewachen des Geleges, Foto: H.-J. Richter Männchen des Forellensalmlers, Copeina guttata, Foto: H.-J. Richter Als Futter eignen sich vor allem Insekten und deren Larven, aber auch gute Trockenfutterpräparate. Will man die Fische jedoch züchten, so sollte man Mückenlarven, insbesondere größere Mengen Schwarzer Mückenlarven (Culex) verfüttern. Es eignet sich aber auch Anflugnahrung (auf die Wasseroberfläche gefallene kleine Insekten), die man am besten als Wiesenplankton mittels Kescherfang gewinnt. Will man das interessante Verhalten dieser Fische beobachten, so pflegt man sie zweckmäßiger Weise im Artaquarium oder vergesellschaftet sie mit anderen, nicht zu schwimmaktiven Arten. Alle Schlanksalmler sind keine allzu schnellen Schwimmer. Die Fische können zwar bei Beunruhigung, wenn man sie zum Beispiel aus einem Becken heraus fangen möchte, kurzfristig erstaunliche Geschwindigkeiten erzielen, meist stehen sie jedoch ruhig zwischen den Wasserpflanzen. Das Balzverhalten und die Fortpflanzungsbiologie sind artspezifisch und hoch interessant. So gibt es Arten, die in Gruben des Bodengrundes oder auf Steinen ihre Eier ablegen, andere wiederum heften sie auf die Oberfläche großblättriger Wasserpflanzen und der Ablaichvorgang des Spritzsalmlers, Copella arnoldi, außerhalb des Wassers ist geradezu einzigartig in der Natur. Will man die Fische züchten, so sollte man sich stets eine relativ große Gruppe von Ausgangstieren besorgen, da die Fische im Paarungsverhalten seitenspezialisiert sind. Bei der Paarung drehen sich die Tiere in eine bestimmte Richtung, wobei die Partner natürlich gemeinsam in dieselbe Richtung drehen müssen, um erfolgreich ablaichen zu können. Genaue artspezifische Unterschiede im Ablaichverhalten der einzelnen Arten hat noch niemand erfasst und vergleichend dargestellt. Das wäre eine interessante Aufgabe für fortgeschrittene Aquarianer, die auch ichthyologisch zu neuen Erkenntnissen führen könnte. Der Forellensalmler, Copeina guttata (STEINDACHNER, 1876) Der Forellensalmler ist eine der größten Arten der Unterfamilie. Er wächst im Aquarium durchaus auf eine Größe von etwa 10 cm heran. Nach Literaturangaben soll er sogar eine Gesamtlänge von bis zu 15 cm erreichen. Ich habe in meiner Jugend jedoch nur Tiere von etwa 12 cm Gesamtlänge gepflegt. Das waren ausgesprochen stattliche Exemplare, wie ich sie lange nicht mehr gesehen ha- 10 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 11 be. Die Fische können jedoch bereits ab einer Größe von etwa sechs bis sieben Zentimetern zur Fortpflanzung schreiten. Forellensalmler stammen aus dem oberen und mittleren Amazonasgebiet (Brasilien, Peru, Kolumbien und Ekuador). Ich habe die Art zusammen mit peruanischen Helfern 1997 unter einer Brücke in der Nähe von Pucallpa bei Santa Clara gefangen. Es handelte sich dabei um ein verlandendes Gewässer, das zur Trockenzeit einen nur sehr geringen Wasserstand (etwa 5 bis 10 cm) aufwies, in dem ich die Tiere nie vermutet hätte. Die Männchen sind größer, schlanker und intensiver gefärbt als die Weibchen. Sie besitzen außerdem etwas stärker verlängerte Rücken-, Bauch- und Afterflossen. Auch der obere Schwanzflossenlappen ist etwas größer. Diese Verlängerungen erreichen jedoch bei weitem nicht das Ausmaß, wie es von einigen Copella-Arten bekannt ist. Pflege und Vermehrung sind einfach und bereiten bei Beachtung der bereits oben geschilderten Voraussetzungen keinerlei Probleme. Die Fische sollten allerdings entsprechend ihrer Größe in nicht zu kleinen Behältern gepflegt werden, die gut abgedeckt sein müssen, da die Fische ausgezeichnet zu springen vermögen. Trotz ihrer Größe sind sie jedoch absolut friedlich gegenüber anderen Beckenbewohnern. Die Forellensalmler laichen meist in Gruben, die dadurch entstehen, dass die Fische mit heftigen kreisförmigen Bewegungen (der Kopf jeweils am Schwanz des Partners) eine Vertiefung im feinkörnigen Sand des Bodengrundes erzeugen, in die ihre Eier abgegeben werden. Die zahl- AF 227 11 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 12 reichen Paarungen können sich bis zu vier Stunden hinziehen. Ist kein feinkörniger Sand vorhanden, so legen die Forellensalmler ihre Eier auch auf Steinen ab. Die Gelege können bei großen Weibchen im Durchmesser einen Umfang von bis zu zehn Zentimeter erreichen, wobei die Eier auch übereinander abgelegt werden, so dass große Gelege im Zentrum mitunter eine Stärke von einem Zentimeter erreichen. Die bis zu 1000 Eier sind vergleichsweise klein. Nach dem Ablaichvorgang wird das Weibchen durch das Männchen vertrieben. Aber auch alle anderen Beckenmitbewohner, und seien sie auch noch so groß, werden in Schach gehalten und dürfen sich dem Gelege nicht nähern. Neben der Bewachung erstreckt sich die Brutpflege des Männchens auch auf Betreuung des Geleges (Frischwasser zufächeln und säubern). Die Jungfische schlüpfen temperaturabhängig nach 24 bis 32 Stunden und sind ebenfalls sehr klein, so dass die üblichen Futtermittel zum Anfüttern, z.B. Artemia-Nauplien, zu groß sind. Um Verluste zu vermeiden, müssen Forellensalmlerlarven mit Infusorien aus einem Heuaufguss oder Essigälchen angefüttert werden. Auch sollte die Futterdichte relativ hoch sein, da die Larven keine starken Fresser sind. Das erreicht man am besten, indem man den Wasserstand im Aufzuchtbecken senkt. Leider zeigen die Fische selbst bei sehr guter Pflege nach meinen Erfahrungen erst nach etwa sechs bis acht Monaten ihre ansprechende Färbung. Das hat dazu geführt, dass die Jungfische nicht gut verkäuflich und nur junge erwachsene Fische, die verhältnismäßig lange unter optimalen Bedingungen aufgezogen werden müssen, einigermaßen gut absetzbar sind. Aus diesem Grunde werden Forellensalmler heute selten gepflegt und sind, wenn sie trotzdem angeboten werden, vergleichsweise teuer. Ob die zweite, in dieser Gattung gegenwärtig als valid betrachtete Art, Copeina osgoodei, tatsächlich ihre Berechtigung hat, bedarf einer kritischen Überprüfung. Der Spritzsalmler, Copella arnoldi (REGAN, 1912) Der Spritzsalmler ist einer der faszinierendsten Aquarienfische überhaupt. Jeder, der einmal das eindrucksvolle Ablaichverhalten dieser Art aufmerksam beobachtet hat, wird es niemals vergessen. Seit ich als Schüler das erste Mal meine Spritzsalmler ablaichen sah, bin ich von diesen Fischen im Besonderen und von den Salmlern im Allgemeinen fasziniert. Diese Begeisterung hat mich mein ganzes bisheriges Leben begleitet. Bereits der Import der ersten Spritzsalmler war so aufregend, wie er spektakulärer eigentlich nicht hätte sein können. 1905 wurde der Spritzsalmler aus Ostbrasilien erstmalig nach Hamburg importiert und bald darauf nachgezogen. Dabei hatte man natürlich auch das interessante Ablaichverhalten beobachtet und darüber in der Aquarienliteratur berichtet. Nun wurde aber zur selben Zeit eine andere Art aus Argentinien nach Dresden eingeführt und dort ebenfalls gezüchtet. Dieser Fisch laichte aber auf Steinen und Wasserpflanzenblättern ab, so dass man darüber heftig in Streit geriet, zumal beide Arten von prominenter wissenschaftlicher Seite als Pyrrhulina filamentosa identifiziert worden waren. Es sollte sieben Jahre dauern, bis alle diesbezüglichen Mis- 12 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:33 Seite 13 sverständnisse eindeutig geklärt waren: Es handelte sich um zwei verschiedene Arten, von denen eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissenschaftlich bekannt war. Der Hamburger Fisch war Copella arnoldi, die Dresdner Tiere Pyrrhulina australis. Die geschichtlichen Zusammenhänge dieses Verwirrspiels sind genau dargestellt in ZARSKE (2011). Dieses Beispiel zeigt, wie kompliziert die Verhältnisse in dieser Fischgruppe damals waren. Zum Teil trifft dieser Zustand allerdings auf andere Arten auch heute zu, da leider noch immer nicht alle taxonomischen Probleme in dieser Fischfamilie geklärt sind. Dies betrifft besonders die vergleichsweise artenreiche Gattung Pyrrhulina. Das Beispiel zeigt aber auch, welchen Beitrag die Aquarienkunde bei der Erforschung der Fische zu leisten vermag. Die genaue Herkunft der Importfische von Copella arnoldi war ebenfalls lange Zeit unbekannt, bis es kürzlich gelang, die Insel Arapiranga nahe Belém als Heimatort der seinerzeitigen Importe zu identifizieren (ZARSKE 2011). Als Aquarienfische sind die Spritzsalmler geradezu ideal. Sie entsprechen dem Bild einer typischen Copella-Art: lang gestreckte Fische mit stark verlängerten Rücken-, After-, Bauch- und Schwanzflossen, besonders bei den Männchen. Der für die Gattung typische Sexualdimorphismus ist beim Spritzsalmler am deutlichsten ausgeprägt. Hinzu kommt, dass die Weibchen auch im Vergleich zu den anderen Arten der Gattung beträchtlich kleiner bleiben als die Männ- Prächtiges Männchen des Spritzsalmlers, Copella arnoldi, Foto: F. Schäfer chen. Wie bereits mehrfach angedeutet, legen die Spritzsalmler ihre Eier außerhalb des Wassers ab. Wenn man diesen Fisch züchten möchte, so gelingt das gleichermaßen effektiv sowohl im Artaquarium als auch im Gesellschaftsbecken. Im letzteren Fall muss man die Eier jedoch von der Deckscheibe entfernen und die Jungfische gesondert aufziehen. Auch bei dieser Art sollte man sich zunächst eine relativ große Gruppe von Ausgangstieren besorgen. Wenn sich jedoch zu viele ablaichbereite Weibchen im Becken befinden, können nach meinen Beobachtungen mehrere Weibchen ein sprungbereites Männchen derart bedrängen, dass die Sprünge misslingen. Die Männchen stellen sich zunächst senkrecht zur Wasseroberfläche auf. Dann schmiegen sich die Weibchen entsprechend der von ihnen bevorzugten Seite an das Männchen an und beide Fische schnellen gemeinsam aus dem Wasser. Im Extremfall können die Tiere bis zu 20 cm hoch an die Deckscheibe springen. Ist die Entfernung zur Deckscheibe jedoch zu groß, so springen die Spritzsalmler an die Seitenscheiben des Aquariums. Man kann den bevorzugten Platz der Eiablage beeinflussen, indem man eine dunkle Stelle auf der Deckscheibe schafft, etwa durch Auflegen einer Pappscheibe oder ähnlichem. Pro Paarung AF 227 13 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 14 (Sprung) werden je nach der Größe des Weibchens bis zu 15 Eier abgelegt, insgesamt bis zu 150. Nach der Eiabgabe fällt das Weibchen ins Wasser zurück. Das Männchen folgt dem Weibchen nach der Besamung etwas später, bleibt also noch eine Weile am Blatt über Wasser hängen. Die Eier sind vollkommen durchsichtig, so dass man die Entwicklung der Embryonen gut verfolgen kann. Das Männchen entfernt sich nie weit von den abgelegten Eiern und spritzt regelmäßig mit schnellen Bewegungen des Hinterkörpers Wassertropfen auf das Gelege. Dadurch werden die Larven nach dem Schlupf ins Wasser gespült. Dieses Verhalten hat der Art zu Schönschuppensalmler, Copella callolepis, Foto: K. Arendt ihrem deutschen Namen „Spritzsalmler“ verholfen. Die Jungfische schlüpfen bei einer Wassertemperatur von 24 bis 26°C nach 24 bis Historisches Foto von Copella callolepis, diese Fische wurden oft fälschlich als Copella nattereri bezeichnet, Foto: Dr. H.-J. Franke 30 Stunden. Die Larven des Spritzsalmlers verfügen über ein sehr kleines Maul und müssen mit entsprechend kleinen Futtertieren (Pantoffeltierchen) angefüttert werden. Ansonsten ist die Aufzucht nicht schwierig, wenn man die bereits oben geschilderten Ansprüche beachtet. Bis 1912 war der Spritzsalmler als Pyrrhulina filamentosa in der Aquarienkunde verbreitet. Bis 1956 nannte man ihn Copeina arnoldi. Erst mit der Eingruppierung in die von MYERS 1956 neu aufgestellte Gattung Copella erhielt der Spritzsalmler seinen heutigen Namen Copella arnoldi (REGAN, 1912). Der Schönschuppensalmler, Copella callolepis (REGAN, 1912) Obwohl auch der Schönschuppensalmler bereits 1908 zum ersten Mal nach Deutschland importiert wurde, ist er doch den meisten Aquarienfreunden unbekannt. Das liegt sicher an dem nomenklatorischen Durcheinander, das mit dieser Art verbunden ist. ARNOLD schickte 1909 ein Weibchen dieser Art an REGAN zur Paar von Copella carsevennensis aus Französisch Guayana, Foto: D. Bork Bestimmung und erhielt die Antwort, dass es sich bei diesem Tier um Pyrrhulina (heute Copella) nattereri STEINDACHNER, 1876 handele. Später muss ARNOLD erneut zwei Tiere dieser Art an REGAN geschickt haben, die dieser nun 1912 als Copeina (heute Copella) callolepis wissenschaftlich neu beschrieb. Das kann man leicht anhand der Materialaufstellung in der Arbeit von REGAN (1912) erkennen. Folgerichtig wurde der Schönschuppensalmler von 1909 bis 1912 in der Aquarienliteratur unter dem Namen Pyrrhulina nattereri geführt. Ab 1912 nannte man ihn Copeina callolepis. Das blieb bis zum zweiten Weltkrieg so. Danach tauchten die ersten Tiere 14 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 15 ohne jegliche Begründung wieder unPaar von Copella carsevennensis bei den einzigen bislang beobachteten Balzhandlunter dem Namen Pyrrhulina nattereri gen, bei denen das aktivere Weibchen, das Männchen versucht, nach unten Richtung Bodengrund zu drücken, Foto: D. Bork auf und der Fisch wurde unter diesem Namen gepflegt. Lediglich FRANK (1969) nannte die Tiere noch Copeina callolepis. Allgemein galt zu dieser Zeit Copeina callolepis REGAN, 1912 als Synonym von Pyrrhulina nattereri STEINDACHNER, 1876. 2006 bearbeiteten ZARSKE & GÉRY das Typusmaterial beider Arten und legten für beide Lectotypen fest. Das Typusmaterial der REGANschen Arten ist jedoch wenig aussagekräftig, weil die Färbung fast vollständig verblichen ist und die Exemplare sehr klein sind, so dass viele der wichtigen Artkriterien an ihnen noch nicht ausgeprägt und damit zwangsläufig auch nicht erkennbar sind. Wir bezeichneten damals den Schönschuppensalmler als Copella sp. aff. meinkeni. Bei einem Vergleich des Typusmaterials mit den Beschreibungen der Lebendfärbung ARNOLDs (1909) und RACHOWs (1909, 1912) und einer Betrachtung der genauen Umstände des Importes sowie der Beschreibung wird jedoch klar, dass es sich bei der von ZARSKE & GÉRY (2006, 2007) als Copella sp. aff. meinkeni bezeichneten Art nur um Copeina (heute Copella) callolepis REGAN, 1912 handeln kann (ZARSKE 2011). Das natürliche Verbreitungsgebiet von C. callolepis ist das nordöstliche Südamerika, wobei eventuelle Arealüberschneidungen mit Biotop von Copella carsevennensis in Französisch Guayana, Foto: D. Bork AF 227 15 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 16 Männchen von Copella compta, Foto: D. Bork Frisch importierte Tiere von Copella compta, Foto: F. Schäfer C. meinkeni noch unbekannt sind, aber durchaus vorkommen können. Meist sind die Importe, wenn sie gesondert angeboten werden und die Tiere nicht als Beifänge zu uns kommen, auch artenrein. Es gibt jedoch auch Importsendungen, in denen sich beide Arten befinden. Es bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass beide Arten sympatrisch vorkommen. Vielmehr können Importsendungen auch aus Fängen von mehreren Fundorten zusammengestellt worden sein, um auf die entsprechende geforderte Stückzahl zu kommen. In seinen Ansprüchen in der Pflege und Zucht unterscheidet sich der Schönschuppensalmler nicht wesentlich von seinen nächsten Verwandten. Unter den oben aufgeführten Voraussetzungen stellt die Pflege und Zucht kein Problem dar. KÖRNER & HETZ (2010) haben ihre Erfahrungen im Vergleich zu Copella meinkeni dargestellt. Copella carsevennensis (REGAN, 1912) Männchen von Copella eigenmanni, Foto: F. Schäfer 16 AF 227 Obwohl man bereits bei oberflächlicher Betrachtung lebender Fische Copella carsevennensis und C. arnoldi voneinander unterscheiden kann, fällt es doch schwer, die Unterschiede in Worte zu fassen. Noch schwieriger wird es, wenn man ausschließlich Alkoholpräparate betrachtet, wie es einige Wissenschaftler tun. Nur so ist es verständlich, dass man zu der Auffassung gelangen kann, dass beide Arten identisch seien. In ihrer Biologie unterscheiden sich beide Arten jedoch offenbar deutlich. Während der Spritzsalmler, wie oben dargestellt, aquaristisch keinerlei Probleme bereitet und im Aquarium leicht zur Fortpflanzung kommt, ist die Vermehrung von C. carsevennensis im Aquarium meines Wissens noch nicht geglückt. Sowohl mir als auch mehreren anderen, erfahrenen Salmlerzüchtern ist es bisher nicht gelungen, die Art zu reproduzieren, obwohl ausreichendes und gesundes Ausgangsmaterial zu Verfügung stand. Copella carsevennensis ist im Gegensatz zum Spritzsalmler sehr scheu und hält sich meist, auch im Artaquarium, in dichten Pflanzenbeständen auf. Dieter BORK beobachtete allerdings, dass das Weibchen versuchte, das Männchen auf den Bodengrund zu drücken, um es zum Ablaichen zu bewegen. Ein Ablai- 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 17 chen konnte jedoch bislang von keinem mir bekannten Aquarienfreund erzielt werden. Im Gegensatz zu meiner 2011 getroffenen Feststellung scheint das so genannte „Aufsitzen“ oder „Aufreiten“ der Weibchen in frühen Stadien des Ablaichvorganges sowohl bei Copella carsevennensis als auch beim Spritzsalmler vorzukommen, obwohl ich es bei meinen Zuchten nicht beobachten konnte. Vermutlich dient es der Stimulierung (noch) nicht ablaichbereiter Männchen und wird, wenn die Männchen laichbereit sind, ausgelassen oder nur angedeutet. Das hat auf den Artstatus von C. carsevennensis keinerlei Einfluss, stellt jedoch eine interessante Fragestellung für ethologisch interessierte Aquarienfreunde dar. Das natürliche Verbreitungsgebiet von C. carsevennensis liegt im nordöstlichen Südamerika (Französisch Guayana, Surinam, Brasilien). Gelegentlich ist die Art sympatrisch mit P. filamentosa. Vermutlich kann man als Arbeitshypothese formulieren, dass die Spritzsalmler südlich der Amazonasmündung beheimatet sind, und C. carsevennensis nördlich davon. Auf jeden Fall bietet diese Art noch ein interessantes Betätigungsfeld für interessierte Aquarianer. Der Typusfundort Carsevenne, nachdem die Art benannt ist, liegt heute im Bundesstaat Amapa auf brasilianischem Gebiet. Copella compta (MYERS, 1927) Auch über diesen Fisch ist noch sehr wenig bekannt. Eigentlich kommen regelmäßig Einzeltiere als Beifänge in Sendungen vom Roten Neonsalmler, Paracheirodon axelrodi, aus dem Rio-Negro-Gebiet zu uns. Die Art ist relativ einfach an der typischen braunroten Färbung des Hinterkörpers und Schwanzstiels sowie an der verhältnismäßig großen Anzahl von Schuppen in einer mittleren Längsreihe zu erkennen. Bei C. compta handelt es sich um die Typusart der Gattung. Sie soll schon im Aquarium nachgezogen worden sein. Soviel ich weiß, hat aber noch niemand im großen Stil aus den importierten Einzeltieren Paare zusammengestellt und gezielte Reproduktionsversuche unternommen. Über das Paarungsverhalten und die Fortpflanzungsbiologie ist demnach noch nichts bekannt. Auch diese Art ist also für Freizeitforscher nahezu vollkommenes Neuland. Eigenmanns Copella, Copella eigenmanni (REGAN, 1912) Dieser Fisch ist in der Aquarienkunde ebenfalls kein Unbekannter, wenngleich er unter verschiedenen Namen gepflegt und gezüchtet wurde. REGAN hatte 1912 Copeina (heute Copella) eigenmanni anhand von zwölf Exemplaren beschrieben. Dabei handelte es sich um halbwüchsige Fische, die von verschiedenen Herkünften stammten (Para, Brasilien; Rio Aruka und Lama, British Guiana – heute Guyana – sowie Bogota, Kolumbien). Artcharakteristische Merkmale waren an diesen Tieren nicht deutlich zu erkennen. Bei deren Nachuntersuchung zeigte sich jedoch, auch unterstützt durch die unterschiedlichen Fundorte (ZARSKE 2011), dass diese Fische nicht alle derselben Art angehören, also nicht konspezifisch sind. Damit musste ein Lectotypus aus der Syntypenserie taxonomisch gleichberechtigter Exemplare ausgewählt werden, um das Problem zu klären. Da die Ver- 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 18 Trupp von Copella eigenmanni im natürlichen Lebensraum, Pozo Azul, Amazonas, Venezuela, Foto K. Arendt hältnisse um Copella arnoldi und C. carsevenensis noch nicht abschließend geklärt sind, war die einzige saubere Lösung die Auswahl eines Tieres aus Bogota als Lectotypus. Das waren die einzigen eindeutig nomenklatorisch zuordenbaren Fische aus der Serie gleichberechtigter Syntypen. Damit wurde jedoch Copeina (heute Copella) metae EIGENMANN, 1914 zu einem Juniorsynonym von Copella eigenmanni (REGAN, 1912). Copella eigenmanni ist in den Savannen (Llanos) von Venezuela und Kolumbien sowie in Brasilien beheimatet. Das Verbreitungsgebiet umfasst die obere Orinoko- und Rio-Negro-Region. In der Aquarienkunde war dieser Fisch lange Zeit unter den Namen Copella vilmae GÉRY, 1963 und Copella metae (EIGENMANN, 1914) verbreitet. FRANKE (1978) und PINTER (1988, 1994) veröffentlichten Weibchen von Copella eigenmanni, Foto: F. Schäfer Zuchtberichte dieser Art unter dem Namen Copella vilmae. Die genaue Zuordnung des Namens Copeina bzw. Copella metae zu konkreten Arten in der Aquarienkunde in der Vergangenheit ist schwierig, da dieser Namen von unterschiedlichen Autoren sowohl für Pyrrhulina zigzag ZARSKE & GÉRY, 1997 z.B. FRANKE (1978), als auch für Copella nigrofasciata (MEINKEN, 1952) z.B. FRANKE in STERBA (1978) verwendet wurde. FRANKE (1978) beschreibt in seinem Zuchtbericht das Balz- und Ablaichverhalten dieser Art unter dem Namen C. vilmae, das sich nicht von den bekannten Verhaltensmustern der verwandten 18 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 19 Arten unterscheidet. Nach seinen Beobachtungen laichen die Fische auf waagerechten, großflächigen Wasserpflanzenblättern. Pro Paarung werden fünf bis acht schwach gelbliche und stark klebende Eier abgegeben. Insgesamt kann die Anzahl der abgegebenen Eier bis zu 300 Stück betragen. Auch hier ist bei der Anfütterung der Jungfische sehr feines Futter erforderlich (Rädertierchen), da die Jungfische sonst verhungern. Wenn man diese Hürde nehmen kann, so bereitet die Aufzucht keinerlei Schwierigkeiten. Nach etwa sechs bis sieben Monaten sind die Jungfische bei guter Pflege geschlechtsreif. Vielleicht noch einige Worte zu dem von FRANKE (1978) verwendeten Namen, da dieser von mir (ZARSKE 1978) vorgeschlagen wurde. Ich hatte seinerzeit Nachzuchttiere FRANKEs an GÉRY geschickt und die Antwort bekommen, dass es sich dabei um C. vilmae handele. Dass diese Bestimmung falsch war, wissen wir heute. Damals war aber noch so wenig Material bekannt und bearbeitet, zudem war die Variabilität dieser Art nicht ausreichend untersucht. Aus diesem Grunde wird diese Fehlbestimmung erklärbar und dokumentiert gleichzeitig die Schwierigkeiten, die selbst anerkannte Spezialisten mit dieser Fischgruppe hatten. Meinkens Copella, Copella meinkeni ZARSKE & GÉRY, 2006 Meinkens Copella wird ebenfalls bereits seit einiger Zeit in Aquarien gepflegt und vermehrt, wenngleich die Art jedoch nie häufig war. Problematisch erschien bis zu seiner Beschreibung im Jahre 2006 die Abgrenzung zum Schönschuppensalmler, Copella callolepis. Beide Arten lassen sich leicht anhand eines kleinen schwarzen Dreiecks an der Basis des unteren Schwanzflossenlappens unterscheiden. Dieses Merkmal kann man auch noch bei über 100 Jahre alten Museumsexemplaren erkennen, wenn diese fachgerecht konserviert und gelagert wurden. Das Dreieck ist bei Copella callolepis vorhanden und fehlt bei Copella meinkeni. Darüber hinaus wird C. meinkeni deutlich größer als C. callolepis. Balzendes Paar von Copella meinkeni, Foto: H.-J. Richter Männchen von Copella meinkeni, Foto: D. Bork Weibchen von Copella meinkeni, Foto: D. Bork AF 227 19 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 20 Das natürliche Verbreitungsgebiet von Copella meinkeni liegt im Einzugsbereich des Rio Negro in Brasilien, wobei die genauen Verbreitungsgrenzen, insbesondere zu C. callolepis und C. compta noch unbekannt sind. In der alten Aquarienliteratur werden Pflegeund Zuchtanleitungen für diese Art sowohl unter der Bezeichnung C. callolepis als auch als unter dem Namen C. nattereri dargestellt. KÖRNER & HETZ fassen ihre Beobachtungen bei der Pflege und Zucht von C. callolepis und C. meinkeni 2010 zusammen. Natterers Copella, Copella nattereri (STEINDACHNER, 1876) Männchen von Copella nattereri, Foto: F. Schäfer Männchen der Regenbogen-Copella, Copella vilmae, Foto: D. Bork Historisches Foto von Copella nigrofasciata aus den späten 60er bzw. frühen 70er Jahren, vermutlich zwei Importfische oder Nachkommen von diesen, beachte die abweichende Körperform gegenüber Copella nattereri, Foto: Dr. H.-J. Franke 20 AF 227 Natterers Copella ist die am längsten bekannte Art der Gattung. Auch in der Aquarienliteratur wurde dieser Name früh und vergleichsweise häufig verwendet. Leider hat man aber nicht immer den gleichen Fisch gemeint, wenn man diese wissenschaftliche Bezeichnung verwendete. Das macht die Angelegenheit recht kompliziert und unübersichtlich, weil sich die Tiere im Nachhinein nicht immer eindeutig zuordnen lassen. ZARSKE & GÉRY (2006) stellten zudem fest, dass auch die Syntypenserie von Pyrrhulina nattereri nicht konspezifisch ist und legten einen Lectotypus fest. Dabei richteten sie sich nach den Handlungsweisen, die in solchen Fällen üblich sind. Man benutzt jene Bezeichnung, die der Autor später an von ihm determiniertem Material derselben Art verwendet hat. Es befinden sich in der 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 21 Sammlung des Naturhistorischen Museums Wien glücklicherweise noch Exemplare, die 1913 von HASEMAN bei Santarem gefangen und von STEINDACHNER als Pyrrhulina (=Copella) nattereri bestimmt wurden. Danach haben wir unter Natterers Copella den Fisch zu verstehen, den HOFFMANN & H OFFMANN (1996) sowie S UTTNER (1997) vermehrt haben. Bei Copella nattereri handelt es sich offenbar um eine im unteren und mittleren Amazonasgebiet sehr häufige und weit verbreitete Art, die zudem noch ausgesprochen hübsch ist. Bei vergleichenden Betrachtungen der in der Aquarienliteratur verfügbaren Zuchtberichte sollte man beachten, dass unter diesem Namen sowohl der jetzt als C. nattereri zu bezeichnende Fisch als auch C. meinkeni und C. callolepis gemeint sein können. Die der Diskussion von HOFFMANN (1991, 1993) und PINTER (1992, 1993) über das Ablaichverhalten von C. nattereri beigefügten Fotos zeigen offenbar in jedem Fall C. meinkeni. Auch PINTER (1988) bildet unter dem Namen C. nattereri jedoch tatsächlich C. meinkeni ab. Der Rehsalmler, Copella nigrofasciata (MEINKEN, 1952) Der Rehsalmler wurde von MEINKEN 1952 als Pyrrhulina nigrofasciata beschrieben. Die Typusexemplare wurden ihm von Hanns-Joachim FRANKE aus Gera zugänglich gemacht, der über die Vermehrung dieser Fische in einem der Artbeschreibung folgenden Artikel berichtet. LADIGES (in MEINKEN 1952) vermutet, dass die Tiere aus einem Import stammen, der im Dezember 1950 aus dem peruanischen Amazonasgebiet das „Aquarium Hamburg“ erreichte. Mit der Festlegung des Lectotypus von C. nattereri von Obidos (unteres Amazonasgebiet) ist zwar ein Exemplar aus dem geographisch entferntesten Material von C. nattereri zum namentragenden Exemplar erwählt worden, trotzdem ist die Abgrenzung von C. nattereri und C. nigrofasciata gegenwärtig nicht gesichert und bedarf zusätzlicher Untersuchungen. Leider hilft hier auch eine Untersuchung des Typusmaterials von P. nigrofasciata nicht viel weiter, weil es sich bei diesem um Jungfische handelt. Ursprünglich glaubten wir (ZARSKE & GÉRY 2006), dass C. nigrofasciata mehr (etwa fünf) Längsreihen roter Punkte auf den Körperseiten zeigt als C. nattereri (etwa eine bis drei). Das bedarf aber noch der Überprüfung an zahlreicherem Untersuchungsmaterial mit genauen Fundortangaben. Zum Vergleich ist diesem Artikel eine zeitgenössische Originalaufnahme der Importtiere oder direkter Nachzuchtfische von diesen von H.-J. FRANKE beigefügt. Diese zeigen nur eine Reihe roter Punkte. Klar erkennbar ist jedoch ein deutlich gedrungenerer Körper als bei C. nattereri. Da FRANKE die Fische mehrfach erfolgreich züchtete, entfällt das Argument, dass die auf dem Foto abgebildeten Tiere nicht vollständig ausgewachsene Jungfische darstellten. Die Regenbogen-Copella, Copella vilmae GÉRY, 1963 Die Regenbogen-Copella wird erst seit einigen Jahren importiert. Tiere, die vorher unter diesem Namen gepflegt 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 22 Paar des Augenstrichsalmlers, Pyrrhulina australis, Foto: K. Arendt und gezüchtet wurden, sind tatsächlich Copella eigenmanni, siehe FRANKE (1978). Es liegen noch sehr wenige Erfahrungen vor. Da die Fische aus extremen Schwarzgewässern aus dem Grenzgebiet von Peru, Kolumbien und Brasilien (Igarapé Preto, etwa 60 km von Leticia) stammen, ist offenbar die Eingewöhnung an die normalen Aquarienverhältnisse nicht ganz so einfach wie bei anderen Arten. Hinzu kommt, dass mit der Umgewöhnung auch die brillanten Farben verblassen, was die Fische für viele Aquarienfreunde unattraktiv macht, zumal die Importfische nicht ganz billig sind. Der Augenstrichsalmler, Pyrrhulina australis EIGENMANN & KENNEDY, 1903 Die Pyrrhulina-Arten lassen sich, wie bereits erwähnt, am leichtesten durch die Morphologie der Kiefer von den Copella-Arten unterscheiden. Wenn man diesen Unterschied einmal verinnerlicht hat, so kann man selbst bei den farblosesten Jungfischen zumindest die Gattungszugehörigkeit problemlos ermitteln. Der Augenstrichsalmler wurde, wie bereits erwähnt, 1908 aus Argentinien importiert und bald darauf in Dresden unter dem falschen Namen Pyrrhulina filamentosa nachgezogen. Es handelt sich, wie der Name australis bereits sagt, um die am südlichsten vorkommende Art der Gattung. Ihr großes Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Argentinien und Paraguay bis nach Bolivien und Brasilien. Es umfasst die Stromgebiete des La Plata, Paraguay und Guaporé bzw. Itenez. In der Umgebung von Trinidad im Einzugsgebiet des Río Beni ist die Art sehr häufig und fast in jeder Wasseransammlung zu finden. Die gelegentlich ebenfalls aus dem Süden gemeldete Art P. macrolepis AHL & SCHINDLER, 1938 ist ein Juniorsynonym von P. australis EIGENMANN & KENNEDY, 1903 (ZARSKE & GÉRY 2004). Augenstrichsalmler sind relativ farblose Fische, die hin und wieder importiert werden, sich jedoch trotz erfolgreicher Nachzuchten nie lange in den Aquarien der Liebhaber erhalten. In der Pflege und Zucht stellt die Art keine von den verwandten Arten abweichenden Ansprüche (ZARSKE 2006). Im dicht bepflanzten, mäßig besetzten Gesellschaftsaquarium kommen auch ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen einzelne Jungfische auf. Bei ihnen handelt es sich um die kräftigsten Nachzuchttiere, die sehr gutes Ausgangsmaterial für weitere Zuchten darstellen. Nach meinen Erfahrungen kann die Ausbeute einer Zucht je nach Größe des Weibchens bis zu 100 bzw. 150 Jungfische betragen. Bei der kommerziellen Aufzucht sollte man die Gelege aus Río Ipurupuru, Fundort von Pyrrhulina australis in Bolivien 22 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 23 Pyrrhulina brevis, hier ein Paar, zeigt lebend fast nie eine schwarze Zick-Zack-Binde, die man im Alkoholpräparat jedoch stets erkennen kann, Foto: H.-J. Richter dem Ablaichbecken entfernen und die Jungfische gesondert aufziehen. Beachtet man die bereits mehrfach angesprochenen Grundregeln, so dürfte die Aufzucht keinerlei Probleme bereiten. Schwierig wird es jedoch, die Tiere abzusetzen. Lediglich enthusiastische Salmlerfans sind hin und wieder bereit, Tiere als Geschenk anzunehmen. Der Schuppenflecksalmler, Pyrrhulina brevis STEINDACHNER, 1876 Auch der wissenschaftliche Name des Schuppenflecksalmlers, P. brevis, geistert schon geraume Zeit durch den aquaristischen Blätterwald, ohne dass man mit Sicherheit sagen kann, welcher Fisch eigentlich gemeint ist. Diese Unsicherheiten scheinen auch Teile der wissenschaftlichen Literatur erfasst zu haben. Nur so ist es zu erklären, dass WEITZMAN & WEITZMAN (2003) vermuten, dass das Prächtiges Männchen des Schuppenflecksalmlers, Pyrrhulina brevis, Foto: F. Schäfer AF 227 23 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 24 Männchen von P. brevis in STEINDACHNER (1876) P. zigzag darstelle. Beide Arten sind anhand der Körperform und Körpergröße sowie durch die Lebendfärbung leicht zu unterscheiden. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wird P. brevis, wie der Name schon sagt, deutlich kompakter und größer als P. zigzag. Eine ZickZack-Binde ist nach meinen bisherigen Beobachtungen bei lebenden Exemplaren nie ausgeprägt. Präpariert man jedoch diese Fische, so erscheint die Zick-Zack-Binde sofort und zwar in einer Deutlichkeit und Stärke, wie sie bei P. zigzag nie zu beobachten ist. Bei P. zigzag ist die Binde bis auf eiPaar von Pyrrhulina filamentosa aus Französisch Guayana, Foto: D. Bork nen Augenblick während des Ablaichvorganges immer sichtbar. Ein zusätzlicher, deutlicher Unterschied im Verlauf der Binde besteht darin, dass die Binde von P. zigzag direkt nach dem Kiemendeckel kurz unterbrochen ist, während sie bei P. brevis immer vollständig verläuft. P. zigzag wirkt im Gesamteindruck viel schlanker und eleganter als P. brevis. Dieser Eindruck wird durch die stark verlängerten Rücken-, Bauch-, After- und auch Schwanzflossen der Männchen von P. zigzag noch verstärkt. Die Männchen von P. brevis verfügen nicht über derartig lang ausgezogene Flossen. Abbildung von Pyrrhulina filamentosa aus CUVIER & VALENCIENNES Auch beim Schuppenflecksalmler unterscheidet sich die (1847), beim Betrachten dieser Abbildung wird klar, warum so viele Arten mit P. filamentosa verwechselt wurden – die Abbildung Pflege und Zucht nicht wesentlich von seinen Verwandten. zeigt einen semiadulten Fisch, der keinerlei charakteristische P. brevis gehört zu den relativ großen, robusten Arten der Merkmale der Art zeigt; damit kann er praktisch jeder Art der Gattungen Copeina, Copella und Pyrrhulina zugeordnet werden Gattung, die trotzdem friedlich ist – selbst gegenüber deutlich kleineren Mitbewohnern. Nur brutpflegende Männchen beanspruchen relativ großflächige Reviere und können in dieser Zeit auch größere und kräftigere Arten in Schach halten, die sich dann in kleinen Gesellschaftsaquarien verschüchtert in Verstecke zurückziehen. P. brevis ist im oberen und mittleren Amazonasgebiet von Peru, Brasilien und Kolumbien verbreitet. Pyrrhulina filamentosa VALENCIENNES in CUVIER & VALENCIENNES, 1847 Wasserfälle bei Fourgassi, Französisch Guayana – Fundort von Pyrrhulina filamentosa, Foto: D. Bork Pyrrhulina filamentosa ist die Typusart der Gattung. Folgerichtig ist diese Art auch am längsten wissenschaftlich bekannt. Aus diesem Grunde belegte man die ersten Importfische aus den Gattungen Copella und Pyrrhulina mit diesem Namen, weil man ganz einfach keinen anderen kannte. Erst später fand man heraus, dass die Vielfalt dieser Gruppe größer ist als man zunächst vermutete und beschrieb weitere Arten neu. Zu diesem Erkenntniszuwachs hat die Aquarienkunde wesentlich beigetragen, wenngleich sie unter den anfänglich auf wissenschaftlicher Seite liegenden Problemen arg zu leiden hatte. Obwohl P. filamentosa der erste Name eines Fisches dieser Gruppe ist, der in der Aquaristik auftaucht, sollte es doch bis 1999 dauern, bis der erste Zuchtbericht erschien, der auch tatsächlich zweifelsfrei diese Art betraf (OTT & RÖMER 1999). Trotzdem wurde die Art in Deutschland bereits mehrfach gepflegt – so etwa um 1990 und sicher auch davor. Alle anderen Erwähnungen in der Literatur scheinen jedoch nicht sicher zu sein und basieren vermutlich auf Verwechslungen mit anderen Arten (VOGT 1964, NIEUWENHUIZEN 1973). 24 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 25 Weibchen von Pyrrhulina lugubris , Foto: F. Schäfer P. filamentosa ist ebenfalls eine groß werdende Art (nach meinen Erfahrungen bis zu 12 cm Gesamtlänge). Ein blaugraues, relativ breites Längsband (etwa drei Schuppenreihen breit) entlang der Körperseiten gilt als charakteristisch. Der Bauch ist farblich deutlich abgesetzt weißlich. P. filamentosa ist im nordöstlichen Südamerika (Brasilien, Französisch Guayana, Guyana, Surinam und Venezuela) beheimatet und kommt in einigen Gebieten sympatrisch mit Copella carsevennensis vor. Da auch P. stoli BOESEMAN, 1952 in den natürlichen Habitaten mit P. filamentosa gemeinsame Schwärme bildet, sollte man sich bei Zuchtversuchen mit frischem Importmaterial die Tiere genau anschauen, ob man auch wirklich die entsprechenden Partner zur Vermehrung ansetzt. P. filamentosa und C. carsevennensis sind anhand der gattungstypischen Kopfmorphologie leicht voneinander zu trennen. Bei P. stoli zieht sich die schwarze Augenbinde bis etwa zur dritten Schuppe nach dem Kiemendeckel hin, während es sich bei P. filamentosa nur bis zum Auge (höchstens jedoch Trupp von Pyrrhulina lugubris im natürlichen Habitat, Pozo Azul, Guárico, Venezuela, Foto: K. Arendt AF 227 25 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 26 Paar von Pyrrhulina lugubris, vom Rio Orituco, Venezuela, Foto: K. Arendt diffus bis zum Kiemendeckelhinterrand) erstreckt. Weitere Unterscheidungsmerkmale siehe ZARSKE (2011). P. stoli ist nur in Guyana und Surinam mit P. filamentosa sympatrisch und auf jeden Fall die seltenere Art von beiden. Die aquaristisch relevanten Merkmale und Anforderungen (Geschlechtsunterschiede, Pflege- und Zuchtbedingungen) entsprechen denen der verwandten Arten. Paar von Pyrrhulina rachoviana, von Puerto Maldonado, Peru, Foto: K. Arendt 26 AF 227 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 27 Pyrrhulina lugubris EIGENMANN, 1922 P. lugubris, der man vielleicht abgeleitet von ihrem wissenschaftlichen Namen, die deutsche Bezeichnung „Düsterer Schlanksalmler“ verleihen könnte, ist erst seit kurzer Zeit in der Aquarienkunde bekannt. Dies kommt mit Sicherheit daher, dass EIGENMANN 1922 in seiner Beschreibung ein altes, stark dominantes α-Männchen abbildete, wie es offenbar nur sehr selten zu finden ist. Ich konnte jedenfalls bislang noch kein Männchen in dieser Farbphase beobachten. Auch sind diese Fische bei optimaler Pflege keineswegs dunkel oder düster gefärbt, so dass eine solche Bezeichnung irreführend wäre. Ihre Grundfärbung ist vielmehr ein helles oliv bis schwaches grau. Schöne, dominierende Männchen zeigen gelblich olivfarbene bis kräftig rote Punktreihen auf ihren Körperseiten. Gelegentlich, z.B. nach großem Wasserwechsel, erscheint auch zeitweise ein schwach ausgeprägter grauer Längsstreifen auf den Körperseiten. Alles in allem ist P. lugubris eine der farblich wenig attraktiven Arten der Gattung. Auch die Pflege und Zucht von P. lugubris bietet keinerlei Überraschungen gegenüber den anderen Arten der Gattung. Die Art war in der Aquaristik auch unter den Namen P. stoli, P. eleanorae und vermutlich auch als P. filamentosa verbreitet. Das natürliche Verbreitungsgebiet liegt in Kolumbien und Venezuela. Pyrrhulina rachoviana, Fundort Igarapé São Luiz etwa 20 km nördlich von Prainha (Para, Brasilien). Foto: I. Seidel Holotypus von Pyrrhulina laeta aus FOWLER (1906), beachte den fehlenden Kopf und die fehlende schwarze Binde, die bei Pyrrhulina semifasciata bis unter den Ansatz der Rückenflosse reicht Rachows Pyrrhulina, Pyrrhulina rachoviana MYERS, 1926 Laut der Beschreibung von P. rachoviana sollen die Typusexemplare dieser Art auf die Importfische aus Argentinien zurückgehen, die 1908 zunächst in Dresden als P. filamentosa und später als P. australis von SCHÄME (1907 a, b, 1908) und als P. brevis von THUMM (1907) gezüchtet wurden. Dem ist jedoch nicht so, da im Museum für Naturkunde in Berlin vier Nachzuchttiere (ZMB 31667) von SCHÄME aufbewahrt werden, die der Art P. australis zuzuordnen sind (ZARSKE & GÉRY 2004, Abb. 5). Da es sich bei diesen Fischen jedoch um Jungfische handelt, die keinerlei Farbmerkmale mehr zeigen, ist die genaue Zuordnung schwierig. Vermutlich ist der Sachverhalt so, dass die 1908 importierten und auch vermehrten P. australis aufgrund ihrer geringen Farbigkeit bald wieder aus den Aquarien verschwanden. Als 1923 durch RAMPSPERGER aus dem „Amazonas“ ein „beträchtlicher Import“ nach Deutschland kam, war auch eine Pyrrhulina-Art dabei, die auf MYERS Bitte hin von RACHOW als „P. australis“ zur Bestimmung zugeleitet wurde. MYERS erkannte die artliche Verschiedenheit und beschrieb daraufhin diesen Fisch als P. rachoviPaar von Pyrrhulina semifasciata, Foto: H.-J. Richter ana. Seine Vermutung jedoch, dass diese Fische auf den Import von 1908 zurückgingen, ist demnach nicht zutreffend. MEINKEN verfasste 1928 einen Zuchtbericht, in dem er eindeutig diesen Fisch beschrieb und in einer Zeichnung abbildete. Diese Überlegungen sind mit Sicherheit zutreffend, konnten von mir jedoch noch nicht durch eine Untersuchung des Typusmaterials von P. rachoviana überprüft werden. SEIDEL und Mitreisende fingen diesen Fisch 2004 im Igarapé São Luiz etwa 20 km nördlich von Prainha (Para, Brasilien) am Amazonas. In den vergangenen Jahren wurde die Art mehrfach und von verschiedenen Importfirmen über Belem importiert. AF 227 27 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 28 Männchen von Pyrrhulina spilota, Foto: F. Schäfer Paarvon Pyrrhulina vittata beim Treiben, Foto: H.-J. Richter Paarung bei Pyrrhulina vittata, Foto: H.-J. Richter Da diese Salmler auch im Gegensatz zu P. brevis über eine ständig sichtbare Zick-Zack-Binde verfügen, wurden sie gelegentlich mit P. zigzag verwechselt. Beide Arten lassen sich jedoch leicht an dem gedrungeneren Körperbau von P. rachoviana unterscheiden. Hinzu kommt, dass die Flossen der Männchen von P. rachoviana nicht so stark verlängert sind wie bei P. zigzag. Außerdem sind im vorderen bis mittleren Körperbereich oberhalb und unterhalb der Binde bei P. rachoviana rote Punkte angeordnet, die P. zigzag fehlen. Was die Pflege und Zucht dieses hübschen Fisches betrifft, so gibt es auch hier keine wesentlichen Unterschiede zu den anderen Arten der Gattung. Riesen-Pyrrhulina, Pyrrhulina semifasciata STEINDACHNER, 1876 Auch die Benennung dieses Fisches ist in der Aquarienkunde überaus widersprüchlich. Bislang wurden die Fische unter dem Namen Pyrrhulina laeta (COPE, 1872) gepflegt und gezüchtet (z.B. NIEUWENHUIZEN 1980). Dem einzig vorhandenen Holotypus von P. laeta fehlte jedoch bereits 1906 der Kopf und Teile der Schwanzflosse. In der Beschreibung von COPE (1872) und auf der Zeichnung von FOWLER (1906) vermisst man den für diesen Fisch so typischen schmalen schwarzen Streifen, der bis fast unter die Rückenflosse reicht. Dieser ist dagegen für die von STEINDACHNER beschriebene P. semifasciata charakteristisch, so dass dieser wissenschaftliche Name Pyrrhulina semifasciata STEINDACHNER , 1876 für die Riesen-Pyrrhulina verwendet werden muss. Was wir unter P. laeta (COPE, 1872) zu verstehen haben, kann vermutlich nur durch die noch zu erfolgende Festlegung eines Neotypus geklärt werden. P. semifasciata ist im Amazonasgebiet verbreitet. Sein Areal umfasst die Hoheitsgebiete von Brasilien, Guyana, Venezuela, Peru, Kolumbien und Ekuador. Über seine Erfahrungen bei der Pflege und Zucht dieses Fisches berichtet NIEUWENHUIZEN (1980) allerdings wie bereits erwähnt unter dem falschen Namen Pyrrhulina laeta (COPE, 1872). Dreipunkt-Pyrrhulina, Pyrrhulina spilota WEITZMAN, 1960 Männchen von Pyrrhulina vittata beim Betreuen des Geleges, Foto: H.-J. Richter 28 AF 200 Die Dreipunkt-Pyrrhulina wurde gewissermaßen von Aquarienfreunden entdeckt. Der seinerzeit sehr bekannte Aquarianer und Fischimporteur Fred COCHU vom Paramount Aquarium importierte den Salmler. Exemplare dieser Art gelangten mit der Bitte um Bestimmung zu MYERS, der die Fische an WEITZMAN weitergab, der wiederum zu diesem Zeitpunkt, wie er selbst schreibt, eine Revision der Gattungen Copeina, Copella und Pyrrhulina vorbereitete, die jedoch bis heute noch nicht erschienen ist. WEITZMAN beschrieb dann diesen Fisch mit der Herkunftsangabe (=Typuslokalität) „Südamerika“. Es sollte bis 1978 dauern, als es FRANKE auf seiner ersten abenteuerlichen Perureise zusammen mit seinem Reisebegleiter P. DE RHAM gelang, diesen Fisch in Peru aufzufinden. Seitdem wird die Art hin und wieder importiert. Die Geschlechter lassen sich bei diesen sehr kompakt wirkenden Schlanksalmlern wie bei den meisten anderen Vertretern der Gattung unterscheiden: Die Männchen sind mit bis zu 4-29_links dreispaltig 12.11.12 07:34 Seite 29 über 10 cm etwas größer als die Weibchen. Die Ventralen der Männchen erscheinen geradlinig abgeschnitten, während die der Weibchen abgerundet sind. Hinzu kommt, dass die äußeren Kanten der Schwanzflosse bei den Männchen kräftiger milchig weiß gefärbt sind als bei den Weibchen. Die drei schwarzen Flecke in der hinteren Körperhälfte, die den Artnamen begründeten, verschwinden mit zunehmendem Alter und sind auch während des Ablaichvorganges nicht zu sehen. Pflege und Zucht unterscheiden sich nicht wesentlich von der der verwandten Arten (FRANKE 1981 a, b). Kopfbindensalmler, Pyrrhulina vittata REGAN, 1912 Der Kopfbindensalmler ist eine kleine Art der Gattung. Er ist schon lange aquaristisch bekannt, obwohl er zeitweise jahrelang nicht zu bekommen war. Sein Erstimport erfolgte bereits im Jahre 1912, vermutlich in sehr wenigen Exemplaren. Wahrscheinlich wurde er aber erst 1927 in größeren Stückzahlen nachgezogen und somit vielen Aquarianern zugänglich. Zahlreiche Zuchtberichte (z.B. SCHAPITZ 1957, NIEUWENHUIZEN 1957, ZARSKE & GEISSLER 1991) in der Literatur bezeugen die Anspruchslosigkeit und leichte Vermehrbarkeit von P. vittata im Aquarium. Das natürliche Verbreitungsgebiet des Kopfbindensalmlers ist der obere Amazonas von Bolivien, Peru und Brasilien. Ich habe den Kopfbindensalmler unweit von Trinidad (Bolivien) in einem kleinen, langsam fließenden Bach gefangen, der in einen See mündete. In der Literatur wird häufig diskutiert, dass P. vittata mit P. spilota verwandt seien und deshalb beide Arten verwechselt werden können. Aufgrund der beträchtlichen Größenunterschiede halte ich das jedoch schlichtweg für unmöglich. Jungfische von P. spilota kann man daran erkennen, dass die drei Flecke in der hinteren Körperhälfte horizontal ausgerichtet sind und nicht wie bei P. vittata fast die untere Körperkante erreichen. Moment der Eiablage bei Pyrrhulina zigzag, Foto: H.-J. Richter Männchen von Pyrrhulina zigzag beim Bewachen des Geleges, Foto: H.-J. Richter Zick-Zack-Pyrrhulina, Pyrrhulina zigzag ZARSKE & GÉRY, 1997 Auch der Zick-Zack-Pyrrhulina blieb historisch betrachtet eine nomenklatorische Odyssee nicht erspart. Aufgrund ihres schlanken Körpers und der stark ausgezogen Flossen der Männchen hielt man sie jahrelang für einen Vertreter der Gattung Copella. Betrachtet man jedoch die Morphologie Río Jordan, Fundort von Pyrrhulina zigzag in Peru des Kopfes, so wird schnell klar, dass wir hier eine Pyrrhulina-Art vor uns haben. 1964 wurde dieser Fisch zum ersten Mal aus der Umgebung von Iquitos (Peru) nach Mitteleuropa importiert und zunächst als Pyrrhulina metae angesehen. Die Arbeit von MYERS, in der er 1956 die Gattung Copella aufgestellt hatte, war zu diesem Zeitpunkt in der Aquarienkunde noch weitgehend unbekannt. P. zigzag war trotz der relativen Anspruchslosigkeit und leichten Reproduzierbarkeit immer eine begehrte Rarität bei den Aquarienfreunden. So war ich sehr überrascht, als ich zusammen mit anderen Aquarianern 1996 in der Umgebung von Pucallpa (Peru) eine Fotoreise unternahm, dass ich diesen Fisch in fast jeder Wasseransammlung finden konnte. Eine Übersicht über die wichtigsten Verwechslungen mit den falschen verwendeten Namen geben ZARSKE & GÉRY (1997). Aquaristisch betrachtet unterscheidet sich auch die Zick-Zack-Pyrrhulina nicht wesentlich von ihren Verwandten. Zuchtberichte gibt es unter anderem von NIEUWENHUIZEN (1964, 1968), FRANKE (1970, 1979a) und RICHTER (1982, 1983, 1989). Oberflächlich betrachtet scheint eine Verwechslung von P. zigzag mit P. brevis und P. rachoviana möglich. Wenn man alle drei Arten jedoch lebend aufmerksam betrachtet oder besser noch gepflegt und reproduziert hat, so wird man sie mühelos auseinander halten können. (Literatur unter www.aquaristik-fachmagazin.de) AF 200 29