Auditive und visuelle Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit

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Auditive und visuelle Gestaltwahrnehmung
bei Patienten mit psychotischen Störungen
Masterarbeit am Lehrstuhl für Klinische Psychologie und Psychotherapie
Psychologisches Institut der Universität Bern
Verfasser
Betreuer
Georg Rees
Prof. Dr. phil. Wolfgang Tschacher
Route de la Glâne 109
Universitäre Psychiatrische Dienste Bern
1752 Villars-sur-Glâne
Uniklinik und Poliklinik für Psychiatrie
Telefon: +41 (0)26 4018732
Abteilung für Psychotherapie
[email protected]
Laupenstrasse 49
3010 Bern
Telefon +41 (0)31 3876111
[email protected]
Abgabetermin: Bern, den 03.09.2008 ......................................................................................................
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Danksagung
Ich möchte mich ganz herzlich bei Prof. Dr. phil. Wolfgang Tschacher für die Möglichkeit
bedanken,
über
das,
für
mich
sehr
spannende
und
vielschichtige
Thema
der
Gestaltwahrnehmung psychotischer Patienten, meine Abschlussarbeit verfassen zu können.
Darüber hinaus bin ich sehr dankbar für seine außerordentlich gute, höchst wohlwollende
Betreuung, die alles andere als selbstverständlich ist. Auch meiner Kommilitonin Janina von
Schlippe, mit der ich gemeinsam das Masterprojekt durchgeführt habe, gebührt ein großes
Dankeschön für die gute Zusammenarbeit. Mein Dank gilt weiterhin den Wissenschaftlichen
Mitarbeitern der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, Liz. phil. Claudia Bergomi, Dr.
phil. Mario Pfammatter, Dr. phil. Zeno Kupper, und Dr. phil. Fabian Ramseyer für ihre
qualifizierte und sehr hilfreiche Mitarbeit. Besonders hervorheben möchte ich hierbei Claudia
Bergomi und Mario Pfammatter, die für die Entwicklung der Testbatterie dieser Studie
verantwortlich waren sowie Zeno Kupper, der das PANSS-Rater-Training leitete. An dieser
Stelle soll auch Marlise Matti für die stets freundliche und kompetente Hilfe in finanziellen
und bürokratischen Belangen ganz herzlich gedankt sein.
Bedanken muss ich mich auch beim Psychiatrischen Rehabilitationszentrum „RudolphSophien-Stift“ in Stuttgart - besonders bei Dr. med. Gerhard-Dieter Roth und Peter Hofmann,
beim AMEOS-Klinikum Osnabrück - besonders bei Prof. Dr. phil. Karl Heinz Wiedl und Dr.
med. Wolfgang Weig sowie bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern - besonders
bei hier Prof. Dr. phil. Wolfgang Tschacher, Dr. med. Dan Baciu und Dr. med. Ulrich
Junghan, die bei der Rekrutierung und Vermittlung von Patienten eine große Hilfe waren.
Schließlich gilt mein Dank noch den teilnehmenden Patienten sowie den involvierten
Mitarbeitern der genannten Institutionen für ihre Hilfe und die Bereitstellung von geeigneten
Räumlichkeiten zur Durchführung der Tests.
Last but not least bedanke ich mich herzlich bei meinen Eltern, Bianca und Wolfgang, meiner
Schwester Johanna, meinen Freunden und auch bei Marie für ihre herzliche und
kontinuierliche Unterstützung über die gesamte Zeit des Arbeitsprozesses.
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Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Vorwort
Der
Besuch
des
Seminars
„Psychopathologische
Prozesse
und
psychologische
Interventionen“, das Prof. Dr. phil. Wolfgang Tschacher im Wintersemester 2006/2007
abhielt, motivierte Janina von Schlippe und den Autor dieser Arbeit, sich bei Wolfgang
Tschacher um ein Thema für die Masterarbeit zu bewerben.
Die Vorbereitungen für die vorliegende Studie begannen im Februar 2007. Gemeinsam mit
Prof. Dr. phil. Wolfgang Tschacher und dessen Mitarbeitern Dr. phil. Mario Pfammatter und
Liz. phil. Claudia Bergomi wurden erste Ideen entworfen, Literaturrecherche betrieben sowie
ein vorläufiger Projekt- und Zeitplan bis Herbst 2007 erstellt. Während der folgenden vier
Monate fanden etwa alle zwei Wochen Treffen statt, bei denen Fortschritte in der Umsetzung
der erarbeiteten Ideen sowie theoretische, technische, organisatorische, bürokratische und
rechtliche Fragen besprochen und diskutiert wurden.
Die Weiterentwicklung der Testbatterie bis Juni 2007 übernahmen dann vor allem Claudia
Bergomi und Mario Pfammatter. Hierbei war Claudia Bergomi, unterstützt von Tobias Reber,
insbesondere für die Entwicklung und Installation der am Computer durchgeführten Tests
verantwortlich. Mario Pfammatter kümmerte sich vorwiegend um die klinischen Interviews
sowie um die handschriftlich auszufüllenden Fragebögen und Tests. Unter anderem erstellte
er eigenständige, deutschsprachige Adaptationen der „Source Monitoring Scale“ (Morrison &
Haddock, 1997) und des „Word-Fluency-Test“, welcher letztlich auf Thurstone (1938)
zurückgeht.
Dr. phil. Zeno Kupper führte Anfang Juni 2007 mit den beiden Versuchsleitern der
vorliegenden Studie, Janina von Schlippe und dem Verfasser dieser Arbeit, sowie Mario
Pfammatter ein PANSS-Rater-Training durch. Das Training beinhaltete ausführliche
Videoanalysen von PANSS-Interviews, die von Experten durchgeführt worden waren, das
Erstellen eigener Ratings sowie den Vergleich dieser Einstufungen mit Experteneinschätzungen.
Die beiden Versuchsleiter begannen ab Mitte Juni 2007 mit den ersten Vortests zum
Phantomwörter-Paradigma und zum Stream Segregation–Paradigma. Diese Vortests waren
notwendig, da die genannten Paradigmen zwar in der Vergangenheit schon von anderen
Forschern untersucht worden waren, aber die von Claudia Bergomi erarbeiteten TestVersionen teils stark von diesen abwichen.
Nach Analyse der Vortests und den daraus resultierenden Überarbeitungen starteten die
Untersuchungen mit der finalen Testbatterie Ende Juli 2007 im Psychiatrischen
3
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Rehabilitationszentrum Rudolph-Sophien-Stift in Stuttgart. Dort wurden vom Autor dieser
Arbeit bis November 2007 insgesamt 15 psychotisch erkrankte Patienten getestet. Im gleichen
Zeitraum wurden auch 15 gesunde Kontrollpersonen rekrutiert. Anschließend führte Janina
von Schlippe zwischen November 2007 und Juni 2008 im Osnabrücker AMEOS-Klinikum
und in Einrichtungen der Universitären Psychiatrischen Dienste Bern, Untersuchungen mit 15
Patienten durch, die unter einer psychotischen Erkrankung litten. Leicht zeitversetzt testete sie
bis Ende Juni 2008 ebenfalls 15 gesunde Personen, wodurch die Stichprobe komplettiert
wurde.
Die beiden Versuchsleiter teilten unter sich die Dateneingabe auf. Allerdings wertete
anschließend jeder selbständig die Daten hinsichtlich unterschiedlicher Schwerpunkte und
Fragestellungen aus. Auch der Theorieteil der Arbeiten wurde jeweils unabhängig voneinander erarbeitet. Die
zwei akustischen Gestaltwahrnehmungs-Paradigmen „Stream
Segregtion“ und „Phantomwörter“ teilte man ebenfalls unter sich auf
Das
Stream
Segregation–Paradigma stellt einen Schwerpunkt von Janina von Schlippes Arbeit dar. Es
wurde nur von ihr ausgewertet und soll deshalb im Folgenden nur kurz erwähnt werden.
Korrespondierend fand ausschließlich in der vorliegenden Arbeit eine statistische Analyse des
Phantomwörter-Paradigmas statt.
Der Fragebogen „Davos Assessment of Cognitive Biases Scale“ und ein PC-Test zum „PitchShift-Paradigma“ waren zwar integrale Bestandteile der Testbatterie und wurden mit allen
Probanden durchgeführt, doch letztlich wurden die beiden Tests aus zeit-ökonomischen
Gründen weder in der Arbeit von Janina von Schlippe noch in der hier vorliegenden mit in die
Auswertung einbezogen. Es könnte jedoch sehr spannend sein, dies in einer anschließenden
Arbeit nachzuholen.
Den
Kern
dieser
Arbeit
bilden
im
Allgemeinen
die
auditiven
und
visuellen
Wahrnehmungstests; im Speziellen sind dies die Phantomwörter zusammen mit den beiden
optischen Gestaltparadigmen „Circular Apparent Motion“ und „Motion-Induced Blindness“
sowie zusätzlich dem Source Monitoring zur Erfassung von Attributionstendenzen und
Kontrollüberzeugungen.
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Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abstract
Die Grundfragestellung der vorliegenden Arbeit ist die Evaluation des Zusammenhangs
von auditiver und visueller Gestaltwahrnehmung und der Symptomatik psychotischer
Störungen. Die Gestalttheorie dient hierbei als theoretisches Grundgerüst für ein
übergreifendes Verständnis psychotischer und schizophrener Erkrankungen (Silverstein &
Uhlhaas, 2004). Anhand der Ergebnisse von akustischen und optischen Gestaltwahrnehmungstests, kognitiven Leistungstests, einem Reaktionstest sowie Fragebögen zu
Attributionstendenzen und aktueller Stimmung wurden Patienten- und Kontrollgruppe
miteinander verglichen. Bei der Patientengruppe kam noch zusätzlich die Erfassung des
inidividuellen Psychopathologiestatus hinzu (Positive and Negative Syndrom Scale
[PANSS]}, der zu den Testergebnissen in Beziehung gesetzt wurde.
Die Stichprobe setzte sich aus je 30 psychotischen Patienten und gesunden Probanden
zusammen, wobei die Kontrollgruppe in Alter und Geschlecht zur Patientengruppe
parallelisiert wurde. Die Ergebnisse des Gruppenvergleichs zeigen für die auditiven
(Phantomwörter) und visuellen Tests (Circular Apparent Motion [CAM] & MotionInduced Blindness [MIB]) keine bedeutsamen Unterschiede zwischen Patienten und
Kontrollpersonen. Bei der Überprüfung der weiteren Tests resultierten aber überwiegend
signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Besonders auffällig war das deutlich
bessere Abschneiden der Kontrollgruppe in den kognitiven Tests (Mehrfach-WortwahlTest [MWT] & Word-Fluency-Test [WFT]) und dem Reaktionstest (MIB-Vortest).
Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die psychopathologischen Dimensionen des
PANSS in differentieller und bedeutsamer Weise mit dem Gros der untersuchten Tests
verknüpft sind. Bei den Tests zur Gestaltwahrnehmung waren im MIB geringe
Ausprägungen negativer Symptome und hohe Werte in der Erregungskomponente mit
einer höheren MIB-Rate assoziiert; beim CAM führte ein höherer Erregungswert
hingegen zur Verringerung der wahrgenommen Gestaltwechsel; bei den Phantomwörtern
resultierte für keine der PANSS-Dimensionen ein bedeutsamer Zusammenhang. Bei den
übrigen Tests stachen besonders MWT und WFT hervor – hier konnten durch die PANSSDimensionen je 45% und 25% Varianz aufgeklärt werden.
Schlüsselwörter: Auditive- und visuelle Gestaltwahrnehmung; Phantomwörter; Circular
Apparent Motion; Motion-Induced Blindness; Source Monitoring; Kognitive Leistung,
Kognitive Koordination; Psychopathologie; psychotische Störungen; Stage Marker.
5
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Danksagung ……………………………………………………………….. 2
Vorwort ……………………………………………………………………. 3
Abstract ……………………………………………………………………. 5
Inhaltsverzeichnis………………………………………………………….. 6
Abbildungsverzeichnis …………………………………………………… 12
Tabellenverzeichnis………………………………………………………... 13
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung………………………………………………………………. 14
1.1. Literaturrecherche & verwendete Datenbanken……………….......... 19
1.2. Erwarteter Nutzen des Projekts……………………………………..
2. Theoretischer Hintergrund …………………………………………… 20
2.1. Schizophrene und psychotische Erkrankungen……………………...
2.1.1. Diagnosekriterien des DSM-IV-TR für schizophrene
und psychotische Störungen………………………………… 22
2.1.2. Beschreibung ICD-10-GM-Diagnosen der
teilnehmenden Patienten…………………………………… 23
2.2. Auditive und visuelle Gestaltwahrnehmung…………………………… 26
2.3. Kognitive Koordination…………………………………………….
2.4. Phänomenologie akustischer und anderer Halluzinationen ………….. 28
2.5. Erklärungsmodelle zu Entstehung, Auslösung und
Aufrechterhaltung akustischer Halluzinationen……………………... 29
2.5.1. Spezifische Defizit-Modelle …………………………………30
2.5.2. Wahrnehmungs-Bias ………………………………………. 31
2.5.3. Einfluss von metakognitiven Überzeugungen…………………. 32
2.5.4. Bedeutung von Emotionen und Stress…………………………
2.5.5. Salienz des halluzinierten Materials………………………….. 33
6
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
2.6. Gestaltpsychologie………………………………………………... 33
2.6.1. Stabilität in der Gestaltbildung ……………………………… 34
2.6.2. Gestaltwahrnehmung als konstruktiver Prozess………………... 35
2.7. Systemtheorie……………………………………………………...
2.7.1. Attraktoren ………………………………………………. 36
2.7.2. Die Bedeutung des Kontextes ………………………………
2.8. Kognitive Erklärungsansätze ……………………………………... 37
2.8.1. Attributionstheoretisches Modell ……………………………
2.8.2. Defizitäre Kontextverarbeitung………………………………38
2.9. Neurophysiologische und -psychologische Prozesse …………………. 39
2.9.1. Reafferenzsystem…………………………………………..
3. Ausgewählte Studien …………………………………………………... 41
3.1. Source Monitoring ………………………………………………... 42
3.2. Verbale Transformation …………………………………………... 43
3.3. Scheinbewegungen ……………………………………………….. 44
3.4. Bewegungsinduzierte Blindheit ……………………………………. 46
3.5. Wahrgenommene Kausalität ……………………………………… 48
3.6. Das Problem der Spezifität schizophrener Symptomatik ……………. 50
4. Hauptfragestellung und Forschungshypothesen ……………………... 52
4.1. Primäre Hypothesen………………………………………………..
4.1.1. Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe in
Gestaltwahrnehmung, Source Monitoring, kognitiver Leistung
Reaktionszeit, sowie Stimmung………………………………
4.1.2. Assoziation zwischen Psychopathologiestatus und
Gestaltwahrnehmung, Source Monitoring, Reaktionszeit,
kognitiver Leistung sowie Stimmung…………………………
7
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
4.2. Sekundäre Hypothesen ……………………………………………. 53
4.2.1. Positiver Zusammenhang zwischen auditiver und visueller
Gestaltwahrnehmung in der Gesamtstichprobe…………………
4.2.2. Unterschiede in Gestaltwahrnehmung und Source Monitoring
auf Grund des Halluzinationserlebens…………………………
4.2.3. Unterschiede in der Attribution von emotionalem Material
beim Source Monitoring auf Grund des Halluzinationserlebens….
4.2.4. Unterschiede in der Gestaltwahrnehmung zwischen
Patienten-Subgruppen (stationär vs. teilstationär/ambulant)
und Kontrollpersonen ………………………………………
4.2.5. Positiver Zusammenhang zwischen langsameren Reaktionszeiten
und niedrigeren Transitionsraten in der Gestaltwahrnehmung…...
4.2.6. Einfluss von Stimmung auf Gestaltwahrnehmung und
Source Monitoring…………………………………………
5. Methodik ……………………………………………………………….. 54
5.1. Forschungsziele …………………………………………………....
5.2. Versuchspersonen ………………………………………………… 55
5.2.1. Ein- und Ausschlusskriterien………………………………...
5.2.2. Stichprobenumfang…………………………………………
5.2.3. Rekrutierung der Versuchspersonen…………………………. 56
5.2.4. Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe ……………….
5.3. Studiendesign…………………………………………………….. 57
5.3.1. Übersicht zu Testvorbereitungen und Untersuchungsablauf
bei den Patienten ……………………………………………….. 58
5.4. Beschreibung der Messinstrumente………………………………... 59
5.4.1. Fragebogen zu demographischen und klinischen Angaben…….. 60
5.4.2. Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS) …………….. 61
5.4.3. Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS) ……………… 62
5.4.4. Word-Fluency-Test (WFT)…………………………………. 63
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Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
5.4.5. Mehrfach-Wortwahl-Test (MWT) ………………………….. 64
5.4.6. Source Monitoring Scale ………………………………….. 65
5.4.7. Davos Assesssment of Cognitive Biases Scale (DACOBS)…….. 66
5.4.8. Positive and Negative Activation Schedule (PANAS)………….
5.4.9. Hörtest (HTTS) ……………………………………………
5.4.10. Motion Induced Blindness-Vortest (MIB-Vortest)…………….. 67
5.4.11. Phantomwörter……………………………………………. 68
5.4.12. Stream Segregation ………………………………………... 69
5.4.13. Motion Induced Blindness (MIB)…………………………… 70
5.4.14. Pitch-Shift………………………………………………… 71
5.4.15. Circular Apparent Motion (CAM)…………………………… 72
5.5. Qualitätssicherung ………………………………………………... 73
5.5.1. Optimierung der Studien-Adherence………………………… 74
5.5.2. Datenkontrolle und Datenmanagement ………………………
5.5.3. Ethikkommission, Datenschutz und Versicherung…………….. 75
5.6. Technische Daten der verwendeten Geräte …………………………
6. Resultate ……………………………………………………………….. 78
6.1. Deskriptive Ergebnisse ……………………………………………
6.1.1. Geschlecht und Alter ……………………………………… 80
6.1.2. Nationalität ……………………………………………….
6.1.3. Zivilstand und die Anzahl eigener Kinder ……………………
6.1.4. Bildungsgrad, Beufsabschluss und aktuelle Tätigkeit………….. 81
6.1.5. Tabakkonsum ……………………………………………..
6.1.6. Musikalisches Interesse / Selbst ein Instrument spielen ………...
6.1.7. Seh- und Hörvermögen……………………………………. 82
6.1.8. Therapeutisches Setting, Alter bei der Ersthospitalisation
sowie Anzahl an Hospitalisationen………………………….. 83
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Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6.1.9. Diagnose und Medikation…………………………………...
6.1.10. PANSS…………………………………………………… 84
6.1.11. PSYRATS………………………………………………... 85
6.2. Inferenzstatistik……………………………………………………
6.2.1. Varianzanalysen und U-Tests zur ersten Primärhypothese………
6.2.2. Korrelations- und Regressionsanalysen zur zweiten
Primärhypothese…………………………………………... 96
6.2.3. Korrelationsanalyse (Spearman) zur 1. Sekundärhypothese…….. 101
6.2.4. Kruskal-Wallis-Test zur 2. Sekundärhypothese………………..
6.2.5. U-Test ( nach Mann-Whitney) zur 3. Sekundärhypothese…........ 103
6.2.6. U-Test (nach Mann-Whitney) zur 4. Sekundärhypothese….........
6.2.7. Korrelationsanalyse (Spearman) zur 5. Sekundärhypothese......... 104
6.2.8. Korrelationsanalyse (Spearman) zur 6. Sekundärhypothese…….. 106
6.2.9. Zusätzliche Korrelationsanalysen zur Überprüfung
weiterer Einflüsse…………………………………………..
6.2.10. Reliabilitätswerte………………………………………….. 107
7. Diskussion und Ausblick ……………………………………………… 108
7.1. Bedeutung von demographischen Kennzeichen und
spezifischen Hintergrundvariablen …………………………………
7.1.1. Stichprobengröße…………………………………………..
7.1.2. Geschlecht, Alter und Nationalität……………………………
7.1.3. Zivilstand und die Anzahl eigener Kinder …………………… 109
7.1.4. Bildungsgrad, Berufsabschluss und aktuelle Tätigkeit…………..
7.1.5. Tabakkonsum ………………………………………………
7.1.6. Musikalisches Interesse / Selbst ein Instrument spielen………... 111
7.1.7. Seh- und Hörvermögen……………………………………..
7.1.8. Einfluss der Testzeit auf die Performances…………………… 112
7.1.9. Therapeutisches Setting, Alter bei der Ersthospitalisation
sowie Anzahl an Hospitalisationen……………………………113
10
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
7.1.10. Diagnose, PANSS und Medikation…………………………...
7.2. Beurteilung der inferenzstatistischen Ergebnisse……………………. 114
7.2.1. Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe…………
7.2.2. Psychopathologische Faktoren als Prädiktoren für die
Testergebnisse …………………………………………….. 118
7.2.3. Zusammenhang von auditiver und visueller Wahrnehmung ……. 121
7.2.4. Vergleich von Subgruppen auf Grund des
Halluzinationserlebens……………………………………... 122
7.2.5. Externalisierungs-Bias von psychotischen Patienten
mit Halluzinationen…………………………………………
7.2.6. Unterschiede zwischen stationär vs. teilstationär/
ambulant behandelten Patienten …………………………….. 123
7.2.7. Assoziation von Reaktionszeit und Gestaltwahrnehmung……….
7.2.8. Einfluss von Stimmung auf Gestaltwahrnehmung,
Source Monitoring und Reaktionszeiten………………………
7.3. Phantomwörter unter der Lupe……………………………………. 124
7.4. Einschränkungen der Verallgemeinerbarkeit der
gewonnen Ergebnisse……………………………………………... 125
7.5. Ausblick………………………………………………………….. 126
8. Literaturverzeichnis …………………………………………………… 128
9. Anhang………………………………………………………………….. 135
9.1. Testbogen………………………………………………………….
9.2. Besondere Beobachtungen zu den durchgeführten Tests…………….. 159
9.3. Korrelationstabellen………………………………………………. 163
11
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1. Bistabilität: Kippfiguren und Vexierbild……………………………. 16
Abbildung 2. Reafferenzprinzip: Schematische Abbildungen……………...………. 40
Abbildung 3. SAM-Paradigma: Stimulusmuster……………………...………….. 46
Abbildung 4. Kausalitätswahrnehmung: Schematische Darstellung………………… 49
Abbildung 5. MIB-Paradigma: Stimulusmuster……………...…………………… 71
Abbildung 6. CAM-Paradigma: Stimulusmuster………………...……………….. 73
Abbildung 7. Hörtest: Getrennt nach Gruppen………………...…………………. 83
Abbildung 8. Medikation in der Patientengruppe………………………………….84
Abbildung 9. Boxplot: Phantomwörter-Transformationen…………………...……..86
Abbildung 10. Boxplot: Phantomwörter-Dauer……………………………………. 87
Abbildung 11. Boxplot: MIB-Rate………………………………………………. 88
Abbildung 12. Boxplot: MIB-Dauer……………………………………………... 89
Abbildung 13. Boxplot: CAM-Dauer……………………………….……………. 89
Abbildung 14. Boxplot: CAM-Transitionen……………………..………………... 90
Abbildung 15. Boxplot: Source Monitoring, Attribution/Kontrolle………………...... 91
Abbildung 16. Boxplot: Gesamtscores von MWT und WFT ………………..……… 92
Abbildung 17. Boxplot: Fehlerraten des WFT……………………..……………… 93
Abbildung 18. Boxplot: MIB-Vortest - Mittlere Reaktionszeiten……………...…….. 94
Abbildung 19. Boxplot: PANAS - Positive/Negative Aktivierung…………………... 95
12
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Übersicht: Demographie- und Hintergrundvariablen……………………. 79
Tabelle 2. Deskriptive Statistiken der PANSS-Komponenten……………………… 85
Tabelle 3. Phantomwörter-Transformationen pro Basisbegriff……………………... 86
Tabelle 4. Phantomwörter-Dauer pro Basisbegriff………………………………... 87
Tabelle 5. WFT-Fehlerraten…………………………………………………… 93
Tabelle 6. MIB-Vortest: Reaktionszeiten ………………………………………. 94
Tabelle 7. PANAS: Positive und negative Aktivierung …………………………... 95
Tabelle 8. Korrelationsmatrix: PANSS – Phantomwörter………………………… 96
Tabelle 9. Korrelationsmatrix: PANSS – MIB ………………………………….. 97
Tabelle 10. Korrelationsmatrix: PANSS – CAM………………………………….. 97
Tabelle 11. Korrelationsmatrix: PANS - Source Monitoring……………………….. 98
Tabelle 12. Korrelationsmatrix: PANSS - MIB-Vortest……………………………. 99
Tabelle 13. Korrelationsmatrix: PANSS - MWT & WFT…………………………... 99
Tabelle 14. Korrelationsmatrix: PANSS – PANAS………………………………... 100
Tabelle 15. Korrelationsmatrix: Phantomwörter - MIB und CAM……………………101
Tabelle 16. Deskriptiv: Source Monitoring, MIB, CAM, MIB-Vortest
in Bezug zu Halluzinationen………………………………………….. 102
Tabelle 17. Deskriptiv: Source Monitoring, MIB, CAM, MIB-Vortest
in Bezug zu therapeutischem Setting………………………………….. 104
Tabelle 18. Korrelationsmatrix: MIB-Vortest (Press) - MIB, CAM
und Phantomwörter…………………………………………………. 105
Tabelle 19. Korrelationsmatrix: MIB-Vortest (Release) - MIB, CAM
und Phantomwörter…………………………………………………. 105
Tabelle 20. Korrelationsmatrix: PANAS/Positive Aktivierung Phantomwörter, MIB, CAM und Source Monitoring……………………. 163
Tabelle 21. Korrelationsmatrix: PANAS/Negative Aktivierung Phantomwörter, MIB, CAM und Source Monitoring……………………. 163
Tabelle 22. Korrelationsmatrix: CPZ – Testergebnisse……………………………... 164
Tabelle 23. Korrelationsmatrix: Testzeitpunkt – Testergebnisse…………………….. 164
13
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
1. Einleitung
Die Ursprünge der Gestaltpsychologie und die sich daraus entwickelnde Gestalttheorie gehen
bis auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. Die Gestaltpsychologie gehört also zu den
ersten psychologischen Ansätzen überhaupt. Die gestaltpsychologische Theorie wurde, wie
viele weitere Ideen aus anderen Forschungszweigen der Psychologie, von philosophischen
Konzepten inspiriert.
Die Philosophen, insbesondere die Wiener Phänomenologen Brentano, Husserl und Ehrenfels
setzten zu Beginn des 20. Jahrhunderts wichtige Akzente in der Wahrnehmungsforschung.
Ehrenfels (1890) war zunächst Schüler Brentanos, löste sich aber später von ihm. Er gilt heute
als einer der wichtigsten Wegbereiter der Gestaltpsychologie bzw. Gestalttheorie.
Ehrenfels postulierte, dass die menschliche Wahrnehmung derart konstituiert ist, dass sie sich
auf die Beziehung, die die Einzelelemente einer wahrgenommen Entität zueinander haben,
richte. Demnach werden Entitäten in ihrer Gesamtheit, die aus der Anordnung der
Beziehungen der einzelnen Komponenten hervorgeht, als eine Gestalt bzw. Gestaltqualität
wahrgenommen. Ein bekanntes Beispiel von Ehrenfels (1890) ist die Wahrnehmung einer
Melodie – diese werde als eine Gestalt erfahren / aufgenommen und bleibe als solche auch
erhalten, wenn einzelne Töne durch andere ersetzt würden – vorausgesetzt, die Anordnung
der Beziehungen zwischen den Tönen bleibe unverändert.
Brentano (1874, 1907) prägte unter anderem den Begriff der „Intentionalität“, worunter er das
Gerichtet-Sein des Bewusstseins auf reale wie vorgestellte Gegenstände, Sachverhalte oder
auch Eigenschaften versteht. Intentionalität ist, gemäß Brentano, Ausdruck und charakteristisches Wesensmerkmal des Mentalen. Brentano versteht den Akt der Wahrnehmung als stets
intentional, also auf etwas (das nicht real sein muss) bezogen oder gerichtet – auch wenn dies
für uns unbemerkt abläuft.
Brentanos Verständnis von Intentionalität war seinerzeit Anlass für kontroverse Diskussionen.
Vor allem die Vertreter des Reduktionismus rieben sich an seinem Konzept, da es neben
Materiellem und naturalistisch Beschreibbaren, auch dem Mentalen eine Existenz zusprach.
Einige von Brentanos Begrifflichkeiten sind bis heute umstritten, allerdings gibt es neuere
philosophische Ansätze, die sich auf seine Theorie(n) beziehen und diese auf interessante
Weise weiterentwickeln (Smith, 2002).
Vorangetrieben von den neuen Erkenntnissen in Philosophie und der experimentellen
Erforschung des Nervensystems durch die Physiologie, begann die noch sehr junge
Wissenschaft der Psychologie sich intensiv mit Wahrnehmungsprozessen zu beschäftigen.
14
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die Gestaltpsychologen waren dabei die ersten, die sich gezielt mit der Organisation und den
Gesetzen der Gestaltwahrnehmung auseinander setzten. Gestalttheoretiker wie Wertheimer,
Koffka und Köhler begründeten die „Berliner Schuler“, die wegweisend für die weitere
gestaltpsychologische Forschung war.
Die Gestaltpsychologie setzte sich zwar schon früh auch mit psychischen Störungen
auseinander, aber deren Sichtweise auf psychopathologische Phänomene fand in der
wissenschaftlichen Literatur lange Zeit wenig Beachtung. Gleichwohl lassen sich zahlreiche
Übereinstimmungen zwischen den Annahmen der Gestaltpsychologie, experimenteller
Psychopathologie und kognitiven Neurowissenschaften finden. Dies gilt insbesondere für den
Kontext
der
vielfältigen
Krankheitsbildern
der
Schizophrenie
und
psychotischen
Erkrankungen.
Die Erforschung der kognitiven Organisation und Koordination bei schizophrenen
Erkrankungen hat ihre Wurzeln im gestaltpsychologischen Ansatz, den Wissenschaftler wie
Matussek (1952) schon Mitte des letzten Jahrhunderts auf psychiatrische Fragestellungen
anwandten. Eine grundlegende Hypothese der Gestalttheoretiker, wonach schizophrene
Symptome von einer dysfunktionalen Verarbeitung visueller Muster herrühren, fand in einer
Reihe von Studien zur Wahrnehmungsorganisation Bestätigung (Uhlhaas & Silverstein,
2003a; Silverstein et al., 2000; Rabinowicz et al., 1996; zitiert nach Tschacher, Schuler &
Junghan, 2006a). Darüber hinaus deuten die Ergebnisse etlicher Studien auf Zusammenhänge
zwischen Wahrnehmungsorganisation und Psychopathologie hin; Beispiele dafür sind
Schizotypie, das Desorganisations-Syndrom sowie positive und negative Symptome
(Goodarzi et al., 2000; Doninger et al., 2001; Parnas et al., 2001; zitiert nach Tschacher et al.,
2006a).
Generell kann gesagt werden, dass die Wahrnehmung den sensorischen Input derart
koordiniert, dass die dabei ablaufenden Prozesse unter natürlichen Bedingungen
üblicherweise unbemerkt bleiben. Unter Laborbedingungen können diese aber „sichtbar“
gemacht werden. Bekannte Beispiele, die verdeutlichen, dass Wahrnehmung einerseits ein
aktiver, dynamischer Prozess ist und andererseits wie von selbst und unbemerkt koordiniert
wird, sind bi- und multistabile Phänomene. Hierzu gehören unter anderem ambige Figuren
(Figur-Grund-Umkehr) oder so genannte Vexierbilder (siehe Abbildung 1.), wie sie in
etlichen Werken von Künstlern wie M. C. Escher oder Salvador Dalí zu finden sind. Auch das
Titelbild dieser Arbeit, der „Landschafts-Kopf“ von Holler stellt ein Vexierbild dar
(Wikipedia, 2008). Es beinhaltet eine Figur, die meistens nicht auf den ersten Blick entdeckt
wird.
15
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildung 1. Was Bistabilität ist, wird hier anhand von Kippfiguren/Vexierbild deutlich
(Wikipedia, 2008).
In der Fachliteratur wurden bis heute zahlreiche weitere Täuschungen beschrieben, bei
welchen bestimmte Bereiche oder Aspekte eines Gegenstands vollständig übersehen werden.
Simons und Chabris (1999, zitiert nach Tschacher et al., 2006a) berichteten z.B. von einem
bemerkenswerten Experiment zu ‚unbewusster Blindheit’. Hierbei wurden die Probanden
angewiesen, ein auf einem Bildschirm präsentiertes Ballspiel zu verfolgen und währenddessen
die Pässe des Teams in weißen Trikots, zu zählen. Die Forscher konnten zeigen, dass die
meisten Versuchspersonen optisch klar erkennbare Ereignisse (z.B. ein Mann in einem
Gorillakostüm, der durch die Mitte des Spielfelds geht) überhaupt nicht registrierten.
Es besteht also nicht nur eine Konvergenz zwischen Evidenzen aus der empirischen
Kognitionsforschung, neurobiologischen Untersuchungen und den gestaltpsychologischen
Theorien hinsichtlich psychotischer Erkrankungen, sondern auch in Bezug auf normale,
alltägliche Wahrnehmungsprozesse bei Gesunden (Tschacher, 1997). Im Bereich der
Psychopathologie verstehen Silverstein & Uhlhaas (2004) die Gestalttheorie als ein nützliches
theoretisches Grundgerüst für ein übergreifendes Verständnis der Schizophrenie. Die Autoren
nehmen an, dass sowohl kognitive wie auch neurologische Prozesse zum Zusammenbruch der
Organisation der Gestaltwahrnehmung bei Schizophrenen beitragen.
Auf der Basis zahlreicher experimenteller Untersuchungen kann man heute von einer
grundlegenden Beeinträchtigung der kognitiven Koordination und einer defizitären
Wahrnehmungsorganisation bei schizophrenen Patienten ausgehen (Tschacher & Kupper,
2006b). Der Gestalt-fundierte Ansatz, wie ihn Uhlhaas & Silverstein (2003a) oder auch
Tschacher (1997) verfolgen, ist breit gefächert: neurobiologische wie phänomenologische
Theorien und Ansätze werden explizit miteinbezogen. Uhlhaas und Silverstein (2003a)
16
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
schlossen aus ihren Forschungen zunächst, dass schizophrene Erkrankungen wahrscheinlich
durch eine generelle Beeinträchtigung in der Gestalt-Verarbeitung charakterisiert sind, welche
das Bewusstsein als Ganzes, inklusive seiner neuronalen Träger, beeinflusst. Allerdings
revidierten die Autoren zum Teil diese Meinung nach Einwänden anderer Forscher, wie
beispielsweise Plaum (2003). Plaum macht in seiner Kritik neben methodologischen
Problemen, wie der adäquaten Auswahl einer Kontrollgruppe, vor allem auf die strittige
Frage nach der Spezifität bestimmter Defizite bei schizophrenen Erkrankungen aufmerksam.
Er argumentiert, insbesondere auf Grund von Beobachtungen zeitlicher Fluktuationen
schizophrener Defizite und Symptome, gegen eine vorschnelle Spezifitäts-Annahme.
Uhlhaas und Silverstein (2003b) reagierten auf diese Einwände in späteren Publikationen. Sie
wiesen daraufhin, dass schizophrene Patienten nicht in sämtlichen Aufgaben zur
Wahrnehmungsorganisation Defizite zeigen. Die Defizite könnten je nach Schweregrad und
Art der Symptome variieren. Die dysfunktionale Wahrnehmungsorganisation könnte
Anzeichen eines, auf neurologischer Ebene entwickelten, Subtypus von Schizophrenie sein.
Place und Gilmore konnten (1980) in einer Studie zeigen, dass schizophrene Patienten bei
Gruppierungs-Aufgaben eine eng umschriebene, begrenzte Überlegenheit im Vergleich zu
gesunden Kontrollpersonen aufwiesen. Dies stellt nach Uhlhaas & Silverstein (2003a) eine
besonders eindrückliche Demonstration der Validität des Wahrnehmungs-OrganisationsModells dar. Andere, eher allgemeiner gehaltene Modelle konnten keine derartigen Resultate
erzielen,
da
sie
vor
allem
auf
Defizite
in
der
Verarbeitungsgeschwindigkeit,
Verarbeitungskapazität und Aufmerksamkeitsleistung fokussiert waren. Die Sichtweise von
Uhlhaas und Silverstein deckt sich mit Tschachers Annahme: “[…] not all schizophrenia
patients show Gestalt deficits, and such deficits are probably not stable markers of
schizophrenia” (2004, S. 335).
Zwar geht auch Tschacher von einer grundlegenden Beeinträchtigung der kognitiven
Koordination bei schizophrenen Patienten aus. Hierbei betont er allerdings, dass die Störung
der Wahrnehmungsorganisation Schizophrener nicht ausschließlich und generell defizitär ist,
sondern es ebenso zu einem so genannten „Gestalt-Exzess“’ kommen kann – je nach
Krankheitsphase (Tschacher, 2004). Eine defizitäre Wahrnehmungsorganisation setzt sich aus
reduzierter
Aufmerksamkeit,
reduzierter
Erinnerungsfähigkeit
und/oder
reduzierter
Planungsfähigkeit zusammen. Im Falle des Gestalt-Exzesses liegt eine Art von Überanfälligkeit vor, die dazu führt, dass Dinge wahrgenommen werden, die nicht real sind bzw.
es werden Zusammenhänge hergestellt, die sich nicht mehr aus dem tatsächlich gegebenen
Sachverhalt ableiten lassen und bis ins Wahnhafte reichen können.
17
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Typisch für derartige Patienten sind Attributionsfehler wie das Phänomen des „Jumping to
Conclusions“ oder ein „‚Externalisierungsbias“. Unter „Jumping to Conclusions“ versteht
man systematische Fehlschlüsse bis hin zu Wahngedanken; mit „Externalisierungsbias“ ist die
Tendenz gemeint, eigene innerpsychische Vorgänge bzw. deren Ursprünge einer äußeren
Quelle zuzuschreiben. Häufige Folgen von Gestalt-Exzessen sind Angst, Paranoia und
Vermeidung.
In den letzten drei Jahrzehnten wurden im englischsprachigen Raum zunehmend
experimentelle Studien zur Überprüfung neurokognitiver Erklärungsmodelle von akustischen
Halluzinationen bei Patienten mit Schizophrenie durchgeführt. Diese Studien beruhen auf der
Grundannahme, dass motorische Handlungen von einer Efferenzkopie begleitet werden. Diese
Idee wurde 1950 erstmals von den deutschen Biologen Von Holst und Mittelstaedt sowie dem
amerikanischen Neurobiologen Sperry (1951) beschrieben und basiert auf den Erkenntnissen
der Forschungen von Helmholtz (1866). Es wird angenommen, dass die Efferenzkopie ein
Begleitsignal („corollary discharge“) zum sensorischen Kortex sendet, welcher wiederum
signalisiert, das die eingehenden Empfindungen selbst initiiert oder selbst generiert sind. Von
Holst und Mittelstaedt (1950) nannten diesen Mechanismus das „Reafferenzprinzip“.
Feinberg (1978) und Frith (1987, 2005) zählen zu den Forschern, die diesen Ansatz
entscheidend weiterentwickelt haben. Die zentrale Annahme von Friths Modell besagt, dass
akustische Halluzinationen bei Schizophrenen durch ein Selfmonitoring-Defizit hervorgerufen
werden. Die Selbstmonitoring-Defizite werden durch eine fehlerhafte Efferenzkopie im Sinne
eines ungenauen „Forward Models“ (Vorlauf-Modell zur Vorhersage von Handlungen) und
durch falsche Begleitsignale („Corollary Discharge“) erklärt (Seal, Aleman, McGuire, 2004;
Frith & Frith 2005; Ford & Mathalon, 2005, Allen, Freeman, Johns & McGuire, 2006).
Es existieren mittlerweile etliche empirische Belege für die Existenz des Reafferenzprinzips.
Beispielsweise ist das Reafferenzsystem laut Blakemore, Wolpert und Frith (2000a) im
somato-sensorischen System dafür verantwortlich, dass man sich selbst nicht kitzeln kann.
Ebenso kann man das Prinzip des Reafferenzsystems auf die gesamte motorische
Wahrnehmung (Frith, 2005) beziehen. Es wird auch vermutet, dass das Reafferenzsystem die
auditorische Wahrnehmung koordiniert (Ford & Mathalon, 2005).
Allerdings hat die Forschung zur auditiven Wahrnehmung noch einige Probleme zu lösen.
So stellen die Unterscheidung, die Operationalisierung und Erfassung von Gedanken und
inneren Selbstgesprächen („Inner Speech“) eine große Herausforderung dar. Im Unterkapitel
2.9.1. soll noch genauer auf das Reafferenzprinzip eingegangen werden.
18
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
1.1. Literaturrecherche und verwendete Datenbanken
Der Großteil der zu Rate gezogenen Literatur, insbesondere die verwendeten Artikel aus
wissenschaftlichen Fachzeitschriften in Druckversion, stammt direkt aus den Beständen der
Uniklinik und Poliklinik für Psychiatrie (Abteilung für Psychotherapie) der Universitären
Psychiatrischen Dienste Bern (UPD). Die Bibliotheken der UPD und des Psychologischen
Instituts der Universität Bern stellten vor allem für die Beschaffung von Lehrbüchern eine
nützlich Quelle dar. Weiterhin waren Online-Datenbanken wie PsycINFO, PSYNDEX sowie
die elektronische Zeitschriftenbank der Universität Bern eine entscheidende Hilfe auf der
Suche nach aktueller Literatur, insbesondere für Zeitschriftenartikel und neuere Studien.
1.2. Erwarteter Nutzen des Projekts
Die vorliegende Studie wurde mit der Zielsetzung und Erwartung konzipiert, weiteren
Aufschluss darüber zu erhalten, inwieweit die auditive und visuelle Wahrnehmung
psychotischer Patienten im Vergleich zu gesunden Personen verändert ist. Darüber hinaus ist
es ein wichtiges Anliegen dieses Forschungsprojekts mögliche Zusammenhänge zwischen
auditiver- wie visueller Wahrnehmung und Source Monitoring, kognitiven Leistungen,
kognitiver Koordination und dem psychopathologischen Status der Patienten, zu eruieren.
Zur Überprüfung der genannten Konstrukte und ihrer Verknüpfungen diente eine umfassende
Testbatterie mit insgesamt 15 Messinstrumenten. Dazu gehören ein Fragebogen zur Erfassung
demographischer Kennzeichen und spezifischer Hintergrund-variablen, zwei klinische
Interviews (PANSS & PSYRATS), zwei kognitive Leistungstests (MWT & WFT), zwei
Fragebögen zur Erfassung von Attributions-Biases (DACOBS & Source Monitoring Scale),
ein Fragebogen zur Stimmungserfassung (PANAS), ein Hörtest (HTTS), ein Reaktionstest
(MIB-Vortest)
(Phantomwörter,
und
last
Stream
but
not
least
Segregation
drei
&
akustische
Pitch
Shift)
Gestaltwahrnehmungstests
sowie
zwei
optische
Gestaltwahrnehmungstests (MIB & CAM).
In die vorliegende Arbeit wurden mit Ausnahme von DACOBS, Stream Segregation und
Pitch Shift alle aufgeführten Messmittel integriert bzw. statistisch ausgewertet. Einige der
Test sind selbstständig entwickelt (unter anderem die Phantomwörter), weshalb ein erhoffter
Nutzen dieser Studie auch die Validierung der neuen Verfahren ist.
Das vorliegende Projekt stellt eine Pilotstudie dar. In anschließenden Studien soll der
Schwerpunkt auf die Möglichkeit psychotherapeutischer Einflussfaktoren bei der Behandlung
psychotischer Patienten mit akustischen Halluzinationen, gelegt werden. Der hierbei
angesprochen Therapieansatz ist eine Form von „kognitiver Remediation“. Darunter ist in
19
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
diesem Kontext eine gezielt kognitiv-behaviorale Interventionsmethode zur Modifikation der,
den auditiven Halluzinationen zu Grunde liegenden, Beeinträchtigungen zu verstehen. Ein
notwendiger Schritt zur Entwicklung derartiger Interventionen besteht in der Identifizierung
pathologischer Mechanismen und Prozesse. Darauf aufbauend könnten Therapieziele
umschrieben und eine Klärung der Wirkfaktoren ermöglicht werden, wodurch dann eine
potentielle Einflussnahme mit psychotherapeutischen Mitteln denkbar wäre bzw. erreichbar
erscheint.
2. Theoretischer Hintergrund
Schizophrenie stellt eines der größte Probleme auf dem Gebiet der psychischen Erkrankungen
dar
– sowohl hinsichtlich der Einschränkungen, die die Störung verursacht, als auch
bezüglich der volkswirtschaftlichen Kosten (Tarrier et al, 1990; zitiert nach Morrsion &
Haddock, 1997). Akustische Halluzinationen zählen zu den prominentesten Symptomen
schizophrener Erkrankungen und treten, insbesondere unter stressvollen Bedingungen, sehr
häufig auf (World Health Organization, 1973; zitiert nach Morrison & Haddock, 1997).
Auf Grund der Heterogenität der Symptome, die mit der Diagnose einer schizophrenen
Erkrankung verbunden sind, und den Schwierigkeiten hinsichtlich der Reliabilität und
Validität einer derartigen Diagnosekategorie, legen eine Reihe von Autoren nahe, die
Erforschung der Ätiologie und Behandlung psychotischer Erkrankungen eher auf die
individuellen Symptome, als auf weit gefasste klinische Syndrome zu konzentrieren (Bentall,
1990a). Diese Vorgehensweise könnte dazu beitragen, die einer Schizophrenie zu Grunde
liegenden Prozesse weitergehend zu eruieren (Persons, 1986; Bentall et al., 1988; Bentall,
1990b; zitiert nach Morrison & Haddock, 1997).
2.1. Schizophrene und psychotische Erkrankungen
Der Begriff Schizophrenie wurde von Bleuler,
ehemaliger Leiter der Züricher
Universitätsklinik Burghölzli, im Jahr 1911 eingeführt und löste den zuvor von Kraeplin
geprägten Begriff „ Dementia praecox“ ab.
Oftmals beginnen psychotische und schizophrene Erkrankungen bereits im Jugendalter. Die
meisten psychotisch Erkrankten finden sich in der Altersgruppe zwischen 15 und 35 Jahren.
Die Prävalenzrate beträgt Kultur- und Milieu unabhängig rund ein Prozent. Allerdings werden
durch die oftmals heftigen Beeinträchtigungen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit, die häufig
20
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
chronischen Verläufe und meist sehr umfassenden medikamentösen Behandlungen überproportional hohe Kosten für die Therapie psychotischer Patienten, verursacht.
Studien zeigen aber auch, dass seit Einsatz der ersten typischen Neuroleptika in den 1950er
Jahren die Zahl stationär behandelter psychotischer Patienten, signifikant gesunken ist (Jahn,
und Mussgay, 1989). Seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurden auch
zunehmend Sozial- und Gemeindepsychiatrische Interventionsmodelle entwickelt (Dörner,
Teller, Plog & Wendt, 2004), die auch heute noch eine wichtige Alternative zur stationären
Versorgung darstellen (Brenner, Junghan & Pfammatter, 2000).
Das Vulnerabilitäts-Stress-Modell geht davon aus, dass psychotische oder schizophrene
Störungen bei Vorliegen einer spezifischen Anfälligkeit oftmals durch besonders belastende,
einschneidende und stressreiche Ereignisse, wie der Tod eines nahe stehenden Menschen,
Beziehungsabbrüche oder Schul- bzw. Ausbildungsabschluss ausgelöst werden.
In den letzten Jahren wurden zunehmend Drogen- bzw. Substanz-induzierte psychotische
Störungen diagnostiziert, die man auch auf eine bestimmte Vulnerabilität zurückführt.
Manche Autoren sprechen
in diesem Zusammenhang von einer latenten Psychose. Der
Substanzmissbrauch wird demnach (nur) als Auslöser der psychotischen Störung gesehen, die
latent schon zuvor vorhanden war. Das Frappierende ist allerdings, dass die Störung meist
auch nach Absetzen der Drogen fortbesteht und oftmals Züge einer klassischen Schizophrenie
aufweist.
In der Schizophrenieforschung gilt das multifaktorielle Erklärungsmodell zur Ätiologie von
schizophrenen bzw. psychotischen Störungen heute als etabliert. Es wird angenommen, dass
biologische
(genetische,
biochemische,
neurologisch-strukturelle
Komponenten)
psychologische und soziale Faktoren gemeinsam bzw. in Wechselwirkung zur Entstehung,
Auslösung und Aufrechterhaltung psychotischer Erkrankungen beitragen. Im Folgenden
werden vor allem psychologische und neurokognitive Theorien vorgestellt, da es den Rahmen
dieser Arbeit sprengen würde, auf die zahlreichen biologischen und sozio-kulturellen Ansätze
einzugehen.
Bei den in der vorliegenden Studie untersuchten Patienten wird im Allgemeinen von
psychotischen und nicht von schizophrenen Störungen/Erkrankungen gesprochen. Dies ist
dem Umstand geschuldet, dass nicht alle teilnehmenden Patienten die explizite Diagnose
einer schizophrenen Störung hatten, wohl aber sämtliche Patienten psychotische Symptome
aufwiesen. Der Terminus ‚Psychotische Störungen’ kann als eine Art Überbegriff verstanden
werden, unter dem die verschiedenen schizophrenen Erkrankungen und weitere, nachfolgend
beschriebenen psychotischen Störungen subsumiert werden.
21
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Es ist noch anzumerken, dass der Begriff „Psychose“ heute im Fachjargon offiziell nicht mehr
gebräuchlich ist. Psychose wurde zwischenzeitlich durch den Terminus „Psychotische
Störung“ ersetzt. Im Klassifikationssystem „Diagnostic and Statistical Manual of Mental
disorders, 4th Edition Text Revision“’ (DSM-IV-TR) der „American Psychiatric Association“
(APA) aus dem Jahr 2000 wurde diese Modifikation auch durchweg umgesetzt. Allerdings
wird die neue Sprachregelung im Allgemeinen noch nicht konsequent angewendet. Der
Begriff Psychose ist in der klinischen Praxis weiterhin durchaus üblich; auch in der zehnten
Revision (Version 2008) des offiziellen Klassifikationssystems der Weltgesundheitsorganisation (WHO) „Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und
verwandter Gesundheitsprobleme - German Modification“, kurz ICD-10-GM (Deutsches
Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2008) ist er noch zu finden.
2.1.1. Diagnosekriterien des DSM-IV-TR für schizophrene und psychotische Störungen
Auf Achse I des DSM-IV-TR „Klinische Störungen und andere klinisch relevante Probleme Zustandsstörungen, schwere mentale Fehlstörungen und Lernunfähigkeiten“ werden
schizophrene und psychotische Störungen unter „Schizophrenie und andere psychotische
Störungen“ subsumiert. Die folgenden Abschnitte sind selbst erstellte Übersetzungen der
englischen Originalversion des DSM-IV-TR (APA, 2000).
Schizophrenie ist eine persistierende, oftmals chronische,
und gewöhnlich gravierende
psychische Störung, die in vielfältiger Weise Aspekte des Verhaltens, Denkens und Fühlens
beeinflusst. Patienten, die unter Wahnvorstellungen oder Halluzinationen leiden, werden als
psychotisch bezeichnet. Das Denken der Betroffenen kann unzusammenhängend und
unlogisch sein. Eigentümliche Verhaltensweisen können mit sozialem Rückzug und
allgemeinem Desinteresse einhergehen.
Kriterium A:
Zwei oder mehrere der nachfolgend aufgeführten charakteristischen
Symptome müssen über einen bedeutsamen Zeitraum innerhalb eines Monats hinweg präsent
sein – oder für kürzere Zeit, falls die Störung bereits erfolgreich behandelt wurde:
•
Wahnvorstellungen
•
Halluzinationen
•
Desorganisation von Sprache und Denken (z.B. Abschweifen oder Inkohärenz)
•
Grob desorganisiertes oder katatones Verhalten
•
Negativsymptome (z.B. Affektverflachung, Sprachverarmung oder Willensschwäche)
Es gilt zu beachten:
22
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Treten bizarre Wahnvorstellungen auf oder Halluzinationen, die Stimmen beinhalten, die
fortlaufend das Verhalten oder die Gedanken des Betroffenen kommentieren oder zwei und
mehr Stimmen, die sich miteinander unterhalten, ist für die Diagnose einer schizophrenen
Störung nur ein Kriterium A–Symptom erforderlich.
Einzelne Diagnosekategorien/Typen schizophrener Störungen sind:
•
Katatone Schizophrenie (295.20)
•
Desorganisierte Schizophrenie (295.10)
•
Paranoide Schizophrenie (295.30)
•
Schizophrenes Residuum (295.60)
•
Undifferenzierte Schizophrenie (295.90)
Weitere Störungen, die zum psychotischen Formenkreis gehören:
•
Schizophreniforme Störung (295.40)
•
Schizoaffektive Störung (295.70)
•
Wahnhafte Störung (297.1)
•
Kurze Psychotische Störung (298.8)
•
Sonstige Psychotische Störung (297.3)
•
Psychotische Störung auf Grund von allgemeinen medizinischen Vorbedingungen mit
Wahnsymptomen und/oder Halluzinationen (293)
•
Substanz-induzierte psychotische Störung (291.3/291.5/292.11/292.12)
•
Nicht näher bezeichnete psychotische Störung (289.9)
2.1.2. Beschreibung der ICD-10-GM Diagnosen der teilnehmenden Patienten
Die schizophrenen und einige psychotischen Störungen finden sich im ICD-10-GM in Kapitel
V (F00 – F99) „Psychische- und Verhaltensstörungen“ unter ‚Schizophrenie, schizotype und
wahnhafte Störungen’ (F20 - F29). In anderen Unterkapiteln (vor allem „Affektive
Störungen“ [F30-F39] sowie „Psychische und Verhaltensstörungen durch psychotrope
Substanzen“ [F10-F19]) sind etliche weitere Störung mit psychotischen Symptomen
aufgeführt. Allerdings kommt bei diesen Störungsbildern der psychotischen Symptomatik in
der Regel lediglich eine sekundäre Bedeutung zu; im Vordergrund steht vielmehr die
affektive oder Substanz-bezogene Problematik. Wegen der Komplexität und teils fließenden
Grenzen zwischen den Störungsgruppen ist aber stets ein profundes, präzises differentialdiagnostisches Vorgehen geboten, um beim Vorliegen psychotischer Symptome zu einer
validen Klassifikation zu gelangen.
23
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Da alle an dieser Studie teilnehmenden Patienten auf Grund der allgemeinen Bestimmungen
der Kostenträger und Krankenkassen anhand des ICD-10-GM diagnostiziert wurden, sollen
kurz die ICD-Diagnosen, die für die partizipierenden Patienten vergeben wurden, dargestellt
werden. Sie sind weitgehend wortgetreu dem ICD-10-GM (DIMDI, 2008) entnommen.
Paranoide Schizophrenie (F20.0)
Die paranoide Schizophrenie ist durch beständige, häufig paranoide Wahnvorstellungen
gekennzeichnet,
meist
begleitet
von
akustischen
Halluzinationen
und
Wahrnehmungsstörungen. Störungen der Stimmung, des Antriebs und der Sprache, katatone
Symptome fehlen entweder oder sind wenig auffallend.
Katatone Schizophrenie (F20.2)
Die katatone Schizophrenie ist gekennzeichnet von den im Vordergrund stehenden
psychomotorischen Störungen, die zwischen Extremen wie Erregung und Stupor sowie
Befehlsautomatismus und Negativismus alternieren können. Zwangshaltungen können lange
Zeit
beibehalten
werden.
Episodenhafte
schwere
Erregungszustände
können
ein
Charakteristikum dieses Krankheitsbildes sein. Die katatonen Phänomene können mit einem
traumähnlichen Zustand mit lebhaften szenischen Halluzinationen verbunden sein.
Schizophrenes Residuum (F20.5)
Ein chronisches Stadium in der Entwicklung einer schizophrenen Krankheit, bei welchem
eine eindeutige Verschlechterung von einem frühen zu einem späteren Stadium vorliegt und
das durch lang andauernde, jedoch nicht unbedingt irreversible "negative" Symptome
charakterisiert ist. Hierzu gehören psychomotorische Verlangsamung, verminderte Aktivität,
Affektverflachung,
Passivität
Sprachverarmung,
geringe
Blickkontakt,
Modulation
und
Initiativemangel,
nonverbale
der
qualitative
Kommunikation
Stimme
und
durch
Körperhaltung,
und
quantitative
Gesichtsausdruck,
Vernachlässigung
der
Körperpflege und nachlassende soziale Leistungsfähigkeit.
Sonstige Schizophrenie (F20.8)
Unter die Diagnosekategorie ‚Sonstige Schizophrenie’ fallen schizophreniforme Störungen,
bei welchen häufig Synästhesien (synchrones Halluzinationserleben mit mehreren Sinnen)
auftreten,
psychotische
Störungen
ohne
nähere
Angaben
sowie
zönästhetische
Schizophrenien. Bei letzterem erleben die betroffenen Patienten so genannte „zönästhetischen
24
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Halluzinationen“, worunter in etwa Leibeshalluzinationen zu verstehen sind, deren Herkunft
external, außerhalb des eigenen Körpers zugeschrieben wird.
Mittelgradige depressive Episode (F32.1)
Der betroffene Patient leidet unter einer gedrückten Stimmung und einer Verminderung von
Antrieb und Aktivität. Ausgeprägte Müdigkeit kann nach jeder kleinsten Anstrengung
auftreten. Der Schlaf ist meist gestört, der Appetit vermindert. Selbstwertgefühl und
Selbstvertrauen sind fast immer beeinträchtigt. Es kommen Schuldgefühle oder Gedanken
über die eigene Wertlosigkeit vor. Die gedrückte Stimmung verändert sich von Tag zu Tag
wenig, reagiert nicht auf Lebensumstände und kann von so genannten "somatischen"
Symptomen begleitet werden, wie, Früherwachen, Morgentief, deutliche psychomotorische
Hemmung, Agitiertheit, Gewichtsverlust und Libidoverlust. Gewöhnlich sind vier oder mehr
der oben angegebenen Symptome in einem mittleren Schweregrad vorhanden und der
betroffene Patient hat meist große Schwierigkeiten, alltägliche Aktivitäten fortzusetzen.
Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (F32.3)
Zusätzlich zu den oben beschriebenen depressiven Symptomen, ist eine schwere depressive
Episode mit psychotischen Symptomen durch das Auftreten von Halluzinationen, Wahnideen,
psychomotorischer Hemmung oder eines Stupors gekennzeichnet. Die Symptome sind so
schwer ausgeprägt sind, dass alltägliche soziale Aktivitäten unmöglich sind und Lebensgefahr
durch Suizid und mangelhafte Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme bestehen kann.
Halluzinationen und Wahn können, müssen aber nicht, synthym sein.
Der Großteil der untersuchten Patienten hatte die Diagnose einer paranoiden Schizophrenie.
Die restlichen Diagnosen „Katatone Schizophrenie“, „Schizophrenes Residuum“, „Sonstige
Schizophrenie“‚ „Mittelgradige depressive Episode“ und „Schwere depressive Episode mit
psychotischen Symptomen“ wurden wesentlich seltener vergeben.
Die beiden Diagnosen „Mittelgradige depressive Episode“ und „Schwere depressive Episode
mit psychotischen Symptomen“ stammen zwar aus dem Kanon der affektiven Störungen, da
aber bei den betreffenden Patienten psychotische Symptome aktuell präsent waren und beide
die Zusatzdiagnose einer paranoiden Schizophrenie hatten, wurden sie in die Studie mit
eingeschlossen. Auf Grund der Zusatzdiagnose „Paranoide Schizophrenie“ ist auch zu
vermuten, dass sich die Diagnosesteller bei den beiden Patienten nicht sicher waren, ob nun
die schizophrene oder die depressive Störung als primär und dominant einzustufen war.
25
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Bleibt noch anzumerken, dass die „Schwere depressive Episode mit psychotischen
Symptomen“ am Abklingen war und sich die betreffende Patientin auf dem Weg der
Besserung befand. Ansonsten hätte sie an den Untersuchungen nicht teilnehmen dürfen, da
Akutpatienten ausgeschlossen waren.
2.2. Auditive und visuelle Gestaltwahrnehmung
Unter Gestaltbildung versteht man die Integration von einzelnen Elementen in ein
resultierendes
großes
Ganzes,
welches
auch
als
Gestalt
bezeichnet
wird.
Der
Integrationsvorgang wird durch eine Reihe von Mechanismen begleitet, die der Reduktion der
ursprünglichen Komplexität dienen. Erst so wird die letztlich resultierende Vereinheitlichung/
Verdichtung zu einer Gestalt möglich (Silverstein & Uhlhaas, 2004).
Dieser Studie liegt die Annahme der Selbstorganisationstheorie zu Grunde, die besagt, dass
Gestaltbildung durch dynamische, Komplexitäts-reduzierende Prozesse zustande kommt, die
im kognitiven System ablaufen. Musterbildung kann multistabil sein, d.h. bei gleicher
Stimulation bzw. gleichen Umweltbedingungen können komplexe Systeme qualitativ deutlich
unterschiedliche Muster produzieren. Unter Mustern werden in diesem Kontext perzeptuelle
Gruppen mit einzigartigen Eigenschaften verstanden, die nicht reduziert oder aufgrund von
Einzelheiten vorhergesagt werden können. Gestaltwahrnehmung wird als die Fähigkeit
betrachtet, Objekte in ihrem natürlichen Kontext kohärent, d.h. schlüssig wahrzunehmen.
Die subjektiv erlebte Gestaltwahrnehmung wird als ein Indikator angesehen, der es
ermöglicht,
die perzeptuelle und allgemeine kognitive Stabilität einzuschätzen. Diese
Stabilitätsvariable
wird
durch
die
so
genannte
„Transitionsrate“
(Anzahl
von
Gestaltenwechseln) und/oder die Dauer der Gestaltwahrnehmungen operationalisiert. Die
vorliegende Arbeit stützt sich auf zwei visuelle Gestaltwahrnehmungsvarianten (MIB und
CAM) und einen neu entwickelten auditiven Test (Phantomwörter), welcher verbale
Transformationen evoziert.
2.3. Kognitive Koordination
Auditive und visuelle Gestaltwahrnehmung sind Teil der kognitiven Koordination, allerdings
umfasst diese über die perzeptuelle Organisation hinaus weitere Bereiche. Der Begriff der
kognitiven Koordination bezeichnet das Zusammenspiel verschiedener neuro-kognitiver
Prozesse und Mechanismen, die dazu beitragen, Wahrgenommenes zu einem sinnvollen
Ganzen zu verdichten. Die kognitive Koordination bezieht sich auf den internen Aspekt von
Wahrnehmung bzw. darauf, was Psyche und Gehirn aus dem Wahrgenommen machen. Es
26
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
geht dabei also um einen aktiven und dynamischen Vorgang, was allerdings nicht bedeutet,
dass die beteiligten Prozesse explizit ablaufen und steuer- oder kontrollierbar sind. Vielmehr
beinhaltet die kognitive Koordination „Bottom-Up-Prozesse“ aus verschiedenen kognitiven
Bereichen, die dem Bewusstsein größtenteils nicht zugänglich sind. Es sind insbesondere
diese nicht (oder kaum) willentlich steuerbaren Prozesse, die der Gestaltbildung im
Allgemeinen und somit auch optischen oder akustischen Illusionen zu Grunde liegen.
Die kognitive Koordination ist dem Begriff der kognitiven Organisation verwandt. In einem
fortlaufenden Prozess, in welchem die kognitive Organisation strukturelle Modifikationen
erfährt, organisiert sich der kognitive Apparat via Schemata und Operationen, wodurch die
Psyche letztlich ein in sich schlüssiges Bild des Wahrgenommen generiert.
Das Konstrukt der kognitiven Koordination geht aber über das der kognitiven Organisation
hinaus. Um es in den Worten von Uhlhaas und Silverstein (2003, S. 256) auszudrücken:
„Consistent with Gestalt theory, perceptual organization and other forms of cognitive
organization appear to operate via similar processes based in a general mechanism supporting
cognitive coordination across domains, and there is evidence that this mechanism is
dysfunctional in schizophrenia.”
Der von Uhlhass und Silverstein angesprochene generelle Mechanismus, auf dem die
kognitive Koordination basiert, wird je nach theoretischem Hintergrund unterschiedlich im
neurokognitiven Binding-, Selfmonitoring- oder Reafferenzsystem vermutet, bzw. wird davon
ausgegangen, dass schizophrene Patienten hier eine fundamentale Dysfunktion aufweisen. Es
ist jedoch anzumerken, dass insbesondere Selfmonitoring und Reafferenzsystem verwandte
Konstrukte sind und teilweise äquivalent gebraucht werden. Autoren wie Frith (2005) nehmen
an, dass das allfällig dysfunktionale Selfmonitoring Schizophrener, auf einem gestörten
Reafferenzsystem beruht. An dieser Stelle sollen die eben erwähnten Paradigmen allerdings
nicht weiter erklärt werden, da sie in den folgenden Kapiteln noch ausführlich erläutert
werden.
Die untersuchten optischen Gestalt-Paradigmen MIB und CAM sowie das akustische
Paradigma der verbalen Transformation (Phantomwörter) sind Wahrnehmungstests, die als
Marker für die zu Grunde liegenden Prozesse gelten,
insbesondere für die kognitive
Koordination. In der vorliegenden Studie wurde also die kognitive Koordination nicht direkt
erhoben, sondern lediglich die Gestaltwahrnehmung bzw. „perzeptuelle Koordination“
unmittelbar gemessen. Auch „Top-Down-Prozesse“ wie metakognitives Wissen, das für
Interpretationen und Attributionen bedeutsam ist sowie allgemeine kognitive Funktionen, wie
Intelligenz, Aufmerksamkeit, Konzentration oder Gedächtnis können die kognitiven
27
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Koordination bis zu einem gewissen Grad beeinflussen und wurden deshalb in dieser Studie
ebenfalls erfasst.
2.4. Phänomenologie akustischer und anderer Halluzinationen
Auditorische Halluzinationen gehören zu den prominentesten Symptomen psychotischer
Störungen und sind Teil produktiver Symptomatik. Sie treten in Akut- und Stressphasen
gehäuft auf und sind in diesen Perioden oft mit Wahnideen verknüpft. Der Inhalt bzw. die
emotionale Valenz der Halluzinationen kann neutral, positiv (was eher selten der Fall ist) oder
negativ sein. Bei den allermeisten Patienten sind die negativ konnotierten Inhalte dominant.
In der Regel werden akustische Halluzinationen von den Betroffenen als (sehr) belastend
empfunden und können in akuten Störungsphasen Stimmung, Interaktionsverhalten und
Berufsausübung erheblich beeinträchtigen. Die auditiven Halluzinationen können Geräusche
(z.B. Summen, Pfeifen, Rauschen, konkrete oder undifferenzierte Klänge) sein oder aus einer
oder mehreren Stimmen bestehen.
Laut Patientenberichten sprechen die Stimmen in der ersten, zweiten oder dritten Person
(Singular oder Plural) zu bzw. mit den Betroffenen. Es kommt auch vor, dass die Patienten
offen mit den Stimmen kommunizieren, mit ihnen diskutieren oder ihnen Paroli bieten. Die
Stimme(n) kommentieren Gefühle, Gedanken oder Verhalten der betroffen Patienten. Sie
können aber auch imperativen Charakters sein und konkrete Aufforderungen aussprechen.
Letztere
reichen
von harmlosen Anweisungen wie z.B. „Leg jetzt diesen Stift wieder
zurück“, bis zu höchst destruktiv-aggressiven Befehlen wie „Bring Dich endlich um“. Der
Großteil der Patienten gibt aber an, insbesondere destruktiven Aufforderungen nicht
nachzukommen und selbige auch in vergangenen Akutphasen nicht befolgt zu haben.
Viele Patienten geben bei der Frage nach dem Ursprung des Stimmen-Hörens eine äußere
Quelle an, oder wissen schlicht keine Antwort. Meistens werden die Stimmen als von einer
externen Instanz oder Person gemacht erlebt; nur wenige Patienten schreiben die Herkunft der
Sinnestäuschung sich selbst oder ihrer Störung zu. Dies ist besonders hinsichtlich der in dieser
Studie durchgeführten Source Monitoring Scale interessant, deren Schwerpunkt auf der
Evaluation von Attributionstendenzen (external vs. internal) eigener Gedanken liegt; hierzu
später mehr.
Nur wenige Patienten scheinen sich genauer damit auseinander zu setzen, woher ihre
auditorischen Halluzinationen rühren. Diesen Eindruck hat zumindest der Verfasser dieser
Arbeit während der PANSS-Interviews mit den teilnehmenden Patienten bekommen. Dies ist
natürlich nur eine subjektive Einschätzung, die der weiteren Überprüfung bedarf und keinen
28
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Anspruch auf wissenschaftliche Evidenz erhebt. Bemerkenswerterweise scheint es aber
einigen Patienten unter bestimmten Umständen durchaus möglich zu sein, eine gewisse
Kontrolle über die akustischen Halluzinationen zu gewinnen und „wieder Herr im eigenen
Haus zu sein“.
Die meisten Patienten berichten, dass die Stimmen fast immer verstummen, sobald sie sich
mit einer anderen Person unterhalten. Auf diese, vielleicht zunächst überraschende Tatsache
soll im nächsten Abschnitt noch näher eingegangen werden. Generell gelingt es jedenfalls
einigen Patienten, selbstständig Coping-Strategien zu entwickeln. Hierzu gehören im
Allgemeinen ablenkende Tätigkeiten, wie spazieren gehen, etwas mit anderen unternehmen
oder über einen Walkman Musik zu hören – so laut, dass sie die Stimmen übertönt. Ist das
Stimmenhören aber zu intensiv, sind derartige Versuche nach Aussagen der Patienten in der
Regel fruchtlos bzw. werden erst gar nicht initiiert.
Neben den akustischen Halluzinationen treten auch bei manchen Patienten optische,
gustatorische (Geschmackssinn), olfaktorische (Geruchssinn), taktile (Tastsinn) vestibuläre/
kinästhetische (Gleichgewichtssinn) oder Leibhalluzinationen auf. In seltenen Fällen kann es
auch zu so genannten „Synästhesien“ kommen. Darunter ist das gleichzeitige Halluzinationserleben in verschiedenen Sinnesmodalitäten bezogen auf einen Inhalt zu verstehen.
Da die vorliegende Arbeit insbesondere an der Evaluation des Zusammenhangs zwischen
auditiven Halluzinationen und Gestaltwahrnehmung interessiert ist, konzentrieren sich die
folgenden Unterkapiteln überwiegend auf die akustischen Halluzinationen. Verglichen mit
den auditiven Halluzinationen werden die im vorausgegangenen Abschnitt beschriebenen
Sinnestäuschungen wesentlich seltener beobachtet.
2.5. Erklärungsmodelle zu Entstehung, Auslösung und Aufrechterhaltung
akustischer Halluzinationen
Obwohl dem Thema „ Akustischen Halluzinationen“ in den vergangenen Jahrzehenten viel
Aufmerksamkeit gewidmet wurde, gibt es bis heute kein umfassendes Modell, welches deren
Auftreten zufriedenstellend erklären könnte und vollständig durch Evidenzen aus der
empirischen Forschung unterstützt wird.
Einige Forscher nehmen an, dass auditorische Halluzinationen internale kognitive Ereignisse
sind, denen die Betroffenen eine externe Herkunft zuschreiben. Unterstützung erfährt diese
Hypothese durch den Befund, dass akustische Halluzinationen von Subvokalisationen oder
verborgenen Bewegungen der Sprechmuskulatur begeleitet werden (Gould, 1950; Inouye &
Shimizu, 1970; zitiert nach Morrison & Haddock, 1970). Gleiches geschieht bei
29
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
gewöhnlichen Denkprozessen oder einem inneren Selbstgespräch/Sprechen in Gedanken (Mc
Guigan, 1978; zitiert nach Morrison & Haddock, 1970).
Wenn akustische Halluzinationen tatsächlich eine, an eine externe Quelle, fehl attribuierte
Form des inneren Selbstgesprächs sein sollten, würde das den Befund erklären, dass verbale
Aufgaben, die die Subvokalisation blocken, ebenfalls das Auftreten von akustischen
Halluzinationen hemmen (Margo et al., 1981; Gallagher et al., 1994; zitiert nach Morrsion &
Haddock, 1997).
Es gibt zwar eine gewisse Übereinstimmung bezüglich der Verbindung von innerem
Selbstgespräch und auditiven Halluzinationen; der Mechanismus, der der Fehlattribution zu
Grunde liegt, ist aber nach wie vor nicht klar identifiziert.
2.5.1. Spezifische Defizit-Modelle
Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern nahm an, dass die Fehlattribution von einem Defizit
eines kognitiven Funktionsmechanismus, wie z.B. der Fähigkeit zur Diskriminierung,
herrührt. Hemsley (2005) geht davon aus, dass Schizophrenie als Ganzes betrachtet, als eine
Störung der Moment-für-Moment Integration von gespeichertem Material und gegenwärtigem
sensorischem Input, gesehen werden kann. Aus dieser gescheiterten Integration resultiere ein
ambiger, unstrukturierter sensorischer Input, welcher mit einer erhöhten Aufmerksamkeit für
irrelevante Stimuli einhergehe. Hieraus könnten letztlich psychotische Symptome wie
auditive Halluzinationen entstehen.
Autoren wie Hoffman (1986) oder Hoffman und Rapaport (1994; zitiert nach Morrison &
Haddock, 1997) postulieren, dass akustische Halluzinationen eine bestimmte, im
Langzeitgedächtnis
gespeicherte
linguistische
Information
widerspiegeln,
welche
Sprachproduktions-Prozesse unterbricht. Forscher wie David (2004) versuchen auditorische
Halluzinationen mit Hilfe eines kognitiv-neuropsychologischen Modells mit sprachlichen Inund Outputprozessen zu erklären. David vermutet, dass Positivsymptome letztlich das
Resultat von Defekten im sprachlichen System sind. Der Autor ist der Ansicht, dass diese
Mängel in den Bahnen zwischen oder innerhalb der Ebenen auftreten, die für gewisse Aspekte
der Sprachproduktion verantwortlich sind. Die unterschiedlichen Arten von Defekten könnten
die verschiedenen Formen, die die Positivsymptome annehmen, erklären (Morrison &
Haddock, 1997).
Frith (1989, 1992) vertritt dagegen die Position, dass Halluzinationen ein Defizit eines
internen
Überwachungsmechanismus,
der
für
die
Regulierung
von
gedanklichen
Selbstgesprächen zuständig ist, reflektieren. Dieses Defizit resultiert laut Frith (1991) in einer
30
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Dissoziation zwischen willentlichen bzw. geplanten Intentionen und Handlungen. Seine
Schlussfolgerung lautet: Wenn Halluzinationen mit inneren Selbstgesprächen assoziiert sind,
ist nicht das Auftreten der inneren Selbstgespräche das Problem – dies ist Teil normaler
mentaler Prozesse – sondern vielmehr das Nichterkennen des Patienten, dass dieser Vorgang
selbst initiiert ist. Das Problem des Nichterkennens der Eigeninitiierung wird laut Frith (1991)
durch ein Defizit des internen Monitoring Prozesses verursacht.
2.5.2. Wahrnehmungs-Bias
Bentall (1990a) argumentiert jedoch, dass die Tendenz, interne Ereignisse fälschlicher- weise
external zu attribuieren, eher einen Bias, als einen Defekt in der Überwachung interner
Ereignisse, widerspiegeln könnte. Es wird vermutet, dass dieser Bias von Top-DownProzessen beeinflusst sein könnte. Hierzu zählen beispielsweise die Überzeugungen und
Erwartungen der Patienten bezüglich der Auftretenswahrschein-lichkeit bestimmter
Ereignisse.
Des Weiteren können negative Verstärkungsprozesse, wie die Reduzierung von Angstgefühlen, dazu beitragen, dass die externale Klassifizierung von bestimmten internal
generierten Ereignissen, erleichtert bzw. gefördert wird. Ein Beispiel dafür könnten negative
Gedanken über die eigene Person sein.
Dieser Denkansatz ermöglicht es, die kulturellen Unterschiede, die im Erleben von
Halluzinationen beobachtet wurden, zu erklären. Denn die Erwartungen darüber, welche Art
von Ereignis mit welcher Wahrscheinlichkeit als ‚real’ betrachtet wird, sind unter anderem
von kulturellen Praktiken abhängig (Bourgignon, 1970, zitiert nach Morrison und Haddock).
Auch der Befund, dass halluzinierende Patienten sich eher durch Suggestionen beeinflussen
lassen als Personen aus einer normalen und psychiatrischen Kontrollgruppe, ist stimmig mit
Bentalls Theorie.
Laut Morrsion und Haddock (1997) konnten Bentall und Slade (1985) anhand einer „SignalEntdeckungs-Aufgabe“
weiterhin
zeigen,
dass
halluzinierende
und
normale
Versuchspersonen, die eine Prädisposition für Halluzinationen hatten und sich in einem
Zustand der Ungewissheit/Unsicherheit befanden, jeweils eine Neigung hin zur externalen
Attribuierung aufwiesen. Diese Befunde werden auch von Heilbrun (1980; zitiert nach
Morrison & Haddock, 1997) unterstützt, der zum Ergebnis gelangte, dass halluzinierende
Personen relativ schlecht im Identifizieren ihren eigenen auf Band aufgezeichneten Gedanken
sind.
2.5.3. Einfluss von metakognitiven Überzeugungen
31
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Morrison et al. (1995) sind der Überzeugung, dass metakognitive Überzeugungen, die in
Widerspruch zu sich unwillentlich aufdrängenden Gedanken („Intrusive Thoughts“) stehen,
zu deren externalen Attribuierung als auditive Halluzinationen führen. Sich unwillentlich
aufdrängende Gedanken werden von Rachman (1978; zitiert nach Morrison & Haddock,
1997) definiert als sich wiederholende Gedanken, Bilder/Vorstellungen oder Impulse, welche
unakzeptabel oder unerwünscht sind. Er fügt hinzu, dass diese Gedanken für gewöhnlich von
einem Gefühl des Unbehagens begleitet sind und die Betroffenen dazu nötigen, momentane
Aktivitäten zu unterbrechen Zahlreiche derartige Charakteristiken sind für sich unwillentlich
aufdrängende Gedanken und auditorische Halluzination gleichermaßen evident.
Weiterhin nehmen Autoren wie Morrison an, dass externale Fehlattribution aufrecht erhalten
bleibt, da sie dazu beiträgt, kognitive Dissonanzen zu reduzieren. Diese Annahme
hinsichtlich der Dissonanzreduktion basiert auf einer Reihe von Ähnlichkeiten in Form und
Inhalt
zwischen
sich
unwillentlich
aufdrängenden
Gedanken
und
auditorischen
Halluzinationen.
Es wird zudem angenommen, dass die Bewertung der resultierenden Erfahrung einer
akustischen Halluzination, Reaktionen auf behavioraler, emotionaler und physiologischer
Ebene hervorrufen, die zur Aufrechterhaltung des Gesamtprozesses beitragen.
2.5.4. Bedeutung von Emotionen und Stress
Emotionen und Stress scheinen insbesondere bei der Auslösung von akustischen
Halluzinationen eine wichtige Rolle zu spielen, Beispielsweise konnte in einigen Studien
nachgewiesen
werden,
dass
stressvolle
Lebensereignisse
mit
schizophrenen
Episoden/Schüben assoziiert waren, die wiederum häufig von akustischen Halluzinationen
begleitet werden (Brown & Birley, 1968; Birley & Brown, 1970; zitiert nach Morrison &
Haddock, 1997).
Es gibt ebenfalls klinische Evidenzen für die signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit
auditorischer Halluzinationen nach Stressperioden (Slade, 1972; zitiert nach Morrison &
Haddock, 1997). Darüber hinaus scheint auch der Beginn von Episoden, in welchen
Halluzinationen auftreten, in Zusammenhang mit einem erhöhten psycho-physiologischen
Erregungszustand zu stehen (Allen & Argus, 1968; zitiert nach Morrison & Haddock, 1997).
2.5.5. Salienz des halluzinierten Materials
Autoren wie Chadwick und Birchwood (1994) postulieren weitergehend, dass der
persönlichen Salienz des halluzinierten Inhalts eine entscheidende Bedeutung zukommt.
Daraus resultiert z.B. die Folgerung, dass die externale Zuschreibung emotionsgeladener
32
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Gedanken eine Verstärkung darstellt, die zur Aufrechterhaltung von halluzinatorischen
Zuständen beiträgt (Bentall, 1990a). Daher nehmen Morrison und Haddock (1997) an, dass
der Inhalt des halluzinierten Materials eine wichtige Rolle spielt, und dass dieser das Source
Monitoring fördern/unterstützen oder auch hemmen kann.
2.6. Gestaltpsychologie/Gestalttheorie
In der Gestalttheorie hat sich als zentrale Annahme herauskristallisiert, dass dynamische
Prozesse, die im kognitiven System ablaufen, der Gestalt- bzw. Musterbildung zu Grunde
liegen. Generell wird aus der dynamischen Perspektive auch eine Störung, z.B. eine
schizophrene Störung, als Prozessgestalt bzw. „Attraktor“ verstanden. Der Begriff Attraktor
bezeichnet eines der Kernkonstrukte der Systemtheorie und wird im nächsten Kapitel näher
erläutert.
Die
Anwendung
der
Gestaltpsychologie
bzw.
Gestalttheorie
auf
psychiatrische
Fragestellungen und Probleme hat eine lange Tradition; insbesondere bei den Bemühungen
schizophrene
und
psychotische
Erkrankungen
besser
verstehen
zu
können.
Die
deutschsprachigen Forscher Matussek (1952) und Conrad (1958) formulierten die Annahme,
dass die Kernphänomenologie der Schizophrenie auf einer dysfunktionalen Verarbeitung von
Gestaltmustern basiert. Sie befassten sich mit der Frage, inwieweit psychotische Symptome in
Sinne eines Zusammenbruchs von Gestaltwahrnehmung erklärt werden können.
Laut Matussek und Conrad sind durch die Störung der Wahrnehmung komplex kognitive
Phänomene
wie
z.B.
Wahn
bedingt.
Die
Frage
nach
der
Bedeutung
der
Gestaltwahrnehmungsprozesse psychotischer Patienten hat in jüngster Zeit wieder vermehrt
Beachtung gefunden (Silverstein & Uhlhaas 2004, Uhlhaas & Silverstein 2003a).
Silverstein und Uhlhaas (2004) beschäftigten sich eingehend mit der perzeptuellen
Organisation - ein Paradigma, welches auf gestaltpsychologischen Prinzipien fußt – und laut
den Autoren bei psychotischen Patienten konsistent divergent abläuft. Dass den Symptomen
der Schizophrenie eine dysfunktionale Verarbeitung von visuellen Mustern zu Grunde liegt,
konnte inzwischen durch diverse Studien belegt werden (Uhlhaas & Silverstein, 2003a;
Silverstein et al. 2000; Rabinowicz et al. 1996; zitiert nach Tschacher, 2004).
2.6.1. Stabilität in der Gestaltbildung
Basierend auf dem oben beschriebenen Hintergrund resultiert die Hypothese, dass es in der
Gestaltbildung Unterschiede hinsichtlich der Stabilität gibt. Die Eigenschaft der Stabilität
33
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
zeigt sich in der Gestaltwahrnehmung, daher kann die Gestaltwahrnehmung zur Einschätzung
der kognitiven Stabilität genutzt werden.
Die Stabilität beschreibt somit eine kognitive Fähigkeit, bei der es um die Produktion neuer
Gestalten bei konstanten Stimuli geht. In der vorliegenden Studie wurde die Stabilität durch
die Anzahl und Dauer der wahrgenommenen Gestaltwechsel bei den auditiven
(Phantomwörter) und visuellen Gestaltwahrnehmungstests (MIB und CAM) operationalisiert.
Die angewendeten Tests basieren allesamt auf akustischen und optischen Illusionen.
Eine ganze Reihe von psychologischen Tests wurde entwickelt, um das Konstrukt der
Stabilität/Instabilität zu untersuchen - beispielsweise Wahrnehmungsaufgaben, bei welchen
den Versuchspersonen bi- oder multistabile Stimuli präsentiert werden. Hierzu zählt unter
anderem auch das „Apparent Motion Paradigm“ (Scheinbewegungs-Paradigma), welches in
diese Studie in Form des CAM-Tests integriert wurde. Generell gilt die Annahme einer
Attraktoren-artigen Dynamik hinsichtlich des Scheinbewegungs-Paradigmas als gut untersucht und fand in empirischen Studien mehrfach Bestätigung (Kruse et al, 1996; zitiert nach
Tschacher, 2004). Es konnten z.B. neuronale Anzeichen für „Binding“ wie einen Anstieg der
Gamma-Wellen-Frequenz zum Zeitpunkt des ruckartigen Wechsels der scheinbaren
Bewegung beobachtet werden (Basar-Eroglu et al., 1996; zitiert nach Tschacher, 2004).
Tschacher und Kollegen im Jahr 2004 eine Studie zu Scheinbewegungen durch und griffen
hierfür neben dem CAM auf das „Stroboscopic Alternative Motion- Paradigma“ (SAM)
zurück. CAM und SAM sollen in Kapitel 3.3. noch ausführlicher beschrieben werden; an
dieser Stelle sollen lediglich die zentralen Ergebnisse der Untersuchung erläutert werden.
An der Studie von Tschacher nahmen schizophrene Patienten teil, die sich zum Zeitpunkt der
Messung in stationärer Behandlung befanden, sowie gesunde Kontrollpersonen. Es ergaben
sich keine signifikanten Gruppenunterschiede bezüglich der Stabilität – weder in beim CAM,
noch beim SAM–Paradigma. Fast alle Versuchspersonen erlagen, quasi augenblicklich, der
Illusion einer Bewegung. Genauso ging die Täuschung in fast allen Fällen nach einer
bestimmten Zeitspanne ruckartig in eine andere Illusion über – beim CAM z.B. von einer
wahrgenommen Drehbewegung im Uhrzeigersinn in eine gegen den Uhrzeigersinn.
Gemäß Tschacher (2004) ist es jedoch fraglich, ob die Stabilität von wahrgenommenen
Gestalten per se tatsächlich den spezifischen, entscheidenden Parameter darstellt, um die
kognitive Gestaltbildung schizophrener Patienten zu untersuchen. Es sei davon auszugehen,
34
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
dass spezifische Merkmale einer Schizophrenie mit weiteren Aspekten der Gestaltbildung in
Zusammenhang stehen.
2.6.2 Gestaltwahrnehmung als konstruktiver Prozess
Die Wahrnehmung scheinbarer Bewegungen wie die des CAM repräsentieren laut Tschacher,
Dubouloz, Meier und Junghan (2008) zusammen mit weiteren Phänomenen der perzeptuellen
Organisation, wie zum Beispiel das perzeptuelle Gruppieren und der Figur-GrundDiskrimination, die konstruktiven Eigenschaften der Wahrnehmung.
Es könnte möglich sein, sich bei der auditorischen Wahrnehmung ähnliche Prozesse
abspielen. Beispielsweise erzeugt die dauerhafte und rasche Wiederholung eines einzelnen
Wortes im Phantomwörter-Test ebenfalls illusorische Wortveränderungen, wobei der Input
konstant
unverändert
bleibt.
Es
werden
also
neue
Gestalten
produziert.
Als
veranschaulichendes Beispiel kann hier z.B. das konstant dargebotene Basiswort „Hase“ im
Probedurchgang des Phantomwörter-Tests dienen. Dadurch dass sich das Wort ständig
wiederholt, entstehen Gestalten, wie z.B. „Simba“, „Wasabi“ oder „Vase“.
2.7. Systemtheorie
Tschacher (2004) hält insbesondere die nicht-lineare Systemtheorie (Synergieeffekte) von
Haken (2000) für geeignet, die Struktur von Gestalten, die aus komplexen und dynamischen
Systemen verschiedener Domänen neu entstehen, zu beschreiben. Die nicht-lineare
Systemtheorie stellt für Tschacher einen integrativen Hintergrund dar, mit dessen Hilfe es
möglich sein könnte, klare Konzepte und präzise mathematische Instrumente zu modellieren,
um so allfällige Gemeinsamkeiten von Gestaltwahrnehmungsprozessen in verschiedenen
Substraten und auf unterschiedlichen Ebenen der kognitiven Verarbeitung zu untersuchen
Die Wurzeln der nicht-linearen Systemtheorie liegen in den Naturwissenschaften. Sie wurde
ursprünglich zur Modellierung von sich selbst organisierenden Phänomenen in komplexen
physikalischen, chemischen und biologischen Zusammenhängen genutzt. Autoren wie Varela,
Thompson und Rosch (1991), Haken (1996) oder Tschacher und Dauwalder (1999, 2003,
zitiert nach Tschacher, 2004) weiteten dann die nicht-lineare Systemtheorie auf
neurowissenschaftliche und psychologische Fragestellungen aus.
2.7.1. Attraktoren
Ein Kernkonstrukt der Systemtheorie stellen die so genannten „Attraktoren“’ dar. Darunter ist
in etwa ein Schema, ein Muster oder auch eine Gestalt zu verstehen. Aus systemtheoretischer
35
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Perspektive können sämtliche Wahrnehmungsgestalten als Attraktoren bezeichnet werden.
Laut Tschacher (2004) entdeckten Forscher wie Mechsner et al (2001), Kelso (2003), Kruse
und Stadler (1990) oder Kriz (1997) Attraktoren in neu entstehenden Strukturen diverser
Bereiche, wie z.B. in der Bewegungskoordination, in der kognitiven Koordination oder in
Interaktionssystemen zwischen einzelnen Individuen.
Der Begriff Attraktor steht insbesondere in Bezug zur Stabilität eines Systems beim Entstehen
neuer Muster. Vom Standpunkt der Systemtheorie aus gesehen, ist die zentrale Eigenschaft
eines Attraktors Stabilität.
2.7.2. Die Bedeutung des Kontextes
Autoren wie Tschacher (2004) oder Uhlhaaas und Silverstein (2003b) nehmen an, dass die
kontextuelle Adäquatheit einer Gestalt, welche durch bestimmte Kontrollparameter definiert
ist, ein wichtiger Baustein ist, um funktionale von dysfunktionaler Gestaltwahrnehmung
unterscheiden zu können.
Nebst den Attraktoren spielen die Kontrollparameter in der systemischen Theorie eine
entscheidende Rolle. Die Kontrollparametern bezeichnen hierbei die von der Umwelt auf
komplexe Systeme einwirkenden Kräfte; sie sind notwendig um den relevanten Kontext, in
dem Attraktoren entstehen, zu erfassen.
Tschacher (2004) testete die Beziehung zwischen Kontrollparameterwerten und Gestaltbildung anhand des Scheinkausalitäts-Paradigmas von Michotte (1954; zitiert nach Tschacher
2004). Dabei nähern sich zwei Scheiben auf einem Computerbildschirm an und werden von
den Versuchspersonen im Moment der visuellen Überlappung entweder als gegeneinander
prallend oder als aneinander vorbeiziehend wahrgenommen.
Bei diesem Experiment handelt es sich ebenfalls wieder um ein bi- bzw. multistabiles
Gestaltphänomen. Lewkowicz (2000; zitiert nach Tschacher, 2004) kam auf die raffinierte
Idee, ein Klickgeräusch als zusätzlichen Kontrollparameter einzuspielen. Dabei variierte er
die zeitliche Latenz des Klicks bis zum Zeitpunkt des Überlappens der beiden Scheiben.
Auch Tschacher (2004) nutze für seine Studie den zusätzlichen akustischen Kontrollparameter. Es zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit für die Wahrnehmung eines Aufpralls
größer war, wenn der Klick vor der visuellen Überlappung zu hören war. Umgekehrt wurde
öfters ein Aneinander-Vorbeiziehen der Scheiben wahrgenommen, wenn der Klick nach der
visuellen Überlappung eingespielt wurde.
Die Erweiterung von Lewkowicz (2000; zitiert nach Tschacher, 2004) machte es also möglich
die Beziehung zwischen den Kontrollparametern und der entstehenden Gestalt zu
operationalisieren. Durch die Kombination von akustischen Kontrollparametern mit dem
36
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
ursprünglich rein optischen Paradigma, kann das Michotte-Display heute genutzt werden, um
intersensorisches Binding zu untersuchen. Diesbezüglich resultierte in der Studie von
Tschacher in der Patientengruppe eine geringere Ausprägung als in der Kontrollgruppe,
allerdings war der Gruppenunterschied nicht signifikant. In Punkt 3.5. soll an Hand einer
neueren Studie von Tschacher und Kupper (2006b) nochmals näher auf das Paradigma der
wahrgenommen Kausalität eingegangen werden.
2.8. Kognitive Erklärungsansätze
In
der
modernen
Kognitionsforschung
gibt
es
eine
Fülle
von
verschiedenen
Erklärungsansätzen zu schizophrenen Erkrankungen und deren Symptomatik, von denen
einige bereits in Kapitel 2.5. erwähnt wurden. Zusätzlich sollen an dieser Stelle die für unsere
Studie besonders relevanten Theorien, kurz dargelegt werden.
2.8.1. Attributionstheoretisches Modell
Grundsätzlich postulieren kognitionstheoretisch orientierte Forscher wie Allen et al. (2003),
Morrison & Haddock (1997) oder Jones & Fernyhough (2005), dass schizophrene Patienten
unter bestimmten abnormen kognitiven Verarbeitungsmustern leiden. Neben dem
Selfmonitoring-Defizit,
kommt
in
kognitionstheoretischen
Erklärungsmodellen
dem
attributionstheoretischen Modell eine entscheidende Bedeutung zu (Johns, Gregg, Allen und
McGuire, 2006). Insbesondere Bentall (2003), Garety et. al (2005) sowie Kuipers et. al (2006)
betonen die Bedeutung des Attributions- und Interpretationsprozesses. Es besteht die
Annahme, dass zwar sowohl Selfmonitoring-Defizite wie auch ein gestörtes ReafferenzPrinzip Halluzinationen mit bedingen, diese aber erst durch dysfunktionale Attributions/
Interpretationsmuster als bedrohlich und unkontrollierbar wahrgenommen werden.
Nach Seal et al. (2004) gibt es Hinweise darauf, dass bei Personen mit einer schizophrenen
Erkrankung, eine Interaktion zwischen der gestörten Wahrnehmung von selbst generierten
Material und Top-Down-Einflüssen – z.B. Interpretationen – besteht. Die Missattribution des
selbst generierten Sprechens als external, kann man besonders bei Inhalten mit einer hohen
emotionalen Valenz beobachten (Allen et al., 2003).
Aus kognitionstheoretischer Sicht tragen Attributionsfehler wie der bereits erwähnte
„Externalisierungs-Bias“ oder das „Jumping to Conclusions“ entscheidend zur Entstehung
und dem Umgang mit akustischen Halluzinationen bei. Zur Überprüfung und Identifikation
etwaiger Attribuierungstendenzen wurde in dieser Studie die - ursprünglich von Morrison und
Haddock (1997) entwickelte - so genannte „Source Monitoring Scale“ verwendet. Dabei geht
37
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
es vor allem darum, festzustellen, inwiefern die Versuchspersonen den Ursprung eigener
Gedanken internal oder external attribuieren und wie ausgesprägt ihr Kontrollgefühl
bezüglich der Gedanken ist, die ihnen zu einem vorgegebenen Begriff in den Sinn kommen.
In
welchem
Ausmass
bestimmte
Attributierungstendenzen
und/oder
fehlerhaftes
Selfmonitoring für das Entstehen von akustisch verbalen Halluzinationen verantwortlich sind,
bleibt aber weiterhin umstritten (Seal et al., 2004). In diesem Zusammenhang äußern Allen et
al. (2003) die Vermutung, dass zusätzlich noch andere kognitive Prozesse involviert sein
könnten.
2.8.2. Defizitäre Kontextverarbeitung
Hemsley (2005) gehört zu einer Gruppe von Forschern, die bei schizophrenen Erkrankungen
von einer defizitären Kontextverarbeitung ausgehen. Kontext wird als räumlich oder zeitlich
vorangehender Stimulus verstanden, kann aber auch als kognitiv, semantisch im Sinne von
Hintergrundwissen, Aufgabeninstruktionen oder konzeptuellen Vorstellungen definiert
werden.
Philips und Singer (1997) postulieren, dass die Verwendung des Kontextes ein System dazu
befähigt über die unmittelbare Information hinauszugehen, indem der Kontext diese
Information hervorhebt, sie weniger mehrdeutig macht oder sie mit anderen relevanten
Signalen gruppiert.
Die Beeinträchtigungen des Selbsterlebens, die für schizophrene Psychosen charakteristisch
sind, könnten demnach ein Ausdruck eines misslungenen „Moment-zu-Moment-Abgleichs“
von aktuellen Wahrnehmungen mit kontextrelevanten Schemata sein. Hier besteht auch eine
Verbindung zur Gestaltwahrnehmung. Eine Schwächung kontextueller Einflüsse kann auch
als eingeschränkte Fähigkeit zur Mustererkennung betrachtet werden, die zu einem
Zusammenbruch der Gestaltwahrnehmung führt.
Für zukünftige, kognitiv orientierte Studien könnte der Einbezug des relativ jungen
Forschungszweigs „Embodiment/Embodied Cognition“ fruchtbar sein (Storch, Cantieni,
Hüther & Tschacher, 2006). Embodiment kann in etwa mit „Verkörperung“ übersetzt
werden. Der Embodiment-Ansatz geht davon aus, dass der Körper Spiegel der Seele ist und
umgekehrt. Das menschliche Gehirn kann danach nur im Zusammenspiel mit einem
funktionierenden Körper und im Kontext einer valenten Umwelt sinnvoll arbeiten Der
Kontext stellt hierbei einen Kontrollparameter dar, der als äußerer Antrieb notwendig ist.
2.9. Neurophysiologische und -psychologische Prozesse
Frith (2005) schlägt vor, psychologische Abnormitäten generell in Verbindung mit den zu
Grunde liegenden neurophysiologischen Störungen zu verstehen und zu untersuchen.
38
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Bezogen auf auditive Halluzinationen beschreiben Ford und Mathalon (2005) zwei Ansätze,
die versuchen diese neurologischen bzw. neuropsychologischen Grundlagen zu erforschen.
Zum einen ist dies das Modell des „Symptom capture“ (Symptomerfassung), welches mit
Hilfe von Elektroenzephalographie (EEG), funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI)
und Positronen-Emissions-Tomographie (PET), das Gehirn bildlich darstellt, während die
Patienten auditive Halluzinationen erleben. Zum anderen gehen auch Forscher wie
Silbersweig & Stern (1996) von einem grundlegenden Defizit schizophrener Patienten aus
und schlagen vor, zu dessen Identifizierung sowohl psychologische als auch neurobiologische
Mechanismen auf deren Intaktheit zu überprüfen.
Ford und Mathalon (2005) oder auch Frith (1987) nehmen an, dass schizophrene
Erkrankungen durch ein Defizit im Self-Monitoring bedingt sind. Darunter verstehen die
Autoren einen dysfunktionalen psychologischen Mechanismus, der für die Entstehung von
akustischen Halluzinationen grundlegend sei. Sie beziehen sich hierbei auch auf die Annahme
von Feinberg (1978), der vermutete, dass Selbstmonitoring-Defizite bei Schizophrenie die
Dysfunktion der Efferenzkopie sowie der falschen Begleitsignale widerspiegeln. Feinberg
(1978) sowie Feinberg und Guazzelli (1999) gehen generell davon aus, dass diese falschen
Begleitsignale entscheidend zum Entstehen produktiver Symptomatik beitragen.
2.9.1. Reafferenzsystem
Der
Begriff
„Reafferenzprinzip“
bzw.
„Reafferenzsystem“
bezeichnet
einen
Rückkoppelungsmechanismus im Nervensystem, welcher ursprünglich im Bereich der
optischen Wahrnehmung entdeckt wurde. Helmholtz beschrieb bereits 1866, dass das
agierende Selbst dem perzeptuellen System Schwierigkeiten bereitet. Augenbewegungen
verursachen z.B. eine Veränderung des sensorischen Inputs: Das Bild bewegt sich über die
Retina. Daraus schlussfolgerte Helmholtz, dass es einen Mechanismus geben müsse, der eine
Unterscheidung zwischen sich bewegenden Objekten und den Bewegungen auf der Retina
erlaube.
Aus heutiger Sicht kann dieses Problem durch den Mechanismus der Vorhersage erklärt
werden (Frith, 2005). Das Gehirn trifft Vorhersagen über die Konsequenz der beabsichtigten
Bewegung. Die Prädiktion im motorischen System wird als Vorlauf-Modell („Forward
Model“) bezeichnet, welches laut Frith (2005) dem Reafferenzsystem entspricht. Diesen
Mechanismus kann man als ein System verstehen, welches die Motorik der Augen mit
einrechnet. Diese Verrechnung ist wegen der ständigen Bewegung (Sakkaden) der Augen
notwendig. Durch die Augenbewegungen verändert sich das Netzhautbild immer mit –
dennoch hat man nicht das Gefühl, dass sich die Umwelt ständig (mit)bewegt. Das ist dem
39
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Reafferenzsytem zu verdanken, da es dafür sorgt, dass das Ergebnis einer Bewegung immer
mit der Efferenz-Kopie abgeglichen wird.
Betrachtet man nun Patienten mit akustischen Halluzinationen, wird angenommen, dass
gemäß der Reafferenz-Hypothese der auditorische Kortex bei Gedanken bzw. innerem
Sprechen nicht mehr - wie im Normalfall - gehemmt wird. Das heißt, der akustische Kortex
wird
bei Gedanken normalerweise zwar erregt, aber durch die Efferenzkopie so weit
abgeschwächt, dass Gedanken nicht als von außen kommend wahrgenommen werden. Bei
akustischen Halluzinationen greift dieser Mechanismus der Hemmung also möglicherweise
nicht mehr bzw. nicht mehr ausreichend. Der Unterschied zwischen gesunden Personen und
schizophrenen Patienten und die Funktionsweise des Reafferenzprinzips wird in Abbildung 2.
verdeutlicht.
Abbildung 2. Zwei schematische Abbildungen des Mechanismus der Efferenzkopie bzw. des
Begleitsignals während des Sprechens bei Kontrollpersonen und Patienten (Ford & Mathalon, 2005).
Die Planung des Sprechens findet im Frontallappen (in der Abbildung durch einen grünen
Kreis gekennzeichnet), in der Nähe des Broca-Areals, statt. Der Frontallappen sendet eine
Efferenzkopie (grüner Pfeil) der Gedanken oder geplanten Geräusche, zum auditorischen
Kortex. Dort wird die Efferenzkopie zu einem Begleitsignal („Corollary Discharge“, grüner
Stern). Zur gleichen Zeit, oder ein paar Millisekunden später, wird das Sprechen initiiert und
die Sprechgeräusche kommen beim auditorischen Kortex (roter Pfeil) als die auditorische
Reafferenz (roter Stern) an.
Wenn nun das Begleitsignal mit der auditorischen Reafferenz zusammenpasst, wird die
sensorische Empfindung abgebrochen/annulliert oder in ihrer Auswirkung reduziert. Der
40
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
auditorische Kortex ist in der linken Abbildung blau dargestellt, um diese reduzierte
Ansprechbarkeit zu verdeutlichen.
In der rechten Abbildung, soll mit Hilfe des „X“ durch die Efferenzkopie und dem roten
auditorischen Kortex dargestellt werden, dass hier keine Hemmung während des Sprechens
stattfindet. Durch diese fehlende Hemmung entsteht dann das Gefühl, dass das Gehörte von
einer externen Quelle produziert wurde und nicht von der Person selber.
Das Reafferenzsystem bzw. Selfmonitoring wurde in dieser Studie zunächst anhand des so
genannten „Pitch-Shift-Paradigmas“ mit psychologischen Mitteln relativ unmittelbar
gemessen. Aus zeitökonomischen Gründen konnte der Test aber nicht mit in die statistische
Auswertung einbezogen werden. Dennoch stellt das Reafferenzprinzip für die vorliegende
Arbeit einen bedeutsamen theoretischen Hintergrund dar. Es spielt bei den durchgeführten
Wahrnehmungstests eine wichtige Rolle, ist doch die Generierung von Gestalten letztlich erst
durch den ständig intendierten Abgleich des Reafferenzsystems möglich. Allerdings war in
den
Wahrnehmungstests,
auf
die
sich
diese
Arbeit
stützt,
keine
unmittelbare
Operationalisierung des Reafferenzsystems möglich.
3. Ausgewählte Studien
Die in diesem Kapitel beschriebenen Studien zu den Paradigmen Verbale Transformation,
Scheinbewegungen,
Bewegungsinduzierte
Blindheit
und
Source
Monitoring
waren
Bestandteil der Testbatterie der durchgeführten Untersuchung. Sie bildeten sozusagen das
Herzstück, des vorliegenden Projekts, weshalb sie an dieser Stelle etwas ausführlicher
dargestellt werden sollen.
Zusätzlich wird das Paradigma der wahrgenommenen Kausalität näher erläutert. Dieses war
zwar nicht Bestandteil der Testbatterie, hatte aber auf Grund der Ähnlichkeit zu den
durchgeführten Gestaltwahrnehmungs-Tests und den Schlüssen, die Tschacher und Kupper
(2006) aus ihren Resultaten zogen, ebenfalls große Relevanz für die vorliegende Studie.
Abschließend werden die Ergebnisse der optischen Gestaltwahrnehmungs-Paradigmen in
Beziehung zu spezifischen Defizitmodellen schizophrener Störungen gesetzt.
3.1. Source Monitoring
41
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
In ältern Untersuchungen zum Source Monitoring schizophrener Patienten wurde meist nur
das zeitlich verzögerte Source Monitoring evaluiert. Morrison und Haddock (1997) stehen
dem kritisch gegenüber, weshalb sie in ihren Versuchsplan zusätzlich zum zeitlich
verzögerten Abruf auch die unmittelbaren Ursprungs-Attribuierungen für selbst generierte
Wörter überprüften. Das direkte Source Monitoring sollte einbezogen werden, da die Autoren
annahmen, dass es vor allem die spontane Fehlattribution bestimmter mentaler Ereignisse ist,
die entscheidend zum Auftreten akustischer Halluzinationen beiträgt. Morrison und Haddock
(1997) sind der Meinung, dass eine solche Vorgehensweise die grundlegende Hypothese,
wonach schizophrene Patienten zu einer externalen Attribution innerer mentaler Ereignisse
tendieren, direkt(er) testen kann. Dies sei einer indirekten Analyse von Erinnerungsprozessen
bei einer zeitlich verzögerten Zuschreibung entgegengesetzt, welche leicht zur Konfundierung
der Ergebnisse führen könne. Diese Gefahr sei insbesondere auf die Tatsache zurückzuführen,
dass die meisten schizophrenen Patienten medikamentös mit Neuroleptika und AntiCholinerika behandelt werden, welche schädliche Effekte auf die Erinnerungsfähigkeit haben
können (Blanchard & Neale, 1992; zitiert nach Morrison & Haddock, 1997).
Der Studie von Morrison und Haddock (1997) lag die Annahme zu Grunde, dass die
halluzinierenden schizophrenen Patienten, verglichen mit einer psychiatrischen und normalen
Kontrollgruppe, sowohl für das unmittelbare wie auch für das zeitlich verzögerte Source
Monitoring externale Zuschreibungen ihrer Gedanken bevorzugen. Dies würde sich in einer
Source Monitoring Aufgabe konkret durch niedrigere Internalitäts-Bewertungen und einer
höheren Rate falscher externaler Zuschreibungen (Versuchsleiter wird fälschlicherweise als
Quelle angenommen) zeigen.
Beim zeitverzögerten Source Monitoring resultierten signifikante Haupteffekte bezüglich
Ursprungszuschreibung (F (1, 42) = 20.99, p = 0.001) und Valenz (F (2, 84) = 6.66, p = 0.01).
Konkret bedeutet dies, dass die Versuchspersonen (Gesamtstichprobe) bei selbst generierten
Items sowie bei emotional geladenem Material mehr externale Fehlattributionen aufwiesen.
Es gab zwar eine Tendenz in Richtung eines bedeutsamen Gruppen-Effekts, die aber letztlich
nicht signifikant wurde (F (2, 42) = 3.15, p =0.053).
Beim unmittelbaren Source Monitoring ergab sich ein signifikanter Gruppen-Effekt: Die
halluzinierenden Patienten erreichten einen deutlich niedrigeren Wert als die beiden
Kontrollgruppen, d.h. sie machten weniger internale Ursprungszuschreibungen (F (2, 42) =
9.28, p < 0.001). Hinsichtlich der Valenz der vorgegebenen Begriffe ergab sich kein
signifikanter Haupteffekt (F(2, 84) = 3.48, p < 0.05).
42
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die Interaktion zwischen Gruppe und Valenz für die unmittelbare Zuschreibung der Herkunft
zeigte, dass die halluzinierenden Patienten mehr externale Attribuierungen bei emotionalem
Material als bei neutralem Material vornahmen, währenddessen die Valenz keinerlei Effekte
auf die Einstufungen der beiden Kontrollgruppen hatten.
In der Analyse der Kontrolldimension zeigte sich zwar eine Tendenz in Richtung eines
bedeutsamen Gruppeneffekts, die allerdings nicht signifikant wurde (F (2, 42) = 2.97, p =
0.062). Allerdings konnte ein signifikanter Haupteffekt hinsichtlich der Valenz nachgewiesen
werden (F (2, 84) = 4.84, p = 0.01). Dieser Effekt begründet sich in den niedrigeren
Bewertungen des positiven Materials, verglichen mit dem neutralen Material.
Morrison und Haddock (1997) konnten also zeigen, dass Patienten, die auditorische
Halluzinationen erleben, einen externalen Attributions-Bias hinsichtlich ihrer unmittelbaren
Gedanken, jedoch nicht bezüglich der Erinnerungen dieser Gedanken aufweisen. Die
Ergebnisse von Morrison und Haddock (1997) bezüglich direkter vs. zeitverzögerter
Herkunftszuschreibung legen nahe, dass der Bias im Source Monitoring ausschließlich als
kurzfristige Momentaufnahme existiert - im Gegensatz zur bisherigen Annahme, dass es sich
dabei um ein relativ stabiles Defizit handelt.
Außerdem spricht der Befund, dass halluzinierende Patienten- nicht aber die psychiatrische
Kontrollgruppe - zu externalen Attribuierungen neigen, gegen die Theorie von Frith (1992),
da diese prognostiziert, dass auch andere positive Symptome ein derartiges Defizit
widerspiegeln. Der Befund, dass Patienten, die Halluzinationen erlebten, bei den Aufgaben
zum zeitlich verzögerten Source Monitoring so akkurat wie die Kontrollgruppen abschnitten,
suggeriert, dass sie beim Erinnern der Herkunft der Items keinerlei Defizite aufweisen.
Dies scheint im Widerspruch zu den Theorien von Hemsley (1993) oder (David, 1994) zu
stehen.
Diese
Modelle
gehen
von
mangelnden
Leistungen
bei
Aufgaben
zur
Informationsverarbeitung aus. Sie prognostizieren, dass es entweder misslingt, die
sensorischen Inputsignale nützlich zu verwerten, um z.B. die Inanspruchnahme des Systems
zu reduzieren, oder dass innerhalb des Sprachproduktionssystems eine Fehlfunktion von Inoder Output-Prozessen vorliegt. Die Resultate von Morrison und Haddock scheinen aber eher
mit der Annahme eines Bias in der unmittelbaren Wahrnehmung als mit der Hypothese eines
globalen Defizits in Produktionsprozessen übereinzustimmen.
3.2. Verbale Transformation
Die grundlegende Idee der verbalen Transformation ist, dass ein fortdauerndes Anhören von
aufgezeichneten Wiederholungen eines einzelnen Wortes oder einer Phrase illusorische
43
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Veränderungen auslöst, die sich von einem Wort, welches sich auf den aktuellen Stimulus
reimt, bis hin zu extremen phonetischen Verzerrungen, erstrecken kann (Warren, 1968).
In Warrens Versuchsanordnung wurden die präsentierten Worte jeweils links und rechts
gleichzeitig wiederholt. Warren
nimmt an, dass „ [es] bei einer Präsentation mit
Wortwiederholung […] keine Bestätigung anhand des Kontextes geben [kann], kein Einsetzen
in eine – durch die erklingenden Worte bereitgestellte - stabile grammatikalische Struktur und
semantische Umgebung. Daraus folgt, dass das wiederholte Wort, Subjekt erfolgreicher
Reorganisation ist, und keines, aus dem kontextuelle Bestätigung erhalten werden kann.“
(1968, S. 269)
Inzwischen wurden weitere ähnliche Konzepte entwickelt. Hierzu gehört Deutschs Paradigma
der Phantomwörter, bei welchem die Worte allerdings links und rechts mit gleichem Tempo,
aber verschoben, wiederholt werden. Deutsch (2003) geht davon aus, dass die Phantomworte
durch das Gehirn mit dem Bestreben generiert werden, aus dem entstehenden Klangchaos
etwas Bedeutsames zu extrahieren.
Zusammengefasst gibt es also eine Reihe von Variablen, die man manipulieren kann und
berücksichtigen sollte. Hierzu gehören die emotionale Valenz der Wörter, der Zusammenhang
zwischen den dargebotenen Wörtern und die Art der Antworten (phonemisch, Bedeutung)
sowie die Zeit (wann werden die Wörter gehört, z.B. eher am Anfang oder eher am Ende der
Durchgänge). Die emotionale Valenz kann variiert werden durch die Verwendung neutraler,
positiver und/oder negativer Wörter.
Bei den Experimenten von Deutsch (2003) wurden die Versuchsteilnehmer aufgefordert,
jedes gehörte Wort oder jede Phrase niederzuschreiben. Dies könnte auf Grund von
Motivations- und Antriebsproblemen bei Schizophrenen jedoch eine Störvariable darstellen.
Deshalb wurden die Patienten in der vorliegenden Studie lediglich gebeten, jeden
wahrgenommen Wortwechsel per Klick auf die Leertaste zu signalisieren. Nach jedem
Durchgang befragte der Versuchsleiter die Probanden und notierte die gehörten Worte bzw.
Phrasen. Um eine Art externe Kontrolle darüber zu haben, ob die Probanden überhaupt in der
Lage waren, die gehörten Wörter korrekt wiederzugeben, wurde der Word-Fluency-Test zu
Beginn der Untersuchung eingebaut.
3.3. Scheinbewegungen
In einer Studie zum Scheinbewegungs-Paradigma von Tschacher et al. (2008) wurde
untersucht, inwieweit Wahrnehmungsorganisation und neurokognitives Binding bei Patienten
mit einer Störung, die dem schizophrenen Spektrum zuzuordnen ist, Veränderungen aufweist.
44
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Den Versuchspersonen (N = 68) wurden zirkuläre (CAM) und stroboskopische (SAM)
Stimuli präsentiert. Der stroboskopische Effekt ist dem zirkulären bei den Scheinbewegungen
des CAM verwandt. Hierbei wird eine schnelle Abfolge von „Stills“ (Einzelbilder) gezeigt weiche, nicht unterbrochene Bewegungen. Stills werden im Allgemeinen durch visuelles
Scannen von Szenen verarbeitet. Das Scannen vollzieht sich in aufeinander folgenden,
einzelnen Fixationen und schnellen, intermittierenden
Augenbewegungen. Ein stabiles,
konstantes Bild entsteht aber erst mit Hilfe des Reafferenz-Systems.
In der Studie von Tschacher et al. (2008) wurden den Probanden beim SAM-Paradigma zwei
unterschiedliche Stimulusmuster (A, B), die in Abbildung 3. dargestellt sind, präsentiert. Jede
der beiden Konfigurationen bestand aus zwei kleinen schwarzen Scheiben (Zielstimuli) auf
weißem Hintergrund. Die beiden Scheiben befanden sich jeweils in den Ecken eines
imaginären Rechtecks. Die beiden Stimulusmuster (A, B) wurden rasch alternierend ohne
Zwischenintervalle dargeboten. Durch das abwechselnde Aufblinken der beiden Muster
wurde eine horizontale, vertikale oder sehr selten auch eine zirkuläre Scheinbewegung der
Scheiben hervorgerufen.
Beim CAM-Paradigma wurden den Versuchspersonen analog zum SAM zwei pausenlos
alternierend aufblinkende Stimulusmuster (A, B) präsentiert. Die beiden Muster bestanden
jeweils aus sechs schwarzen Scheiben, die auf weißem Hintergrund kreisförmig angeordnet
waren - mit einem kleinen Zwischenraum zwischen den einzelnen Scheiben. Durch die
schnelle abwechselnde Präsentation der Stimulusmuster (A, B) wurde eine Scheinbewegung
der kreisförmigen Scheiben-Konfiguration im Uhrzeigersinn, gegen den Uhrzeigersinn oder
hin- und her kippend evoziert. Der CAM - wie auch der MIB - werden in diesem Kapitel
nicht abgebildet. Beide Paradigmen werden später noch im Methodenteil, in dem die in dieser
Studie verwendeten Messmittel ausführlich beschrieben werden, dargestellt.
Die Resultate der Studie von Tschacher und Kollegen lassen eine enge Verbindung zwischen
der Wahrnehmung von Scheinbewegungen und dem Psychopathologie-Status (erhoben durch
den PANSS) vermuten. Der Overall-Test war signifikant (F (15, 63.9) = 2.46, p < 0.1; Wilk’s
lambda), wobei die Psychopathologie-Dimensionen gegensätzliche Effekte auf die
Gestaltwahrnehmung
hatten.
Positive
Symptome
und
Desorganisation
standen
in
Zusammenhang mit verminderter Gestalt-Stabilität. Negative Symptome, Erregung und
Depression waren mit dem Gegensätzlichen (erhöhte Gestalt-Stabilität) assoziiert. Darüber
hinaus konnten 48% der Gesamtvarianz der CAM-Performances durch psychopathologische
Prädiktoren aufgeklärt werden.
45
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Es resultierten in der logistischen Regressionsanalyse letztlich keine signifikanten
Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe (N = 68; df = 3; χ2 =1.6; p = 0.65).
Allerdings wurden zwei latente Dimensionen gefunden: Ambulante und stationäre Patienten
waren durch eine weitere logistische Regressionsanalyse klar zu unterscheiden (N = 68; df =
6; χ2 = 23.5; p < .001). In beiden untersuchten Paradigmen erzielten die ambulant
behandelten Patienten eine höhere Gestaltstabilität als die Kontrollgruppe und die stationär
behandelten Patienten wiesen durchgängig eine niedrigere Gestaltstabilität als die gesunden
Kontrollpersonen auf.
Daraus schließen Tschacher et al. (2008), dass die Dysfunktion in der Wahrnehmung von
Scheinbewegungen nicht per se spezifisch für schizophrene Erkrankungen sind. Allerdings
vermuten die Autoren, dass das Scheinbewegungs-Paradigma ein viel versprechender „Stage
Marker“ sein könnte.
A
B
Abbildung 3. SAM-Paradigma: Die beiden Stimulus-Muster (A, B) wurden rasch alternierend
präsentiert (Tschacher et al., 2008).
3.4. Bewegungsinduzierte Blindheit
In der von Tschacher, Schuler & Junghan (2006a) durchgeführten Studie zum MIBParadigma wurde das subjektive Erleben von Blindheit durch spontane Figur-Grund-Wechsel
evoziert. Den
Probanden wurden drei ruhende gelbe Punkte als Zielstimuli auf einem
Computerbildschirm
präsentiert.
Gleichzeitig
rotierte
ein
viereckiges
Gitter
als
Ablenkungsmuster, bestehend aus kontrastarmen blauen Punkten, um die Zielstimuli. Das
Gros der untersuchten Stichprobe sah die hervorstehenden gelben Punkte verschwinden und
nach wenigen Sekunden wieder auftauchen. Dieses Phänomen konnte auch mit einer Reihe
von Mustervariationen reliabel repliziert werden.
46
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Bei der Untersuchung von Tschacher et. al (2006) waren die entscheidenden Parameter analog
zum CAM-Paradigma Anzahl und Dauer der MIB-Wahrnehmungen. An der Studie nahmen
34 Patienten teil, die allesamt unter einer Störung litten, welche dem schizophrenen Spektrum
zugeordnet war. Zusätzlich gab es eine Kontrollgruppe, die aus nach Alter und Geschlecht zur
Patientengruppe parallelisierten gesunden Versuchspersonen bestand.
Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass es, wie bei den Scheinbewegungs-Paradigmen,
eine klare Verbindung zwischen psychopathologischem Status und Gestaltwahrnehmung gibt.
So konnten 49% der Gesamtvarianz der MIB-Rate durch psychopathologische Prädiktoren
(PANSS-Dimensionen) aufgeklärt werden. In einem umfassenden MANOVA-Test wurde die
Hypothese, wonach eine generelle Beziehung zwischen beiden MIB-Variablen und allen
psychopathologischen Variablen besteht, bestätigt. Der Gesamttest war signifikant (F (10, 48)
= 2.78; p < 0.01; Wilk’s lambda) und zeigte somit einen klaren Zusammenhang zwischen
MIB und Psychopathologie an.
Positive Symptome und Erregung verstärken das MIB-Phänomen; wohingegen Depression
und negative Symptome die Täuschung abmindern. Insgesamt erlagen die normalen
Versuchseilnehmer häufiger der MIB-Illuion. Die Resultate blieben auch nach einer
Adjustierung für Reaktionszeit und Fehlerquote konsistent. Folglich ist davon auszugehen,
dass das MIB-Paradigma ein valides und reliables Messinstrument der kognitiven
Organisation schizophrener Patienten darstellt.
Bonneh et al. (2001, zitiert nach Tschacher, 2006a), die das MIB-Paradigma ursprünglich
entwarfen, gehen davon aus, dass die MIB-Illusion wahrscheinlich einen bestimmten
Aufmerksamkeitsmechanismus wiederspiegelt, der auf einer „Winner-takes-it-all“-Strategie
beruht. Vermutlich kann das MIB-Phänomen nicht durch hierarchisch niedrigere Prozesse wie
retinale Suppression oder Kontrastmaximierung erklärt werden.
Es ist anzunehmen, dass die MIB-Täuschung holistische Prozesse reflektiert, die für
Einordnung und Organisation von Charakteristiken des visuellen Inputs verantwortlich sind –
was auch als „Neurokognitives Binding“ bezeichnet wird. Diese Sichtweise wird unter
anderem von Forschern wie Hsu et al. (2004; zitiert nach Tschacher et al., 2006a) unterstützt.
Sie kamen zum Ergebnis, dass die MIB-Täuschung verstärkt auftrat, wenn die perzeptuelle
Bündelung zwischen Zielstimuli und Distraktor schwach war. Dies war z.B. der Fall, wenn
sowohl
Zielstimuli
als
auch
Distraktoren,
Gruppierungshinweise lieferten.
47
für
sich
selbst
genommen,
klare
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
3.5. Wahrgenommene Kausalität
Tschacher und Kupper führten im Jahr 2006(b) die bereits angesprochene Studie zur
Kausalitätswahrnehmung anhand des modifizierten Michotte-Paradigmas bei Patienten mit
einer schizophrenen Störung und einer Kontrollgruppe durch.
Die Probanden wurden dazu angehalten, über die gesamte Dauer eines Durchgangs ein Kreuz
zu fokussieren, welches sich unterhalb der Bildmitte befand. Zwei weiße Scheiben erschienen
auf beiden Seiten oberhalb des Kreuzes auf schwarzem Hintergrund. Am Ausgangspunkt
jedes Durchgangs waren die Scheiben auf gleicher Höhe zwölf Zentimeter voneinander
entfernt. Exakt ab dem Beginn eines Durchgangs bewegten sich die Scheiben mit einer
gleichmäßigen Geschwindigkeit von 10 cm/s waagrecht aufeinander zu, überschnitten sich in
der Bildschirmmitte und bewegten sich anschließend wieder von einander weg, bis sie den
Anfangsabstand erreicht hatten.
Um den Zeitpunkt, an dem sich die Scheiben überschnitten, wurde ein kurzes
„Klickgeräusch“ eingespielt. Hierbei variierte der Beginn des Klickgeräuschs in
randomisierter Abfolge über alle Durchgänge hinweg. Es setzte entweder - 150 oder - 75 ms
vor dem Überschneidungzeitpunkt, bzw. + 75 oder + 150 ms nach dem Zeitpunkt des
Zusammentreffens, oder exakt zum Zeitpunkt der Überschneidung (= Bedingung „0“) ein.
Die
wahrgenommene
Kausalität
wurde
letztlich
durch
die
Wahrscheinlichkeit
wahrgenommener Zusammenstöße der Scheiben aus allen Durchgängen bestimmt.
In der statistischen Analyse resultierte in der Gruppe der schizophrenen Patienten eine
hochsignifikante Korrelation zwischen der wahrgenommenen Kausalität und dem
psychopathologischen Status. In Zahlen ausgedrückt, bedeutet dies: 64% der Gesamtvarianz
der wahrgenommenen Kausalität konnte durch Unterschiede im psychopathologischen Status,
der an Hand des PANSS (Kay et al., 1987) erhoben wurde, aufgeklärt werden. Weiterhin
zeigte eine schrittweise durchgeführte Regressionsanalyse, dass die wahrgenommene
Kausalität bei Vorhandensein positiver Symptomen anstieg (S/beta = .79); bei kognitiven
Defiziten jedoch abfiel (S/beta = -.51).
Um allfällige Unterschiede zwischen der Patienten- und Kontrollgruppe zu eruieren, wurden
die wahrgenommene Kausalität und die Darbietungszeit über alle Gruppen hinweg
verglichen. In einer mulivariaten Varianzanalyse zeigte sich bei der Patientengruppe eine
Tendenz hin zu weniger wahrgenommenen Kausalität als in der Kontrollgruppe (F 1,6 = 3.12;
p < .1). Es ergab sich ein hochsignifikanter Zusammenhang zwischen dem Beginn des Klickgeräuschs und der wahrgenommenen Kausalität in der Gesamtstichprobe, jedoch nicht für die
Unterscheidung der beiden Gruppen. In beiden Gruppen resultierte nahezu die gleiche
48
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Rangfolge für die Wahrscheinlichkeit wahrgenommener Kausalität in Abhängigkeit zu den
differierenden Startpunkten des Klicks: 0 ms < -70 ms < -150 ms < +70 ms < +150 ms
(Kontrollgruppe) und -70ms < 0 < -150ms < +70 ms < +150 ms (Patientengruppe).
Aus den Ergebnissen schließen Tschacher und Kupper (2006), dass kausale Interferenzen und
Attributionen als essentielle Bedingungen / Bestandteile höherer kognitiver Prozesse wie der
„Theory of Mind“ (TOM) bzw. der sozialen Kognition verstanden werden können. Die beiden
Autoren nehmen an, dass die wahrgenommene Kausalität analog zur Gestaltbildung eine
grundlegende, vorausgehende kognitive Funktion darstellt. Tschacher und Kupper (2006)
ziehen aus den Ergebnissen ihrer Untersuchung drei zentrale Schlüsse:
•
Die Grundlage der Symptome schizophrener Erkrankungen ist in bedeutsamer Weise
mit der wahrgenommenen Kausalität verbunden. Das könnte also bedeuten, dass das
Ausmaß an Kausalitätswahrnehmung zur Entwicklung von positiven Symptomen und
kognitiven Defiziten beiträgt.
•
Das Paradigma der wahrgenommenen Kausalität betrifft die fundamentale
Organisation der Wahrnehmung. Diese ist der Aufmerksamkeit vorgeschaltet und
funktioniert unabhängig von Bewusstsein, Sprache und metakognitiven Prozessen.
•
Kausalitätswahrnehmung stellt kein Wesensmerkmal schizophrener Störungen dar,
sondern ist vielmehr als ein Kennzeichen für einen bestimmten Zustand bzw. für ein
bestimmtes Krankheitsstadium zu verstehen.
Abbildung 4. Schematische Darstellung des Scheinkausalitäts-Paradigma: Die beiden Scheiben
bewegen sich mit gleich bleibender Geschwindigkeit horizontal aufeinander zu, überschneiden sich in
der Mitte des Bildschirms und bewegen sich kontinuierlich weiter, bis sie schließlich wieder bei ihrer
ursprünglich Distanz angelangt sind. Um den Zeitpunkt des Aufeinadertreffens der beiden Scheiben
wird ein akustisches Signal eingespielt (Tschacher & Kupper, 2006b).
3.6. Das Problem der Spezifität schizophrener Symptomatik
49
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
In den Schlussfolgerungen von Tschacher und Kupper (2006) wird bereits die Problematik
bzw. die noch nicht eindeutig geklärte Frage der Spezifität schizophrener Symptome deutlich.
Nach wie vor werden in verschiedensten Erklärungsansätzen zu Entstehung, Auslösung und
Aufrechterhaltung
schizophrener
Störungen
divergierende
„Spezifitäts-Hypothesen“
kontrovers diskutiert.
Die Vertreter einer Bereichs-spezifischen Hypothese gehen davon aus, dass Schizophrene auf
Grund einer lokalisierbaren Gehirnläsion unter einer defizitären Wahrnehmung leiden. Der
derzeitige Wissensstand in der Schizophrenieforschung lässt aber darauf schließen, dass diese
Hypothese nicht weiter verfolgt werden muss. Es gibt bislang keinerlei empirische Evidenz
für die Annahme, dass die Defizite schizophrener Patienten auf einzelne Bereiche der
Informationsverarbeitung beschränkt sind (Tschacher, 2004).
Aus Funktions-spezifischer Perspektive liegt schizophrenen Störungen hingegen ein klar
umschriebenes Verarbeitungsdefizit zu Grunde, das allerdings nicht auf einen einzelnen
kognitiven Bereich begrenzt ist. Es wird vielmehr angenommen, dass sich das umschriebene
Defizit über einen gesamten Neuronenverbund erstreckt, der wiederum nicht in einem
einzelnen Teil des Gehirns zu lokalisieren ist.
Für die Funktions-spezifische Hypothese gibt es bislang zwar noch keine eindeutigen
empirischen Evidenzen, was aber unter anderem auf methodische Probleme zurückzuführen
ist. Die weitere Evaluation dieser Annahme stellt eine konstruktive Herausforderung für die
heutige Schizophrenieforschung dar (Uhlhaas & Silverstein, 2003a).
Last but not least geht der Zustands-spezifische Ansatz davon aus, dass sich spezifische
Dysfunktionen einer schizophrenen Erkrankung dynamisch verhalten, d.h. sie variieren über
die Zeit oder sind anders ausgedrückt, abhängig vom aktuellen Zustand und momentanen
Stadium der Störung.
Wie schon im ersten Kapitel angesprochen machen Autoren wie Plaum (2003) auf den, über
die Zeit variierenden und reversierenden Charakter von schizophrenen Symptomen und
Dysfunktionen, aufmerksam. Ausführliche Längsschnittstudien konnten zeigen, dass gerade
Symptombereiche, von denen bislang angenommen wurde, dass sie relativ andauernd und
beständig seien (z.B. Negativsymptomatik), tatsächlich oftmals schon innerhalb eines kurzen
Zeitraums beträchtlich schwanken. D.h. konkret, dass sich Negativsymptome wie sozialer
Rückzug oder kognitive Defizite von einem auf den anderen Tag ändern können. Diese
Erkenntnisse decken sich mit dem dynamischen Krankheitsverständnis der Schizophrenie
(Tschacher, 1997).
50
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Bereits in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatten Forscher wie Conrad (1958,
zitiert nach Tschacher, 2004) festgestellt, dass sich schizophrene Erkrankungen gemeinhin
über mehrere qualitativ unterschiedliche Stadien bzw. Phasen entwickeln. Laut Tschacher
(2004) unterschied Conrad (1958) dabei zwischen dem „Trema-Stadium“ (Destabilisierung
der Gestaltwahrnehmung) und dem „Apophänie-Stadium“ (Hyperstabilisierung von wahnhaften Gestalten).
Auch die Befunde von Tschacher et al. (2004, 2006a, 2006b) aus Untersuchungen mit
schizophrenen Patienten zu bi-stabilen Phänomenen stützen diese Annahme über die Existenz
von Zustands-spezifischen Defiziten. In den bereits ausführlich beschriebenen Studien zu den
Gestaltparadigmen CAM, SAM, MIB und dem Michotte-Display resultierten jeweils
signifikante, spezifische Assoziationen zwischen den Ausprägungen psychopathologischer
Dimensionen, welche mit Hilfe des PANSS (Kay et al., 1987) erhoben wurden und der
Häufigkeit illusorischer Wahrnehmungen.
Abschließend kann gesagt werden, dass die vorgestellten Forschungsergebnisse die Annahme
von Zustandsspezifischen Defiziten schizophrener Patienten bekräftigen.
51
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
4. Hauptfragestellung und Forschungshypothesen
Die Hauptfragestellung dieser Studie bezieht sich auf die Evaluation des allfälligen
Unterschieds zwischen Patienten- und Kontrollgruppe hinsichtlich der auditiven und visuellen
Gestaltwahrnehmung. Von zentraler Bedeutung ist auch die Evaluation des Zusammenhangs
von akustischer und optischer Gestaltbildung mit dem individuellen Psychopathologiestatus
der Patienten. Darüber hinaus spielt die Überprüfung einer möglicherweise generellen
Verknüpfung von akustischer und optischer Gestaltwahrnehmung eine bedeutende Rolle.
Die im Folgenden aufgeführten Forschungshypothesen (primäre und sekundäre Hypothesen)
basieren auf dem in Kapitel 1, 2 und 3.dargestellten theoretischen Hintergrund. Insbesondere
die beschriebenen Studien zur optischen Gestaltwahrnehmung dienten als Ausgangspunkt für
die Hypothesengenerierung dieser Arbeit.
4.1.
Primäre Hypothesen
4.1.1. Die Patienten- und Kontrollgruppe unterscheiden sich hinsichtlich
a. auditiver Gestaltwahrnehmung
b. visueller Gestaltwahrnehmung
c. Source Monitoring
d. kognitiver Leistung
e. Reaktionszeit
f. Stimmung
4.1.2. Es existiert eine Assoziation zwischen dem psychopathologischen
Status der Patienten und deren
a. auditiver Gestaltwahrnehmung
b. visueller Gestaltwahrnehmung
c. Source Monitoring
d. kognitiver Leistung
e. Reaktionszeit
f. Stimmung
52
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
4.2.
Georg Rees
Sekundäre Hypothesen
4.2.1. Bei der Patienten- wie bei der Kontrollgruppe besteht ein Zusammenhang zwischen
auditiver und visueller Gestaltwahrnehmung.
4.2.2. Zwischen den Subgruppen „Patienten mit aktuell auftretenden Halluzinationen“ vs.
„Patienten, bei denen früher Halluzinationen aufgetreten sind“ und „Patienten, die nie
Halluzinationen erlebt haben“ bestehen Unterschiede bezüglich
a. auditiver Gestaltwahrnehmung
b. visueller Gestaltwahrnehmung
c. Source Monitoring
4.2.3. Beim Source Monitoring attribuieren Patienten, die aktuell Halluzinationen
Erleben, oder dies früher taten, emotional geladenes Material häufiger external,
als Patienten, die nie halluzinatorische Erfahrungen gemacht haben und
Kontrollpersonen.
4.2.4. Zwischen den Subgruppen stationär vs. teilstationär/ambulant behandelter Patienten
gibt es Differenzen hinsichtlich
a. auditiver Gestaltwahrnehmung
b. visueller Gestaltwahrnehmung
c. Source Monitoring
4.2.5. Zwischen langsameren Reaktionszeiten und niedrigeren Transitionsraten besteht ein
positiver Zusammenhang in Bezug auf die
a. auditive Gestaltwahrnehmung
b. visuelle Gestaltwahrnehmung
4.2.6. Die Stimmungslage übt einen Einfluss aus, auf:
a. akustischer Gestaltwahrnehmung
b. optischer Gestaltwahrnehmung
c. Sourcemonitoring
53
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
5. Methodik
Im methodischen Teil sollen die zentralen Forschungsziele, das Studiendesign, die ergriffenen
Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie die technischen Daten der verwendeten Geräte
dargelegt werden.
Darüber hinaus soll die untersuchten Stichprobe und die verwendeten Messmittel beschrieben
werden. Die Beschreibung der untersuchten Versuchspersonen enthält die Ein- und
Ausschlusskriterien für die Studienteilnahme, den a priori erforderlichen Stichprobenumfang,
die Rekrutierung der Versuchspersonen sowie die Zusammensetzung der untersuchten
Stichprobe. Bei der Beschreibung der verwendeten Erhebungsinstrumente wird neben der
Darstellung und Erläuterung der vollständigen Testbatterie auch kurz auf die Instruktionen
eingegangen.
5.1. Forschungsziele
Es ist Ziel und Sinn dieses Forschungsprojekts, die gewonnen Resultate der durchgeführten
auditiven und visuellen Gestaltwahrnehmungstests zueinander sowie zu Ergebnissen früheren
empirischen Untersuchungen in Beziehung zu setzen. Im Bereich der auditiven
Gestaltwahrnehmung wurden eigene Messmethoden für die vorliegende Studie entwickelt und
sollen nun in der Anwendung auf ihre Validität überprüft werden.
Der Zusammenhang zwischen auditorischer und optischer Gestaltwahrnehmung, SourceMonitoring und psychotischer Symptomatik (insbesondere akustische Halluzinationen) soll
evaluiert werden. Hierzu werden den Probanden auditive Illusionen (Phantomwörter) und
optische Täuschungen (MIB, CAM) präsentiert. Das Hauptaugenmerk bei der Auswertung
liegt auf einem Vergleich der Gruppenmittelwerte von psychotischen Patienten vs. gesunden
Kontrollpersonen. Ziel ist es, etwaige Unterschiede der beiden Gruppen zu eruieren und
Antworten zu finden auf Fragen wie:
•
Unterscheiden sich Patienten in ihrer auditorischen und/oder visuellen Gestaltwahrnehmung von gesunden Kontrollpersonen?
•
Reagieren die Versuchspersonen, insbesondere psychotische Patienten mit akustischen
Halluzinationen auf auditive Gestaltwahrnehmungstests anders als auf optische?
•
Welche Rolle spielen kognitive Leistungsfähigkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration
bei der Gestaltwahrnehmung?
•
Beeinflussen Stimmung und Attributionstendenzen die Gestaltwahrnehmung?
54
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Des Weiteren sollen die Ausprägungen psychopathologischer Beschwerden/Symptome mit
Hilfe der deutschen PANSS-Version (Gerhold, Huss, & Luecke, 2005) überprüft und zu den
Ergebnissen der restlichen Testbatterie, in Beziehung gesetzt werden. Auch innerhalb der
Patientengruppe soll anhand der deutschen Adaptationen von PANSS und PSYRATS (Vauth
& Stieglitz, 2007) sowie auf Grund des Halluzinationserlebens (gegenwärtig vs. früher vs.
nie) und des therapeutischen Settings (stationär vs. teilstationär/ambulant) ein Vergleich
gemacht werden.
5.2. Versuchspersonen
Es wurde versucht, möglichst bereits im Vorfeld der Testung zu eruieren, ob die potentiellen
Studienteilnehmer den im Folgenden dargestellten Ein- und Ausschlusskriterien entsprachen.
5.2.1. Ein- und Ausschlusskriterien
Einschlusskriterien
• erwachsene Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren
• DSM-IV und/oder ICD-10 – Diagnose einer psychotischen Erkrankung
• Stationäre,
teilstationäre
oder
ambulante
psychiatrisch-psychotherapeutische
Behandlung
• Patienten mit persistierenden akustischen Halluzinationen ebenso wie Patienten, die
früher unter akustischen Halluzinationen litten und Patienten, bei denen noch nie
akustische Halluzinationen aufgetreten sind
Ausschlusskriterien
• aktuelle Substanzabhängigkeit (Alkohol, illegale Drogen)
• akut psychotische Krankheitsphase
• mangelnde Deutschkenntnisse
• Ersterkrankung
• Hörschädigung
• Sprachstörung
• Hirnorganische Erkrankung bzw. Verletzung
5.2.2. Stichprobenumfang
Die vor Beginn der Untersuchungen bestimmte Stichprobengröße bezog sich auf die zu
erwartenden Unterschiede der Resultate von Patienten- und Kontrollgruppe in den primären
55
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Messgrößen. Um bei einem Signifikanzniveau von .05 (beidseitig) und einer Teststärke von
80% einen Unterschied in der kognitiven Koordination beider Gruppen detektieren zu
können, musste eine Stichprobengröße von N ≥ 60 gewählt werden. Bei einer angenommenen
Ausfallrate von ca. 20% resultierte also eine Minimalgröße von n = 38 pro Gruppe, d.h. es
wurde angestrebt insgesamt mindestens 76 Probanden zu rekrutieren.
Es stellte sich als relativ schwierig heraus, innerhalb eines Jahres 36 schizophrene Patienten
zu rekrutieren. Auf Grund der unter Punkt 5.2.1. aufgeführten Ausschlusskriterien kamen
schon a priori zahlreiche Patienten nicht in Frage. Da von den Patienten, die ihre Teilnahme
an der Studie bereits zugesagt hatten, einige kurzfristig doch noch ausfielen und ein paar
weitere die Untersuchung vorzeitig abbrachen, resultierte im Endeffekt eine Gruppengröße
von n = 30. Diese genügte den oben beschriebenen statistischen Anforderungen.
5.2.3. Rekrutierung der Versuchspersonen
Zwischen Juli und November 2007 wurden insgesamt 15 psychotische Patienten, die im
Psychiatrischen Rehabilitationszentrum des Rudolph-Sophien-Stifts (RRSS) Stuttgart
stationär behandelt wurden, sowie 15 Kontrollpersonen aus dem Großraum Stuttgart und
Bern, untersucht.
Von November 2007 bis Februar 2008 wurden dann sieben weitere psychotische Patienten,
die im Osnabrücker AMEOS-Klinikum teilstationär (vier Patienten) oder ambulant (drei
Patienten) behandelt wurden und sieben gesunde Versuchspersonen, die ebenfalls aus
Osnabrück und Umgebung stammten, getestet. Zuletzt nahmen ab März 2008 nochmals
jeweils acht Patienten und Kontrollpersonen aus Bern an der Studie teil. Die Berner Patienten
befanden sich in stationärer (fünf Patienten) oder teilstationärer (drei Patienten) Behandlung
in einer den Universitären Psychiatrischen Diensten (UPD) zugehörigen Einrichtung.
5.2.4. Zusammensetzung der untersuchten Stichprobe
Die Gesamtstichprobengröße beträgt N = 60; davon 30 Patienten und 30 Kontrollpersonen.
Alle Patienten wurden auf pharmako-therapeutischer Basis behandelt und litten unter einer
nach ICD-10 oder DSM-IV diagnostizierten psychotischen Störung. Die Kontrollgruppe
setzte sich aus Probanden, die keinerlei diagnostizierte psychische Störungen aufwiesen,
zusammen.
Jede der beiden Untersuchungsgruppen besteht aus 18 (60%) Männern und 12 (40%) Frauen.
Das durchschnittliche Alter in der gesamten Stichprobe liegt bei 36,97 (Sd = 10,78) Jahren.
Sowohl das mittlere Alter in der Patienten- wie in der Kontrollgruppe, als auch das
56
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Durchschnittsalter von Männer und Frauen (in der Gesamtstichprobe wie je in Patienten- und
Kontrollgruppe) wichen vom mittleren Alter in der Gesamtstichprobe nur marginal ab.
Die Patientengruppe bestand aus stationär, teilstationär oder ambulant psychiatrischpsychotherapeutisch behandelten Personen. Von den 30 Patienten befanden sich 21 (70%) in
stationärer, sechs (20%) in teilstationärer (Tagesklinik) und drei (10%) in ambulanter
(Nachversorgung) Behandlung.
Das durchschnittliche Alter bei der Ersthosptialisation war 26,33 (Sd = 8,56) Jahren. Die
mittlere Anzahl an Hospitalisationen lag bei 4,93 (Sd = 2,53). Die durschnittliche Dauer der
Erkrankung (bezogen auf das Alter bei Ersthospitalisation) beträgt 10,52 (Sd = 7,87) Jahren.
Von den 30 Patienten hatten 23 die ICD-10-GM-Diagnose einer „Paranoiden Schizophrenie“,
drei eine „Katatone Schizophrenie“ und jeweils ein Patient erhielt die Diagnose
„Schizophrenes Residuum“, „Sonstige Schizophrenie“, „Schwere depressive Episode“ und
„Mittelgradige depressive Episode“. Bei den letzten beiden ist anzumerken, dass sie als
Zusatzdiagnose eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert bekamen.
5.3. Studiendesign
Schon vor Beginn der ersten Untersuchungen, wurde festgelegt, dass die Kontrollgruppe
bezüglich Alter und Geschlecht zur Patientengruppe parallelisiert werden sollte, um mögliche
Einflüsse dieser Variablen auszuschließen. In beiden Gruppen wurden die gleichen Tests und
Fragebögen durchgeführt, mit Ausnahme der zusätzlichen Erfassung psychopathologischer
Symptomatik anhand der deutschen Adaptationen des PANSS (Gerhold et al., 2005) und des
PSYRATS (Vauth et al., 2007).
Generell war die Studie als Ein-Punkt-Messung angelegt - die Testungen sollten jeweils an
einem Termin durchgeführt werden. Allerdings mussten bei drei Patienten die
Untersuchungen, bedingt durch Überbelastung,
abgebrochen und am nächsten Tag
fortgeführt werden. Bei Patienten dauerte eine Untersuchung ca. zweieinhalb bis dreieinhalb
Stunden (inklusive PANSS und teilweise PSYRATS) und bei der Kontrollgruppe ca.
eineinhalb bis zweieinhalb Stunden.
Im folgenden Abschnitt soll der Studienablauf bei den Patienten inklusive der im Vorfeld
jeder Testung getätigten Vorbereitungen und Abklärung dargestellt werden.
57
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
5.3.1. Übersicht zu Testvorbereitungen und Untersuchungsablauf bei den Patienten
• Kontakt zu den teilnehmenden Institutionen
Die Versuchsleiter nahmen persönlich oder telefonisch Kontakt mit Ärzten,
Psychotherapeuten, Sozialarbeitern, Betreuern und/oder Pflegern der betreffenden
Klinikstation auf. Hierbei standen die Vermittlung von Basisinformation und die
Aufklärung über die Studie im Vordergrund. Die Ein- und Ausschlusskriterien wurden
den jeweiligen Kontaktpersonen explizit von Beginn an mitgeteilt. Sämtliche
Informationen und das vollständige Testheft wurden den Kontaktpersonen per E-Mail
zugeschickt und/oder direkt in einer ausgedruckten Fassung überreicht.
• Auswahl und Anwerbung
Die Ärzte, Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Betreuer und/oder Pfleger waren dann
auf ihrer jeweiligen Station für die Auswahl und Anwerbung der Patienten zuständig.
• Baseline-Erhebung
Vor der eigentlichen Untersuchung des Patienten traf sich der Versuchsleiter zu einem
ca. 20 Minuten langen Gespräch mit einer Pflegekraft oder einem Betreuer - möglichst
der Bezugsperson des jeweiligen Patienten - um dessen Einschätzung bestimmter, für
das PANSS-Interview relevanter Sachverhalte sowie die Basisdaten (demographische
und klinische Angaben) einzuholen.
• Begrüßung, Aufklärung und Information
Am Beginn der Untersuchung stand die standardisierte Begrüßung, Aufklärung und
Information des Patienten bezüglich Inhalt, Ablauf und zeitlichem Rahmen der
Untersuchung sowie die Erläuterung der Einverständniserklärung.
• Vervollständigung der Basisdaten
Nach
Einholen
einer
mündlichen
Einverständniserklärung,
die
auf
Video
aufgezeichnet wurde, wurden die Basisdaten (demographische und klinische
Angaben) vervollständigt, da die Pfleger bzw. Betreuer in aller Regel nicht alle
diesbezüglichen Fragen beantworten konnten.
• PANSS und PSYRATS
Vor Beginn des PANSS-Interviews wurden die Patienten gefragt, ob sie damit
einverstanden sind, dass das Gespräch auf Video aufgezeichnet wird. Die
Durchführung des Interviews dauerte zwischen 45 und 90 Minuten. Falls der
Versuchsleiter während des Gesprächs zur Überzeugung kam, dass der Patient beim
PANSS-Item „Halluzinationen“ mit ‚3’ oder höher einzustufen war, führte er direkt
das ca. 15 Minuten dauernde PSYRATS-Interview durch.
58
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
• Erste Pause
Anschließend wurde eine Pause von ca. 15 Minuten eingelegt. Auf Wunsch des
Patienten war aber auch eine längere Pause möglich, oder es wurde bei Bedarf schon
während des PANSS-Interviews eine Pause gemacht.
• Handschriftliche Tests und Fragebögen
Sechs Tests und Fragebögen, die handschriftlich auszufüllen waren, folgten.
• Zweite Pause
Danach wurde nochmals eine Unterbrechung von ca. 15 Minuten eingeschoben. Wie
bei der ersten Pause, war es auch hier möglich, diese auf Wunsch des Patienten
auszudehnen, oder schon früher zwischen den einzelnen Tests kurz zu unterbrechen.
• PC-Tests
Abschließend folgte die Durchführung von sieben weiteren Tests am Computer.
• PANSS-Einstufung
Das PANSS-Rating wurde vom Versuchsleiter direkt nach dem PANSS-Interview,
während die Patienten eine Pause machten, vorgenommen. Nach Abschluss der
Untersuchung wurde die Einschätzung nochmals überprüft. Wenn der Patient einen
Videomitschnitt genehmigte, wurde dieser zu Rate gezogen.
• Besondere Beobachtungen
Im Verlauf der gesamten Untersuchung machte sich der Versuchsleiter zu
besonderen Beobachtungen Notizen.
5.4. Beschreibung der Messinstrumente
Es wurde stets schon vor Beginn der Tests betont, dass es sich bei dieser Untersuchung nicht
um
Leistungstests
handle,
sondern
zum
Großteil
um
akustische
und
visuelle
Wahrnehmungsaufgaben, bei denen es um das subjektive Erleben jedes Einzelnen gehe und
nicht um richtige oder falsche Antworten, Reaktionen oder Wahrnehmungen. Gegebenenfalls
wurde diese Grundinstruktion später nochmals zwischen einzelnen Tests wiederholt.
Für alle verwendeten Erhebungsinstrumente stand eine standardisierte Instruktion zur
Verfügung, um so eine möglichst optimale Vergleichbarkeit der Versuchspersonen zu
gewährleisten. Für den Großteil der Fragebögen und Tests auf Papier wie am PC existierte
eine schriftliche Instruktion, die sich die Studienteilnehmer vor Beginn der jeweiligen Tests in
Ruhe durchlesen sollten.
Anschließend wurden die Probanden gefragt, ob sie alles verstanden hätten In den meisten
Fällen wurden die schriftlichen Instruktionen zwar prinzipiell richtig aufgefasst, aber oft blieb
59
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
noch die eine oder andere Frage offen bzw. gewisse Unsicherheiten bestehen. In solchen
Fällen erläuterten die Versuchsleiter die Anweisungen noch einmal mündlich, wenn nötig
auch mehrmals. In aller Regel waren die Instruktionen aber spätestens nach der ersten
zusätzlichen Erklärung vollständig verstanden. Im Testbogen, der im Anhang dieser Arbeit
beigelegt ist, können die meisten Instruktionen, eingesehen werden.
Folgende Punkte wurden per Checkliste jeweils vor Beginn der Testungen am Computer
überprüft bzw. beachtet, damit die Versuchspersonen unter möglichst störungsfreien und
vergleichbaren Bedingungen getestet werden konnten:
• Licht-Reflexion auf dem Monitor sowie Lichtquelle hinter dem Computer wurden
vermieden.
• Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Tests in einem ruhigen Raum stattfanden und
allfällige Hintergrundgeräusche konstant waren. Türen und Fenster wurden stets
geschlossen.
• Der Abstand vom Auge der Versuchsperson zum Bildschirm betrug bei den optischen
Gestaltwahrnehmungstests jeweils 50 cm.
• Die Versuchspersonen wurden aufgefordert senkrecht auf den Bildschirm zu schauen.
• Vor den akustischen Tests wurden jeweils die Standardeinstellungen der Mikrofonund Kopfhörerlautstärke sowie der Regler auf den Software-Oberflächen der einzelnen
Tests überprüft.
• Die Studienteilnehmer wurden vor jedem akustischen Test darauf aufmerksam
gemacht, dass der Kopfhörer eng geschlossen zu tragen sei, da das Gerät sich auf
Grund der integrierten Drucksensoren erst so einschält.
Die im Folgenden beschriebenen Messmittel stellen die gesamte Testbatterie dar und wurden
in der aufgeführten Reihenfolge durchgeführt. Allerdings wurden das „Davos Assessment of
Cognitive Biases Scale“, das „Pitch-Sift-Paradigma“ und die „Stream Segregation“ letztlich
nicht mit in die Auswertung dieser Studie einbezogen.
5.4.1. Fragebogen zu demographischen und klinischen Angaben
Mit dem Fragebogen zu demographischen und klinischen Angaben wurden demographische
Kennwerte der Probanden zum Untersuchungszeitpunkt, allgemeine Hintergrundsvariablen
und ergänzende Informationen erhoben.
Zusätzlich wurden von Ärzten, Psychologen, Sozialarbeitern, Pflegern und/oder Betreuern
bezüglich folgender PANSS-Items ergänzende Informationen zur Vorbereitung für das
60
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
klinische Interview eingeholt: Wahnideen, Halluzinationen, Erregung, Größenideen,
Misstrauen/Verfolgungsideen, Feindseligkeit, emotionaler Rückzug, passiver/apathischer
sozialer Rückzug, Manierismen und unnatürliche Körperhaltungen, Depression, motorische
Verlangsamung, unkooperatives Verhalten, mangelnde Impulskontrolle sowie zu letzt aktives
soziales Vermeidungsverhalten.
5.4.2. Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS)
Im Allgemeinen soll mit Hilfe der PANSS der gegenwärtige psychopathologische Status der
Patienten unter Einbezug der Befindlichkeit in den letzten zwei Wochen vor
Untersuchungstermin eruiert werden.
In dieser Studie wurde die deutsche PANSS-Version von Gerhold et al. (2005) verwendet, die
auf der Original- PANSS von Kay et al. (1987) basiert. Die beiden Versionen sind nahezu
deckungsgleich. Prinzipiell ist die PANSS ein speziell für schizophrene Erkrankungen
entwickeltes, semi-strukturiertes klinisches Interview mit einer Dauer von 45 – 90 Minuten.
Abschließend stuft der Interviewer, einem spezifischen klinischen Interviewleitfaden folgend,
den untersuchten Patienten in 30 Items ein.
Die Einschätzung der Patienten für die einzelnen Items erfolgt mit der Graduierung 1 = nicht
vorhanden / 2 = minimal / 3 = leicht / 4 = mäßig / 5 = mäßig schwer / 6 = schwer / 7 = extrem.
Der Auswertung der 30 Items erfolgt bei der vorliegenden Arbeit nach der Fünf-FaktorenLösung von Lindenmayer, Bernstein-Hyman, Grochowski und Bark (1995). Durch die fünf
Faktoren - statt der früher üblichen Aufsplittung in nur drei Faktoren (Positiv- und NegativSymptomatik sowie Allgemeine Psychopathologie) kann signifikant mehr Varianz aufgeklärt
werden. Das Model von Lindenmayer und Kollegen unterteilt die PANSS-Items in
Positivsymptomatik, Negativsymptomatik, Erregung, Depression und eine kognitive
Komponente.
Hierbei beinhaltet der positive Faktor vor allem charakteristische Symptome beginnender
bzw. akuter Psychosen, wie z.B. Wahnvorstellungen, Halluzination und/oder eigentümliche
Gedankeninhalte. Der negative Faktor umfasst defizitäre Symptome der Schizophrenie, die
sich meist in emotionalen und sozialen Rückzug manifestieren. Der Erregungsfaktor schließt
Feindseligkeit, Anspannung und Impulsivität mit ein. Zum Depressionsfaktor gehören
Angstsymptome, Schuldgefühle, somatische Beschwerden und Grübeln/Gedankenkreisen.
Zuletzt bezieht der kognitive Faktor Anzeichen kognitiver Desorganisation, wie konzeptuelle
Desorganisation, Desorientierung und Schwierigkeiten im abstrakten Denken mit ein.
61
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die PANSS gehört seit ihrer Entstehung zu den maßgebenden Skalen für die Erfassung von
Psychopathologie in der Schizophrenieforschung und klinischen Praxis. Wohl kaum ein
anderes klinisches Interview wurde einer so ausführlichen Überprüfung und Standardisierung
unterzogen (Kay, Opler & Lindenmeyer, 1988). Das Manual bietet ausführliche Definitionen
für Symptome und genaue Kriterien für deren Bewertung. Es wurden gute Reliabilitäts- und
Validitätskennwerte gezeigt; der PANSS besitzt eine hohe Interrater-Reliabilität und eine
hohe Retest-Relabilität (Kay et al., 1988).
Für die Item-Definitionen, Beschreibungen der Ankerpunkte und die Auswertungsprozedur
wurde immer das Rating-Manual hinzu gezogen. Die Patienten wurden von den zwei
Versuchsleitern eingestuft. Laut Müller, Rosssbach, Davids, Wetzel und Benkert (2000) ist
ein
spezifisches
PANSS-Training
notwendig,
um
eine
hinreichend
akzeptable
Interraterreliabiltät (K > 80% (Expertenstandard), kw > 60 (Kappa-Koeffizient)) zu erreichen.
Aus diesem Grund nahmen die beiden Versuchsleiter vor Beginn der Untersuchungen im Juni
2007 gemeinsam mit zwei weiteren Mitarbeitern der UPD an einem PANSS-Rater-Training
(an drei Terminen, jeweils vier Stunden) unter Anleitung eines Experten teil. Hierbei wurden
auch die Übereinstimmungen - einerseits zwischen den Ratern und andererseits mit dem
Experten – berechnet; beide Maße waren akzeptabel.
5.4.3. Psychotic Symptom Rating Scales (PSYRATS)
Der PSYRATS ist wie die PANSS ein halb-strukturiertes klinisches Interview. Es dient der
spezifischen und exakten Erhebung von akustischen Halluzinationen bei schizophrenen
Patienten und dauert ca. 15 Minuten. Das Verfahren wurde 1999 von Haddock, McCarron,
Tarrier und Faragher entwickelt. In der vorliegenden Studie wurde jedoch die quasiäquivalente deutsche Version von Vauth und Stieglitz (2007) verwendet.
Das Interview bezieht sich primär auf den gegenwärtigen Zustand und die dem
Untersuchungstermin vorausgegangene Woche. In unserer Untersuchung wurde der
PSYRATS in der Regel nur eingesetzt, wenn ein Patient im PANSS beim Item
„Halluzinationen“ mit 3 = leichte Ausprägung oder höher eingestuft wurde. Bei zwei
Patienten wurde der PSYRATS allerdings trotz der Einstufung 2 = minimale Ausprägung für
das PANSS-Item „Halluzinationen“ durchgeführt, da diese Fälle grenzwertig waren. Die
beiden Patienten hatten zwar zum Zeitpunkt der Untersuchung sowie in den zwei
zurückliegenden Wochen nur in geringem Ausmaß akustische Halluzinationen erlebt;
allerdings waren diese bis kurz vor diesem Zeitraum noch stärker ausgeprägt.
Der PSYRATS besteht aus zwölf Items zu akustischen Halluzinationen, die sich auf drei
Faktoren verteilen:
62
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
•
Physikalischer Faktor: Häufigkeit, Dauer und Lautstärke
•
Emotionaler Faktor: Negative Inhalte, Häufigkeit von Stimmen mit negativem Inhalt,
Graduierung des negativen Inhalts, Ausmaß an subjektiver Belastung durch
Stimmenhören sowie Intensität der Belastung
•
Kognitiver Faktor: Lokalisierung, Vorstellung über den Ursprung, Beeinträchtigung
von Alltagsaktivitäten durch Stimmenhören und Kontrollierbarkeit der Stimmen
Der Versuchsleiter ordnete die Versuchspersonen nach ihren Antworten für jedes Item auf
einer fünf-stufigen Skala (0 – 4) ein.
In einer Evaluationsstudie zum PSYRATS von Drake, Haddock, Tarrier, Bentall und Lewis
(2007) resultierte eine exzellente totale Interrater-Reliabilität von .99 (Average Intra-Class
Correlation). Die Test-Retest-Reliabilität betrug .70, die interne Konsistenz lag bei den Items
zu akustischen Halluzinationen zwischen .17 und .41; bei den Items zu Wahnideen zwischen
.63 und .76 (Kendall`s tau-b). Die Veränderungs-Sensitivität im Vergleich zum PANSS ergab
für die Wahnideen-Items eine signifikante Spearman-Korrelation von .80; für die PANSSSubskala positiver Symptomatik noch .75; und korreliert mit dem totalen PANSS-Score ergab
sich ein Wert von 69.
5.4.4. Word-Fluency-Test (WFT)
Der WFT misst die individuelle Wortflüssigkeit der Probanden, dient zur Beurteilung des
divergenten Denkens und ist ein klassischer kognitiver Leistungstest. Der Test beinhaltet
komplexe kognitive Aufgaben, deren erfolgreiche Bewältigung von verschiedenen kognitiven
Fähigkeiten abhängt. Hierzu gehören Aufmerksamkeit, Konzentration und Erinnerung.
Die in dieser Studie verwendete Version ist eine leicht abgewandelte Fassung des
„Regensburger Wortflüssigkeits-Tests“ (RWT) von Aschenbrenner, Tucha & Lange (2001),
der wiederum auf dem Original von Thurstone (1938), dem so genannten „Thurstone-WordFluency-Test“ (TWFT) und dessen zwischenzeitlicher Weiterentwicklungen basiert.
Bei der in dieser Untersuchung zum Einsatz gekommen Version gab der Versuchsleiter im
ersten Teil des Tests (Anfangsbuchstaben, Version A) die drei Buchstaben F, B und L vor. Im
zweiten Teil (Kategorien, Version A) gab der Versuchsleiter jeweils eine Kategorie pro
Durchgang vor; im Ganzen waren dies „Obst“, „Körperteile“ und „Supermarkt“. Die
Probanden hatten bei beiden Test-Abschnitten die Aufgabe, innerhalb jedes Durchgangs (je
eine Minute) jeweils möglichst viele Wörter aufzuzählen, die mit einem der vorgegebenen
Anfangsbuchstaben bzw. Kategorien beginnen.
63
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Sie konnten dabei jegliche Wörter verwenden, die ihnen in den Sinn kamen, mit Ausnahme
von Eigennamen, Ortschaften und Ländern. Nicht gestattet war außerdem, dasselbe Wort oder
den gleichen Wortstamm mit einer anderen Endung zu verwenden. Der Versuchsleiter schrieb
während der Durchgänge die genannten Worte laufend mit. Nach Abschluss des dritten
Durchgangs jedes Teil-Tests wurden die Gesamtsummen an korrekt genannten Wörtern,
Wiederholungen und Regelbrüchen notiert. Jeder Teil des Tests dauerte ca. fünf Minuten
einschließlich Einführung.
Der WFT ist in seinen verschiedenen Versionen ein etabliertes und häufig eingesetztes
neuropsychologisches Instrument. Nach Aschenbrenner et al. (2001) besitzt der Regensburger
Wortflüssigkeits-Test für alle Untertests eine sehr hohe Interraterreliabilität von r = .99. Die
Re-Test-Reliabilität über drei Wochen variiert für die einzelnen Untertests zwischen rtt = .72
und rtt = .89. Cohen und Stanczak kamen in ihrer Evaluationsstudie aus dem Jahr 2000 zum
TWFT zu korrespondierenden Ergebnissen.
5.4.5. Mehrfach-Wortwahl-Test (MWT)
Zur Überprüfung des Wortschatzes wurde den Probanden der, eine DINA-4-Seite
umfassende, MWT (Version B) von Lehrl (1995) vorgelegt. Mit dessen Hilfe wurde das
verbale,
kristalline
Intelligenzniveau
erhoben,
um
mögliche
Störvariablen,
wie
unterschiedliche prämorbide Intelligenz oder Bildung kontrollieren zu können. Der kognitive
Leistungstest besteht aus 37 Reihen, die jeweils fünf Begriffe enthalten, von denen allerdings
immer nur ein Wort tatsächlich existiert. Die anderen sind Fantasiebegriffe oder abgewandelte
bzw. verfälschte Worte.
Die Probanden hatten die Aufgabe, die Worte, die ihnen bekannt waren, durchzustreichen
bzw.
zu
unterstreichen.
Es
wurde
keine
zeitliche
Begrenzung
festgelegt;
die
Versuchsteilnehmer brauchten zwischen fünf und zehn Minuten zur Fertigstellung. In die
Auswertung des MWT wurden letztlich der Gesamtwert richtiger Antworten (korrekte
Identifizierung der sinnvollen Worte), der vom Gesamtwert abgeleitete Prozentrang, der
korrespondierende verbale IQ-Wert sowie der standardisierte IQ-Wert aufgenommen.
Der MWT ist einfach zu handhaben und relativ kurz. Er erfreut sich allgemein großer
Beliebtheit in klinischer Praxis wie Forschung und gilt sowohl als reliables wie auch valides
Messinstrument zur Abschätzung der primären Sprachbildung.
5.4.6. Source Monitoring Scale
64
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Morrison und Haddock (1997) entwickelten die Source Monitoring Scale mit der Absicht die
kognitiven Prozesse, die akustischen Halluzinationen zu Grunde liegen, weiter aufzuklären.
Da die Source Monitoring Scale bislang nur in englischer Originalfassung existierte, wurde
eine eigene deutsche Fassung erarbeitet. Die in dieser Studie verwendete abgespeckte Version
überprüfte nur das unmittelbare, nicht aber das zeitverzögerte Source Monitoring. Im
Vergleich zum Original wurde auch auf die Skala „Unwillentlichkeit“ („In welchem Ausmaß
war Ihr Gedanke unwillentlich?“) und auf die abschließende Dimension „Vertrauen in die die
zuvor erstellten Ratings“ verzichtet.
Zur Evaluation des Sourcemonitorings wurden den Probanden insgesamt 12 Begriffe, wie
z.B. „Schrank“, „Kompetenz“ oder „Furcht“ laut vorgelesen. Die vorgegebenen Begriffe
waren entweder emotional neutral, positiv oder negativ konnotiert. Jede der drei Valenzen
beinhaltete 4 Begriffe; auch dies stellte eine Veränderung zur Originalversion von Morrison
und Haddock (1997) dar, waren es dort doch acht Begriffe pro Valenz.
Die Probanden wurden aufgefordert, jeweils das erste Wort, das ihnen durch den Kopf ging,
laut auszusprechen – frei assoziiert - ohne weiter darüber nachzudenken. Im Grunde
genommen ist also der erste Teil der Source Monitoring Scale eine Wortassoziationsaufgabe.
Allerdings wurde hierbei nicht wie im klassischen Wortassoziationsexperiment von Jung
(1912) die Zeit bis zur Antwort gestoppt und diese, um allfällige Komplexe aufzuspüren,
inhaltlich-qualitativ analysiert.
Es war jedoch erstaunlich, wie lange einige Versuchspersonen - aus der Patienten- wie der
Kontrollgruppe - bei bestimmten Begriffen mit ihrer Antwort brauchten (teilweise länger als
eine Minute). Im Allgemeinen stellten solche Fälle aber die Ausnahme dar, da die meisten
Probanden relativ rasch - meist mit einer Latenzzeit von einer bis fünf Sekunden - reagierten.
In jedem Fall schrieb der Versuchsleiter die von der Versuchsperson genannten Wörter
unmittelbar auf. Anschließend wurden dann die an sich zentralen Dimensionen des Tests
erhoben: „Attribution“ („Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von ihren eigenen
Gedanken stammt?“) und „Kontrolle“ („Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort
Ihnen in den Sinn kam?“). Die Probanden hatten die Möglichkeit, ihre Antworten auf einer
fünf-stufigen Skala („überhaupt nicht“, „ein wenig“, „mittelstark“, „ziemlich“, „sehr
zutreffend“) einzuordnen. In einer Studie von Vinograor et al. (1997) zur englischen
Originalfassung lag die interne Reliabilität (Cronbach`s Alpha) für die einzelnen Variablen
zwischen 0.76 – 0.95, was gut bis exzellent ist. Die Test-Retest-Reliabilität betrug im Mittel
0.54, was als akzeptabel bezeichnet werden kann.
5.4.7. Davos Assessment of Cognitive Biases Scale (DACOBS)
65
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Der DACOBS ist ein Fragebogen zur Erhebung von kognitiven Verzerrungen und
Fehlattributionen psychotischer Patienten (insbesondere „Externaliserungbias“ und „Jumping
to Conclusions“). Einige Beispiel-Items sind: „Ich sehe automatisch, wie Dinge
zusammenhängen“, „Wenn irgendetwas schief läuft, steckt irgendjemand dahinter“ oder „Ich
nehme alle Telefonanrufe entgegen“. Der Fragebogen sollte von den Versuchsteilnehmern
selbstständig und möglichst ohne lange über die Antwort zu grübeln, ausgefüllt werden. Die
Probanden hatten die Aufgabe, einzustufen, wie sehr die einzelnen Aussagen - gesamt 76 auf Sie persönlich zutreffen. Die Beurteilungsskala ging von -3 = stimmt überhaupt nicht,
über -2 = stimmt nicht, -1 = stimmt eher nicht, 0 = unentschieden, 1 = stimmt eher, 2 =
stimmt, bis zu 3 = stimmt genau. Vom DACOBS gibt es bislang keine Validitäts- oder
Reliabilitätswerte. Er wurde von Landa, Delespaul, Bak, Tschacher und Gaag (2006)
entworfen und kam bei diesem Projekt erstmalig zum Einsatz.
5.4.8. Positive and Negative Activation Schedule (PANAS)
Der PANAS, ursprünglich von Watson, Clark und Tellegen (1988) entwickelt, ist ein kurzer,
zweidimensionaler Fragebogen, der in dieser Studie in der deutschen Adaptation von Krohne,
Egloff, Kohlmann und Tausch (1996) eingesetzt wurde. Die früheren Bezeichnungen
positiver und negativer „Affekt“, wurden zwischenzeitlich in positive und negative
„Aktivierung“ umbenannt, da die alten Termini häufiger mit Lust und Unlust verwechselt
wurden (Tellegen, Watson & Clark; zitiert nach Schimmack, 1998).
Die Versuchpersonen wurden gebeten anhand von 20 Begriffen, wie z.B. „aktiv“ auf einer
fünf-stufigen Skala einzuschätzen, wie sie sich im
Moment fühlen. Die Ratingskala
beinhaltete die Stufen „überhaupt nicht“, „ein wenig“, „mittelmäßig“, „ziemlich“ und „sehr“.
In Schimmacks (1998) Evaluationsstudie zu verschiedenen Strukturmodellen der Stimmung
resultierten bei zwei Messzeitpunkten für beide PANAS-Faktoren größtenteils signifikante bis
hochsignifikante Korrelationen (.31 bis .63) mit den drei Faktoren Lust-Unlust / ErregungRuhe / Wachheit-Müdigkeit des „Mehrdimensionalen Befindlichkeitsfragebogens (MDBF)
von Steyer, Schwenkmezger, Notz und Eid (1997). Laut Schimmack (1998) gelten beide
Stimmungsmodelle als gut untersucht und empirisch bestätigt.
5.4.9. Hörtest (HTTS)
Der verwendete HTTS-Hörtest der SAX GmbH ist ein handelsüblicher Test, der z.B. auch in
Fachgeschäften für Hörgeräte-Akustik in ähnlicher Form häufig Verwendung findet. HTTS ist
ein Programm zur Durchführung eines Hörtests an einem Multimedia-PC und konnte
kostenlos aus dem Internet herunter geladen werden.
66
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Das Ergebnis des Hörtest wurde getrennt für das linke und rechte Ohr in Form einer
Audiogramm-Grafik dargestellt. Die Ergebnisse wurden gespeichert, um später die einzelnen
Messungen miteinander zu vergleichen und auszuwerten.
Die Versuchperson hörten zunächst acht Tonfrequenzen auf dem linken, dann acht auf dem
rechten Ohr. Die Frequenzen begannen jeweils so leise, dass Sie zunächst nicht bewusst
wahrgenommen werden konnten. Mit der Zeit nahm die Lautstärke jedoch sukzessive zu. Die
dargebotenen Frequenzen wurden jeweils in aufsteigender Tonhöhe dargeboten. Sie betrugen
125 Hz, 250 Hz, 500 Hz, 1000 Hz, 2000 Hz, 4000 Hz, 6000 Hz sowie 8000 Hz. Aufgabe der
Probanden war es, die Leertaste zu drücken, sobald Sie den jeweiligen Ton erkennen konnten.
Danach wurde die nächste Frequenz eingespielt.
Gemäß Kramer (2008) ist das Gehör normal, wenn die verschiedenen Frequenzen bis zu einer
Lautstärke von 20 dB wahrgenommen werden. Bei Personen, die die Töne erst zwischen 20
und 40 dB hören, liegt eine leichte Beeinträchtigung des Gehörs vor. Werden die
Tonfrequenzen erst bei einer Lautstärke zwischen 40 und 60 dB wahrgenommen, ist von
einer mittleren Schwerhörigkeit auszugehen. Wer die präsentierten Frequenzen erst zwischen
60 und 100 dB hören kann, gilt als hochgradige schwerhörig. Personen, die ausschließlich
Töne ab einer Lautstärke von 100 dB wahrnehmen, sind taub.
Diese
Werte
gelten
gleichermaßen
für
alle
getesteten
Tonfrequenzbereiche.
Generell wird ab 30 dB ein Hörgerät empfohlen; allerdings nicht, wenn nur bei ein paar
einzelnen Frequenzen der dB-Wert über 30 liegt, sondern vor allem dann, wenn die für das
Sprachverständnis besonders relevanten, Frequenzen zwischen 250 und 4000 Hz erst über 30
dB wahrgenommen werden können – dies ist der eigentliche Indikationsbereich für ein
Hörgerät.
5.4.10. Motion-Induced Blindness-Vortest (MIB-Vortest)
Der MIB-Vortest ist ein Reaktionstest, anhand dessen die momentane Aufmerksamkeit und
Konzentration der Versuchspersonen überprüft wurde. Auf dem Bildschirm ist ein schwach
erleuchtetes, ortsfestes, viereckiges Gitter zu sehen, dass aus blauen Kreuzen besteht und sich
auf schwarzem Hintergrund befindet. Innerhalb des Gitter-Vierecks befindet sich ein
unsichtbares Dreieck, welches aus drei gelben Punkten besteht. Diese Punkte stellen die
Zielstimuli dar.
Aufgabe des Probanden war es nun, das blaue Kreuz, dass sich in der Mitte des imaginären
Dreiecks befand, zu fixieren und immer dann möglichst schnell die Leertaste zu drücken,
wenn ein oder mehrere gelbe Punkte des imaginären Dreiecks verschwanden. Die Leertaste
67
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
sollte so lange gedrückt werden, bis wieder alle drei gelben Punkte auf dem Bildschirm
sichtbar waren.
Während einer Präsentationsdauer von 60 Sekunden, wurden dann jeweils ein oder mehrere
gelbe Punkte in zufälliger Abfolge für 0.5 – 5 Sekunden gelöscht, d.h. sie waren für diese
Intervalle nicht mehr auf dem Bildschirm sichtbar. Allen Probanden wurde der gleiche
Ablauf, bestehend aus acht Löschungen, präsentiert. Allerdings wurden die ersten drei
Löschungen als Übungsdurchläufe angesehen und somit nicht in die Auswertung miteinbezogen. Neben der Erfassung der Reaktionen/Reaktionszeiten wurde zusätzlich die Anzahl
fehlender Antworten erhoben.
Der Reaktionstest enthält die gleichen Stimuli, die für die spätere Untersuchung des
eigentlichen MIB-Paradigmas verwendet wurden – mit dem entscheidenden Unterschied, dass
sich beim Reaktionstest das blaue Kreuzgitter nicht bewegt. Bei der Überprüfung des MIBPhänomens drehte sich das Gitter hingegen während der gesamten Testphase im
Uhrzeigersinn. Der Reaktionstest wurde ca. 30 Minuten vor den Messungen zum MIBParadigma durchgeführt.
5.4.11. Phantomwörter
Im Phantomwörter-Experiment wurden den Versuchspersonen insgesamt fünf Wörter
präsentiert. Dies waren „weiße“ und „Hase“ in den Probedurchgängen sowie „leise“, „rosa“
und „rennen“ in den Testdurchgängen. Es wurden ausschließlich emotional neutrale Worte
verwendet, da für einen statistisch sinnvollen Vergleich von negativ vs. positiv vs. neutral
konnotierten Begriffen deutlich mehr als die fünf durchgeführten Durchgänge nötig gewesen
wären. Dies war aber den Versuchspersonen nicht zuzumuten. Die Basiswörter wurden durch
eine weibliche, emotionsneutrale Stimme dargeboten.
Die Abspiel-Reihenfolge der Worte in den beiden Probedurchgängen war fix (zuerst „weiße“,
dann „Hase“). In den drei Testdurchgängen war die Abfolge hingegen randomisiert und
variierte somit von Proband zu Proband. Die beiden Probedurchgänge dauerten jeweils 23
Sekunden, die Testdurchgänge 46 Sekunden.
Pro Trial wurde immer nur ein Wort abgespielt, welches via Kopfhörer synchron auf beiden
Ohren zu hören war und sich ständig ohne Unterbrechung wie in einer Endlosschleife
wiederholte. Die Versuchspersonen wurden gebeten, sich die dargebotenen Worte möglichst
mit geschlossenen Augen anzuhören.
Der erste Probedurchgang diente lediglich dazu, den Versuchspersonen einen Eindruck vom
akustischen Signal zu vermitteln und wurde nicht weiter besprochen. Anschließend bekamen
die Versuchspersonen die Information, dass sie nach jedem der folgenden Durchgänge kurz
68
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
nach dem Gehörten befragt würden. So sollte der Gefahr des Vergessens einzelner Worte
vorgebeugt werden.
Ab (und einschließlich) dem zweiten Probedurchlauf, notierte der/die Versuchsleiter/in dann
nach jedem Durchgang die Worte, welche die Studienteilnehmer gehört hatten. Ab dem
zweiten Probedurchgang waren die Probanden auch aufgefordert jeden wahrgenommen
Wortwechsel mit dem Drücken der Leertaste zu signalisieren.
Letztlich basiert der Illusionseffekt beim Phantomwörter-Test auf der pausenlosen
Wortwiederholung. Durch die ständige Wiederholung entsteht eine Art akustische Täuschung,
die dazu führte, dass viele Versuchspersonen im Verlauf eines Durchgangs andere, neue
Worte bzw. Phantomworte hörten. Dieses Phänomen wird als „verbale Transformation“
bezeichnet.
Die Konzeption des durchgeführten Phantomwörter-Tests wurde größtenteils selbstständig
erarbeitet. Sie orientierte sich zwar an Untersuchungen von Warren (1968), Deutsch (2003)
und Pitt et al. (2002), variierte jedoch in der Tracklänge und verwendete andere Worte,
weshalb für die diese Testversion vor Beginn dieser Studie keine Konsistenzmasse vorlagen.
Da sich die verwendete Version des Phantomwörter-Tests doch beträchtlich von den
Vorbildern unterschied, wurde vor Beginn der Testreihe mit Patienten und Kontrollpersonen
zunächst eine Vortestreihe mit 15 Studenten, die keinerlei DSM-IV oder ICD-10 Diagnosen
vorwiesen, gestartet.
Auf Grund der Ergebnisse und der Rückmeldungen der Studenten wurde dann darüber
entschieden, welche und wie viele Wörter in die Endfassung aufgenommen werden sollten,
wie lang die Audiofiles sein sollten und ob das Wort links und rechts gleichzeitig oder
verschoben dargeboten werden sollte. Des Weiteren wurden unterschiedliche Instruktionen
und Antwortmodalitäten evaluiert.
5.4.12. Stream Segregation
Bei der Evaluation des Stream-Segregation-Paradigmas bekamen die Versuchspersonen über
Kopfhörer in zehn Durchgängen – ein Probedurchgang/neun Testdurchgänge – verschiedene
Vibraphon-Klangfrequenzen präsentiert. Diese dauerten ca. eine halbe bis eine Minute.
Die einzelnen Klangfrequenzen unterschieden sich in Geschwindigkeit, Tonhöhe und
Tonabfolge – diese Parameter veränderten sich aber auch innerhalb der einzelnen
Durchgänge. Sämtliche Klangsequenzen waren durchgehende Galopp-Rhythmen. Durch die
Variation von Geschwindigkeit, Tonhöhe und Tonabfolge hatten aber viele Personen nur an
bestimmten Stellen den Eindruck, einen Galopp zu hören.
69
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die Probanden wurden gebeten jedes Mal, wenn Sie den Eindruck hatten, einen Galopp zu
hören, die Taste „2“ des angeschlossenen Gamepads zu drücken und diese solange gedrückt
zu halten, bis sie keinen Galopp mehr hörten.
Nach dem Probedurchgang fragte der Versuchsleiter nochmals beim Probanden nach, ob alles
verstanden und ein Galopp-Rhythmus gehört wurde. War dies der Fall, folgten die neun
Testdurchgänge, welche jeweils durch Drücken der Leertaste vom Versuchleiter gestartet
wurden.
Der verwendete Stream Segregation-Test wurde zwar von bestimmten Vorbildern wie
Bergman, Colantonio und Ahad (1999); Bergman (2004); Grimault und Bacon (2001); Hain,
Burnett, Larson und Kiran. (2001) oder Cusack und Roberts (2004) inspiriert, aber letztlich
komplett selbstständig erstellt und programmiert. So existierten hierfür bislang auch keine
Validitäts- und Reliabilitätswerte. Auf Grund der Neuheit des Paradigmas wurde die Stream
Segregation analog zu den Phantomwörtern in verschiedenen Versionen vor Beginn der
Untersuchungen in einer Vortestreihe mit 15 gesunden Studenten erprobt.
5.4.13. Motion Induced Blindness (MIB)
Beim MIB-Paradigma wurden den Probanden drei gelbe Punkte bzw. kleine Scheiben als
Zielstimuli dargeboten. Die drei gelben, ortsfesten Scheiben hatten einen Durchmesser von
0.3 cm (Blickwinkel 0.3°) und waren exakt an den Eckpunkten eines unsichtbaren Dreiecks
platziert. Die Seiten des Dreiecks waren jeweils 4.6 cm lang (5.3°).
Die leuchtenden Zielstimuli wurden auf einem schwarzen Hintergrund, auf welchem sich
auch ein schwach erleuchtetes Gitter aus blauen Kreuzen befand, präsentiert. Das Gitter
rotierte hierbei im Uhrzeigersinn in einem Durchgang jeweils 20 Mal, was 120°/s entspricht.
Vor dem Probedurchgang wurden die Versuchsteilnehmer aufgefordert, mit ihrem Blick die
Mitte des Bildschirms zu fixieren und währenddessen dem Versuchsleiter zu schildern, was
sie wahrnahmen bzw. ob sie irgendwelche Veränderungen bemerkten. Die Studienteilnehmer
wurden wiederholt darauf aufmerksam gemacht, die Fixierung des blauen Kreuzes in der
Mitte des Bildschirms aufrecht zu erhalten, da nur so die optische Täuschung hervorgerufen
werden kann. Bereits im Probedurchgang sahen die Mehrheit der Versuchspersonen eine oder
mehrere gelbe Scheiben mindestens einmal verschwinden. Während der Probedurchgänge
waren die Probanden dazu aufgefordert, laufend zu berichten, ob sie irgendwelche
Veränderungen wahrnahmen; der Versuchsleiter hielt die Bemerkungen schriftlich fest.
Unabhängig davon, ob die Versuchspersonen die Zielstimuli im Probedurchgang
verschwinden sahen oder nicht, wurden alle Probanden vor dem ersten Testdurchgang darüber
70
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
informiert, dass in den nächsten drei Durchgängen möglicherweise (wieder) Stimuli
verschwinden würden. Die Versuchsteilnehmer wurden dazu angehalten, unmittelbar die
Leertaste zu drücken, sobald sie eine oder mehrere gelbe Scheiben verschwinden sähen und
diese erst
wieder loszulassen, wenn alle drei Zielstimuli sichtbar wären. Die
Studienteilnehmer wurden angewiesen, in den Testphasen nicht mehr zu sprechen. Während
der drei Testdurchgänge wurden das Drücken und Loslassen der Leertaste erfasst.
Das MIB-Phänomen kann laut Tschacher et al. (2006) als eindrucksvoller Marker für die
Organisation kognitiven Funktionierens bzw. des neurokognitiven Bindings-Systems
angesehen werden. Gemäß den Autoren besitzt die MIB-Illusion eine hohe Test-RetestReliabilität von r = .87. Tschacher et al. (2006) merken außerdem an, dass der MIB valide
und gut umsetzbar ist. Die MIB-Täuschung wird bei den meisten Probanden prompt
ausgelöst, ist einfach und schnell nachzuweisen, affektiv neutral und kann nicht willentlich
kontrolliert werden.
Abbildung 5. Das MIB-Stimulusmuster: Die hellen gelben Punkte repräsentieren die
Eckpunkte eines ortsfesten Dreiecks. Das Distraktormuster aus blauen Kreuzen rotiert bei
120°/s im Uhrzeigersinn um das Zentrum des Bildes (Tschacher et al., 2006a).
5.4.14. Pitch-Shift
Im Pitch-Shift-Experiment wurde überprüft, inwiefern die Probanden ihre eigene Stimme
unter dem Einfluss subtiler Tonhöhen-Veränderungen implizit diesen Variationen anpassen.
Während die Versuchspersonen laut den Vokal „A“ aussprachen, hörten sie synchron dazu
ihre eigene manipulierte Stimme über den Kopfhörer. Die Manipulation der Stimme des
Probanden variierte über alle Trials hinweg in Tonhöhe, Dauer der Manipulation und der
71
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Länge des Intervalls bis zur nächsten Manipulation. Die Versuchspersonen sollten in 24
Testdurchgängen à fünf Sekunden laut „A“ in ein ca. zehn Zentimeter vom Mund entferntes
Mikrophon sprechen. Zwischen den einzelnen Durchgängen gab es jeweils eine Pause von
fünf Sekunden. Die Pausen wurden als Countdown dargestellt, d.h. die Versuchspersonen
sahen auf dem Bildschirm die Ziffern von 5 – 0 herunter laufen und hörten synchron bei jeder
Ziffer einen kurzen Piepston über den Kopfhörer. Der letzte Ton war höher als die anderen
und somit Startsignal zur Vokalisation.
Während der Vokalisation gab es auf dem Bildschirm ebenfalls eine Zeitanzeige. Um der
Versuchsperson eine etwaige Scham zu nehmen, demonstrierte der Versuchsleiter zu Beginn
den Ablauf mit drei Vokalisationen und zwei Pausen. Vor den Testdurchgängen sollte die
Versuchsperson mindestens drei Probedurchgänge machen, um die optimale Tonlage und
Lautstärke zu finden. Wurde es von Probanden nicht anders gewünscht,
schob der
Versuchsleiter mindestens zwei längere Pausen ein, indem er nach dem 8. und 16. Durchgang
das Programm anhielt. Wie bei den Phantomwörtern und der Stream Segregation, existiert
auch für den „Pitch Shift“ keinerlei Konsistenzmasse, da er ebenfalls für dieses Projekt
selbstständig weiterentwickelt und programmiert wurde. Grundlage hierfür stellen Pitch-ShiftExperimente von Larson (1998), Larson et. al (2000) und Burnett et al. (1998), dar.
5.4.15. Circular Apparent Motion (CAM)
Den Studienteilnehmern wurden zwei stetig alternierend aufblinkende Stimulusmuster (A, B)
auf weißem Hintergrund präsentiert. Beide Muster waren aus sechs kreisförmig angeordneten
schwarzen Scheiben (Zielstimuli) mit kleinen Zwischenabständen zusammengesetzt. Die
Scheiben hatten einen Durchmesser von 1 cm (Blickwinkel 1.1°); der Durchmesser der
kreisförmigen Anordnung betrug 8.8 cm (Blickwinkel 10°) und die Distanz zwischen den
einzelnen Scheiben war 4.4 cm groß (Blickwinkel 5°). Durch die schnelle abwechselnde
Darbietung der verschiedenen Stimulusmuster (A, B) wurde eine Scheinbewegung der
kreisförmigen Scheiben-Konfiguration im Uhrzeigersinn, gegen den Uhrzeigersinn oder hinund her kippend hervorgerufen.
Die Versuchspersonen sollten während des Tests mit ihrem Blick stets das Kreuz in der Mitte
fixieren – worauf wiederholt aufmerksam gemacht wurde. Es gab zunächst ein „naiven’
Probedurchgang (eine Minute), bei dem die Versuchspersonen laufend berichten sollten, was
sie sahen; der Versuchsleiter protokollierte die ersten drei Wahrnehmungen. Anschließend
wurden die Versuchspersonen darüber aufgeklärt, dass eine Kreisbewegung nach rechts oder
links, oder eine Kippbewegung sichtbar sein könnte.
72
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Es folgten zwei Testdurchgänge (je eine Minute); während diesen sollte nicht mehr
gesprochen werden. Jede wahrgenommene Bewegung musste per Tastendruck angezeigt
werden. Wenn eine Bewegung gesehen wurde, musste die entsprechende Pfeiltaste kurz
gedrückt werden, sobald sich die Bewegung änderte, musste wieder eine neue Pfeiltaste
gedrückt werden usw. (Bewegungswechsel = Tastendruck). In der Regel wurde von den
Probanden eine Kreisbewegung nach rechts, nach links oder - nicht ganz so häufig - eine
Kippbewegung wahrgenommen.
Tschacher et al. (2008) kamen in ihrer Studie zur veränderten Wahrnehmung von scheinbaren
Bewegungen bei Schizophrenen zum Schluss, dass der CAM ein sehr nützliches und valides
Werkzeug zur Evaluation von Wahrnehmungsorganisation und neurokognitivem Binding
schizophrener Patienten darstellt.
A
B
Abbildung 6. CAM-Paradigma: Die beiden Stimulus-Muster (A, B) wurden ununterbrochen
abwechslungsweise mit einer Frequenz von zwei Hz dargeboten. Muster B ist nach einer
Rotation mit einem Winkel von 30° mit Muster A identisch. (Tschacher et al., 2008).
5.5. Qualitätssicherung
Zur Qualitätssicherung wurden schon vor Beginn der Studie diverse Maßnahmen eingeleitet,
um einen möglichst reibungslosen Start in die Testphase zu gewährleisten. Es fanden
regelmäßige Treffen des Projektteams zum Informations- und Meinungsaustausch
hinsichtlich
Studiendesign,
Operationalisierung
und
Patientenrekrutierung
statt.
Vereinbarungen und Pläne wurden schriftlich festgehalten und an alle Beteiligten per E-Mail
weitergeleitetet. Zur Abklärung von optimaler Instruktion und Umsetzung selbst
(weiter)entwickelter Tests (Phantomwörter, Stream Segregation) wurden Vortests mit
Studenten der Universität Bern durchgeführt.
73
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Schwerpunkt der Qualitätssicherungsmaßnahmen unmittelbar vor Beginn und während der
Testphase waren die in den nächsten Abschnitten beschriebenen Punkte zur Gewährleistung
des Wohls der Studienteilnehmer, rechtliche und ethische Belange sowie die Sicherung und
Kontrolle der gewonnen Daten.
5.5.1. Optimierung der Studien-Adherence
Es wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Teilnahme an der Studie für die
Patienten attraktiv zu machen:
• Sämtliche Abteilungen / Teams der involvierten Kliniken wurden vor Studienbeginn
ausführlich über das Vorhaben informiert. Klare Verhaltens- und KommunikationsRichtlinien sollten sicherstellen, dass der Untersuchung sowohl für die Kontroll- als
auch für die Patientengruppe eine positive Konnotation anhaftet.
• Insbesondere der Erstkontakt mit den Patienten und die Durchführung des Klinischen
Interviews (PANSS) sollten standardisiert ablaufen. Ein genaues Protokoll der
Vorgehensweise sowie ein PANSS-Rater-Training mit einem klinisch erfahrenen
Psychologen sollten diese Vorgaben ermöglichen.
• Im Falle des Nichterscheinens zu vereinbarten Untersuchungsterminen oder dem
Abbruch einer begonnenen Sitzung war es die Aufgabe der behandelnden Ärzte,
Psychologen, Sozialarbeiter, Betreuer oder Pfleger die Patienten möglichst unmittelbar
über die Wichtigkeit der (vollständigen) Teilnahme aufzuklären. Ein möglichst frühes
Intervenieren sollte die Drop-Out-Rate niedrig halten und einen reibungsloseren
Ablauf der Versuchsphase garantieren.
• Falls diese ersten Interventionen nicht griffen, versuchten die Versuchsleiter
mittels direkter persönlicher Ansprache in einem zweiten Schritt die Patienten für eine
Teilnahme an der Pilotstudie zu gewinnen. Bei diesem Vorgehen wurde jedoch immer
betont, dass es jederzeit möglich sei ohne Angabe von Gründen aus der Studie
auszutreten.
5.5.2. Datenkontrolle und Datenmanagement
Um eine hohe Datenqualität zu erreichen, wurden diverse Maßnahmen ergriffen:
• Die Versuchsleiter erhoben die Daten mittels standardisierter Datenhefte sowie mit
Hilfe fest installierter spezifischer Programme auf dem PC. Es wurde fortlaufend ein
Back-Up der Rohdaten erstellt und diese wurden anschließend von den
Versuchsleitern selbst eingegeben sowie weiterverarbeitet.
74
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
• Eine Checkliste gab Auskunft über alle zu erhebenden Daten und wurde den
beteiligten Personen ausgehändigt.
•
Einführungsveranstaltungen und Supervisionssitzungen während der Studiendauer
sollten die Behandlungshomogenität garantieren.
•
Die Studienleitung traf sich mindestens monatlich, um die Rekrutierung der Patienten,
Probleme während der Durchführung, Fragen der Datenakquisition, Vollständigkeit
der Daten sowie Konsistenzchecks und Interims-Analysen zu besprechen.
•
Den Betreuern des Projekts wurde in ca. zweiwöchigen Abständen ein Kurzbericht
über die aktuellen Kennwerte vorgelegt werden (Anzahl der rekrutierten Patienten,
Berichte über Missing-Data, Bemerkenswertes zu den vorhandenen Daten).
5.5.3. Ethikkommission, Datenschutz und Versicherung
Das Projekt wurde von der Ethikkommission des Kantons Bern evaluiert und genehmigt. Für
sämtliche Probanden wurde eine schriftliche Patienteninformation angefertigt und eine, auf
Video aufgezeichnete, Einverständniserklärung eingeholt. Die Resultate der Studie werden
unabhängig vom Endergebnis publiziert. Die Daten der Versuchsteilnehmer werden
entsprechend der Richtlinien des eidgenössischen Datenschutzreglements verwahrt.
Wissenschaftliche Auswertungen und Publikationen finden mit anonymisierten Daten statt.
Aus diesem Grund wurde angenommen, dass über die bestehende Haftpflichtversicherung der
Universität Bern hinaus keine zusätzliche Versicherung abgeschlossen werden musste.
5.6. Technische Daten der verwendeten Geräte
Für den zweiten Teil der Testbatterie, bei dem ausschließlich Tests am Computer
durchgeführt wurden, sind die technischen Daten und Einstellungen der verwendeten Geräte
für eine reliable Versuchsdurchführung sehr bedeutsam, insbesondere für die auditiven und
visuellen Gestaltwahrnehmungstests.
Computer
Alle Testungen wurde auf dem selbem Computer durchgeführt; ein Notebook, welches eigens
für diese Studie neu gekauft wurde und zuvor nicht benutzt wurde.
Das verwendete Laptop-Modell ist ein IBM ThinkPad und verfügt über Lenovo T60; Intel®
Core™2 CPU, T7400 @ 2.16 GHz sowie 1.00 GB RAM. Das Betriebssystem ist Microsoft
Windows XP Professional, Version 2002, Service Pack 2. Die Bildschirmauflösung beträgt
1280 x 768 Megapixel, die Farbqualität 32 Bit. Die DPI-Einstellung beläuft sich auf 96 DPI
(Normalgröße), der Bildschirm ist ein ThinkPad Display 1680x1050 und die Bildschirmgröße
75
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
beträgt 12 Zoll. Die Bildschirmaktualisierungsrate umfasst 60 Hertz. Der Monitor bzw. die
Graphikkarte des ThinkPad ist vom Chiptyp ATI Mobility Radeon X1400 (0x7145).
Weiterhin ist der DAC-Typ ein Internal DAC (400MHz) und der Speicher der Graphikkarte
beläuft sich auf 512 MB.
Kopfhörer
Die verwendeten Kopfhörer von AKG sind ein k271 Studio – Modell und sorgten neben einer
sehr guten Klagqualität, auch für einen optimalen Schallschutz gegen externe Störgeräusche.
Das Modell verfügt über Drucksensoren, wodurch der Kopfhörer erst ‚on’ ist, wenn er fest auf
dem Kopf sitzt. Wird er wieder angenommen, schält sich das Gerät automatisch wieder aus.
Die Nennimpedanz des Modells beträgt 55 Ohm. Der Übertragungsbereich ist enorm und
erstreckt sich von 16 bis 28000 Hz. Der Kennschalldruck beläuft sich auf 91 dB SPL/mW und
die maximale Input-Power ist 200 mW.
Interfacer
Der Interfacer wurde als eine Art „Relaisstation“ zwischen Notebook und Kopfhörer
zwischen geschaltet. Er sorgte für eine reibungslose Signalübertragung möglichst ohne
Rauschen und Zeitverzögerung. Der verwendete Interfacer ist ein FastTrack USB Modell von
der Firma M-Audio, welches üblicherweise für Gitarren oder Mikrophonaufnahmen am
Computer genutzt wird. Dementsprechend ist das FastTrack auch mit einem XLR-Eingang für
dynamische Mikrofone ausgestattet. Darüber hinaus besitzt das Modell einen KlinkenAusgang für Kopfhörer. Das Gerät verfügt über eine Audioqualität von 24bit / 48kHz und
eine integrierte Software (DSound GT-Player & Live Lite 4).
Gamepad
Für die Durchführung des Stream Segregation-Paradigmas wurde ein Gamepad Modell von
Logitech namens Precision verwendet. Das Gerät wurde via USB-Kabel direkt an den Laptop
angeschlossen. An Stelle der Leertaste wie bei den anderen Test, sollten bei der Stream
Segregation jeweils die Taste „2“ gedrückt werden, um Beginn und Ende eine Wahrnehmung
zu signalisieren (bei der Stream Segregation die Wahrnehmung eines Galopp-Rhythmus).
Sound und Lautstärke
Der IBM ThinkPad ist mit dem Standardgerät SoundMAX HD Audio ausgestattet. Sämtliche
Lautstärkeregler am Computer und in den jeweiligen Abspielprogrammen wurden voll
aufgedreht und nicht mehr verändert (by default alle Regler auf Unity Gain), um so allfällige
Fehlerquellen in diesem Bereich auszuschließen und konstante Messverhältnisse zu
76
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
gewährleisten. Die Lautstärke wurde dann letztlich über den Interfacer festgelegt. Die
Standardeinstellung der Lautstärke variierte zwischen den einzelnen auditiven Tests. Beim
Hörtest und der Stream Segregation war der Interfacer zu ¾
aufgedreht - bei den
Phantomwörtern und dem Pitch-Shift hingegen nur bis zur Hälfte der maximalen Lautstärke.
Die Versuchspersonen hatten aber jederzeit die Möglichkeit zu intervenieren, wenn ihnen die
Standardeinstellung zu leise oder zu laut war.
77
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6. Resultate
Die folgenden Ergebnisse resultieren aus Berechnungen, die mit Hilfe des Statistikprogramms
SPSS 15.0 durchgeführt wurden. Im deskriptiven Teil sind die demographischen Merkmale
der
Versuchspersonen
und
spezifische
Hintergrundvariablen
zunächst
in
einer
Übersichtstabelle dargestellt und werden anschließend genauer beschrieben. Es werden für die
meisten Variablen Signifikanztests durchgeführt, um zu überprüfen, ob sich Patienten- und
Kontrollgruppe in bedeutsamer Weise voneinander unterscheiden.
Im inferenzstatistischen Teil sollen die Forschungshypothesen geprüft werden. Zur Evaluation
der ersten Primärhypothese, die besagt, dass zwischen Patienten- und Kontrollgruppe
Unterschiede in den durchgeführten Tests bestehen, werden einfaktorielle Varianzanalysen
und U-Tests durchgeführt. Die zweite Primärhypothese, wonach die PANSS-Dimensionen
mit den Testleistungen assoziiert sind, wird an Hand von Korrelationsanalysen (Spearman)
und multiplen Regressionsmodellen (backward stepwise) überprüft.
Anschließend
wird
mit
einer
weiteren
Spearman-Korrelationsanalyse
die
erste
Sekundärhypothese untersucht, die davon ausgeht, dass es in der Gesamtstichprobe einen
Zusammenhang zwischen auditiver und visueller Gestaltwahrnehmung gibt. Danach soll die
zweite Sekundärhypothese überprüft werden - die annimmt, dass zwischen den Patienten auf
Grund ihres Halluzinationserlebens Unterschiede in Gestaltwahrnehmung und Source
Monitoring bestehen – und zwar durch einen Kruskal-Wallis-Test.
Zur
Evaluation
des
Zusammenhangs
zwischen
Halluzinationserleben
und
Attributionstendenzen (dritte Sekundärhypothese) sowie zur Prüfung der vierten Sekundärhypothese, die einen Zusammenhang zwischen dem therapeutischen Setting der Patienten und
Gestaltwahrnehmung nahe legt, wird jeweils ein U-Test nach Mann-Whitney durchgeführt.
Hierauf folgend, werden die fünfte (Einfluss der Reaktionszeit) und sechste (Einfluss von
Stimmung) Sekundärhypothese an Hand von Spearman-Korrelationsanalysen überprüft. Den
Abschluss bilden nochmals drei Korrelationsanalysen zur Evaluation eines möglichen
Einwirkens von Medikation, Testzeit und Hörvermögen auf die Testergebnisse.
6.1. Deskriptive Ergebnisse
Die vorliegende Gesamtstichprobe (G) umfasst insgesamt 60 Probanden, gleichmäßig verteilt
auf die Patientengruppe (PG) mit psychotischen Störungen und die Kontrollgruppe (KG). In
Tabelle 1. wird eine Übersicht, über die erfassten Demographie- und Hintergrundvariablen
gegeben.
78
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabelle 1. Demographische Kennzeichen und spezifische Hintergrundvaribalen für die
Gesamtstichprobe
Merkmal
Geschlecht
Ausprägungen
männlich
weiblich
Nationalität
Deutsch
Schweizer
Zivilstand
geschieden
getrennt
ledig
verheiratet
Bildungsgrad
Sonderschule/Abbruch
Realschule
Sekundarschule
Matur
FH/Lehrerseminar
Universität
Berufsabschluss
Keiner
Anlehre
Lehrabschluss
FH/Lehrer-/KG-Sem.
Universität
Aktuelle Tätigkeit Ohne Tätigkeit
Geschützte Tätigkeit
Teilzeit
Vollzeit
ICD-10Diagnose
F20.0
F20.2
F20.5
F20.8
F32.1
F32.3
Tabakkonsum
ja
nein
Sichtkorrektur
ja
nein
Hörschwierigkeiten geringfügig
ja
nein
Musik. Interesse
ja
nein
Instrument
ja
nein
Musik. Ausbildung ja
nein
Therapeut. Setting Ambulanz
Hospitalisation
79
%
%
n PG PG
n KG KG
N G %G
18 60%
18 60%
36 60%
12 40%
12 40%
24 40%
23 77%
14 47%
37 62%
7 23%
16 53%
23 38%
2
7%
0
0%
2
3%
1
3%
1
3%
2
3%
24 80%
20 67%
44 73%
3 10%
9 30%
12 20%
2
7%
0
0%
2
3%
11 37%
2
7%
13 22%
5 17%
3 10%
8 13%
9 30%
12 40%
21 35%
0
0%
3 10%
3
5%
3 10%
10 33%
13 22%
13 43%
8 27%
21 35%
1
3%
0
0%
1
2%
11 37%
10 33%
21 35%
1
3%
4 13%
5
8%
4 13%
8 27%
12 20%
20 67%
1
3%
21 35%
5 17%
0
0%
5
8%
2
7%
6 20%
8 13%
3 10%
23 77%
26 43%
23 77%
0
0%
23 38%
3 10%
0
0%
3
5%
1
3%
0
0%
1
2%
1
3%
0
0%
1
2%
1
3%
0
0%
1
2%
1
3%
0
0%
1
2%
17 57%
11 37%
28 47%
13 43%
19 63%
32 53%
14 47%
23 77%
37 62%
16 53%
7 23%
23 38%
2
7%
2
7%
4
7%
0
0%
1
3%
1
2%
28 93%
27 90%
55 92%
23 77%
19 63%
42 70%
7 23%
11 37%
18 30%
13 43%
13 43%
26 43%
17 57%
17 57%
34 57%
0
0%
2
7%
2
3%
30 100%
28 93%
58 97%
3 10%
0
0%
3
5%
21 70%
0
0%
21 35%
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Tagesklinik
Metrische
Variablen
6
20%
M
Alter zum Testzeitpunkt 36,85
Dauer der Erkrankung
10,52
Anzahl eigener Kinder 0,23
Anzahl Zigaretten
6,12
Spieldauer Instrument
11,77
Anzahl
Hospitalisationen
4,93
Alter Ersthospitalisation 26,33
SD
10,83
7,87
0,57
3,85
9,78
Georg Rees
0
0%
6
10%
M
SD
M
37,10 10,91 36,97
10,52
0,80 1,06 0,52
3,43 3,74 5,33
11,23 6,86 11,50
SD
10,78
7,87
0,89
3,94
8,28
2,53
8,56
4,93 2,53
26,33 8,56
6.1.1. Geschlecht und Alter
Jede der beiden Untersuchungsgruppen besteht aus 18 (60%) Männern und 12 (40%) Frauen.
Das durchschnittliche Alter in der gesamten Stichprobe liegt bei 36,97 (SD = 10,78) Jahren.
Versuchs- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nicht bezüglich des Alters (F (1,56) =
0,009; p = 0,925). Auch zwischen männlichen und weiblichen Probanden ist kein
signifikanter Unterschied im Alter gegeben (F (1,56) = 0,175; p = 0,678). Eine Wechselwirkung von Geschlecht und Untersuchungsgruppen ist ebenfalls nicht gegeben (F (1,56) =
0,002; p = 0,965).
6.1.2. Nationalität
37 (62%) der Stichprobe sind Deutsche, 23 (38%) Schweizer. Es findet sich ein signifikanter
Unterschied bezüglich Nationalität in den Untersuchungsgruppen (χ2 (1) = 5,711; p = 0,017).
In der Patientengruppe sind mehr Deutsche (77%) vertreten als in der Kontrollgruppe (47%).
6.1.3. Zivilstand und die Anzahl eigener Kinder
In der gesamten Stichprobe sind 2 (3%) Probanden geschieden, ebenfalls 2 (3%) leben
getrennt, 44 (73%) sind ledig und 9 (30%) sind verheiratet. Die Patienten- und Kontrollgruppe
unterscheiden sich nicht bezüglich des Zivilstandes (χ2 (3) = 5,364; p = 0,147).
In der gesamten Stichprobe haben 43 (72%) keine eigenen Kinder, 5 (8%) haben ein Kind, 10
(17%) haben 2 Kinder und 2 (3%) haben drei Kinder. Bezüglich der Anzahl der Kinder ist ein
Unterschied zwischen den beiden Gruppen gegeben (z = -2,241; p = 0,025). In der Patientengruppe haben 83% keine Kinder, in der Kontrollgruppe sind nur 60% kinderlos. Jeweils ein
Kind haben 10% der Patientengruppe und 7% der Kontrollgruppe, 2 Kinder haben 7% der
Versuchsgruppe und 27% der Kontrollgruppe. Die drei eigenen Kinder entfallen auf
Probanden der Kontrollgruppe.
80
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6.1.4. Bildungsgrad, Beufsabschluss und aktuelle Tätigkeit
Innerhalb der gesamten Stichprobe weisen 3% einen Sonderschulabschluss auf oder haben
keinen Abschluss, 22% absolvierten die Realschule, 13% eine Sekundarschule, 35% haben
Matura, 5% haben eine Fachhochschule oder ein Lehrerseminar abgeschlossen und 22%
haben einen Universitätsabschluss. Zwischen den beiden Gruppen ist ein signifikanter
Unterschied feststellbar (χ2 (5) = 15,929; p = 0,007). Die Kontrollgruppe weist dabei einen
höheren Bildungsgrad als die Patientengruppe auf.
Bezüglich des Berufsabschlusses ergibt sich folgendes Bild: 35% haben keinen
Berufsabschluss, 2% befinden sich in einer Anlehre, 35% haben einen Lehrabschluss. Weitere
8% haben eine Fachhochschule abgeschlossen oder ein Lehrer- bzw. Kindergartenseminar
absolviert. Schließlich weisen noch 20% einen Universtitätsabschluss auf. Zwischen
Patienten- und Kontrollpersonen lässt sich kein signifikanter Unterschied in Bezug auf den
Berufsabschluss feststellen (χ2 (4 ) = 5,371; p = 0,251).
In der gesamten Stichprobe sind zum Zeitpunkt der Untersuchung 35% ohne Tätigkeit, 8%
haben eine geschützte Tätigkeit, weitere 13% arbeiten in Teilzeit und 43% in Vollzeit.
Zwischen Patienten- und Kontrollgruppe sind deutlich signifikante Unterschiede gegeben (χ2
(3) = 39,575; p < 0,001). Zwei Drittel der Probanden mit psychotischen Störungen sind ohne
Tätigkeit, in der Kontrollgruppe sind es nur 3%. Vollzeit-beschäftigt sind in der
Patientengruppe nur 10%, bei den psychisch unauffälligen Versuchspersonen sind es 77%.
6.1.5. Tabakkonsum
Bezogen auf die gesamte Stichprobe sind 47% Raucher. Hierbei gibt es keinen signifikanten
Unterschied zwischen den beiden Gruppen (χ2 (1) = 2,411; p = 0,121). In der Patientengruppe
sind 57% Tabakkonsumenten, in der Kontrollgruppe 37%.
6.1.6. Musikalisches Interesse / Selbst ein Instrument spielen
70% der gesamten Stichprobe geben an, über besonderes musikalisches Interesse zu verfügen.
Ein statistsich belegbarer Unterschied zwischen den beiden Gruppen existiert dabei nicht
(χ2 (1) = 1,270; p = 0,260). 77% der Patienten gaben an, über eine besonderes Musikinteresse
zu verfügen, in der Kontrollgruppe waren es 63%.
Jeweils 13 (43%) in beiden Gruppen spielen selbst ein Instrument. In der Dauer des Musizierens sind dabei keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollpersonen
81
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
gegeben (z = -0,335; p = 0,738). Die durchschnittliche Dauer liegt in der Patientengruppe bei
11,77 (SD = 9,78), in der Kontrollgruppe bei 11,23 (SD = 6,86).
6.1.7. Seh- und Hörvermögen
Eine Sichtkorrektur weisen 62% der gesamten Stichprobe auf, es existiert dabei ein statistisch
relevanter Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen (χ2 (1) = 5,711; p = 0,017). In
der Kontrollgruppe haben 77% eine Sichtkorrektur, in der Patientengruppe sind es hingegen
nur 47%.
In der gesamten Stichprobe gibt es eine Person, die definitiv Hörschwierigkeiten hat. Diese
Person ist der Kontrollgruppe zugehörig. Jeweils 2 Personen (7%) haben geringfügige
Hörschwierigkeiten. Diese Ergebnisse beziehen sich auf die Eigenauskunft der Probanden.
Nach dem Hörtest ergibt sich folgendes Ergebnis:
Der Gesamtmittelwert des Hörtest (links und rechts, alle Frequenzen) liegt bei 25,03 (SD =
8,00) dB. Die zwei Gruppen unterscheiden sich signifikant (z = -2,070; p = 0,038). Für die
Patientengruppe wird ein Mittelwert von 26,35 (SD = 7,02) bestimmt. Der Median nimmt
einen Wert von 24,94 an. In der Kontrollgruppe liegt der Mittelwert mit 23,72 ( SD = 8,79)
und auch der Median mit 21,25 deutlich niedriger. Teilt man in Gruppen ein, so haben
insgesamt 28% (PG: 17%; KG: 40%) eine normale Hörleistung, 68% (PG: 80%; KG: 57%)
eine leichte Beeinträchtung und jeweils 2% eine mittlere (PG: 3%; KG: 0%) bzw. starke (PG:
0%; KG: 3%) Beeinträchtigung.
Betrachtet man nun nur jene Hörleistungen im Frequenzbereich zwischen 250 und 4000 Hz,
der für das Hören der menschlichen Stimme maßgeblich ist, so finden sich zwischen den
beiden Gruppen auch wiederum signifikante Unterschiede (z = -2,588; p = 0,010); es ist bei
einer Einteilung in Gruppen nach Hörleistung aber keine Person mehr in der Gruppe mit
starker Beeinträchtigung zu finden. Im unteren Frequenzbereich weisen 33 % (PG: 23%; KG:
43%) eine normale Hörleistung auf, eine leichte Beeinträchtigung zeigen 63% (PG: 73%; KG:
53%) und eine mittlere 3% (PG: 3%; KG: 3%).
82
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildung 7. Boxplot: Hörtest, getrennt nach Patienten- und Kontrollgruppe
6.1.8. Therapeutisches Setting, Alter bei der Ersthospitalisation sowie Anzahl an
Hospitalisationen
Das therapeutsiche Setting der untersuchten Patienten ist bei 3 (10%) ein ambulantes, bei 6
erfolgt die Behandlung teilstationär in einer Tagesklinik und bei 21 (70%) liegt eine
Hospitalisation vor.
Das durchschnittliche Alter bei der Ersthosptialisation liegt bei 26,33 (SD = 8,56) Jahren. Die
mittlere Anzahl an Hospitalisationen ist 4,93 (SD = 2,53). Die Spannweite reicht dabei von 1
bis zu 11 Hospitalisationen. Die durschnittliche Dauer der Erkrankung (bezogen auf das Alter
bei Ersthospitalisation) liegt bei 10,52 (SD = 7,87) Jahren. Das Minimum liegt bei 0,28
Jahren, das Maximum bei 27,50.
6.1.9. Diagnose und Medikation
Die überwiegende Mehrheit der psychotischen Versuchspersonen - 23 (70%) Patienten – hat
die ICD-10-Diagnose F20.0 „Paranoide Schizophrenie“, welche somit deutlich häufiger
vertreten ist, als die übrigen diagnostizierten Störungen. Bei 3 (10%) Patienten ist eine
„Katatone Schizophrenie“ (F20.2) diagnostiziert. Jeweils ein Patienten leidet laut Diagnose
unter einem „Schizophrenes Residuum“ (F20.5), einer „Sonstigen Schizophrenie“ F20.8),
einer „Schwer depressiven Episode mit psychotischen Symptomen“ (F32.1) und einer
„Mittelgradig depressive Episode“ (F32.3). Bei den Patienten mit den depressiven Störungen
wurde jeweils noch die Zusatzdiagnose einer paranoiden Schizophrenie gestellt.
83
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Wie bei psychotischen Störungen üblich, bekommen auch in der untersuchten Gruppen alle
Patienten Neuroleptika verabreicht, 37% bekommen Antidepressiva, 33% Antiepileptika,
17% nehmen Benzodiazepine und 13% ein Magenschutzmedikament. Alle anderen
Medikamentenkategorien werden weniger als 3 (10%) der Patienten verschrieben. An Hand
des CPZ-Index, welcher sich auf das Neuroleptikum Chlorpromazin bezieht, werden die
(Dosen der) Neuroleptika hinsichtlich ihrer verhältnismäßigen Wirkstärke in einen CPZÄquivalenzwert umgerechnet. Die Äquivalenzwerte wurden Studien von Möller (2001) und
Woods (2003) entnommen. Der durchschnittliche Chlorpromazin-Äquivalenz-Wert liegt bei
253,6 (Sd = 144,3) mg/Tag, der Median weist eine Größe von 234,5 auf. Das Minimum liegt
bei 10,5 mg/Tag, das Maximum bei 600.
Abbildung 8. Medikation in der Patientengruppe
6.1.10. PANSS
Wie bereits erwähnt wurde der PANSS nur in der Patientengruppe zur Erfassung des
Psychopathologiestatus durchgeführt. Die Positivkomponente des PANSS weist den höchsten
Mittelwert auf (M = 2,64; Sd = 0,91), der Mittelwert für die Depressionskomponente liegt bei
2,53 (SD = 0,65), für die Negativkomponente wird ein Mittelwert von 2,25 (Sd = 0,72)
bestimmt. Die Erregungskomponente (M = 2,21; SD = 0,74) und die kognitive Komponente
(M = 2,21; SD = 0,83) weisen den gleichen Mittelwert auf. Ein Signifikanztest zeigt, dass sich
die fünf Komponenten nur tendenziell signifikant unterscheiden (F (4,116) = 2,419; 0 ,052).
84
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabelle 2. Deskriptive Statistiken der PANSS-Komponenten
M
SD
ME
Min
Max
Negativkomponente
2,25
0,72
2,17
1,00
3,67
Erregungskomponente
2,21
0,74
2,13
1,00
4,50
Kognitive Komponente
2,21
0,83
2,10
1,00
4,00
Positivkomponente
2,64
0,91
2,60
1,40
5,00
Depressionskomponente
2,53
0,65
2,40
1,20
3,80
6.1.11. PSYRATS
Da die Mehrheit der Patienten nicht oder nur geringfügig (akustische) Halluzinationen
erlebten, wurde der PSYRARS nur mit neun Patienten durchgeführt und konnte deshalb in
den inferenzstatistischen Analysen nicht integriert werden. Vollständigkeitshalber sollen aber
dennoch kurz die Mittelwerte und Standardabweichungen der neun Patienten erwähnt werden.
Der kognitive Faktor weist den höchsten Mittelwert (M = 2,52, SD = 0,69) der drei
PSYRATS-Skalen auf; für den emotionalen Faktor wird ein Mittelwert von 2,11 (SD = 0,81)
errechnet und für den physikalischen Faktor wird der Mittelwert mit 1,83 (SD = 0,53)
bestimmt.
6.2. Inferenzstatistik
Im folgenden Kapitel Teil werden die Forschungshypothesen anhand verschiedener inferenzstatistischer Methoden überprüft.
6.2.1. Varianzanalysen und U-Tests zur Überprüfung der ersten Primärhypothese
Die erste Primärhypothese besagt, dass Patienten- und Kontrollgruppe sich signifikant
unterscheiden hinsichtlich (A) auditiver Gestaltwahrnehmung, (B) visueller Gestaltwahrnehmung, (C) Source Monitoring, (D) kognitiver Leistung, (E) Reaktionszeit und (F)
Stimmung.
A. Auditive Gestaltwahrnehmung (Phantomwörter)
Abbildung 9. zeigt in Form von Boxplots die Verteilung der Messwerte für die Anzahl an
Gestaltwechseln (Transformationen) bei den Phantomwörtern. Es ist zu sehen, dass außer
beim Wort „Rosa“ immer Ausreißer nach oben hin vorliegen. Aus diesem Grund erfolgt die
Auswertung parameterfrei mittels U-Test. Es ist anzumerken, dass in den Testdurchgängen
die Reihenfolge der vorgegebenen Worte („Rosa“, „Leise“, „Rennen“) über alle Trials hinweg
randomisiert war. Für die statistische Analyse wurden die Rohdaten aber so extrahiert, dass
85
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
sie nicht in der Reihenfolge (1., 2, 3. Probedurchgang) in Excel bzw. SPSS eingegeben
wurden, sondern nach dargebotenen Worten, um hier mögliche Unterschiede auf zu decken.
Abbildung 9. Boxplot: Phantomwörter-Transformationen für die vorgegebenen Worte,
getrennt nach Patienten- und Kontrollgruppe
Bei allen Einzelwörtern sind keine signifikanten Unterschiede gegeben („Hase“: z = -0,326; p
= 0,745; „Leise“: z = -0,774; p = 0,439; „Rosa“: z = -0,076; p = 0,936; „Rennen“: z = -0,575;
p = 0,566). Die beiden Gruppen unterscheiden sich somit nicht hinsichtlich der dargebotenen
Worte. Auch beim Gesamtwert sind keine signifikanten Unterschiede zwischen Patientenund Kontrollgruppe gegeben (z = -0,425; p = 0,671). Insgesamt nahmen die Patienten im
Durchschnitt 27,34 (SD = 22,05) Wortwechsel wahr; die gesunden Kontrollpersonen 34,03
(SD = 34,98). Der Median in der Patientengruppe liegt bei 22, in der Kontrollgruppe bei 29.
Tabelle 3. Mittelwerte und Standardabweichungen: Phantomwörter - Wahrgenommene
Wortwechsel (Transformationen) je vorgegebenem Basisbegriff inklusive Gesamtwert,
getrennt nach Untersuchungsgruppen sowie gesamte Stichprobe
Patientengruppe
Kontrollgruppe
Gesamt
M
SD
Me
M
SD
Me
M
SD
Me
Hase
3,10
3,22
3,00
3,43
4,52
1,00
3,27
3,91
3,00
Leise
7,38
6,94
6,00
10,43
10,75
8,50
8,93
9,13
7,00
Rosa
8,21
7,13
9,00
8,37
8,40
5,00
8,29
7,73
6,00
Rennen
8,66
10,12
6,00
11,80
14,92
6,00
10,25
12,78
6,00
Gesamt
27,34
22,05
22,00
34,03
34,98
29,00
30,75
29,29
26,00
86
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Der Boxplot bezüglich der Dauer (wie lange wurde ein Wort gehört) zeigt, dass einige
Ausreißer vorhanden sind. Es wird daher parameterfrei mittels U-Test auf Unterschiede
getestet.
Abbildung 10. Boxplot: Phantomwörter-Dauer für die einzelnen Basisbegriffe, getrennt nach
Gruppen
Wie bei der Anzahl ist auch bei der Dauer bei keinem Wort („Hase“: z = -0,924; p = 0,355;
„Leise“: z = -1,045; p = 0,296; „Rosa“: z = -0,888; p = 0,375; „Rennen“: z = -0,097; p =
0,922) ein statistisch relevanter Unterschied zwischen den beiden Probandengruppen gegeben.
Entsprechend nicht signifikant ist daher auch das Ergebnis beim Gesamtwert der Dauer (z = 0,594; p = 0,553). Die durchschnittliche Dauer liegt in der Patientengruppe bei 6545,1
Sekunden (SD = 3643,7); in der Kontrollgruppe wird ein Mittelwert von 8406,4 Sekunden
(SD = 6248,8) ermittelt. Die Mediane betragen 5041,2 (PG) und 8131,3 (KG).
Tabelle 4. Mittelwerte und Standardabweichungen: Phantomwörter-Dauer, getrennt nach
Gruppen sowie gesamte Stichprobe.
Hase
Leise
Rosa
Rennen
Gesamt
Patientengruppe
M
SD
5.796,2 2.757,9
7.037,0 5.469,3
5.612,8 3.898,7
5.877,2 4.016,0
Me
4.588,6
5.097,2
4.170,5
4.842,5
Kontrollgruppe
M
SD
4.788,1 2.695,6
6.381,7 6.446,0
8.596,8 7.105,1
7.959,7 7.977,4
Me
4.588,6
3.675,9
5.825,5
3.822,9
Gesamt
M
5.338,0
6.701,7
7.204,3
6.991,1
SD
2.734,9
5.927,0
5.963,6
6.460,3
Me
4.588,6
3.822,9
4.587,5
4.170,5
6.545,1 3.643,7 5.041,2 8.406,4 6.248,8 8.131,3 7.550,2 5.249,5 5.712,8
87
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
B1. Visuelle Gestaltwahrnehmung (MIB)
Insgesamt sind in der gesamten Stichprobe 58% der MIB-Täuschung erlegen. Einen
statistisch signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen gibt es dabei nicht (χ2 (1)
= 0,069; p = 0,793). In der Kontrollgruppe sind 57% einer Täuschung erlegen, in der
Patientengruppe waren es 60%. Diese Werte beziehen sich allerdings nicht auf alle
Durchgänge des MIB, sondern nur auf den ersten Probedurchgang, nachdem die Probanden
kurz schilderten was sie wahrgenommen hatten. Im Verlauf der Testdurchgänge erliegen aber
tendenziell mehr Patienten der MIB-Täuschung als noch im Probedurchgang.
Die Verteilung der MIB-Rate ist relativ symmetrisch; Ausreißer sind in beiden
Untersuchungsgruppen nicht gegeben. Da auch Varianzhomogenität gegeben ist (p = 0,668)
erfolgt die Auswertung mittels einfaktorieller Varianzanalyse.
100,00
MIB-Anzahl
80,00
60,00
40,00
20,00
0,00
Patientengruppe
Kontrollgruppe
Abbildung 11. Boxplot: MIB-Rate
(Anzahl von Ereignissen
„Bewegungsinduzierte
Blindheit“), getrennt nach Gruppen.
Das Ergebnis der Varianzanalyse wurde nicht signifikant (F (1,58) = 2,089; p = 0,154). Für
die Patienten wird ein Mittelwert von 36,07 (SD = 24,11) errechnet, der Mittelwert in der
Kontrollgruppe liegt bei 44,80 (SD = 22,66).
Wie in Abbildung 12. einzusehen, sind bei der MIB-Dauer in der Kontrollgruppe Ausreißerbzw. Extremwerte feststellbar, daher wird mittels U-Test ausgewertet.
.
88
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildung 12. Boxplot: MIB-Dauer, getrennt für Patienten- und Kontrollgruppe
Die beiden Gruppen unterscheiden sich auch bezüglich der MIB-Dauer nicht signifikant voneinander (z = -0,562; p = 0,574). Die Gruppe mit psychotischen Störungen weist einen
durchschnittlichen Wert von 853,1 (SD = 506,4) auf. Der Median liegt hier bei 877,5. Für die
KG wird ein Mittelwert von 988,2 (SD = 540,0) errechnet, der Median liegt bei 835,7.
B2. Visuelle Gestaltwahrnehmung (CAM)
Bei der CAM-Dauer sind in der Patientengruppe Ausreißer nach oben zu finden. Die
Auswertung erfolgt daher mittels U-Test.
Abbildung 13. Boxplot: CAM-Dauer, getrennt nach Gruppen
89
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Das Ergebnis des U-Tests ist nicht signifikant (z = -0,577; p = 0,564). Der Mittelwert für die
Gruppe der Patienten wird mit 9321 (SD = 7144) Millisekunden bestimmt. In der
Kontrollgruppe liegt der Mittelwert für die Dauer bei 17496 (SD = 19263) Millisekunden.
Der Median ist in der Gruppe mit schizophrenen Probanden bei 7589 und in der psychisch
unauffälligen Gruppe bei 6827 Millisekunden.
Bei den CAM-Transitionen sind keine Ausreißer oder Extremwerte in beiden Gruppen
gegeben. Der Hypothesentest auf Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen
kann daher mit einer einfaktoriellen Varianzanalyse erfolgen.
50,00
40,00
30,00
20,00
10,00
0,00
Patientengruppe
Kontrollgruppe
Abbildung 14. Boxplot: CAM-Transitionen, getrennt nach Gruppen
Bei den CAM-Transitionen sind zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten
Unterschiede feststellbar (F (1,58) = 0,073; p = 0,789). Probanden mit einer psychotischen
Störung weisen im Durchschnitt 18,63 (SD = 12,07) Transitionen auf; die psychisch
unauffälligen Versuchspersonen zeigen hier einen Mittelwert von 17,73 (SD = 13,76)
wahrgenommen Scheinbewegungen.
C. Source Monitoring
Aus
den
Boxplots
(Herkunftszuschreibung
der
der
beiden
in
Skalen
den
Sinn
des
Source
kommenden
Monitorings
Gedanken)
„Attribution“
und
Kontrolle
(Kontrollgefühl über die in den Sinn kommenden Gedanken) ist erkennbar, dass die
Dimension Attribution in der Versuchsgruppe durch einen Ausreißer nach unten
90
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
gekennzeichnet ist. Für die Skala Attribution wird daher für die Analyse allfälliger
Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe der U-Test verwendet. Für die Skala
Kontrolle wird eine univariate Varianzanalyse angewendet, da hier Varianzhomogenität
gegeben ist (p = 1).
Abbildung 15. Boxplot: Source Monitoring (Skalen Attribution und Kontrolle), getrennt
nach Gruppen
Bei der Skala Attribution sind keine signifikanten Unterschiede zwischen Patienten mit
psychotischen Störungen und psychisch gesunden Probanden zu finden (z = -0,378; p =
0,706). Der Mittelwert für Attribution liegt in der Versuchsgruppe bei 4,04 (SD = 0,78), für
die Kontrollgruppe wird ein Mittelwert von 3,99 (SD = 0,71) errechnet. Der Median liegt in
der Patientengruppe bei 4,17; für die gesunden Kontrollpersonen wird ein Median von 4,04
bestimmt.
Bei
der
Skala
Kontrolle
sind
signifikante
Unterschiede
zwischen
den
beiden
Untersuchungsgruppen gegeben (F (1,58) = 5,599; p = 0,021; η2 = 0,088). Die an
psychotischen Störungen leidenden Personen weisen in dieser Dimension des Source
Monitorings einen Mittelwert von 3,25 (SD = 0,99) auf, für die Kontrollgruppe wird ein
Mittelwert
von 2,67 (SD = 0,92) ermittelt. Die Kontrollgruppe hat somit eine geringer
wahrgenommene Kontrolle als die Probanden mit psychischer Erkrankung.
91
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
D. Kognitive Leistung
Beim MWT sind in beiden Gruppen keine Ausreißer oder Extremwerte zu finden. Die
Auswertung auf Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen erfolgt daher
mittels einfaktorieller Varianzanalyse. Varianzhomogenität kann vorausgesetzt werden (p =
0,735).
Auch beim Gesamtscore des WFT sind keine Ausreißer erkenntlich und Varianzhomogenität
ist gegeben (p = 0,840). Die Auswertung des WFT erfolgt ebenfalls varianzanalytisch.
Abbildung 16. Boxplots: Kognitive Leistungen (MWT und WFT), getrennt nach Gruppen
Patienten- und Kontrollpersonen unterscheiden sich signifikant in der Leistung beim MWT (F
(1,58) = 5,403; p = 0,024; η2 = 0,085). Der Mittelwert in der Patientengruppe liegt bei 102,73
(SD = 14,99) IQ-Punkten, für die Kontrollgruppe wird ein Mittelwert von 111,30 (SD =
13,52) ermittelt. Die psychisch gesunden Versuchspersonen erbringen in diesem Test bessere
Leistungen.
Hoch signifikant sind auch die Unterschiede beim WFT (F (1,58) = 35,970; p <0,001; η2 =
0,383). Die Leistungen der Kontrollgruppe sind deutlich besser. Die gesunden
Versuchspersonen weisen in diesem Test einen Mittelwert (Gesamtwert korrekt aufgezählter
Wörter) von 113,47 (SD=21,15) auf. Bei den Probanden mit einer psychotischen Störung wird
ein Mittelwert von 81,17 (SD = 20,56) ermittelt. Bei den beiden Fehlerarten des WFT
(Repetitionen und Regelbrüche) sind in der Versuchsgruppe Ausreißer bzw. Extremwerte
nach oben hin gegeben. Die Auswertung erfolgt daher parameterfrei mit einem U-Test.
92
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildung 17. Boxplots: Fehlerraten des WFT, getrennt nach Gruppen
Die beiden Gruppen unterscheiden sich weder bei den Repetitionen (z = -1,553; p = 0,120)
noch bei den Regelbrüchen (z = -0,976; p = 0,329). Die deskriptivstatistischen Zahlen können
nachfolgender Tabelle entnommen werden.
Tabelle 5. WFT: Mittelwerte und Standardabweichungen der Fehlerraten, getrennt nach
Untersuchungsgruppen sowie für die Gesamtstichprobe
Patientengruppe
Kontrollgruppe
M
M
SD
Me
SD
Me
Gesamt
M
SD
Me
WFT Repetitionen
2,33 2,40 2,00 1,47 1,38 1,50 1,90 1,99 2,00
WFT Regelbrüche
2,30 2,32 2,00 1,63 1,67 1,00 1,97 2,03 1,00
E. Reaktionszeit (MIB-Vortest)
Aus dem MIB-Vortest werden die mittleren Reaktionszeiten für „Press“ (Leertaste drücken
wenn einer oder mehrere gelbe Punkte verschwinden) und „Release“ (Leertaste wieder
loslassen, wenn alle drei gelben Punkte wieder sichtbar sind) verwendet. Der Boxplot der
Reaktionszeiten je Gruppe zeigt, dass insbesondere in der Patientengruppe bei der mittleren
Reaktionszeit „Release“ Ausreißer und Extremwerte nach oben gegeben sind. Aus diesen
Gründen werden die Gruppenunterschiede mittels U-Test ausgewertet.
93
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Abbildung 18. MIB-Vortest, mittlere Reaktionszeiten für Press und Release, getrennt für
Patienten- und Kontrollgruppe
Bei der mittleren Reaktionszeit „Press“ sind hoch signifikante Unterschiede zwischen
Patienten- und Kontrollgruppe gegeben (z = -3,489; p < 0,001). Die Patienten haben höhere
mittlere Reaktionszeiten für Press als die Kontrollprobanden. Der Mittelwert
für die
Patientengruppe liegt bei 799,16 (SD = 542,88) Millisekunden. Der Median erreicht einen
Wert von 577,96. In der Kontrollgruppe wird ein Mittelwert
von 472 (SD = 142,11)
bestimmt, der Wert liegt hier bei 460,96 Millisekunden.
Ebenfalls signifikant sind die Gruppenunterschiede bei der mittleren Reaktionszeit „Release“
(z =-3,134; p = 0,002). Auch bei diesem Parameter zeigt die Patientengruppe deutlich höhere
Werte. Der Mittelwert
liegt bei 755,32 (SD = 432,55), der Median liegt bei 591,13
Millisekunden. In der Kontrollgruppe wird ein Durchschnittswert von 510,28 (SD = 100,58)
berechnet. Der Median weißt eine Größe von 476,06 auf.
Tabelle 6. MIB-Vortest: Mittelwerte und Standardabweichungen (mittlere Reaktionszeiten
für Press und Release), getrennt nach Gruppen sowie gesamte Stichprobe
Patientengruppe
M
SD
Me
Kontrollgruppe
M
SD
Me
Gesamt
M
SD
Me
Reaktionszeit
Press
799,16 542,88 577,96 472,07 142,11 460,96 635,61 426,60 506,29
Reaktionszeit
Release
755,32 432,55 591,13 510,28 100,58 476,06 632,80 334,96 542,50
94
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
F. Stimmung (PANAS)
Der Boxplot der beiden Panas-Dimensionen zeigt sehr deutlich, dass in beiden Skalen in der
Kontrollgruppe Ausreißer gegeben sind. Bei der Skala Positive Aktivierung liegen die
Ausreißer im unteren Bereich, bei der Dimension negative Aktivierung finden sich im oberen
Bereich Ausreißer und Extremwerte. Die Auswertung erfolgt daher parameterfrei.
Abbildung 19. Boxplot: PANAS (positive und negative Aktivierung) getrennt nach Gruppen
Bei der Skala Positive Aktivierung ist zwischen den beiden Gruppen kein signifikanter
Unterschied gegeben (z = -0,030; p = 0,976). Deutlich signifikant ist jedoch der Unterschied
in der Dimension Negative Aktivierung (z = -3-785; p < 0,001). In dieser Skala weisen
Probanden mit einer psychotischen Störung einen Mittelwert von 1,48 (SD = 0,46) auf. Der
Median liegt bei 1,40. Psychisch unauffällige Versuchspersonen weisen deutlich niedrigere
Werte auf. Es wird ein Mittelwert von 1,18 (Sd = 0,34) bestimmt, der Median erreicht einen
Wert von 1,10. In nachfolgender Tabelle sind die deskriptiven Kennzahlen für die beiden
PANAS-Skalen, getrennt nach Untersuchungsgruppen sowie für die gesamte Stichprobe
wiedergegeben.
Tabelle 7. Mittelwerte und Standardabweichungen: Skalen des PANAS getrennt nach
Gruppen sowie für die gesamte Stichprobe
Patientengruppe
Kontrollgruppe
Gesamt
M
SD
Me
M
SD
Me
M
SD
Me
3,33
0,73
3,25
3,27
0,48
3,30
3,30
0,61
3,30
Negative Aktivierung 1,48
0,46
1,40
1,18
0,34
1,10
1,33
0,43
1,20
Positive Aktivierung
95
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6.2.2. Korrelations- und Regressionsanalysen zur zweiten Primärhypothese
Die zweite Primärhypothese ging davon aus, dass eine Assoziation zwischen dem
psychopathologischen Status der Patienten und deren (A) auditiver Gestaltwahrnehmung,
(B) visueller Gestaltwahrnehmung sowie (C) Source Monitoring besteht, (D) Reaktionszeit,
(E) kognitiver Leistung und (F) Stimmung besteht.
Die Auswertung dieser Fragestellung erfolgt mittels multipler Regression (backward
stepwise). Die abhängigen Variablen stellen die einzelnen Testskalen dar, als Prädiktoren
gehen die PANSS-Dimensionen in die Regressionsanalyse ein. Da schon gezeigt wurde, dass
quasi in jeder Testvariable Extremwerte und Ausreißer vorkommen und dies einen
ungünstigen Einfluss auf die Regressionsanalyse haben kann, werden vor den Regressionen
jeweils die zentralen Ergebnisse von bivariaten Korrelationsanalysen dokumentiert, wobei
diese Korrelationen nach Spearman berechnet werden, um die Ausreißer zu berücksichtigen.
A. Auditive Gestaltwahrnehmung (Phantomwörter)
Wie Tabelle 8. zu entnehmen ist, steht keine der fünf PANSS-Komponenten mit den
Testvariablen der Phantomwörter in einem signifikanten Zusammenhang.
Tabelle 8. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensionen mit akustischer
Gestaltwahrung (Phantomwörter)
Transformationen
Dauer
r
p
r
p
Negativkomponente
-0,07
0,734
0,07
0,763
Erregungskomponente
0,14
0,468
-0,26
0,236
Kognitive Komponente
-0,01
0,961
0,11
0,626
Positivkomponente
0,23
0,222
-0,01
0,952
Depressionskomponente
0,01
0,950
-0,27
0,211
Mit der schrittweisen Methode der Regression kann ebenfalls kein signifikantes
Regressionsmodell gefunden werden. Es werden alle Variablen ausgeschlossen. Die
Dimensionen des PANSS eignen sich nicht als Prädiktor für die Anzahl der akustischen
Transformationen bei den Phantomwörtern. Auch für die Dauer der wahrgenommenen
Gestaltwechsel kann kein signifikanter Prädiktor gefunden werden, wie zuvor verbleibt keine
PANSS – Skala in der Regressionsgleichung.
96
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
B1. Visuelle Gestaltwahrnehmung (MIB)
In der Spearman-Korrelationsanalyse sind die Negativkomponente (r = -0,50, p = 0,005). und
die Erregungskomponente (r = 0,42; p = 0,02) signifikant mit der MIB-Rate assoziiert.
Geringe Werte in der Negativkomponente und hohe Werte in der Erregungskomponente
korrelieren mit einer höheren Rate. Die PANSS-Dimensionen stehen allerdings in keiner
signifikanten Verbindung mit der MIB-Dauer.
Tabelle 9. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensionen mit MIB
Rate
Dauer
r
p
r
p
Negativkomponente
-0,50
0,005
-0,26
0,173
Erregungskomponente
0,42
0,020
0,25
0,179
Kognitive Komponente
-0,02
0,912
-0,26
0,161
Positivkomponente
0,19
0,322
-0,07
0,698
Depressionskomponente
-0,10
0,606
0,03
0,875
Im Regressionsmodell verbleibt bei der MIB-Rate ebenfalls die Negativkomponente; das
Regressionsmodell ist signifikant (F (1,28) = 6,80; p = 0,014). Der Betakoeffizient liegt hier
bei -0,442 (t = -2,607; p = 0,014). Eine gering ausgeprägte Negativkomponente führt zu mehr
MIB-Transitionen. Auf die MIB-Dauer hat die Psychopathologie keinen statistischen
Nachweis.Alle Variablen werden der Reihe nach aus dem Regressionsmodell ausgeschlossen.
.
B2. Visuelle Gestaltwahrnehmung (CAM)
In der Spearman-Korrelationsanalyse ergaben sich keine statistisch relevanten Beziehungen
zwischen PANSS-Dimension und CAM-Transitionen sowie CAM-Dauer.
Tabelle 10. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensioen mit CAM
Dauer
Transitionen
r
p
r
p
Negativkomponente
-0,12
0,523
0,11
0,571
Erregungskomponente
0,28
0,129
-0,29
0,123
Kognitive Komponente
0,27
0,156
-0,26
0,166
Positivkomponente
-0,00
0,985
0,08
0,678
Depressionskomponente
0,15
0,414
-0,04
0,852
97
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Das Regressionsmodell für die CAM-Transitionen ist allerdings tendenziell signifikant
(F(1,28) = 3,80; p =0,061). Die Erregungskomponente verbleibt in der Schätzgleichung mit
einem beta von -0,35 (t = 01,950; p = 0,061). Weist die Erregungskomponente hohe Werte
auf, so treten weniger Transitionen auf. Der erklärte Varianzanteil liegt bei 9%.
Auf die CAM-Dauer hat ebenfalls nur die Erregungskomponente einen positiven Einfluss
(F(1,28) = 3,85; p = 0,060). Der Betakoeffizient liegt bei 0,35; (t =1,962; p = 0,060). Die
Dauer steigt an, wenn die Erregungskomponente hoch ist. Es werden 9% an Varianz erklärt.
C. Source Monitoring (Source Monitoring Scale)
Es
findet
sich
eine
tendenziell
signifikante
Spearman-Korrelation
zwischen
Positivkomponente und der Source Monitoring Skala für Kontrolle (r = -0,32; p = 0,088).
Eine geringe Ausprägung der Positivkomponente ist verbunden mit hohen Werten in der
Skala Kontrolle.
Tabelle 11. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensionen mit
Source Monitoring
Attribution
Kontrolle
r
p
r
p
Negativkomponente
-0,24
0,199
-0,28
0,132
Erregungskomponente
0,20
0,300
0,25
0,188
Kognitive Komponente
-0,08
0,682
0,02
0,899
Positivkomponente
-0,15
0,442
-0,32
0,088
Depressionskomponente
-0,06
0,762
0,03
0,895
Im Regresionsmodell haben die PANSS-Komponenten jedoch keinen statistisch belegbaren
Einfluss auf die Source Monitoring Skalen Attribution und Kontrolle.
D. Reaktionszeiten (MIB-Vortest)
Mit der mittleren Reaktionszeit Press (r = 0,43; p = 0,019) und der durchschnittlichen
Reaktionszeit Release (r = 0,41; p = 0,023). korreliert die Negativkomponente signifikant.
Die Reaktionszeiten wachsen, wenn die Negativkomponente stärker ausgeprägt ist. Eine
tendenziell signifikante Korrelation existiert zwischen der mittleren Reaktionszeit bei Release
mit der kognitiven Komponente (r = 0,32; p = 0,083). Hohe Werte in der kognitiven
Komponente sind verbunden mit hohen Werten in der Reaktionszeit.
98
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabelle 12. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensionen mit MIB-Vortest
M. RZ Press
M. RZ Release
r
p
r
p
Negativkomponente
0,43
0,019
0,41
0,023
Erregungskomponente
-0,23
0,214
-0,05
0,774
Kognitive Komponente
0,22
0,242
0,32
0,083
Positivkomponente
-0,06
0,756
0,02
0,898
Depressionskomponente
0,07
0,701
0,03
0,890
Die negative Komponente verbleibt im Regressionsmodell, das aber nur tendenziell
signifikant ist (F (1,28) = 3,00; p = 0,094). Die negative Komponente hat ein beta von 0,31 (t
= 1,721; p = 0,094). Durch diese PANSS-Dimension können 6% der Varianz der mittleren
Reaktionszeit bei Press erklärt werden. Die Reaktionszeit steigt mit wachsender
Negativkomponente. Auch bei der Vorhersage der mittleren Reaktionszeit Release verbleibt
im fünften Schritt der Negativfaktor im Regressionsmodell, das wieder nur tendenziell
signifikant ist (F (1,28) = 3,15; p =0,087. Der Betakoeffizient der negativen Komponente liegt
bei beta = 0,32 (t = 1,775; p = 0,087). Der erklärte Varianzanteil liegt bei 7%. Hohe
Ausprägung in der Negativkomponente geht mit hoher Reaktionszeit einher.
E. Kognitive Leistung
In der Spearman-Korrelationsanalyse ergeben sich (hoch)signifikante Zusammenhänge
zwischen MWT und der PANSS-Negativkomponente (r = 0.993, p = 0.00) sowie der
Positivkomponente (r = 0,647 p = -0,09). Auch für den WFT resultieren hochsignifikante
Korrelationen mit der Positivdimension (r = 0,958; p = 0,01) sowie mit dem
Depressionsfaktor (r = 0,992; p = -0,00).
Tabelle 13: Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Komponenten mit
kognitiven Leistungstests
MWT
WFT
p
r
p
r
Negativkomponente
0,00
0,993
-0,37
0,044
Erregungskomponente
0,36
0,054
0,22
0,250
Kognitive Komponente
-0,52
0,003
-0,47
0,008
Positivkomponente
-0,09
0,647
0,01
0,958
Depressionskomponente
0,10
0,601
-0,00
0,992
99
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Im Regressionsmodell ergeben die psychopathologischen Komponenten des PANSS ebenso
ein hoch signifikantes Ergebnis (F (2,27) = 12,83; p < 0,001), wobei zwei Prädiktoren
signifikant im Modell verbleiben. Es handelt sich dabei um die kognitive Komponente (beta
=-0,624; t =-4,510; p < 0,001) und die Erregungskomponente (Beta = 0,38; t = 2,708; p =
0,012). Eine stark ausgeprägte Erregungskomponente und geringe Ausprägungen in der
kognitiven Komponente führen zu besseren Leistungen im MWT. Durch diese beiden
Komponenten können 45% an Varianz des MWT erklärt werden (Tabelle 30., Anhang).
Auch die Leistung im WFT ist durch zwei PANSS-Komponenten vorhersagbar (F (2,27) =
5,85; p = 0,008). Es handelt sich dabei um die kognitive (Beta = -0,464; t = 2,886; p = 0,008)
und die negative (beta = 0-,28; t = 1,730; p = 0,095) Dimension. Geringe Ausprägungen in
diesen beiden Komponenten führen zu besseren Leistungen im WFT. Der erklärte
Varianzanteil beträgt 25%
F. PANAS
Die Depressionskomponente des PANSS steht in einem tendenziell signifikanten
Zusammenhang mit positiver (r = -0,35; p = 0,056) und negativer (r = -0,36; p = 0,052)
Aktivierung. Ist die Depressionskomponente stärker ausgeprägt, so ist die positive
Aktivierung geringer und die negative Aktivierung höher.
Tabelle 14. Korrelationsmatrix (Spearman): PANSS-Dimensionen mit PANAS
Positive Aktivierung
Negative Aktivierung
r
p
r
p
Negativkomponente
0,03
0,872
-0,09
0,654
Erregungskomponente
0,18
0,346
-0,15
0,435
Kognitive Komponente
-0,01
0,945
0,13
0,491
Positivkomponente
-0,07
0,722
0,08
0,684
Depressionskomponente
-0,35
0,056
0,36
0,052
Die Regression der PANSS-Komponenten auf die Skala positive Aktivierung ist tendenziell
signifikant (F (1,28) = 3,97; p = 0,056). Die im Modell verbleibende Variable ist die
Depressionskomponente (beta = -0,35; t = -1,992; p =0,056). Eine stärker ausgeprägte
Depressionskomponente ist verbunden mit geringerer Ausprägung der positiven Aktivierung.
Der erklärte Varianzanteil liegt bei 9%.
100
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die Depressionskomponente ist auch bei der negativen Aktivierung der einzige im Modell
verbleibende Prädiktor (F (1,28)=9,95; p = 0,004). Der Betakoeffizient liegt bei 0,51 (t =
3,154; p = 0,004). Der erklärte Varianzanteil liegt bei 24%. Eine stark ausgeprägte
Depressionskomponente ist assoziiert mit hohen Werten in der negativen Aktivierung.
6.2.3. Korrelationsanalyse (Spearman) zur ersten Sekundärhypothese
Die erste Sekundärhypothese postuliert, dass bei Patienten- wie bei der Kontrollgruppe ein
positiver Zusammenhang zwischen auditiver und visueller Gestaltwahrnehmung existiert.
Der Gesamtwert der Phantomwörter (Anzahl Transformationen) wird in Beziehung gesetzt
mit den Scores aus CAM und MIB. Die Auswertung erfolgt für die gesamte Stichprobe als
auch für die beiden Untersuchungsgruppen getrennt. Es findet sich zwischen akustischer und
visueller Gestaltwahrnehmung kein einziger signifikanter Zusammenhang. Das gilt sowohl
für die gesamte Stichprobe als auch für jede der beiden Untersuchungsgruppen. Alle
möglichen Korrelationskoeffizienten sind in nachfolgender Tabelle dargestellt.
Tabelle 15. Spearman-Korrelationsmatrix: Phantomwörter mit MIB und CAM, getrennt
nach Untersuchungsgruppen sowie gesamte Stichprobe
Gesamt
Patientengruppe
Kontrollgruppe
r
p
r
p
r
p
CAM-Dauer
0,00
0,996
0,25
0,189
-0,16
0,386
CAM-Transitionen
0,05
0,697
-0,13
0,514
0,19
0,327
MIB-Rate
0,13
0,332
0,10
0,619
0,14
0,446
MIB-Dauer
0,05
0,733
-0,12
0,520
0,26
0,165
6.2.4. Kruskal-Wallis-Test zur Überprüfung der zweiten Sekundärhypothese
Die zweite Sekundärhypothese nimmt an, dass zwischen den Subgruppen „Patienten mit
aktuell auftretenden Halluzinationen“ vs. „Patienten, bei denen früher Halluzinationen
aufgetreten sind“ und „Patienten, die nie Halluzinationen erlebt haben“ Unterschiede
bestehen bezüglich auditiver Gestaltwahrnehmung, visueller Gestaltwahrnehmung sowie
Source Monitoring.
Bezüglich der Ausprägung der Variable Halluzination ist nur bei der Gesamtdauer aus dem
CAM ein signifikanter Unterschied gegeben (χ2 (2) = 6,626; p = 0,036). Probanden, die
früher akustische Halluzinationen hatten, weisen einen Mittelwert von 6126 ms auf, der
Median liegt bei 5240 ms. Bei Patienten mit aktuellen Halluzinationen wird ein Mittelwert
101
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
von 13441 ms ermittelt, der Median liegt bei 11016 ms. Die Patienten, die bisher keine
akustischen Halluzinationen hatten, weisen einen Mittelwert von 8044 auf, der Median liegt
in dieser Gruppe bei 5454 ms. Werden paarweise Einzelvergleiche durchgeführt, so
unterscheiden sich die Gruppen „Früher“ und „Aktuell“ (z = -2,399; p = 0,016). Die Gruppe
mit aktuellen akustischen Halluzinationen weist höhere Werte in der CAM-Dauer auf als
Probanden, die früher akustische Wahrnehmungen hatten. Die Gruppe „Früher“ und „Nein“
unterscheiden sich hingegen nicht signifikant (z = -0,540; p = 0,624). Signifikant ist der
Unterschied zwischen den Gruppen „Aktuell“ und „Nein“ (z =-1,978; p = 0,048). Bei
Berücksichtigung einer Alphafehlerkorrektur nach Bonferoni (p = 0,017) ist nur noch von
einem signifikanten Unterschied zwischen der Gruppen Früher und Aktuell auszugehen.
Tendenziell signifikante Unterschiede finden sich in der Phantomwörter-Dauer (χ2 (2) =
5,267; p = 0,072) und den CAM-Transitionen (χ2 (2) = 6,626; p = 0,054). Bei der
Phantomwörter-Gesamtdauer haben Probanden mit einer aktuellen Halluzination den
niedrigsten Median und Personen, die nie Halluzinationen hatten, den höchsten Median. Bei
den Transitionen im CAM weisen Probanden mit aktuellen Halluzinationen den geringsten
Median auf. Bei den Tests und Skalen Phantomwörter-Gesamtanzahl (χ2 (2) = 4,494 p =
0,106); MIB-Rate (χ2 (2 ) = 3,412 p = 0,182); MIB-Dauer (χ2 (2) = 3,318 p = 0,190); Source
Monitoring Attribution (χ2 (2) = 1,857 p =0,395) und Source Monitoring Kontrolle (χ2(2) =
0,406 p = 0,816) sind keine bedeutsamen Unterschiede gegeben.
Tabelle 16. Deskriptivstatistische Kennzahlen von Phantomwörtern, Source Monitoring,
MIB, CAM, und MIB-Vortest; Subskalen getrennt nach Halluzinationserleben
Früher
M
PhantomwörterTransformationen
Aktuell
SD
Me
M
Nein
SD
Me
M
SD
Me
23,50 19,00 20,00 39,30
24,73 43,50
19,27 18,22 19,00
Phantomwörter-Dauer 6.376 2.492 5.300 5.352
4.014 3.702
8.014 3.815 6.609
MIB-Rate
48,50 14,74 48,00 27,40
24,50 23,00
35,00 26,86 34,50
MIB-Dauer
1.185 496
470
753
CAM-Dauer
6.126 2.986 5.420 13.411 8.521 11.016 8.044 6.714 5.454
CAM-Transitionen
24,38 11,92 23,00 11,80
8,19
9,00
20,50 12,98 20,00
SourceMonitoring
Attribution
4,39
0,56
4,46
3,85
0,87
4,04
3,96
0,82
4,08
SourceMonitoring
Kontrolle
3,44
1,17
3,13
3,37
0,81
3,08
3,03
1,04
3,17
1.091 707
102
824
478
858
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6.2.5 U-Test ( nach Mann-Whitney) zur Überprüfung der dritten Sekundärhypothese
Die dritte Sekundärhypothese besagt, dass beim Source Monitoring Patienten mit aktuell oder
früher auftretenden Halluzinationen, emotional geladenes Material häufiger external
attribuieren als Patienten, die nie Halluzinationen erlebt haben und Kontrollpersonen.
Vergleicht man bei der Skala Attribution die Kontrollgruppe mit jener Patientengruppe, die
akustische Halluzination jetzt oder früher hatte, so ist kein signifikanter Unterschied gegeben
(z = -0,407; p = 0,684). Der Mittelwert in der Kontrollgruppe liegt bei 3,99 (SD = 0,71). Der
Median nimmt einen Wert von 4,04 an. Personen mit früheren oder aktuellen akustischen Halluzinationen weisen einen Mittelwert von 3,85 (SD = 0,87) auf, der Median nimmt den
gleichen Wert (4,04) wie in der Kontrollgruppe an.
6.2.6. U-Test (nach Mann-Whitney) zur Evaluierung der vierten Sekundärhypothese
Die vierte Sekundarhypothese geht davon aus, dass es zwischen den Subgruppen stationär vs.
teilstationär/ambulant behandelter Patienten Differenzen in der auditiven wie visuellen
Gestaltwahrnehmung und dem Source Monitoring gibt.
In Abhängigkeit des therapeutischen Settings, bei dem die ambulante Nachbetreuung und die
Behandlung in einer Tagesklinik zu einer Kategorie zusammengefasst wurde (da sonst auf
Grund der zu kleinen Größe dieser Subgruppen statistisch nicht sinnvoll), ergeben sich
signifikante Unterschied bei den CAM-Transitionen (z = -2,010; p = 0,044) und der Skala
Kontrolle aus dem Source Monitoring (z = -2,407; p = 0,016). Die stationär betreuten
Patienten weisen deutlich weniger Transitionen auf. Der Mittelwert liegt bei 15,57, der
Median bei 12. Für die zweite Gruppe ergibt sich ein Mittelwert von 32,00, der Median liegt
bei 27 Verkennungen. Die stationär betreuten Probanden weisen höhere Werte in der Skala
Kontrolle auf. Der Mittelwert liegt bei 3,31, der Median bei 3,17. Für ambulante oder
teilstationär betreute Personen wird ein Mittelwert von 1,86 bestimmt. Der Median in dieser
Patientengruppe liegt bei 1,83.
Bei der MIB-Rate (z = -1,881; p = 0,060) und den Phantomwörter-Transformationen
(z = -1,835; p = 0,067) liegen tendenziell signifikante Unterschiede vor. Die stationär betreute
Gruppe nimmt deutlich weniger Wortwechsel bei den Phantomwörtern wahr. Der Mittelwert
liegt bei 25,55, der Median bei 24. Für die andere Gruppe ergibt sich ein Mittelwert von 49
und der Median nimmt einen Wert von 53 an. Auch bei der MIB-Rate zeigt die stationäre
Patientengruppe eine geringere Anzahl (M = 29,81; Median = 30). Für die ambulant oder in
103
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
der Tagesklinik betreuten Patienten wird ein Mittelwert von 64,33 bestimmt, der Median liegt
bei 65. Von den weiteren Skalen (Phantomwörter-Dauer (z = -0,533; p = 0,594): MIB-Dauer
(z= -0,393; p = 0,694); CAM-Dauer (z = -1,178; p =0,239), Source Monitoring Attribution (z
= -1,618; p = 0,106)) können keine statistisch auffälligen Ergebnisse berichtet werden.
Tabelle 17. Deskriptivstatistische Kennzahlen von Phantomwörtern, Source Monitoring,
MIB und CAM; getrennt nach Ausprägungen des therapeutischen Settings.
Ambulant/Teilstationär
Stationär
M
SD
Me
M
SD
Me
Phantomworte-Transitionen
49,00
7,81
53,00
25,55
22,83
24,00
Phantomworte-Dauer
4.628
147
4.684
6.763
4.091
5.662
MIB-Rate
64,33
26,01
65,00
29,81
21,23
30,00
MIB-Dauer
753
8
750
869
590
940
CAM-Dauer
6.215
4.294
4.479
10.716
7.968
8.540
CAM-Transitionen
32,00
13,23
27,00
15,57
10,28
12,00
Source Monitoring Attribution
4,61
0,67
5,00
3,83
0,76
4,00
Source Monitoring Kontrolle
1,86
0,63
1,83
3,31
0,84
3,17
6.2.7. Korrelationsanalyse (Spearman) zur fünften Sekundärhypothese
Die fünfte Sekundärhypothese besagt, dass zwischen langsameren Reaktionszeiten und
niedrigeren Transitionsraten in der auditorischen wie optischen Gestaltwahrnehmung ein
Zusammenhang besteht.
Für die mittleren Reaktionszeiten bei Press sind keine signifikanten Zusammenhänge mit den
Resultaten der akustischen oder visuellen Gestaltwahrnehmungstests gegeben. Das gilt
sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für die Kontrollgruppe. In der Versuchsgruppe
lässt sich aber ein negativer Zusammenhang zwischen der MIB-Rate und der Reaktionszeit
bei Press erkennen (r = -0,43; p =0,019). Schnelle Reaktionszeiten führen zu einer höheren
Rate. Weiter ist in der Versuchsgruppe noch ein tendenziell positiver signifikanter
Zusammenhang mit der Phantomwörter-Dauer feststellbar (r = 0,36; p = 0,094). Je länger die
mittleren Reaktionszeiten bei Press sind, desto größer ist auch die Dauer bei den
Phantomwörtern.
104
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabelle 18. Korrelationsmatrix (Spearman): MIB, CAM, Phantomwörter mit MIB- Vortest Mittlere Reaktionszeit Press, getrennt nach Gruppen sowie Gesamtstichprobe
Gesamt
Patientengruppe
Kontrollgruppe
r
p
r
p
r
p
MIB-Rate
-0,34
0,008
-0,43
0,019
-0,10
0,610
MIB-Dauer
-0,25
0,056
-0,28
0,131
-0,16
0,395
PhantomwörterTransformationen
-0,16
0,220
-0,14
0,462
-0,20
0,279
PhantomwörterDauer
0,07
0,647
0,36
0,094
-0,02
0,937
CAM-Dauer
-0,18
0,160
-0,10
0,598
-0,28
0,135
CAM-Transitionen
0,15
0,254
0,06
0,741
0,26
0,160
Die mittlere Reaktionszeit bei Release korreliert - bezogen auf die gesamte Stichprobe - mit
der MIB-Rate negativ (r = -0,40; p = 0,002). Ebenfalls negativ ist die Korrelation von MIBDauer (r = -0,35; p = 0,006). Je schneller die Reaktionszeiten bei Release sind, desto höher ist
die MIB-Rate und desto länger ist die MIB-Dauer. Diese Zusammenhänge finden sich im
Wesentlichen in der Patientengruppe wieder, in der Kontrollgruppe liegen keine signifikanten
oder tendenziell signifikanten Ergebnisse vor.
Zusammenhänge mit CAM oder den Phantomwörtern und der mittleren Reaktionszeit bei
Release sind nicht verifizierbar.
Tabelle 19. Korrelationsmatrix (Spearman): MIB, CAM, Phantomwörter mit MIB-Vortest Mittlere Reaktionszeit Release; getrennt nach Gruppen sowie Gesamtstichprobe
Gesamt
Patientengruppe
Kontrollgruppe
r
p
r
p
r
p
MIB-Rate
-0,40
0,002
-0,36
0,051
-0,32
0,082
MIB-Dauer
-0,35
0,006
-0,48
0,007
-0,26
0,162
PhantomwörterTransformationen
-0,09
0,506
-0,07
0,705
-0,09
0,633
Phantomwörter-Dauer
0,00
0,992
0,38
0,074
-0,18
0,359
CAM-Dauer
0,05
0,712
-0,03
0,890
0,25
0,183
CAM-Transitionen
-0,07
0,596
-0,03
0,882
-0,20
0,298
105
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
6.2.8. Korrelationsanalyse zur sechsten Sekundärhypothese
Die sechste Sekundärhypothese postuliert, dass die Stimmung einen Einfluss auf die auditive
und visuelle Gestaltwahrnehmung sowie auf das Source Monitoring hat.
Für die PANAS-Skala Positive Aktivierung ist in der gesamten Stichprobe kein signifikanter
Zusammenhang mit akustischer oder optischer Gestaltwahrnehmung gegeben. Tendenziell
signifikant ist der Zusammenhang mit der Source Monitoring Skala Attribution (r = 0,22, p =
0,087). Je internaler die Attribution ist, desto höher sind die Werte bei der positiven
Aktivierung. Mit der Skala Kontrolle ist kein signifikanter Zusammenhang gegeben.
Betrachtet man die Gruppen getrennt, so sind in der Kontrollgruppe weder signifikante noch
tendenziell signifikante Korrelationen zu finden.
In der Patientengruppe ist die Dauer bei den Phantomwörtern signifikant positiv mit der
positiven Aktivierung assoziiert (r = 0,52; p = 0,012). Je länger die Dauer, desto höher die
positive Aktivierung. Knapp nicht signifikant ist der Zusammenhang mit der Attribution (r = 0,36; p = 0,053). Je höher die Attribution, desto positiver die Aktivierung. Schließlich findet
sich auch noch mit den Phantomwörter-Transformationen ein negativer Zusammenhang (r = 0,32; p = 0,092). Die Anzahl der wahrgenommen Wortwechsel ist geringer, wenn die positive
Aktivierung höher ist.
Zwischen akustischer bzw. optischer Gestaltwahrnehmung und negativer Aktivierung besteht
kein statisch belegbarer Zusammenhang. In der gesamten Stichprobe ist ein tendenziell
signifikanter Zusammenhang mit der Dauer bei den Phantomwörtern gegeben (r = -0,39, p =
0,067). Die Dauer steigt, wenn die negative Aktivierung geringer ist. In der Kontrollgruppe ist
die Korrelation von negativer Aktivierung und mittlerer Reaktionszeit bei Press signifikant (r
= -0,49; p = 0,006). Je geringer die Reaktionszeit , desto größer die negative Aktivierung.
Signifikant ist auch die Korrelation mit MIB-Dauer (r = 0,38; p = 0,040). Je größer die Dauer
bei MIB, desto größer auch die negative Aktivierung. Schließlich findet sich in der
Kontrollgruppe auch noch eine tendenziell signifikante Korrelation mit der Skala Attribution
(r = -0,36; p = 0,053). Je interner die Attribution, desto geringer die negativer Aktivierung.
Die Korrelationstabellen zum Einfluss von negativer und positiver Aktivierung können im
Anhang eingesehen werden (Tabelle 20. und 21.).
6.2.9. Zusätzliche Korrelationsanalysen zur Überprüfung weiterer Einflüsse
Die Tabellen zu den folgenden Korrelationsanalysen von Medikation-Testergebnisse sowie
Testzeit-Testergebnisse können im Anhang eingesehen werden (Tabelle 22. und 23.).
106
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Zusammenhang von Medikation und Testergebnissen
Der Chlorpromazin-Äquivalenz-Mittelwert pro Tag steht in keinem statistisch belegbaren
Zusammenhang mit den Ergebnissen in den einzelnen Tests und deren Subskalen. Kein
einziger Korrelationskoeffizient ist signifikant.
Zusammenhang von Testzeit und Testergebnissen
Da die Testzeiten sehr stark variierten (08:00 – 20:00) wird an dieser Stelle überprüft, ob die
Testzeit mit den Testergebnissen zusammenhängt. Die Testzeiten werden in eine Rangreihung
gebracht und diese wird mit den einzelnen Testwerten in Beziehung gesetzt. Es findet sich nur
ein
einziger
signifikanter
Korrelationskoeffizient
mit
dem
Testergebnis
des
Wortflüssigkeitstests (r = 0,30; p = 0,018). Das Ergebnis besagt, dass mit späteren Testzeiten
die Leistungen in diesem Test eher besser werden.
Zusammenhang zwischen Hörtest und akustischer Gestaltwahrnehmung
Weder in der gesamten Stichprobe noch in den beiden Untersuchungsgruppen
sind
signifikante Zusammenhänge mit den Testscores der akustischen Gestaltwahrnehmung und
der Hörleistung gegeben.
6.2.10. Reliabilitätswerte
Für die meisten Tests können die Reliabilitätswerte dem Kaiptel 5.5. entnommen werden. Für
einige Verfahren konnten in der Literatur keine Reliabilitätswerte ausfindig gemacht werden;
allerdings gelten diese als etabliert (MWT, PANAS & Hörtest). Für andere Tests konnten a
priori keine Reliabilitäten berechnet werden, da die Verfahren keine Items enthalten; aber
auch hier gelten die betreffenden Tests als anerkannt (CAM, MIB & MIB-Vortest). Es fehlen
allerdings noch dementsprechende Werte für die Phantomwörter. Da in dieser Studie eine
selbstständig erstellte deutsche Version der Source Monitoring Scale verwendet wurde und
viele Probanden Schwierigkeiten mit dem Test hatten, werden an dieser Stelle die zentralen
Ergebnisse der zur deutschen Version durchgeführten Reliabilitätsanalyse aufgezeigt.
Für die Attributionsskala kann ein Cronbach-α von 0,86 ermittelt werden. Die Trennschärfen
liegen zwischen 0,37 (Item 2) und 0,65 (Item 6). Bei keinem Item ergibt sich eine merkbare
Steigerung
des
Reliabilitätskoeffizienten,
wenn
es
weg
gelassen
würde.
Der
Reliabilitätskoeffizient für die Skala Kontrolle ist mit 0,90 noch etwas größer als für die Skala
Attribution. Die Itemtrennschärfen bewegen sich in einem Bereich zwischen 0,48 (Items 1)
und 0,69 (Item 4, 9 und 11). Eine Verbesserung der Reliabilität durch Weglassen eines Items
aus der Skala kann auch hier nicht erzielt werden.
107
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
7. Diskussion
In den Folgenden Unterkapiteln werden die Ergebnisse der statistischen Analysen diskutiert
und in Bezug zu den Resultaten früher Studien gestellt. Des Weiteren sollen methodische und
inhaltliche
Probleme
erörtert
werden
und
mögliche
Einschränkungen
in
der
Verallgemeinerbarkeit der gewonnen Ergebnisse aufgezeigt werden. Abschließend wird im
Ausblick dargelegt, wie zukünftige Studien zur Gestaltwahrnehmung psychotischer Patienten
ausgerichtet sein könnten, welche weiteren Möglichkeiten zur Evaluation psychotischer
Störungen gegeben sind und wie man die wissenschaftlichen Ergebnisse für therapeutische
Interventionen nutzbar machen könnte.
7.1. Bedeutung von demographischen Kennzeichen und spezifischen
Hintergrundvariablen
Es war im Rahmen dieser Arbeit weder möglich, über die Variablen Geschlecht und Alter
hinaus, weitere demographischen Merkmale zu parallelisieren und somit zu kontrollieren,
noch konnten sämtliche potentiellen Einflüsse eingehend statistisch überprüft werden. In den
nächsten Anschnitten sollen die vorwiegend deskriptiven Ergebnisse für die demographischen
und zusätzlich relevanten Hintergrundvariablen diskutiert werden.
7.1.1. Stichprobengröße
Die, zur Eruierung bedeutsamer Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe
erforderliche, Mindestzahl beschrieben im Unterkapitel 5.2.2. ist mit einer Stichprobengröße
von N = 60 erreicht. Dennoch ist eine Stichprobe dieser Größe relativ anfällig für
Verletzungen der Varianzhomogenität durch Ausreißer und Extremwerte. Deshalb konnte,
wie zu Beginn des inferenzstatistischen Teils erläutert, bei der Evaluierung der ersten
Primärhypothese einige Male keine varianzanalytische Überprüfung erfolgen. Bei der Prüfung
der zweiten Primärhypothese wurden, auf Grund von Ausreißern und Extremwerten, den
Regressionsmodellen
jeweils
Korrelationsanalysen
vorangestellt,
die
diese
Werte
miteinbezogen. Hieraus lassen sich unter anderem auch die meist nicht deckungsgleichen
Resultate der Korrelations- und Regressionsanalysen bei der Analyse des Zusammenhangs
von Psychopathologiestatus und Testergebnissen erklären.
7.1.2. Geschlecht, Alter und Nationalität
Auf Grund der Parallelisierung der Kontrollprobanden in Geschlecht und Alter zu den
Patienten ist der Einfluss dieser Variablen für den Gruppenvergleich ausgeschlossen. Da auch
108
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
zwischen Männern und Frauen in der Gesamtstichprobe, wie in den beiden Gruppen, nur sehr
geringe Altersunterschiede existieren, kann davon ausgegangen werden, dass hier das Alter
bei auftretenden Unterschieden ebenfalls keine Rolle spielt. In der gesamten Stichprobe sind
jedoch die Männer mit 60 % stärker vertreten. Dies könnte Auswirkungen auf die
Gesamtergebnisse haben. Allerdings geht aus der wissenschaftlichen Literatur nicht hervor,
dass sich Frauen und Männer in den untersuchten Domänen prinzipiell unterscheiden.
Gleiches gilt für die Nationalität. Zwar gibt es in der untersuchten Stichprobe signifikant mehr
deutsche Studienteilnehmer als solche aus der Schweiz, aber es gibt weder in der
Forschungsliteratur noch in anderen Quellen Anhaltspunkte, die vermuten ließen, dass
Deutsche und Schweizer in den durchgeführten Tests anders abschneiden sollten.
7.1.3. Zivilstand und die Anzahl eigener Kinder
Da Patienten- und Kontrollgruppe sich nicht signifikant bezüglich des Zivilstands
unterscheiden, ist nicht davon auszugehen, dass diese Variable einen relevanten Einfluss auf
den Gruppenvergleich hat. Zwar ist ein Unterschied zwischen Patienten- und Kontrollgruppe
bei der Anzahl eigener Kinder gegeben, aber aus Literatur und Forschung geht nicht hervor,
dass dies einen Einfluss auf die Evaluation der Gruppenunterschiede haben sollte. Dem
Verfasser dieser Arbeit scheint eher plausibel, dass sowohl die Anzahl eigener Kinder wie
auch der Zivilstand bei den durchgeführten Tests nicht direkt, sondern allenfalls durch
verdeckte Variablen, die mit Kinderanzahl und Zivilstand assoziiert sind, einen Einfluss
ausüben könnte. Es war im Rahmen der vorliegenden Arbeit allerdings nicht möglich, dieser
Frage weiter nachzugehen.
7.1.4. Bildungsgrad, Berufsabschluss und aktuelle Tätigkeit
Der Bildungsgrad in der untersuchten Stichprobe variiert zwischen Patienten- und
Kontrollgruppe signifikant und es ist liegt nahe, dass sich dies auf einige der Testergebnisse
ausgewirkt haben könnte. Im Besonderen zwischen Bildungsgrad und dem Abschneiden in
den kognitiven Tests könnte ein Zusammenhang vorliegen.
Die Kontrollprobanden haben sowohl einen signifikant höheren Bildungsgrad als auch
deutlich bessere Werte in den kognitiven Leistungstests. Es scheint einleuchtend, dass sowohl
der niedrigere Bildungsgrad der Patienten als auch das schlechtere Absschneiden in den
kognitiven Tests durch ihre Erkrankung mitbedingt ist. Hinzu kommt, das ist aus der Literatur
bekannt, dass auch Neuroleptika – vor allem bei langjähriger Einnahme und hohen Dosen –
109
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
einen schädlichen Einfluss auf kognitive Funktionen, wie Erinnerung, Aufmerksamkeit oder
Konzentration, haben können.
In diesem Licht betrachtet, ist es gut vorstellbar, dass der Bildungsgrad auch mit dem
kognitiven Faktor des PANSS assoziiert ist. Denn zwischen kognitivem Faktor und der
kognitiven Leistung resultierte eine hochsignifikante Korrelation. Es ist also nicht
auszuschließen, dass die, in diesem Anschnitt beschriebenen Variablen miteinander
konfundiert waren. Es könnte nützlich sein, diesen Aspekt in einer anschließenden Studie
näher zu beleuchten.
Da beim
Berufsabschluss kein bedeutsamer Unterschied zwsichen Patienten- und
Kontrollprobanden festzustellen ist, kann angenommen werden, dass diese Variable keinen
Einfluss auf beobachtete Gruppenunterschiede ausübte. Die Patientengruppe zeichnet sich nach Einschätzung des Verfassers -
durch einen relativ hohen durchschnittlichen
Berufsabschluss aus – insbesondere in Relation zu den signifikant schlechteren Werten
bezüglich Bildungsgrad und aktueller Tätigkeit im Vergleich mit der Kontrollgruppe.
Die Differenzen zwischen den beiden Untersuchungsgruppen in der Variable „Aktuelle
Tätigkeit“ sind frappierend; gingen doch ganze zwei Drittel der psychotischen Patienten zum
Testzeitpunkt keiner beruflichen Tätigkeit nach. Dies war lediglich bei 3%. der
Kontrollpersonen der Fall. Hier könnte zwar unter anderem ein Zusammenhang zum
niedrigeren Bildungsgrad der Patienten vermutet werden, doch andererseits gibt es einen
deutlichen Unterschied zwischen dem durchschnittlichen Berufsabschluss-Niveau der
Patienten und ihrem aktuellen Tätigkeitsstatus – immer in Relation zu den diesbezüglichen
Werten der Kontrollgruppe gesehen. Der verhältnismäßig niedrige Bildungsgrad und
Tätigkeitsstatus der Patienten könnte durch die psychotische Störung mitbedingt sein; dies
scheint vor allem bei der aktuell ausgeübten Tätigkeit der Fall zu sein. Viele Patienten, die
dem schizophrenen Formenkreis zu zuordnen sind (und das war der Großteil der untersuchten
Patienten), sind so stark beeinträchtigt, dass sie keiner geregelten Arbeit mehr nachgehen
können, höchstens in einem geschützten Rahmen als Teilzeitbeschäftigte, wenn sie nicht ganz
arbeitsunfähig sind.
7.1.5. Tabakkonsum
Zwar gibt es in der Patientengruppe mehr Raucher (57%) als in der Kontrollgruppe (37%), da
aber der Unterschied nicht signifikant wurde, kann davon ausgegangen werden, dass der
Tabakkonsum keine Einflüsse auf die Gruppenunterscheidung hatte. Darüber hinaus liegen
auch keine Forschungsbefunde vor, die eine Beziehung zwischen Tabakkonsum und den
durchgeführten Test suggerieren. Es ist aber denkbar, dass ein Zusammenhang zwischen
110
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabakkonsum und dem psychopathologischen Status sowie der Neuroleptika-Dosis besteht.
Es gibt einige Neuroleptika (und auch weitere Medikamente),
die durch (insbesondere
starken) Tabakkonsum an Wirkung verlieren und deshalb in der Dosis erhöht werden müssen.
Allerdings geht es weit über den Rahmen dieser Arbeit hinaus, die komplexen Mechanismen
der Neuroleptika und deren Wechselwirkungen mit anderen Substanzen und Bedingungen zu
untersuchen. Diese Fragestellung kann nur in einer umfassend angelegten pharmazeutischmedizinisch-psychologisch fundierten Studie sinnvoll bearbeitet werden.
7.1.6. Musikalisches Interesse / Selbst ein Instrument spielen
Das musikalische Interesse wurde vor allem wegen der Durchführung des Stream
Segregation-Paradigmas erfasst, da die
Probanden dabei Galopp-Rhythmen zu hören
bekamen. Bei den Variablen „Musikalisches Interesse“, „Selbst ein Instrument spielen“ und
„Dauer des Spielens“ ergaben sich keinerlei signifikante Unterschiede zwischen Patientenund Kontrollgruppe. Daher kann als gesichert gelten, dass diese Variablen sich nicht auf den
Gruppenvergleich auswirkten.
7.1.7. Seh- und Hörvermögen
Bei der Variable „Sichtkorrektur“ ergibt sich zwar ein statistisch bedeutsamer Unterschied
zwischen Patienten- und Kontrollgruppe, 77% der gesunden Kontrollprobanden, aber nur
47% in der Gruppe psychotischer Patienten sind Brillenträger. Doch da alle Probanden, die
eine Sichtkorrektur benötigen, diese auch dabei hatten, ist es unwahrscheinlich, dass die
Erfassung der Gruppenunterschiede in den visuellen Wahrnehmungstests beeinträchtigt war.
Gleiches gilt für die Ergebnisse der Gesamtstichprobe, für die ein Anteil von 62%
Brillenträger resultiert.
Zwischen der Selbsteinschätzung der Versuchspersonen hinsichtlich ihres Hörvermögens und
den Resultaten des später am PC durchgeführten Einfach-Hörtest, besteht eine erstaunliche
Diskrepanz. So gaben in Patienten- und Kontrollgruppe jeweils lediglich zwei Personen an,
geringfügige Hörschwierigkeiten zu haben. Außerdem gab es einen Kontrollprobanden, der
laut Selbstauskunft, definitiv unter Hörschwierigkeiten litt.
In der Auswertung des PC-Hörtests ergab sich dann ein etwas anderes Bild: Rund zwei Drittel
der Versuchspersonen wurden als leicht gehörbeeinträchtigt eingestuft und nur knapp 30%
verfügten über ein normales Gehör. Darüber hinaus gab es in der Patientengruppe einen
Probanden mit mittelgradiger und in der Kontrollgruppe eine Person mit starker
Beeinträchtigung. Zwischen den Untersuchungsgruppen besteht zwar ein signifikanter
111
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Unterschied beim Gesamtmittelwert über alle Tonfrequenzen hinweg (die Kontrollgruppe
schnitt hier besser ab), dieser löst sich aber auf, wenn nur noch die, für das Sprachverständnis
relevanten Frequenzen berücksichtigt werden. Es dürfte also zu keiner Verzerrung des
Gruppenvergleichs bei den auditiven Tests gekommen sein - und auch nicht bei den
Ergebnissen über die ganze Stichprobe betrachtet. Dennoch wirkt das Ergebnis von 68%
leicht Hörbeeinträchigter in der Gesamtstichprobe befremdlich. Zwar gab es einige Patienten,
die Schwierigkeiten mit der Instruktion und/oder dem Drucksensoren-System des Kopfhörers
hatten (siehe Kapitel 5.5.4.), dies vermag aber nicht den hohen Anteil an leichten
Hörbeeinträchtigungen zu erklären.
Eigentlich kommen für die Befunde nur zwei Erklärungen in Frage: der HTTS-Hörtest –
kostenlos und selbstständig aus dem Internet heruntergeladen – wurde nicht zu 100% korrekt
instaliert bzw. die Eichung stimmte nicht oder das Auswertungsschema passte nicht mit dem
Test zusammen. Da kein Auswertungsschema zum HTTS aufzutreiben war, wurde dies aus
einem Fachinstitut für Hörakustik bezogen. Laut Kramer (2008), Leiter des Fachinstituts,
enstpricht der HTTS allerdings den Tests, die z.B. auch in Fachgeschäften für Hörgeräte
eingesetzt werden. Er misst auch die exakt gleichen Frequenzen, wie sie im
Auswertungsschema von Kramer enthalten sind.
Im Endeffekt wurden alle Probanden in die Untersuchungen eingeschlossen, da aus den
Audio-Graphiken, die die Veruschsleiter direkt nach Beendigung des HTTS einsehen
konnten, ersichtlich war, dass die kritsichen Patienten vor allem in den sehr hohen und tiefen
Tonbereichen schlecht abschnitten. Es sind aber insbesondere die mittleren Tonfrequenzen für
das Sprachverständis maßgeblich. Die Versuchsleiter hatten in der Kommunikation mit den
Veruschpersonen auch nie den Eindruck, dass einer der Probanden ernstlich hörbeeinträchtigt
war. Dennoch wurden zur Absicherung allfällige Zusammenhänge zwischen Hörvermögen
und Testergebnissen in einer Korrelationsanalyse überprüft; es konnten erwatungsgemäß
keine Zusammenhänge nachgewiesen werden.
7.1.8. Einfluss der Testzeit auf die Performances
Es war ursprünglich geplant,
die Testungen jeweils vormittags ab 09:00 Uhr sowie
nachmittags ab 14:00 Uhr durchzuführen. Dieses Vorhaben stellte sich allerdings vor allem
bei den Testungen der Patienten als nicht durchgängig realisierbar heraus. Zunächst war es
relativ schwierig, genügend Patienten zu finden, die den Teilnahmekriterien entsprachen und
bereit waren, an der Studie teilzunehmen. Darüber hinaus zeigte sich schon bei den ersten
Testungen, dass es einigen Patienten offensichtlich nicht leicht fiel, den angesprochenen
112
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Termin einzuhalten. Die Versuchsleiter reagierten flexibel und sorgten dafür, dass die
Testungen möglichst noch am selben Tag, aber zu einer späteren Zeit durchgeführt werden
konnten. Im Endeffekt begannen die Testungen zwischen 08:00 Uhr und 20:00 Uhr. Auf
Grund dieser breiten Streuung wurde statistisch überprüft, ob die Testzeiten einen Einfluss auf
die durchgeführten Tests hatte; es ließen sich dabei keinerlei (negative) Auswirkungen auf die
Ergebnisse feststellen – beim WFT wurden die Resultate überraschenderweise mit späterer
Tageszeit sogar besser.
7.1.9. Therapeutisches Setting, Alter bei der Ersthospitalisation sowie Anzahl an
Hospitalisationen
Um den Einfluss des therapeutischen Settings auf die Testresultate zu überprüfen, wurde ein
U-Test durchgeführt, auf den im Kapitel 7.2.5. noch näher eingegangen wird. Es ist durchaus
möglich, dass auch das Alter bei der Ersthospitalisation sowie die Anzahl an
Hospitalisationen in einem Zusammenhang zu den Ergebnissen der durchgeführten Tests
stehen. Derartige allfällige Zusammenhänge könnten, wie von Tschacher et. al (2008) in ihrer
Studie zum CAM- und SAM-Paradigma durchgeführt,
mit Hilfe einer Latenten
Klassenanalyse (LCA) oder auch anhand einer hierarischen Clusteranalyse aufgedeckt
werden. Für anschließende Untersuchungen könnte dieses Vorgehen sehr nützlich sein, um
zusätzlichen Aufschluss über mögliche Hintergrundzusammenhänge der erzielten Resultate,
zu gewinnen.
7.1.10. Diagnose, PANSS und Medikation
Der Großteil der untersuchten Patienten hat die ICD-10-Diagnose „Paranoide Schizophrenie“,
allerdings gewann der Verfasser dieser Arbeit bei seinen Testungen bei rund 5 Patienten den
Eindruck, dass diese Diagnose nicht valide war. Nach den Testungen wurde jeweils noch
einmal mit einem oder mehreren Betreuern aus dem Pflegeteam Rücksprache gehalten. Diese
bestätigten den gewonnen Eindruck. Es hatte den Anschein, dass die betreffenden Patienten
nur schwer, klar diagnostisch zuzuordnen waren, da ihr Auftreten auch durch
persönlichkeitsgestörte Züge charakterisiert war. Dies könnte einen globalen Einfluss auf die
Ergebnisse dieser Studie gehabt haben und mit erklären, warum einige Befunde früherer
Studien zur Gestaltwahrnehmung nicht repliziert werden konnten. Allerdings war es im
Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht möglich, diesen Kontext eingehender zu eruieren.
Es könnte auch durchaus eine Verbindung zwischen dem eben dargestellten Sachverhalt und
den Ausprägungen auf den fünf PANSS-Dimensionen geben. Die Durchschnittswerte für die
113
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
fünf PANSS-Faktoren waren alle im Bereich eines minimalen bis leichten Schweregrads
angesiedelt, was bei einer überwiegend stationär behandelten Patientengruppe etwas
überrascht. Auch dieser Umstand könnte dazu beigetragen haben, dass Teilergebnisse früherer
Studien nicht bestätigt werden konnten. Der PANSS-Positivfaktor ist zwar am stärksten
ausgeprägt, aber schon an zweiter Stelle rangiert die Depressionskomponente, wobei es
zwischen den einzelnen Skalen keine bedeutsamen Unterschiede gibt. Im folgenden
Unterkapitel werden die PANSS-Dimensionen und deren mögliche Einflüsse auf die Testergebnisse noch näher erörtert.
Da alle Patienten Neuroleptika verschrieben bekamen und die Dosen dabei teils stark
variierten, ist in dieser Arbeit der Einfluss der neuroleptischen Medikation auf die PatientenTestergebnisse durch die Berechnung der Chlorpromazin-Äquivalenzen (CPZ-Index) für die
eingenommenen Neuroleptika erfasst. Alle weiteren Medikamente, hier besonders bedeutsam
die vielfach verschriebenen Antidepressiva, konnten nicht in Beziehung zu den Testresultaten
gesetzt werden, da
nur für die Neuroleptika ein mehr oder weniger standardisierter
Vergleichsindex existiert. Von den restlichen Medikamenten (bzw. zusammengefasst in
Medikamentengruppen) gibt es dementsprechend nur eine Häufigkeitsverteilung für die
Patientengruppe.
Anhand des CPZ-Index werden die (Dosen der) übrigen Neuroleptika hinsichtlich ihrer
verhältnismäßigen Wirkstärke in einen CPZ-Äquivalenzwert umgerechnet. Ein Problem
besteht vor allem bei der Umrechnung der neueren atypischen Neuroleptika; es ist nicht
einfach, eine zitierfähige Referenz für die CPZ-Äquivalenzwerte dieser Medikamente
aufzutreiben. Überhaupt scheinen unter den Forschenden diverse Listen mit nicht immer
identischen Äquivalenzwerten zu kursieren, da bislang nach Wissens des Autors kein
allgemein gültiger CPZ-Index existiert.
7.2. Berurteilung der inferenzstatistischen Ergebnisse
Im Folgenden sollen die Resultate der Hypothesenprüfungen kritisch diskutiert werden und
miteinander sowie zu den Befunden früherer Studien in Beziehung gesetzt werden.
7.2.1. Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe
Die erste Hypothese,
wonach ein
Unterschied in der auditiven wie visuellen
Gestaltwahrnehmung, dem Source Monitoring, den Reaktionszeiten, der kognitiven
Leistungsfähigkeit und der Stimmung zwischen Patienten- und Kontrollgruppe besteht, wurde
nur in Teilen bestätigt. Hinsichtlich des auditorischen Paradigmas der Phantomwörter und den
114
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
beiden visuellen Paradigmen MIB und CAM ergaben sich weder für die Transitionsraten,
noch für die Dauer wahrgenommener Illsuionen bedeutsame Unterschiede zwischen den
Untersuchungsgruppen.
Dieser Befund ist auf Grund früherer Ergbenisse aus Studien zur Gestaltwahrnehmung nicht
überraschend. Beispielsweise resultierten auch in den, in Kapitel 3. ausführlich beschriebenen
Untersuchungen von Tschacher et al. (2004, 2006a, 2006b & 2008) zu verschiedenen
Gestaltparadigmen – inkusive MIB und CAM meist keine signifikanten Differenzen zwischen
Patienten-
und
Kontrollgruppe.
Gestaltwahrnehmungstests
dieser
So
gesehen
Studie
sprechen
gegen
die
auch
Annahme
die
Ergebnisse
generell
der
gestörter
Wahrnehmungsprozesse psychotischer Patienten, stellen also keinen Trade Marker dar.
Bei der Auswertung der Source Monitoring Skala „Attribution“ (internal/external) mittels UTest ergab sich ebenfalls kein signifikanter Unterschied zwischen Patienten- und
Kontrollgruppe. Die Ergebnisse von Morrison und Haddock (1997) konnten in diesem Punkt
also nicht bestätigt werden. Dabei gilt es aber zu beachten, dass in der Studie von Morrison
und Haddock die Gruppe Schizophrener ausschließlich aus halluzinierenden Patienten
bestand. Diese Patienten erreichten im Vergleich zu einer gemischten psychiatrischen und zu
einer gesunden Kontrollgruppe signifikant niedrigere Werte in der Herkunftszuschreibung
eigener Gedanken; sie attribuierten also weniger internal als die Kontrollgruppen.
Eine weitere Erklärung für das Resultat dieser Studie könnten die Verständnisschwierigkeiten
vieler Versuchsperosnen gewesen sein. Wie bereits in Punkt 5.6.8. angesprochen, gab es
häufig Probleme, die Fragen zu den beiden Skalen Attribution und Kontrolle richtig zu
verstehen. Dies gilt insbesondere für die Frage bezüglich der Attribuierung „Wie stark haben
Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?“. Diese Frage lässt
tatsächlich viel Interpretationsspielraum.
Es liegt hier offensichtlich ein Validitätsproblem vor, welches höchstwahrscheinlich nicht auf
die selbst erstellte deutsche Übersetzung zurück-zuführen ist. Nachdem schon bei den ersten
Testungen im Sommer 2007 klar wurde, dass Patienten wie Kontrollpersonen gleichermaßen
Verständnisschwierigkeiten hatten, wurde die Übersetzung nochmals überprüft und für gut
befunden. Die Reliabilitätsanalyse, die zu der verwendeten deutschen Adaptation
durchgeführt wurde, zeigte gute Cronbach-α Werte, die mit den, in Kapitel 5.4.6.
aufgeführten,
Maßen
von
Morrisons
und
Haddocks
englischer
Originalversion
korrespondieren.
Auch bei der Frage nach der Kontrolle („Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches
Wort Ihnen in den Sinn kam?“) gab es öfters Nachfragen, allerdings längst nicht in dem
115
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Ausmaß wie bei der Attribution-Skala. Bei der Kontroll-Skala, die anhand einer
einfaktoriellen Varianzanalyse ausgewertet wurde, zeigt sich eine signifiknate Differenz
zwischen den beiden Gruppen. Die Patienten haben einen höheren Kontrollwert als die
gesunden Probanden Dies muss aber nicht bedeuten, dass die tatsächliche Kontrolle über die
in den Sinn gekommen Wörter bei den Patienten größer war, sondern nur, dass ihr
Kontrollgefühl effektiv ausgeprägter war als in der Kontrollgruppe.
In der Studie von Morrison und Haddock von 1997 hatten die schizophrenen
(halluzinierenden) Patienten im Vergleich zur psychiatrischen Kontrollgruppe und den
gesunden Probanden ebenfalls höhere Kontrollwerte, allerdings wurde dieser Unterschied
nicht signifikant. Die Ergebnisse dieser Studie, wie auch die Resultate von Morrsion und
Haddock, scheinen mit den Vorhersagen des Modells von Morrison et al. (1995) in Einklang
zu stehen. Dieses geht davon aus, dass die Einschätzung der Gedankenkontrolle für den
Prozess der Fehlattribuierung bedeutsamer ist, als die eigentliche Kontrolle über die
Gedanken. Daher ist es gut möglich, dass halluzinierende Patienten glauben, mehr Kontrolle
über ihre Gedanken zu haben, als die Probanden der Kontrollgruppe.
Es ist denkbar, dass gerade psychotische Patienten, die aller Wahrscheinlichkeit nach
deutlich mehr Erfahrung mit nicht zu kontrollierenden Gedankenprozessen haben als gesunde
Personen, auf Grund dessen ein stärker augeprägtes Bedürfnis nach Kontrolle haben. Dies
könnte sich bei der Kontrollattribuierung im Source Monitoring manifestiert haben. Es
scheint möglich, dass es den psychotischen Patienten schwerer fiel als den Kontrollpersonen
ihre Nicht-Kontrolle einzugestehen. Denn es ist im Grunde evident, dass bei einer spontanassoziativen Reaktion/Antwort, wie sie im Source Monitoring gefordert ist, keine bzw. kaum
Kontrolle besteht. Vorausgesetzt, die Probanden befolgen die Instruktion und nennen wirklich
direkt das erste Wort, dass ihnen zum vorgegebenen Begriff in den Sinn kommt.
Bei der Überprüfung der Ergebnisse zur kognitiven Leistungsfähigkeit ergab sich beim MWT
mittels Varianzanalyse ein signifikanter Unterschied zwischen den Untersuchungsgruppen.
Die Kontrollgruppe schnitt hier signifikant besser ab. Hierbei stellt sich die Frage, ob es
zwischen den beiden Stichproben zufällig, a priori bedeutsame Unterschiede im verbalen,
kristallinen Intelligenzniveau gab, oder ob diese Unterschiede seitens der Patienten durch die
Auswirkungen der psychotischen Störungen bedingt waren.
Aus der Literatur geht hervor, dass keine Zusammenhänge zwischen niedrigeren
Intelligenzwerten und schizophrenen/ psychotischen Erkrankungen feststellbar sind.
Andererseits ist evident, dass (vor allem chronisch verlaufende) psychotische Störungen die
116
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
kognitive Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können; auch Neuroleptika können einen
schädlichen Einfluss auf kognitive Funktionen ausüben. Diese Befunde könnten also
prinzipiell helfen, die Unterschiede zwischen den Untersuchungsgruppen zu erklären, aber der
MWT gibt laut Lehr (1995) eigentlich vor, die prämorbide (verbale kristalline) Intelligenz zu
messen. Letztlich ist es zwar unwahrsscheinlich, aber nicht auszuschließen, dass es sich bei
der
untersuchten
Stichprobe
um
einen
Artefakt
handelt
und
die
prämorbiden
Intelligenzniveaus der beiden Gruppen effektiv unterschiedlich waren.
Beim WFT wurden die Gesamtscores beider Gruppen (Anzahl richtiger Nennungen) durch
eine Varianzanalyse verglichen; es resultierte ein signifikant höherer Wert in der
Kontrollgruppe. Bei der Auswertung der Regelbrüche und Repetitionen mittels U-Test zeigten
sich allerdings keine signifikanten Ergebnisse. Der signifikante Gruppenunterschied im
Gesamtscore des WFT ist ein weiteres Anzeichen für ein niedrigeres kognitives
Leistungsnievau in der Patientengruppe. Das Fehlen bedeutsamer Unterschiede bei
Regelbrüchen und Repetitionen spricht
gegen eine - relevante- Beeinträchtigung des
divergenten Denkens der Patienten.
Bei den Reaktionszeiten, welche im MIB-Vortest erhoben wurden, resultierte sowohl bei
Press als auch bei Release ein hochsignifikanter Unterschied zwischen Patienten- und
Kontrollgruppe. Die Patienten hatten jeweils höhere Zeitwerte, reagierten also später bzw.
langsamer als die Kontrollgruppe auf die Ereignisse (gelbe Punkte verschwinden und tauchen
wieder auf dem Bildschirm auf). Es ist gut vorstellbar, dass die langsameren Reaktionszeiten
mit bestimmten Symptomen psychotischer Patienten, insbesondere mit Negativsymptomen
und psychomotorischen Beeinträchtigungen einhergehen. Hierauf soll im nächsten
Unterkapitel näher eingegangen werden.
Zur Überprüfung von Unterschieden in der Stimmung zwischen den Untersuchungsgruppen,
wurden die beiden Dimensionen „NegativeAktivierung“ und „Positive Aktivierung“
parameterfrei ausgewertet. Der U-Test zeigte für die postive Aktivierung keine bedeutsamen
Differenzen,
förderte
aber
bei
der
negativen
Aktivierung
einen
signifikanten
Gruppenunterschied zu Tage. Die Patienten hatten hier – wohl auf Grund der bei den meisten
offensichtlich oder latent vorhandenen depressiven Symptomatik - einen deutlich höheren
Gruppenmittelwert als die Kontrollprobanden. Auffällig war, dass es bei der negativen
Aktivierung in der Kontrollgruppe einen Ausreißer nach oben hin gab. Ein derartiges
Ergebnis wäre a priori wohl eher in der Patientengruppe zu erwarten gewesen.
117
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
7.2.2. Psychopathologische Faktoren als Prädiktoren für die Testergebnisse
Die
zweite Primärhypothese ging davon aus, dass eine Assoziation zwischen dem
psychopathologischen Status der Patienten und deren auditiver Gestaltwahrnehmung,
visueller Gestaltwahrnehmung, Source Monitoring, Reaktionszeiten, kognitiver Leistung und
Stimmung besteht. Die Auswertung dieser Fragestellung erfolgte mittels Korrelationsanalysen
und
multipler
Regression
(backward
stepwise)
und
konnte
für
die
auditive
Gestaltwahrnehmung (Phantomwörter), kein signifikantes Regressionsmodell finden. Dieses
Ergebnis überrascht, wurde doch davon ausgegangen, dass auditorischer und optischer
Gestaltwahrnehmung verwandte kognitive Prozesse zu Grunde liegen. Für die in Kapitel 3.
erörterten optischen Gestaltparadigmen wie MIB, CAM, SAM und Kausalitätswahrnehmung
konnten Zusammenhänge zwischen der Ausprägung psychopathologischer Dimensionen des
PANSS und der Gestaltwahrnehmung belegt werden.
Nun ist der Phantomwörter-Test selbst konstruiert und bislang nicht validiert. Auch die
Studien von Deutsch (2003), Warren (1968) oder Pitt et al. (2002) können hier nicht als
Referenz gelten, da deren Untersuchungen nur mit gesunden Probanden durchgeführt wurden
und auch grundsätzlich anders operationalisert wurden - z.B. eine asynchrone Darbietung der
Worte für linkes und rechtes Ohr bei Deutsch, die Präsentation von Nonsens-Begriffen in den
Studien von Pitt sowie die Variierung der emotionalen Valenz bei Warren. Im Grunde können
nur weitere Studien, in denen psychotische und gesunde Versuchspersonen, möglichst unter
verschiedenen Bedingungen (synchron vs. asynchron/Variation der emotionalen Valenz der
vorgegebenen Basiswörter/Real vs. Phantasieworte) verglichen werden, Klarheit schaffen.
Im Gegensatz zum Phantomwörter-Paradigma konnte das Regressionsmodell des MIB –
zumindest bei der MIB-Rate – ein signifikantes Ergebnis aufzeigen. Der Befund, dass die
PANSS-Negativkomponente mit niedrigen MIB-Raten assoziiert ist, der Erregungsfaktor
hingegen die MIB-Täuschung fördert, korrespondiert mit den Ergebnissen von Tschacher et
al. (2006a). Allerdings konnten in deren Studie auch noch für die Positiv- und KognitivKomponente bedeutsame Assoziationen nachgewiesen werden. Für die MIB-Dauer fand sich
letztlich kein statistisch signifikanter Zusammenhang mit den PANSS-Dimensionen. Auch in
der Studie von Tschacher und Kollegen war die Verbindung von Psychopathologiestatus und
MIB-Dauer schwächer als jene für die MIB-Rate.
Das Ergebnis des Regressionsmodells für CAM-Dauer und CAM-Tranistionen bezüglich der
PANSS-Erregungskomponente war erwartungsgemäß (tendenziell) signifikant. Dass die
Erregungskomponente weniger CAM-Transitionen und erhöhte Werte in der CAM-Dauer
118
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
fördert, deckt sich mit den Ergebnissen der CAM- und SAM Studie von Tschacher et al.
(2008). Es verwundert allerdings etwas, dass sowohl beim CAM wie auch beim MIB, für
keine weiteren PANSS-Faktoren ein signifikanter Zusammenhang zu den Testergebnissen
gefunden werden konnte. Möglicherweise ist dies auf den Umstand zurückzuführen sein, dass
die mittleren Ausprägungen der untersuchten Patienten in allen fünf PANSS-Dimensionen nur
minimal bis mittelgradig waren. Die Vermutung liegt nahe, dass die Zusammenhänge
zwischen einzelnen Untersuchungen stark streuen können, je nach Ausprägung der PANSSDimensionen.
Beim Source Monitoring ergab sich für die Skala Kontrolle ein tendenziell bedeutsamer
Zusammenhang in der Korrelationsanalyse (jedoch nicht im Regressionsmodell), und zwar
dergestalt, dass eine geringe Ausprägung der Positivkomponente mit hohen Kontrollwerten
assoziiert war. Da die Positivkomponente sich unter anderem aus PANSS-Items wie
Wahnideen und Halluzinationen zusammensetzt, ist es im Grunde erwartungsgemäß, dass
Patienten mit einer niedrigen Ausprägung auf diesem Faktor, ein höheres Kontrollgefühl
haben.
Beim MIB-Vortest wurden in der Korrelationsanalyse signifikante Assoziation zwischen dem
kognitiven Faktor des PANSS (hohe Werte auf diesem Faktor fördern längere
Reaktionszeiten) und der Durchschnittsreaktionszeit Release sowie dem Negativfaktor und
beiden Reaktionszeiten (Press und Release) festgestellt. Eine erhöhte Negativkomponente
zieht verlängerte Reaktionszeiten nach sich. Gleichermaßen verblieb der Negativfaktor im
Regressionsmodell tendenziell signifikant für beide Reaktionszeiten. Es scheint plausibel,
dass Patienten mit einer stärkeren Negativsymptomatik langsamer reagieren, da sich die
Negativkomponente des PANSS unter anderem aus Symptomen wie passivem/apathischen
Rückzug, Mangel an Spontaneität oder Affektverflachung zusammensetzt.
Bei der Evaluation des Zusammenhangs von Psychopathologiestatus und kognitiver
Leistungsfähigkeit, ergeben sich sowohl in der Korrelationsanalyse als auch den
Regressionsmodellen hochsignifikante Zusammenhänge. Beim MWT resultieren sowohl für
den Negativ- als auch für den Positivfaktor des PANSS signifikante Spearman-Korrelationen.
Beim WFT ergibt sich mit der Positivkomponente ebenfalls ein bedeutsamer Zusammenhang.
In der Regressionsanalytischen Auswertung zeigte sich ein starker Zusammenhang zwischen
kognitiver Leistungsfähigkeit und kognitiver wie Erregungskomponente. Eine stark
ausgeprägte Erregungskomponente und geringe Ausprägungen in der kognitiven Komponente
führen zu besseren Leistungen im MWT. Durch diese beiden Komponenten können ganze
45% an Varianz des MWT erklärt werden.
119
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Auch beim WFT gibt es einen bedeutsamen Zusammenhang mit der kognitiven PANSSKomponente; außerdem ergibt sich für den Negativfaktor eine signifikante Korrelation.
Geringe Ausprägungen in diesen beiden Komponenten führen zu besseren Leistungen im
WFT. Der erklärte Varianzanteil beträgt hier auch immerhin noch 25%. Diese Ergebnisse
sprechen für den Einfluss bestimmter psychopathologischer Symptomausprägungen auf die
kognitiven Funktionen. Dies stellt auch eine mögliche Erklärung der generellen Unterschiede
zwischen Patienten- und Kontrollgruppe in den kognitiven Leistungen dar, die aus der
Prüfung der ersten Primärhypothese hervorgingen.
Es sind also insgesamt alle PANSS-Dimensionen - mit Ausnahme des Depressionsfaktors für
die kognitive Leistungsfähigkeit relevant. Es scheint plausibel, dass sich stärkere
Ausprägungen in Symptomen wie Desorientierung, kognitiver Desorganisation oder Mangel
an Aufmerksamkeit (kognitive Komponente) sowie passiver/apathischer Rückzug oder
Mangel an Gesprächsfluss (Negativfaktor) auf die Ergebnisse des MWT und WFT
kontraproduktiv auswirken. Die Ergebnisse lassen also letztlich auf eine Beeinträchtigung der
kognitiven Leistungsfähigkeit der untersuchten Patienten durch die psychopathologischen
Symptomausprägungen schließen.
Dennoch ist es möglich, dass die verhältnismäßig schlechten Ergebnisse der Patienten in den
kognitiven Tests keinen (bedeutsamen) Einfluss auf die Wahrnehmungen der Gestalttests
hatten.
Die
bisherigen
Gestaltwahrnehmungsprozesse
Forschungsergebnisse
kognitiven
lassen
darauf
Funktionen,
Aufmerksamkeitsfokussierung, Konzentration, Planung,
schließen,
wie
dass
bewusster
Schlussfolgern oder Gedächtnis-
prozessen, vorgeschaltet sind und von diesen weitestgehend unabhängig ablaufen. (Tschacher
et al., 2006a). Deshalb wurde der direkte Zusammenhang zwischen kognitiver Leistung und
Gestaltwahrnehmung in dieser Arbeit nicht eingehender eruiert.
Bei der abschließenden Evaluation des Zusammenhangs von PANSS-Faktoren und den
beiden Stimmungsdimensionen des PANAS wurden erwartungsgemäß Verknüpfungen
zwischen der Depressionskomponente und einer niedrigeren positiven Aktivierung wie auch
einer erhöhten negativen Aktivierung festgestellt. Vor allem die negative Aktivierung trägt
zur Varianzaufklärung bei und scheint in Bezug zu psychopathologischen Prozessen die
relevantere Dimension zu sein.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Gros der Ergebnisse zur Evaluation des
Zusammenhangs von Psychopathologiestatus und Testergebnissen für die Beibehaltung der
Stage-Marker-Hypothese sprechen, die davon ausgeht, dass psychotische Symptome bzw.
durch die Störung hervorgerufene Beeinträchtigungen, zustands- und Phasen -abhängig sind.
120
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Die Beeinträchtigungen der Patienten sind demnach keine Wesensmerkmale für psychotische
Störungen. Die Defizite können zwischen einzelnen Personen sowie über die Zeit stark
variieren und sind deshalb viel mehr als Kennzeichen für einen bestimmten Zustand bzw. für
ein bestimmtes Stadium zu sehen.
7.2.3. Zusammenhang von auditiver und visueller Wahrnehmung
Die erste Sekundärhypothese konnte nicht bekräftigt werden. Es ergaben sich keinerlei
statistisch relevante Zusammenhänge zwischen den Ergebnissen der auditiven und visuellen
Gestaltwahrnehmungstests. In gewisser Weise korrespondiert dieser Befund mit den auseinander
driftenden
Resultaten
von
Phantomwörtern
und
MIB/CAM
in
den
Regressionsanalysen. Offensichtlich unterscheiden sich die akustische und optische
Gestaltwahrnehmung in der untersuchten Stichprobe relativ grundlegend. Ob dies nun
allerdings
auf
Phantomwörter)
methodische
Probleme
zurückzuführen
ist
(insbesondere
oder
in
für
die
die
Operationalisierung
beiden
der
Sinnesmodalitäten
unterschiedlichen neuro-kognitiven Prozessen begründet, kann an dieser Stelle nicht
beantwortet werden.
Jedenfalls stellten sich die Phantomwörter in der statistischen Analyse als das wohl strittigste
der verwendeten Messinstrumente heraus. Die Grundintention war, eine adäquate
Entsprechung für das auditive Wahrnehmungssystem zu den bereits gut untersuchten
visuellen
Gestaltparadigmen,
zu
implementieren.
Da
psychotische
Patienten,
die
Halluzinationen erleben, meistens unter auditorischen Sinnestäuschungen leiden, scheint es
plausibel, bei der Evaluation dieses Kontextes akustische Paradigmen anzuwenden. Autoren
wie Frith (2005) gehen von einer grundlegenden Störung des Selfmonitoring bzw. des
Reafferenzsystems schizophrener Patienten aus und nehmen an, dass diese Dyfunktion
produktive Symptome wie akustische Halluzinationen bedingen. Diese Vermutung ist zwar
plausibel, aber die grundsätzliche Annahme, dass das Reafferenzsystem die auditive mehr
oder weniger analog zur visuellen Wahrnehmung koordiniert, ist nach dem Wissensstand des
Verfassers bislang empirisch nicht bestätigt. Wohingegen für das optische und motorische
System Evidenzen aus empirischen Studien vorliegen.
Bei der Selbsterprobung der Phantomwörter in der Vortestphase der vorliegenden Studie fiel
dem Verfasser dieser Arbeit auf, dass es möglich ist, die Wahrnehmung hierbei ein Stückchen
weit zu lenken bzw. zu beeinflussen. Dies ist definitiv nicht vollständig, aber teilweise
möglich. Auch andere (naive) Vortest-Probanden berichteten von diesem Phänomen. Man
kann sich bei dem Phantomwörter-Test „fallen lassen“ und Spaß daran finden, die
121
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
verschiedensten Wörter zu hören. Es kann sogar ein hübsches /amüsantes Spiel/Wettbewerb
daraus werden, regelrecht nach neuen Begriffen zu suchen. Die meisten Studienteilnehmer
haben sich jedoch sehr konzentriert, um möglichst alles genau herauszuhören.
Letztlich hat man beim Phantomwörter-Test zwar keine vollständige Kontrolle, aber es
scheint partiell möglich, Einfluss auf die Wahrnehmung auszuüben. Dies ist bei visuellen
Gestaltparadigmen wie MIB und CAM wesentlich schwerer, wenn überhaupt möglich. Hierin
besteht also ein fundamentaler Unterschied zwischen den durchgeführten Wahrnehmungstest,
der die divergierenden Resultate der statistischen Auswertung, insbesondere bei den
Regressionsmodellen, zumindest teilweise erklären könnte.
7.2.4. Vergleich von Subgruppen auf Grund des Halluzinationserlebens
Bei der zweiten Sekundärhypothese ergab sich zwischen auditiver und visueller
Gestaltwahrnehmung in Bezug zum „Halluzinationsstatus“ erneut ein divergierendes
Ergebnis. Waren niedrige CAM-Transitionen- und dazu korrespondierend hohe Werte in der
CAM-Dauer tendenziell bedeutsam mit dem aktuellen Auftreten von Halluzinationen
verknüpft, waren bei den Phantomwörtern hingegen niedrige Dauer-Werte annährend
signifikant mit gegenwärtigem Halluzinieren assoziiert. Dieser Befund lässt aber die
Vermutung zu, dass halluzinierende Patienten im Vergleich zu Patienten, die früher oder noch
gar nie Halluzinationen erlebt haben, eine geringere Stabilität in der auditiven Wahrnehmung
aufweisen.
7.2.5. Externalisierungs-Bias von psychotischen Patienten mit Halluzinationen
Der Befund von Morrison und Haddock (1997), demnach psychotische Patienten, die aktuell
Halluzinationen erleben, einen Externalisierungs-Bias im Source Monitoring aufweisen,
konnte in dieser Studie nicht repliziert werden. Allerdings sind in der vorliegenden Arbeit
auch die beiden Patienten-Subgruppen, die aktuell oder früher Halluzinationen erlebten
zusammengefasst. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum keine signifikanten
Gruppenunterschiede gefunden werden konnten. Außerdem ist es gut möglich, dass auch bei
dieser Fragestellung die bereits erwähnten Verständnisschwierigkeiten, die die meisten
Versuchspersonen mit der Attributionsskala des Source Minitoring hatten, das Ergebnis
verzerrt hat.
122
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
7.2.6. Unterschiede zwischen stationär vs. teilstationär/ambulant behandelten Patienten
Beim Vergleich der Patienten untereinander – bezüglich des therapeutischen Settings konnten korrespondierende Ergebnisse zwischen auditiver und visueller Gestaltwahrnehmung
gezeigt werden. So hatte die Gruppe stationär behandelter Patienten im Vergleich zu den
teilstationär/ambulant therapierten Probanden sowohl bei den Phantomwörtern als auch bei
CAM und MIB deutlich niedrigere Raten. Dies könnte auf eine stärker ausgeprägte
Negativsymptomatik der stationär behandelten Gruppe deuten. Wie aus den regressionsanalytischen Berechnungen dieser Studie und aus der Fachliteratur hervorgeht, kann dieser
Zusammenhang (Negativfaktor & Stabilität in der Gestaltwahrnehmung) zumindest für MIB
und CAM als bestätigt gelten. Für die Phantomwörter steht dies hingegen noch aus.
7.2.7. Assoziation von Reaktionszeit und Gestaltwahrnehmung
Bei der Auswertung des Zusammenhangs von Reaktionszeiten und den Ergebnissen der
Gestaltwahrnehmungstests ergaben sich, vor allem in der Patientengruppe, signifikante und
tendenziell signifikante Ergebnisse. So korrelierte eine schnellere mittlere Reaktionszeit Press
und Release bei den Patienten mit höheren MIB-Raten; bei Release war dies auch in der
Gesamtstichprobe der Fall.
Bei den Phantomwörtern gab es zwischen einer größeren Dauer und längeren Reaktionszeiten
(Press) ebenfalls eine tendenziell bedeutsame Verknüpfung in der Patientengruppe. Betrachtet
man diese Ergebnisse im Zusammenhang mit den Regressionsmodellen zu MIB und
Reaktionszeiten, ist auffällig, dass bei beiden Tests die Negativ-Komponente des PANSS
einen erheblichen Einfluss auf die Resultate hat. Sowohl längere Reaktionszeiten, als auch
niedrigere MIB-Raten sind mit dem Negativfaktor korreliert. Es ist also möglich, dass die
Unterschiede
zwischen
den
Untersuchungsgruppen,
die
bei
der
Evaluation
des
Zusammenhangs von Reaktionszeiten und Gestaltwahrnehmungstest resultieren, letztlich mit
der Negativsymptomatik in der Patientengruppe verknüpft sind.
7.2.8. Einfluss von Stimmung auf Gestaltwahrnehmung, Source Monitoring und
Reaktionszeiten
Die Evaluation des Zusammenhangs von Stimmung und Gestaltwahrnehmung sowie Source
Monitoring lässt darauf schließen, dass die beiden Stimmungsdimensionen negative und
positive Aktivierung auf einige Testergebnisse tendenziell signifikanten Einfluss ausüben –
allerdings gilt dies nicht für die Gesamtstichprobe, da lediglich bei der getrennten
Gruppenauswertung bedeutsame Ergebnisse erzielt werden konnten. Beim Gruppenvergleich
123
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
sticht der divergierende Einfluss von positiver und negativer Dimension zwischen den beiden
Untersuchungsgruppen ins Auge. Bei der Patientengruppe scheint lediglich die positive
Komponente einen Einfluss zu haben, da für die negative Aktivierung keinerlei
Zusammenhänge festgestellt werden konnten. Andererseits weist die Kontrollgruppe
ausschließlich bei der negativen Aktivierung bedeutsame bzw. tendenziell bedeutsame
Korrelationen auf. Der Befund, dass eine höhere positive Aktivierung in der Patientengruppe
mit einer erhöhten Dauer bei den Phantomwörtern und einer geringeren Phantomwörter-Rate
verknüpft ist, entspricht den Erwartungen. Im Gegensatz zur Patientengruppe gibt es in der
Kontrollgruppe fast ausschließlich signifikante Korrelationen von negativer Aktivierung und
Testvariablen. So bei der mittleren Reaktionszeit Press - je geringer die Reaktionszeit, desto
größer die negative Aktivierung. Signifikant ist ebenfalls die Korrelation mit der MIB-Dauer
– je größer die MIB-Dauer, desto ausgeprägter auch die negative Aktivierung.
7.3. Phantomwörter unter der Lupe
Da die Phantomwörter in dieser Studie von besonderer Relevanz sind und der Test
selbstständig
entwickelt
wurde,
sollen
zusätzlich
zu
den
Analysen
bei
der
Hypothesenprüfung, die Ergebnisse noch genauer betrachtet werden.
Bei der Häufigkeitsverteilung gehörter Worte je vorgegebenen Basisbegriff ergaben sich
keine bedeutsamen Unterschiede, mit Ausnahme des Wortes „Rennen“, welches in der
Patientengruppe signifikant mehr Wortwechsel evozierte als in der Kontrollgruppe. Dass es
außer bei „Rennen“ keine relevanten Differenzen gibt, könnte auf den Umstand zurück zu
führen sein, dass die Basisworte alle eine ähnliche Struktur aufweisen – kurz, zweisilbig und
emotional neutral. Vielleicht hatte das dynamische „nn“ bei Rennen einen Einfluss auf die
erhöhte Rate an gehörten Wörtern.
Es ist zu beachten, dass hier nicht die Transformationsrate, also die Anzahl an
wahrgenommen Wortwechseln gemeint ist, sondern wie viele verschiedenen Worte pro
Basiswort gehört wurden. Im Extremfall können diese beiden Parameter sehr weit
auseinander liegen – wenn z.B. ein ständiger Gestaltwechsel wahrgenommen wird, aber
dieser nur zwischen zwei Worten besteht, die ständig hin- und her switchen. Einige der
Studienteilnehmer erlebten dieses Phänomen über alle Durchgänge hinweg.
Weiterhin wurden nach Abschluss der Untersuchungen Kategorien zu den Phantomwörtern
erstellt, deren Analyse teils deutliche und interessante Gruppenunterschiede hervorbrachte. So
hörten die Kontrollprobanden signifikant mehr Phantasieworte als die Patienten. Bei der
Anzahl der gehörten Basisbegriffe (wie oft das vorgegebene Basiswort gehört wurde) und der
124
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Anzahl an anderen realen Wörtern, die wahrgenommen wurden, unterschieden sich die
Gruppen indes nicht. Bemerkenswert ist allerdings der Umstand, dass bei der Evaluation der
Unterkategorien (positive-, negative, - neutrale Valenz) der wahrgenommen Realworte, die
Kontrollgruppe signifikant häufiger negativ konnotierte Worte als die Patientengruppe hörte.
Es wäre interessant, ob sich dieser Befund in weiteren Untersuchungen replizieren ließe.
Es ist anzumerken, dass das Gros der gehörten Phantasie- und Realwörter Abwandlungen des
vorgegebenen Basiswortes waren. So wurde z.B. „Rennen“ häufig zu „trennen“ „glennen“
oder „grennen“ transformiert; „“Rosa“ wurde des öfteren in „Arosa“ umgekehrt; „Hase“
wurde zu „Hasse“, „Hasi“ oder „heiß/beiß/weiß sie“. Einige Versuchpersonen nahmen auch
Worte aus ihrem Dialekt oder aus ihnen bekannten Fremdsprachen wie Englisch oder
Französisch war.
Bei der Subgruppenauswertung auf Grund des Halluzinationserlebens resultierte weiterhin
Interessantes: Auch bei den wahrgenommenen negativen Realworten gab es signifikante
Unterschiede. Spitzenreiter war wiederum die Kontrollgruppe, den zweithöchsten Wert hatten
die halluzinierenden Patienten Hier könnte eine mögliche Erklärung für die Unterschiede
zwischen den Patientensubgruppen sein, dass die halluzinierenden im Vergleich zu den
anderen Patienten wegen der negativen Stimmen, die während akustischer Halluzinationen oft
erlebt werden, auf negative Inhalte geprimt sind. Dies könnte aber nicht erklären, warum die
Kontrollgruppe hier den höchsten Wert erzielte.
Für weitere Untersuchungen zum Paradigma der Phantomwörter wäre es wohl vorteilhaft,
zunächst einmal nur dieses Paradigma für sich allein, detailliert zu untersuchen. Eine
eingehendere Überprüfung sollte auf jeden Fall wesentlich mehr Durchgänge vorsehen und
Basiswörter mit unterschiedlicher emotionaler Valenz vorgeben. Schon die Analyse der
wahrgenommenen Wörter zeigt, dass die emotionale Valenz eine interessante Variable
darstellt.
7.4.
Einschränkungen
der
Verallgemeinerbarkeit
der
gewonnenen
Resultate
Neben der fraglichen Validität und Reliabilität des Paradigmas der verbalen Transformation
für die Evaluierung psychopathologischer Prozesse bestehen weitere Schwierigkeiten und
Einschränkungen der Gültigkeit der vorliegenden Ergebnisse in der Stichprobengröße (da
Ausreißer und Extremwerte vorkamen), den Verständnisschwierigkeiten mit der Source
Monitoring Scale, der wohl nicht lupenrein psychotischen Patientenkonstellation sowie in der
möglichen Konfundierung sozio-ökonomischer Variablen wie in 7.1.5 beschrieben.
125
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Ein weiterer kritischer Punkt betrifft die Kontrollgruppe: Nach Romme und Escher (1989;
zitiert nach Morrison und Haddock, 1997) könnte eine wichtige Erwägung für zukünftige
Studien darin bestehen, abzusichern, dass keiner der Probanden der Kontrollgruppe(n) bislang
halluzinatorische Erfahrungen gemacht hat. Das Ausschlusskriterium für die Kontrollgruppe
gesunder Versuchspersonen, in der Vergangenheit psychiatrische Behandlung erfahren zu
haben, scheint in diesem Zusammenhang unzulänglich. Es ist vielmehr evident, dass auch
gesunde Personen halluzinatorische Erlebnisse haben können. Studien zur Erhebung von
halluzinatorischen
Erfahrungen
bei
Gesunden
kommen
zu
sehr
unterschiedlichen
Ergebnissen, je nach Fragestellung geben zwischen 20% – 80% an, schon einmal
Halluzinationen erlebt zu haben.
7.5.
Ausblick
Das Gros der erzielten Resultate stützt eine der grundlegenden Annahmen dieser Studie, die
besagt, dass die schizophrene/psychotische Symptomatik nicht auf ein eng umschriebenes
Wahrnehmungsdefizit zurückzuführen ist, sondern dass vielmehr ein mehrschichtiges
Zusammenspiel verschiedener neuro-kognitiver Prozesse für die psychopathologischen
Ausformungen verantwortlich sind. Diese sind noch nicht klar identifiziert. Allerdings scheint
die Annahme einer grundlegenden Beeinträchtigung in der kognitiven Koordination bzw. im
neuro-kognitiven Binding, von der Autoren wie Silverstein und
Uhlhaas (2004) oder
Tschacher (2008) ausgehen, in Anbetracht der in dieser Arbeit zusammengetragenen Befunde
ein interessanter Ansatz für die zukünftige Schizophrenieforschung zu sein.
Einer der entscheidenden Fragen ist wohl auf welchem Weg bzw. mit welchen Mitteln die
mutmaßlich zu Grunde liegenden dysfunktionalen Prozesse aufzudecken sind. Tschacher
(2004) schlägt in diesem Zusammenhag vor, neben dem Paradigma der perzeptuellen
Gestaltbildung weitere Alternativen in Betracht zu ziehen. Ein seiner Meinung nach viel
versprechendes Konstrukt stellt das so genannte intersensorische Binding dar, bei welchem
die kognitive Koordination umfassender, da in mehreren Domänen gleichzeitig stimuliert,
untersucht werden kann.
Auch der Hinweis von Morrison und Haddock (1997), die anmerken, dass die Suche nach
dem entscheidenden basalen Defizit, das zu schizophrenen Störungen führt, bislang vielleicht
deshalb erfolglos geblieben ist, weil in zu großen Dimensionen bzw. mit einem zu groben
Raster danach gesucht wurde, ist beachtenswert. Die Autoren glauben, dass es durch viele
kleine Schritte und der Untersuchung konkreter Aspekte psychotischer Symptomatik letztlich
126
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
möglich sein könnte, eine zu Grunde liegende Dysfunktion immer näher einzukreisen und
schließlich zu identifizieren.
In weiterführenden Studien zur Evaluation des Kontextes von (auditiven) Halluzinationen
wäre es wohl nützlich, die Bedeutung von metakognitiven Überzeugungen bezüglich der
Kontrollierbarkeit eigener Gedanken genauer zu untersuchen, um so weitere Rückschlüsse auf
die Attribuierungsprozesse gewinnen zu können.
Hilfreich wäre nach Morrison und Haddock (1997) auch die genauere Untersuchung der
Frage welche Rolle das Konstrukt der kognitiven Dissonanz in der Entwicklung und
Aufrechterhaltung von Halluzinationen spielt. Darin liegt möglicherweise auch ein wichtiger
Ansatzpunkt
für
die
Weiterentwicklung
von
psychologisch-psychotherapeutischen
Interventionen darstellen. Sowohl Morrison und Haddock (1997) als auch Tschacher und
Kupper (2006) sehen insbesondere in einer kognitiv, informativ- aufklärend orientierten
Therapiemethode eine viel versprechenden Behandlungsmöglichkeit psychotischer Patienten.
Tschacher und Kupper bezeichnen diesen Ansatz als „Kognitive Remediation“ und verstehen
darunter konkret, dass die Therapie über Tendenzen beim Beurteilen/Einschätzen von
Zusammenhängen aufklären und informieren soll - mit dem Ziel der Modifizierung von
Antworten und Reaktionen auf bestimmte Wahrnehmungen. Ein wichtiger Bestandteil der
kognitiven Remediationstherapie ist auch die praktische Anwendung. Für Patienten mit
Gestaltdefiziten ist zunächst ein Training mit abstrakten visuellen Mustern und Material
angedacht, dass letztlich die soziale Wahrnehmung schulen soll. Der Therapeut soll hierbei
gezielt sowohl Unterstützung als auch Hilfe bieten, um den Patienten bei Übungen zum
Suchen und Finden von kausalen Strukturen bzw. Bedeutungen zu fördern.
Auf Grund der Annahme, dass bei psychotischen Störungen, insbesondere bei
Gestaltdefiziten, vorbewusste Prozesse eine entscheidende Rolle spielen, ist es allerdings
noch fraglich inwieweit hierauf tatsächlich kognitiv-aufklärend-informativ therapeutisch
Einfluss genommen werden kann. Jedenfalls wird für die Effektivität psychotherapeutischer
Interventionen wie für die weitere Theorienbildung und erfolgreiche wissenschaftliche
Evaluation psychotischer Störungen entscheidend sein, dass Praxis und Forschung möglichst
eng zusammen arbeiten. Beide Domänen können von einer konstruktiven und eng verzahnten
Zusammenarbeit nur profitieren und so gemeinsam dazu beitragen, das Rätsel Schizophrenie
Schritt für Schritt zu lösen.
127
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
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134
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
9. Anhang
9.1. Testbogen
Name: ___________________________Vorname: _________________________
Code* ___________________________Datum _________________Zeit________
Codierung
Erste Stelle:
I: Index [Personen mit einer schizophrenen Erkrankung nach ICD-10]
C: Control [Personen ohne psychiatrische Erkrankung]
Zweite Stelle:
O: [Personen, bei denen nie akustische Halluzinationen aufgetreten sind (erhoben mit Abschnitt
aus SKID-Interview und Dokumentation der Krankengeschichte)]
F: [Personen, bei denen früher akustische Halluzinationen aufgetreten sind (erhoben mit Abschnitt
aus SKID-Interview und Dokumentation der Krankengeschichte)]
A: [Personen, die gegenwärtig unter akustischen Halluzinationen leiden (erhoben mit der PANSS)]
Dritte Stelle: M: male (männlich);F: female (weiblich)
Vierte Stelle: Zweiter Buchstabe des ersten Vornamen: bei Luca⇒ U
Fünfte Stelle: Zweiter Buchstabe des Nachnamen: bei Meier⇒ E
Stelle sechs bis acht: Durchnummerierung der Personen von 001 bis XXX.
Beispiel:
Bei Luca Meier wurde eine schizophrene Erkrankung nach ICD-10 diagnostiziert. Bei ihm treten derzeit keine
Halluzinationen auf; das Auftreten dieser Symptomatik ist aber in der Krankengeschichte dokumentiert. Er ist
als 7. Versuchsperson gekommen.
⇒ IFMUE007
135
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Begrüssung und Information
Wir danken Ihnen herzlich dafür, dass Sie sich die Zeit nehmen, an unserer Studie über Wahrnehmung
teilzunehmen.
In der folgenden Studie werden wir mit Ihnen ein Interview führen, eine Reihe kurzer Tests
durchführen und Sie bitten ein paar Fragebögen auszufüllen.
• Bei dem Interview, den Tests und Fragebögen geht es darum, etwas mehr über Vorgänge der
Wahrnehmung herauszufinden. Die Studie soll insbesondere zeigen, von welchen Faktoren
das Hören von akustischen Signalen/Reizen beeinflusst werden kann.
• Es handelt sich hierbei nicht um einen Leistungstest. Entsprechend gibt es kein „richtig“ oder
„falsch“; uns interessiert lediglich Ihre persönliches Erleben.
• Die Untersuchung wird in zwei Phasen durchgeführt: Die erste Phase besteht aus einem ca.
60-minütigen Interview, während dem wir abklären möchten, ob Sie derzeit unter
irgendwelchen psychischen Beschwerden leiden. In der zweiten Phase werden wir einige
demographische Angaben von Ihnen erfragen und Sie dann bitten, ein paar Fragebögen
auszufüllen sowie einige Tests durchzuführen. Auch diese Phase dauert ca. 60 Minuten.
• Die Ergebnisse der Befragung, Ihre Antworten zu den Fragen sowie Ihre Testresultate werden
anonymisiert behandelt und können nur von dafür autorisierten Personen mit Verpflichtung
zur Schweigepflicht eingesehen und ausgewertet werden.
136
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Demographische und klinische Angaben
Geburtsdatum: _______________________
Nationalität:
O CH
Geschlecht:
O ledig (led)
O ja (j)
O geschieden (gesch)
O verheiratet (verh)
O verwitwet (verw)
O getrennt (getr)
Kinder:
Om
O andere _______________________
Aufenthaltsbewilligung
Zivilstand:
Ow
Anzahl eigene Kinder: ___________________________
Bildungsgrad:
O 1 (Sonderschule oder Abbruch der obligatorischen Schulzeit)
O 2 (Realschule)
O 3 (Sekundarschule)
O 4 (Matur / DMS / u.a. Mittelschulen)
O 5 (Fachhochschule /Lehrer-Seminar)
O 6 (Universitätsabschluss)
Berufsabschluss:
O 1 (Keinen Berufsabschluss)
O 2 (Anlehre)
O 3 (Lehrabschluss)
O 4 (Fachhochschulen, Seminar (Lehrer-, Kindergarten-))
O 5 (Universität)
Aktuelle Tätigkeit:
O 1 (ohne Tätigkeit)
O 2 (geschützte Tätigkeit)
O 3 (Teilzeit-Tätigkeit)
O 4 (Vollzeit-Tätigkeit)
137
O nein (n)
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Bei Vorliegen einer psychischen Erkrankung:
Aktuelle ICD-10-Diagnose/n (aus KG):
ICD-10-Code: ________ Diagnose ausgeschrieben:
__________________________________________
ICD-10-Code: ________ Diagnose ausgeschrieben:
__________________________________________
Wann wurde/n die obige ICD-10-Diagnose/n vergeben: ___________________________
Medikation:
O nein (n)
O ja (j),welche? ______________
_______________
_______________
Dosen am Tag der Testung?
Hospitalisationen:
O nein (n)
O ja (j)
Anzahl (inkl. der aktuellen Hospitalisation) __________________
Datum Ersthospitalisation: _____________
Alter:_______
Eintrittsdatum der aktuellen Hospitalisation: ______________
Tabakkonsum:
O nein (n)
O ja (j)
Wie viel Zigaretten haben Sie heute schon geraucht? _______________________________
Wie viel Zigaretten rauchen Sie durchschnittlich pro Tag? ____________________________
Sichtkorrektur:
O nein (n)
O ja (j)
Hörschwierigkeiten: O nein (n)
O ja (j)
Musikkenntnisse:
Haben Sie ein besonderes Interesse an Musik?
O ja (j)
O nein (n)
Spielen Sie ein Instrument?
O ja (j)
O nein (n)
O ja (j)
O nein (n)
Wie lange? ____________
Haben Sie Ausbildung im musikalischen Bereich?
138
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Word-Fluency- Test („F“, „B“, „L“ / Kategorien, Version A)
Instruktion:
„Ich werde Ihnen nun gleich 3 Mal einen Buchstaben vorgeben. Zählen Sie jeweils möglichst viele
Wörter auf, die mit diesem Buchstaben beginnen. Sie können dabei die verschiedensten Wörter
nehmen ausser Namen von Personen oder Ortschaften und Ländern. Wenn ich den Buchstaben "R"
vorgebe, sollen Sie nicht "Robert" oder "Russland" sagen. Sie können z.B. "roh" oder "Rauch" nennen.
Sie sollen auch nicht das gleiche Wort mehrmals mit einer anderen Endung verwenden. Wenn Sie also
schon "rot" gesagt haben, so geht "Rotlicht" nicht mehr. Pro Buchstabe, den ich vorgebe, haben Sie 1
Minute Zeit.“ (Pause)
„Sobald Sie den Buchstaben hören, können Sie beginnen. Der erste Buchstabe ist "F":“
Word fluency: F B L
A
F- Wörter
B-Wörter
139
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
L-Wörter
∑ korrekt:
Pers:
rule breaks:
Word fluency: Kategorien
F%:
A
Instruktion:
„Ich werde Ihnen nun gleich jeweils eine Kategorie, wie z.B. "Obst", vorgeben. Zählen Sie möglichst
viele Wörter, welche in diese Kategorie passen – z.B. Äpfel, Birnen etc. Achten Sie bitte darauf, dass
Sie kein Wort mehrmals nennen. Pro Kategorie, die ich vorgebe, haben Sie 1 Minute Zeit.“ (Pause)
„Sobald Sie die Kategorie hören, können Sie beginnen. Die erste Kategorie ist "Tiere":“
Kategorie "Tiere"
140
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Kategorie "Körperteile"
Kategorie "Supermarkt"
∑ korrekt:
Pers:
rule breaks:
141
F%:
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Mehrfachwahlwortschatztest (MWT, Version B)
Instruktion:
„Sie sehen hier mehrere Reihen mit Wörtern. In jeder Reihe steht höchstens ein Wort, das Ihnen
vielleicht bekannt ist. Wenn Sie es gefunden haben streichen Sie es bitte durch.“
1. Nale - Sahe - Nase - Nesa - Sehna
2. Funktion - Kuntion - Finzahm - Tuntion - Tunkion
3. Struk - Streik- Sturk - Strek - Kreik
4. Kulinse - Kulerane - Kulisse - Klubihle - Kubistane
5. Kenekel -Gesonk - Kelume - Gelenk- Gelerge
6. siziol - salzahl - sozihl - sziam - sozial
7. Sympasie - Symmofeltrie - Symmantrie - Symphonie - Sympianie
8. Umma - Pamme - Nelle - Ampe - Amme
9. Krusse - Surke - Krustelle - Kruste - Struke
10. Kirse - Sirke - Krise - Krospe - Serise
11. Tinxur - Kukutur - Fraktan - Tinktur - Rimsuhr
12. Unfision - Fudision - Infusion - Syntusion - Nuridion
13. Feudasmus - Fonderismus - Föderalismus - Födismus - Föderasmus
14. Redor - Radium - Terion - Dramin - Orakium
15. kentern - knerte - kanzen - kretern - trekern
16. Kantate - Rakante - Kenture - Krutehne - Kallara
17. schalieren - waschieren - wakieren - schackieren – kaschieren
18. Tuhl - Lar- Lest - Dall - Lid
19. Dissonanz - Diskrisanz - Distranz - Dinotanz - Siodenz
20. Ferindo - Inferno - Orfina - Firanetto - Imfindio
21. Rilkiase - Kilister- Riliker- Klistier- Linkure
22. kurinesisch - kulinarisch - kumensisch - kulissarisch - kannastrisch
23. Rosto - Torso - Soro - Torgos - Tosor
24. Kleiber- Beikel - Keibel - Reikler - Biekerl
25. Raike - Korre - Ruckse - Recke - Ulte
26. Lamone - Talane - Matrone - Tarone - Malonte
27. Tuma - Umat - Maut - Taum - Muta
28. Sorekin - Sarowin - Rosakin - Narosin - Kerosin
29. beralen - gerältet - anälteren - untären - verbrämen
30. Kapaun - Paukan - Naupack- Aupeck- Ankepran
31. Sickaber - Bassiker - Kassiber - Sassiker - Askiber
32. Pucker- Keuper- Eucker- Reuspeck- Urkane
33. Spirine - Saprin - Parsin - Purin - Asprint
34. Kulon - Solgun - Koskan - Soran - Klonus
35. Adept - Padet - Edapt - Epatt - Taped
36. Gindelat - Tingerat - Indigenat - Nitgesaar - Ringelaar
37. Berkizia - Brekzie - Birakize - Brikazie - Bakiria
142
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
“Source Monitoring Scale”
Instruktion:
„Ich werde Ihnen nun eine Reihe von Begriffen nennen. Sagen Sie mir bitte das erste Wort, das Ihnen
jeweils bei dem von mir genannten Begriff durch den Kopf geht.“
Der Versuchsleiter schreibt die von der Versuchsperson genannten Wörter auf; stellt dann die Fragen
inkl. der Antwortmöglichkeiten zur Internalität und Kontrolle und notiert die Antworten.
Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Schrank als Erstes durch den Kopf?___________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Mut als Erstes durch den Kopf?_______________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Sofa als Erstes durch den Kopf?_____________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Furcht als Erstes durch den Kopf?_____________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





143
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Vertrauen als Erstes durch den Kopf?__________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Bücherregal als Erstes durch den Kopf?________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Nervosität als Erstes durch den Kopf?__________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Kompetenz als Erstes durch den Kopf?_________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





144
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Panik als Erstes durch den Kopf?______________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Tischdecke als Erstes durch den Kopf?_________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Anspannung als Erstes durch den Kopf?________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Welches Wort geht Ihnen beim Begriff Sicherheit als Erstes durch den Kopf?__________________
Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von Ihren eigenen Gedanken stammt?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?
überhaupt nicht
ein wenig
mittelstark
ziemlich
sehr





145
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
DACOBS
Wie sehr treffen die folgenden Aussagen nach Ihrer Ansicht zu? Bitte kreuzen Sie bei
jeder Aussage das zutreffende Kästchen an.
-3
-2
-1
0
1
2
3
stimmt
überhaupt
nicht
stimmt
nicht
stimmt
eher nicht
unentschieden
stimmt eher
stimmt
stimmt
genau
1
2
3
4
5
6
7
8
9
1
0
1
1
1
2
Ich habe Mühe, morgens aufzuwachen.
Die Gefühle anderer Leute verwirren mich.
Wenn ich mich auf eine Aufgabe konzentriere, vergesse
ich die Welt um mich herum.
Ich vergewissere mich zuhause stets, dass alle Fenster
und Türen geschlossen sind.
Die Leute hacken auf mir herum.
Zweifel sind Zeitverschwendung.
Irrelevante Informationen lenken mich nicht ab.
Die Welt verändert sich ständig.
Bevor ich zu einem Entschluss gelange, muss ich zuerst
lange Zeit nachdenken.
Man verlässt sich besser auf sich selbst.
-2
-2
-1
-1
0
0
1
1
2
2
3
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-3
-3
-2
-2
-2
-1
-1
-1
0
0
0
1
1
1
2
2
2
3
3
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-3
-3
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-2
-1
-1
0
0
1
1
2
2
3
3
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-1
0
1
2
3
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-1
0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
Wenn ich eine andere Person anschaue, bleibe ich oft an
Einzelheiten hängen: ich sehe zum Beispiel nur die
Nase, Augen oder Ohren.
-3
Ich nehme alle Telefonanrufe entgegen.
1
3
1
4
1
5
1
6
Der erste Gedanke oder Einfall ist der Richtige.
1
7
Oft kommt mir die richtige Lösung ganz plötzlich in den
Sinn.
Ich bin nicht empfänglich für Gefahren.
1
8
-3
-3
Es verwirrt mich, wenn Andere freundlich zu mir sind.
Leute, die ich nicht kenne, sind gefährlich.
Menschen machen mein Leben lebenswert.
1
9
2
0
2
1
2
2
Ich zögere nicht, Dinge zu hinterfragen.
2
3
Ich verstehe nicht, warum Menschen glücklich sein
können.
Wenn es notwendig ist, gehe ich auch an gefährliche
Orte.
-3
Wenn ich ein Ziel habe, weiß ich nicht, wie ich es
erreichen kann.
-3
Ich sehe automatisch, wie Dinge zusammenhängen.
146
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Wie sehr treffen die folgenden Aussagen nach Ihrer Ansicht zu? Bitte kreuzen Sie bei
jeder Aussage das zutreffende Kästchen an.
-3
-2
-1
0
1
2
3
stimmt
überhaupt
nicht
stimmt
nicht
stimmt
eher nicht
unentschieden
stimmt eher
stimmt
stimmt
genau
2
4
2
5
Ich wittere überall Gefahren.
2
6
Ich bin ein Schnelldenker.
2
7
Die Reaktionen anderer Leute überraschen mich nicht so
leicht.
Ich frage die Leute offen, was sie denken.
2
8
2
9
3
0
3
1
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
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-1
0
1
2
3
-3
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0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
Manchmal habe ich recht, manchmal nicht.
Ich kann rasch Zusammenhänge herstellen.
-3
-2
-1
0
1
2
3
Ich kann die Gedanken anderer Leute nicht sehr gut
lesen.
-3
Ich öffne alle an mich adressierten Briefe.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
Auch wenn ich von etwas überzeugt war, kann ich meine
Meinung leicht ändern.
-3
Es ist häufig glasklar, was die Leute wirklich meinen.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
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1
2
3
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1
2
3
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0
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2
3
-2
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0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
3
2
Meine Befürchtungen bestätigen sich immer.
3
3
Meine Verfolger überwachen mich.
3
4
3
5
3
6
3
7
Die Leute geben mir immer eine Chance.
3
8
Zuhause ist dort, wo ich mich am wohlsten fühle.
3
9
Manchmal nehme ich Musik nur als einzelne Töne wahr.
4
0
4
1
4
2
4
3
Ich ziehe es vor, die Leute im Auge zu behalten.
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
4
Wenn ich andere lachen höre, denke ich, dass sie über
mich lachen.
-3
Ich öffne nicht immer die Türe, wenn es klingelt.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
5
4
6
Die Menschen sind gerecht zu mir.
In meinem Leben liefen einige Dinge wegen anderer
Leute schief.
-3
Bevor ich einen Entschluss fasse, wäge ich für eine
Weile die Alternativen ab.
-3
Wenn etwas schief läuft, steckt irgendjemand dahinter.
Manchmal fällt in meinem Kopf alles auseinander.
147
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Wie sehr treffen die folgenden Aussagen nach Ihrer Ansicht zu? Bitte kreuzen Sie bei
jeder Aussage das zutreffende Kästchen an.
-3
-2
-1
0
1
2
3
stimmt
überhaupt
nicht
stimmt
nicht
stimmt
eher nicht
unentschieden
stimmt eher
stimmt
stimmt
genau
4
7
4
8
Für die Dinge, die in meinem Leben schief gehen, bin
ich selbst verantwortlich.
-3
Geräusche und Lärm alarmieren mich.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
4
9
Hinter Misserfolg steckt Pech, nicht Sabotage.
-3
-2
-1
0
1
2
3
5
0
Ich vertraue meinen Schlussfolgerungen nicht.
-3
-2
-1
0
1
2
3
5
1
5
2
5
3
5
4
Wenn andere wütend auf mich sind, weiß ich meist
warum.
-3
In manchen Situationen begreife ich nicht, was los ist.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
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0
1
2
3
-3
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0
1
2
3
5
5
Je schneller desto besser.
-3
-2
-1
0
1
2
3
5
6
Ich kann mich leicht in andere hinein versetzen.
-3
-2
-1
0
1
2
3
5
7
5
8
5
9
6
0
Orte mit vielen Leuten vermeide ich nicht.
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
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0
1
2
3
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0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
6
1
Ich kann meine Überzeugungen rasch beweisen.
Ich werde ohne Grund verfolgt.
Ich kann andere Leute täuschen.
Das Verhalten anderer Leute verwirrt mich überhaupt
nicht.
-3
In einem geschlossenen Raum sitze ich gerne nahe bei
der Türe.
-3
Ich kann Emotionen sehr gut an Gesichtern ablesen.
6
2
Menschen kann man vertrauen.
6
3
6
4
6
5
6
6
Ich suche nach Beweisen, die meine Ideen bestätigen.
6
7
Wenn ich Gefahr wittere, gehe ich weg.
6
8
-3
6
9
-3
-2
-1
0
1
2
3
Die Leute sind hinter mir her, weil ich etwas falsch
gemacht habe.
-3
Ich ändere meine Meinung sehr oft.
-2
-1
0
1
2
3
-3
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-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
Es gibt einen kontinuierlichen Fluss der Dinge und
Ereignisse.
-3
In einer Gruppe fühle ich mich wohl.
-2
-1
0
1
2
3
-2
-1
0
1
2
3
Leute überwachen mich.
148
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Wie sehr treffen die folgenden Aussagen nach Ihrer Ansicht zu? Bitte kreuzen Sie bei
jeder Aussage das zutreffende Kästchen an.
-3
-2
-1
0
1
2
3
stimmt
überhaupt
nicht
stimmt
nicht
stimmt
eher nicht
unentschieden
stimmt eher
stimmt
stimmt
genau
7
0
7
1
Ich kann mich leicht entspannen und dabei die Welt um
mich herum vergessen.
-3
Ich kann andere Menschen leicht einschätzen.
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
7
2
Es kommt vor, dass ich mich irre.
-3
-2
-1
0
1
2
3
7
3
Leute verwirren mich.
-3
-2
-1
0
1
2
3
7
4
7
5
7
6
Ich denke, Vorsicht ist besser als Nachsicht.
-3
-2
-1
0
1
2
3
-3
-2
-1
0
1
2
3
Ich schenke den Einzelheiten mehr Aufmerksamkeit als
dem Ganzen.
-3
-2
-1
0
1
2
3
Auch für eine simple Tatsache gibt es viele Erklärungen.
149
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
PANAS
Geben Sie bitte an, wie Sie sich im Moment fühlen
überhaupt
nicht
ein wenig
aktiv
interessiert
erfreut
stark
angeregt
stolz
begeistert
wach
entschlossen
aufmerksam
bekümmert
verärgert
schuldig
erschrocken
feindselig
gereizt
beschämt
nervös
durcheinander
ängstlich
150
mittelmäßig
ziemlich
sehr
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
BEGINN DER TESTREIHE AM COMPUTER
Checkliste vor Beginn der Testung am Computer:
Folgende Punkte sollten beachtet werden, damit die Versuchspersonen unter vergleichbaren
Bedingungen getestet werden.
•
Vermeiden von Licht-Reflexion auf dem Monitor
 Keine Lichtquelle hinter dem Computer
•
Konstante Hintergrundgeräusche
 Türe und Fenster schliessen
•
50 cm Abstand vom Auge der Versuchsperson zum Bildschirm
•
Die Versuchsperson soll senkrecht auf den Bildschirm schauen
•
Vor akustischen Tests müssen die Standardeinstellungen der Mikrofon- und
Kopfhörerlautstärke sowie der Regler auf den Softwareoberflächen der einzelnen Tests
überprüft werden
Vorbemerkung an die Versuchsperson:
„Bevor wir die Testreihe beginnen, möchte ich Sie bitten, falls Sie Fragen haben, diese jeweils nach
der Instruktion zu einem Test oder während und nach Probedurchläufen zu stellen, wenn ein Test ein
solche vorsieht. Während der Testphasen sollten Sie aber aus Konzentrationsgründen nicht mehr
sprechen; es sei denn Sie werden darum gebeten.“
151
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Einfach-Hörtest
Der Versuchsleiter überprüft die Lautstärkeneinstellung des Kopfhörerausgangs am „Interface“. Der
Lautstärkenregler am „Interface“ sollte zu ¾ aufgedreht sein. Er weist die Versuchsperson aber
gleichzeitig darauf, dass diese Standardeinstellung individuell angepasst werden kann, falls diese für
sie zu leise oder zu laut ist. Gegebenenfalls sollte sie den Versuchsleiter möglichst rasch nach Beginn
des Tests darauf aufmerksam machen.
Instruktion:
Die Instruktionen werden vom Programm gegeben
„Motion Induced Blindness“ (MIB_Vortest)
Instruktion:
Die Instruktionen werden vom Programm gegeben
152
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Phantom-Wörter
Der Versuchsleiter überprüft zuerst die Lautstärkeneinstellung des Kopfhörerausgangs am
„Interface“. Der Lautstärkenregler am „Interface“ sollte halb aufgedreht sein.
Instruktion:
Die Instruktion wird weitgehend vom Programm gegeben.
Nachdem die Versuchsperson die Instruktion gelesen hat, den Kopfhörer angezogen und die Augen
geschlossen hat, startet der Versuchsleiter den Durchgang jeweils durch das Drücken der Leertaste.
Der Testablauf beinhaltet 2 Probe- und 3 Testdurchgänge. Der 1. Probedurchgang dient lediglich
dazu, die Versuchsperson einen Eindruck vom akustischen Signal gewinnen zu lassen und wird nicht
weiter besprochen. Nach jedem weiteren Durchgang wird die Versuchsperson, nachdem sie die Augen
wieder geöffnet und den Kopfhörer abgenommen hat, gefragt, was sie während des Durchgangs erlebt
hat. Dies wird ihr vor dem 2. Probedurchgang mitgeteilt.
Vorbemerkung an die Versuchsperson:
„Nach den nun folgenden Durchgängen werde ich Sie jeweils fragen, was Sie genau gehört haben.“
Instruktion der Nachbefragung:
„Wahrscheinlich haben Sie gerade eben verschiedene Wörter gehört. Können Sie mir sagen, wie viele
und welche Wörter das waren?“
Der Versuchsleiter notiert die genannten Wörter
2. Probedurchgang
1. Testdurchgang
2. Testdurchgang
153
3. Testdurchgang
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
„Stream Segregation“
Der Versuchsleiter überprüft die Lautstärkeneinstellung des Kopfhörerausgangs am „Interface“. Der
Lautstärkenregler am „Interface“ sollte zu ¾ aufgedreht sein.
Instruktion
„Sie werden nun über den Kopfhörer jeweils verschiedene Klangsequenzen hören. Diese dauern
jeweils ca. eine halbe bis 1 Minute. Ich bitte Sie jedes Mal, wenn Sie den Eindruck haben einen
Galopp zu hören, zwei Tasten auf dieser Bedienung zu drücken (Der Versuchsleiter zeigt dem
Probanden die Tasten). Wichtig ist dabei, dass Sie die Taste so lange gedrückt halten, so lange Sie den
Eindruck haben einen Galopp zu hören. Sobald Sie den Galopp nicht mehr hören, lassen Sie die Taste
los. Drücken Sie bitte jedes Mal, wenn Sie den Eindruck haben einen Galopp zu hören – unabhängig
davon, ob Sie diesen Eindruck nur für sehr kurze Zeit oder länger haben. Halten Sie die Taste,
während der Dauer des Galoppeindrucks gedrückt. Haben Sie noch Fragen?
Dann beginnen wir nun mit einem Probedurchgang. Nach diesem 1. Durchgang gibt es eine kurze
Pause, in der Sie mir Fragen stellen können, sofern Ihnen etwas unklar erscheint. Danach folgen 9
bzw. 12 Testdurchgänge. Ich bitte Sie beim Hören die Augen zu schliessen. Die einzelnen Durchgänge
werden jeweils von mir gestartet. Nicken Sie deshalb mit dem Kopf, wenn Sie bereit sind, damit ich
den Durchgang starten kann. Wenn ein Testdurchgang beendet ist, öffnen Sie bitte die Augen und
nicken Sie bitte wieder mit Kopf, wenn Sie für den nächsten Durchgang bereit sind, oder sagen Sie
mir, dass Sie eine Pause benötigen. Legen Sie nun bitte die Finger auf die Tasten der Bedienung,
schließen Sie die Augen und konzentrieren Sie sich ganz auf das folgende Klangbeispiel.“
Der Versuchsleiter startet die Durchgänge durch das Drücken der Leertaste.
154
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
„Motion Induced Blindness“ (MIB, Version Grossmann)
Kurzbeschrieb:
Der Versuchsperson werden 3 gelbe Punkte präsentiert, die in Form eines Dreiecks angeordnet auf
blauem Hintergrund zu sehen sind. Der blaue Hintergrund besteht aus einem sich im Uhrzeigersinn
drehenden Gittermuster. Die gelben Punkte können einzeln oder gemeinsam zeitweise verschwinden.
Während die Versuchsperson immer das Kreuz in der Mitte (Hintergrund) fixiert (wiederholt darauf
aufmerksam machen!), drückt sie die Leertaste sobald einer oder mehrere Punkte verschwinden und
hält die Taste solange gedrückt bis wieder alle drei Punkte zu sehen sind. Nach einem naiven
Probedurchgang werden 3 Testdurchgänge durchgeführt. Die Versuchsperson wird vor jedem
Durchgang gefragt, ob sie bereit sei.
1 Probephase (naiv):
Anleitung zur Durchführung:
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Aufzeichnungsprogramm (Recorder) öffnen: „Verknüpfung mit Aufzeichnung f...“ doppelklicken.
Aufzeichnungszeit eingeben in Millisekunden [ms]: 60'000 ms.
Öffnen des Demoprogramms: „Verknüpfung mit winmib.exe“ doppelklicken. Mit rechtem Mausklick
klicken, bis die erwünschte MIB-Vorlage erscheint.
Recorder in den Vordergrund holen: ALT gedrückt halten und mit TAB das „Kaffeesymbol“
auswählen; dann ALT und TAB loslassen.
Instruktion geben.
Recorder starten: Aufzeichnungszeit überprüfen: 60'000 ms und dann „Aufzeichnung“ klicken. Mit dem
Klicken auf „Aufzeichnung“ beginnt der Recorder aufzuzeichnen.
Mit dem Ablaufen der eingegebenen Aufzeichnungszeit kommt ein Fenster, das fragt, ob - und wenn ja,
wo die aufgezeichneten Daten gespeichert werden sollen.
a. Auf dem Desktop speichern
b. Code_x.txt
i. *.txt steht für Textdatei: Um diese Datei zum Lesen zu öffnen, kann dann auf dem
Desktop das entsprechende Icon doppelklicken.
ii. Code steht für den Code der Versuchsperson.
iii. x steht für den Indexbuchstaben des Testdurchgangs: a-d, wobei a= Probedurchgang
und b-d= Testdurchgänge 1-3
Instruktion zur Probephase:
„Im folgenden Experiment werden Sie drei gelbe Punkte in einem Rechteck aus blauen Kreuzen
sehen. Das Rechteck aus blauen Kreuzen wird sich drehen. Ich würde sie bitten das blaue Kreuz ganz
in der Mitte zu fixieren und mir laufend zu berichten, ob Sie irgendwelche Veränderungen
waIhrnehmen.“
Falls die Versuchsperson nachfragt: Welche Art von Veränderung, antworten: „Irgendwelche
Veränderungen auf dem Bildschirm.“
Die Versuchsperson wird während dem ersten Durchgang gefragt, was sie sieht.
Bemerkungen:
155
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Hat die Versuchsperson das MIB erkannt?
❏ Ja, die Versuchsperson hat MIB erkannt?
❏ Nein, die Versuchsperson hat MIB nicht erkannt?
3 Testdurchgänge:
Anleitung zur Durchführung:
7.
Einleiten eines nächsten Durchgangs: Demoprogramm (winmib) durch Anklicken in den Vordergrund
holen und mit dem Klicken der rechten Maustaste MIB-Vorlage auswählen.
8. Aufzeichnungsprogramm in den Vordergrund holen mit ALT und TAB (siehe oben) und „Reset“
drücken. (Die Expositionszeit von 60'000 bleibt bestehen und wird auch nicht verändert.)
9. Instruktion geben.
10. Recorder starten.
Instruktion zum 1. Testdurchgang:
„Sie sehen nachfolgend drei gelbe Punkte in einem Rechteck aus blauen Kreuzen. Fixieren Sie bitte,
das blaue Kreuz ganz in der Mitte. Die gelben Punkte werden einzeln oder gemeinsam verschwinden
und wieder auftauchen. Drücken Sie die Leertaste, sobald einer der Punkte verschwindet und lassen
Sie die Taste erst dann los, wenn sie alle drei Punkte wieder sehen. Reagieren Sie so schnell wie
möglich.“
Instruktion für die folgenden 2 Testdurchgängen::
„Das Experiment wird nun noch zweimal wiederholt. Alles läuft genau so ab wie vorher. Drücken Sie
die Leertaste, sobald einer der Punkte verschwindet und lassen Sie die Taste erst dann los, wenn sie
alle drei Punkte wieder sehen. Reagieren Sie wieder so schnell wie möglich.“
Die VP sollte während der Testphasen nicht sprechen.
Anmerkungen:
Zwei Anwendungen könnten wichtig werden:
Experiment abbrechen:
Mit ALT + TAB Recorder hervorholen. ALT gedrückt halten und mit TAB das Kaffesymbol auswählen.
Aufzeichnungsfenster erscheint: Dort Reset drücken.
Neustarten, d.h. einsetzen bei Anleitung zur Durchführung / 4 (das Demoprogramm läuft schliesslich nach wie
vor.)
Bedeutung der Pfeiltasten (↑,↓): Mit den Pfeiltasten wird die Geschwindigkeit verändert. Sollte man
unabsichtlicherweise diese Tasten drücken, muss das Experiment neu gestartet werden.
ESC drücken, um das Demoprogramm zu beenden.
Neustarten, d.h. Anleitung zur Durchführung / 1 und 2
156
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
„Pitch-Shift“
Instruktion:
„Im folgenden Experiment bitte ich Sie über einige Sekunden hinweg den Vokal a auszusprechen, d.h.
a zu vokalisieren. Wählen Sie dabei eine Ihnen angenehme Tonhöhe und versuchen Sie diese, so gut
es geht, über die Dauer von 6 Sekunden konstant zu halten, unabhängig von irgendwelchen möglichen
Störungen, die beim Hören Ihrer Vokalisation über Kopfhörer auftreten. Die Vokalisation soll
insgesamt 24 Mal wiederholt werden. Zwischen den einzelnen Vokalisationen liegen jeweils Pausen
von 5 Sekunden, während denen Sie Zeit haben Atem zu holen und sich zu sammeln. Das Ende der
Pausen wird jeweils mit einem „Countdown“ angezeigt; nachdem 5., etwas höheren Ton beginnen Sie
jeweils mit der Vokalisation und beenden diese beim 1. Ton des nachfolgenden „Countdown“. Nach
einer Vokalisation können Sie jederzeit eine längere Pause als die vorgegebenen 5 Sekunden
wünschen. Teilen Sie dies dem Versuchsleiter gleich nach dem Ende der 6-sekündigen
Vokalisationssequenz mit. Wir empfehlen etwa nach jeder 8. Vokalisation eine etwas längere Pause
einzuschalten, d.h. also 3 Durchgänge mit je 8 Vokalisationen und 2 dazwischen geschalteten längeren
Pausen zu absolvieren. Ich werde Ihnen nun den Ablauf am Beispiel von 3 aufeinander folgenden
Vokalisationen demonstrieren.“
Der Versuchsleiter demonstriert einen Ablauf mit 3 Vokalisationen und 2 Pausen.
3 Probedurchgänge
Instruktion:
„Ich möchte Sie nun bitten selber 3 Probedurchgänge mit 2 Pausen zu machen. Wichtig ist, von oben
in einem Abstand von 5-10 cm ins Mikrofon zu sprechen. Sprechen Sie mit der Lautsstärke, die sie
nicht allzu sehr anstrengt und ihnen angenehm ist.“
24 Testdurchgänge
Der Versuchseiter richtet den „PITCH_SHIFTER“ ein, in dem er, nach Anklicken des Startkästchens,
die beiden „open“-Menus öffnet und für den Probanden ein direktes Audiofile (CODE_direkt) und ein
manipuliertes Audiofile (CODE_manip) abspeichert. Der Versuchsleiter fragt dann die
Versuchsperson, ob sie bereit sei und startet dann die Testdurchgänge.
Instruktion:
„Haben Sie noch Fragen. Ansonsten beginnen wir mit den Testdurchgängen.“
Äussert die Versuchsperson den Wunsch nach einer längeren Pause, drückt der Versuchsleiter
während der 5-sekündigen Pause (und nur dann!) die Leertaste. Nachdem die Versuchsperson bereit
ist fortzufahren, drückt der Versuchsleiter erneut die Leertaste. Äussert die Versuchspersonen bis zur
8. Vokalisation keinen Pausenwunsch, unterbricht der Versuchsleiter nach der 8. Vokalisation von
sich aus mit der Leertaste und fragt nach. Diesen Vorgang wiederholt er nach der 16. Vokalisation.
Nach den Testdurchgängen kontrolliert der Versuchsleiter, ob die Protokolle aufgezeichnet wurden
und speichert diese unter der Verwendung der jeweiligen Codierung der Versuchsperson (bevor die
„Reset“-Taste gedrückt wird!) ab.
157
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
„Circular Apparent Motion“ (CAM)
Kurzbeschrieb:
Auf dem Bildschirm ist ein Kreis bestehend aus 6 Punkten zu sehen. Es wird eine Kreisbewegung
nach rechts oder nach links oder eine Kippbewegung wahrgenommen. Die Versuchsperson sollte
während des Tests stets das Kreuz in der Mitte fixieren (wiederholt darauf aufmerksam machen!). Es
wird zuerst ein „naiver“ Probedurchgang (1 min) durchgeführt, dann folgen 2 Testdurchgänge (je 1
min). Jede wahrgenommene Bewegung muss per Tastendruck angezeigt werden. Sobald eine
Bewegung gesehen wird, muss die entsprechende Taste kurz gedrückt werden, sobald sich die
Bewegung ändert muss wieder eine neue Taste gedrückt werden usw. (Bewegungswechsel =
Tastendruck):
Kreisbewegung nach rechts = Pfeiltaste ‚rechts‘
Kreisbewegung nach links = Pfeiltaste ‚links‘
Kippbewegung = Pfeiltaste Mitte ‚nach unten‘
Instruktion:
Die Instruktion wird vom Programm gegeben.
Die Versuchsperson wird vor jedem Durchgang gefragt, ob sie bereit sei.
1 Probedurchgang (naiv):
Die Versuchsperson wird während einer Minute gefragt, was sie sieht. Die Bewegungen sollen
möglichst genau beschrieben werden.
Die ersten 3 Wahrnehmungen der Versuchsperson werden protokolliert:
1. Wahrnehmung: Dreht im
Uhrzeigersinn❏
Gegenuhrzeigersinn
❏ oszilatorisch❏
2. Wahrnehmung: Dreht im
Uhrzeigersinn❏
Gegenuhrzeigersinn
❏ oszilatorisch❏
3. Wahrnehmung: Dreht im
Uhrzeigersinn❏
Gegenuhrzeigersinn
❏ oszilatorisch❏
2 Testdurchgänge:
Die VP sollte während der Testphase nicht sprechen.
Gespeicherte Daten unter:
•
E-Prime – E-Studio – Tools – E-DataAid – entsprechendes File öffnen CAM- ... .edat (unter RT &
Gestalt – Apparent Motion – CAM)
Gespeichert werden:
•
RESP = Actual Response
•
RT = Subject response time (ms)
•
RTTime = Subject response timestamp in relation to beginning programm execution.
•
DurationError = Difference between the expected duration and the actual duration.
•
OnsetDelay = Difference between the target onset time and the actual onset time.
•
OnsetTime = Timestamp of stimulus onset (ms).
158
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
9.2. Besondere Beobachtung zu den durchgeführten Tests
Im Folgenden soll nur auf die Messinstrumente eingegangen werden, auf die sich die
vorliegende Arbeit stützt. DACOBS, Source Monitoring und Pitch Shift werden dementsprechend nicht berücksichtigt.
Im Allgemeinen gab es bei ca. der Hälfte der untersuchten Patienten auf Grund von
Aufmerksamkeits- und Konzentrationsschwierigkeiten mehrere Unterbrechungen, die bis zu
15 Minuten dauern konnten. Allerdings wurde nie ein bereits begonnener Test abgebrochen
und wieder gestartet; die Pausen fanden stets zwischen einzelnen Tests statt. Rund fünf
Patienten hatten relativ große Probleme, die Instruktionen klar zu verstehen und benötigten
wiederholt detaillierte Erklärungen, bevor der jeweilige Test gestartet werden konnte.
Eine Patientin gab ganz zum Schluss ihrer Untersuchung an, einen Tinitus zu haben. Die
Versuchsleiterin hatte allerdings Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage, da der
behandelnde Psychotherapeut davon nichts wusste. Die Patientin beklagte auch, bedingt durch
die Einnahme von Zyprexa (Olanzapin), unter Gedächtnisstörungen zu leiden. Die
Versuchsleiterin hatte aber während der Untersuchung nicht den Eindruck einer
diesbezüglichen Beeinträchtigung; auch der behandelnde Therapeut konnte derartiges nicht
bestätigen. Da die Versuchsleiterin den Eindruck hatte, dass die Patientin aus Angst
,‚schlecht“ in den Testungen abgeschnitten zu haben, am Ende angab unter einem Tinitus und
Gedächtnisstörungen zu leiden, wurden die Ergebnisse der Probandin in die statistische
Auswertung mit einbezogen.
Bei zwei Studienteilnehmer wurde auf Wusch über den Interfacer die Lautstärke für die
akustischen Tests leicht herunter reguliert, ansonsten wurden bei allen Probanden die
Standardeinstellungen beibehalten. Ein Patient schlug vor, zur Evaluation der optischen
Gestaltwahrnehmung zusätzlich die Augenbewegungen (Sakkaden) der Versuchspersonen zu
messen, um so möglicherweise weitere Unterschiede zwischen Patienten- und Kontrollgruppe
zu entdecken.
WFT
Bei der Auswertung des WFTs gab es trotz Auswertungsmanuals einige Unklarheiten; wohl
auch weil dieses Manual für den RWT konzipierte wurde und die in Eigenregie leicht
abgewandelt Version dessen Auswertungsschemata nicht zu 100% entsprach. Die offenen
Fragen konnten jedoch nach Rücksprache der beiden Versuchsleiter mit anderen
wissenschaftlichen Mitarbeitern der UPD geklärt werden. Im Folgenden sollen kurz die
letztlich beschlossen Regeln für die zunächst unklaren Fälle dargestellt werden.
159
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Generell liegt eine Repetition bei der Wiederholung des gleichen Wortes und bei der
wiederholten Verwendung des gleichen Wortstammes vor. Wortstamm meint ausschließlich
den Wortanfang, nicht aber das Wortende, deshalb wurde z.B. Augen/Augenbraue als
Repetition gewertet, nicht aber Beere/Brombeere. Im Allgemeinen gab es mehr Repetitionen
als Regelbrüche.
Im zweiten Teil des Testes galten bei der Kategorie „Körperteile“ Organe und weitere
„spezielle“ Begriffe, wie z.B. Nabel oder Haare, allesamt als richtig, da in der Testanwendung
nichts Gegenteiliges behauptet wurde und in der Instruktion nicht explizit erläutert wurde,
was unter „Körperteilen“ zu verstehen bzw. nicht zu verstehen ist.
Im Allgemeinen wurden Subkategorien als korrekt eingestuft, da in der Testanwendung nichts
Gegenteiliges behauptet wurde und in der Einführung nicht erwähnt wurde, dass
Unterkategorien nicht erlaubt seien. Ein exemplarisches Beispiel für diesen Fall ist die
Nennung eines Grundbegriffs wie „Fisch“ und die anschließende Aufzählung von
Subelementen wie „Forelle“, „Karpfen“ etc.
Nannte eine Versuchsperson zwei äquivalente Begriffe, wie z.B. Kopf/Schädel, Ross/Pferd
oder Löwe/Leu wurde dies als Regelbruch gewertet. In der Testanwendung gab es zu diesem
Fall keinerlei Anhaltspunkte oder Erklärungen. Der ‚Common Sense’ nach Rücksprache
zwischen Versuchsleitern und wissenschaftlichen Mitarbeitern der UPD war jedoch die
Einstufung von äquivalenten Begriffen als falsch.
MWT
Zum
MWT
merkte
eine
Studienteilnehmerin
aus
der
Kontrollgruppe
an,
dass
"Umma" - das erste Wort aus der achten Zeile des MWT - im Arabischen so viel wie
"weltweite Glaubensgemeinschaft" bedeutet. Im MWT wurde es jedoch als ‚sinnloses’ Wort
verwendet.
Source Monitoring
Beim Source Monitoring gab es für zahlreiche Studienteilnehmer Unklarheiten bei den Fragen
„Wie stark hatten Sie Kontrolle darüber, welches Wort Ihnen in den Sinn kam?“ und
insbesondere bei „Wie stark haben Sie den Eindruck, dass das Wort von ihren eigenen
Gedanken stammt?“. Den meisten Probanden (Patienten- wie Kontrollgruppe) musste
wiederholt erklärt werden, wie die Fragen genau zu verstehen seien. Die Versuchsleiter
konnten die Schwierigkeiten gut nachvollziehen, da die beiden Fragen tatsächlich einen
beträchtlichen Interpretationsspielraum lassen. Man könnte alleine über die Frage wie stark
bestimmte Worte den eigenen Gedanken entstammen, stundenlang philosophieren.
160
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Einige Versuchspersonen zweifelten grundsätzlich die Konzeption der Source Monitoring
Scale an. Ein Studienteilnehmer merkte an, dass er den Eindruck habe, dass das Gefühl
Kontrolle zu haben eher vorhanden ist, wenn einem länger kein Wort in den Sinn kommt und
man dann doch irgendwie überlege. Des Weiteren habe man auch mehr Kontrolle, wenn man
ein bestimmtes Wort nicht sagt – z.B. weil es einem peinlich ist und man dann erst das
nächste Wort nennt. Der Schluss liegt nahe, dass die Validität der Source Monitoring Scale
immer auch von der Aufrichtigkeit der Versuchspersonen anhängig ist.
HTTS
Einige
Studienteilnehmer
lagen
bei
dem
Hörtest
zwar
im
Bereich
mittlerer
Beeinträchtigungen und ein Proband sogar knapp im Bereich hochgradiger Schwerhörigkeit.
Die betreffenden Versuchspersonen wurden aber dennoch für die Untersuchung zugelassen,
da im Gespräch keinerlei Hörschwierigkeiten erkennbar waren und die kritischen Resultate
zumindest teilweise darauf zurück zu führen waren, dass die Instruktion nicht vollständig
bzw. nicht von Beginn an verstanden wurde. Einige wenige Probanden legten den Kopfhörer,
trotz explizitem Hinweis auf die integrierten Drucksensoren, nicht ausreichend eng
geschlossen an, wodurch es bei diesen Personen vor allem im ersten Durchgang zu
verzögerten Reaktionen kam.
MIB-Vortest
Beim MIB-Reaktionstest hatte ein Patient über den ganzen Durchgang hinweg Probleme
akkurat zu reagieren; bei den anderen Tests waren allerdings keine Auffälligkeiten zu
beobachten.
Phantomwörter
Bei der Untersuchung des Phantomworte-Paradigmas gab es einen Patienten, der während der
Testsprache laut vor sich hin redete – in diesem Fall das vorgegebene Wort "rosa" über den
gesamten Durchgang mitsprach. Mehrere Versuchsteilnehmer hörten die Worte auch in ihrem
Dialekt (Sschweizerdeutsch, Schwäbisch und Bayerisch) oder seltener auch in ihnen
vertrauten Fremdsprachen (Englisch, Französisch).
Eine Patientin musste den Test nach dem ersten Probedurchgang auf Grund aufkommender
negativer Erinnerungen und starker Erregung abbrechen. Die Patientin nahm das dargebotene
Wort "weiße" als "weiß sie" wahr, womit sie negative Vorkommnisse in der Familie während
ihrer Kindheit assoziierte. Die Patientin beruhigte sich wieder relativ schnell und konnte die
161
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
restlichen Tests ohne weitere Zwischenfälle zu Ende bringen. Im Übrigen erlebten etliche
Studienteilnehmer haargenau dieselbe Transformation von „weiße“.
MIB
Beim MIB-Paradigma hatte ein Patient die ungewöhnliche Wahrnehmung, die gelben Punkte
zu Rechtecken werden zu sehen. Die Punkte wurden scheinbar einfach eckig, flimmerten oder
„bewegten sich von klein zu groß - wie eine Hand, die sich öffnet", um es in den Worten des
Patienten auszudrücken.
Ein paar wenige Versuchsteilnehmer hatten Schwierigkeiten jeweils über den ganzen
Durchgang
die
Mitte
des
Bildschirms
zu
fixieren
und
berichteten
von
Aufmerksamkeitsproblemen. Es gab auch einige Studienteilnehmer (Patienten- wie
Kontrollgruppe), die weder im Probedurchgang noch in den Testdurchgängen der MIBTäuschung erlagen. Später stellte sich aber zumindest bei einem Teil dieser Versuchspersonen
heraus, dass sie vergessen hatten, das Kreuz im Zentrum des Bildschirms zu fixieren.
Eine Versuchsperson gab an, die Leertaste über einen Durchgang hinweg wiederholt nur aus
Versehen gedrückt zu haben, da sie die Punkte gar nicht verschwinden gesehen habe.
Allerdings könnte es auch gut möglich sein, dass die Patientin auf Grund der MIB-Instruktion
verunsichert war und deshalb reagierte. Die Instruktion suggerierte klar, dass die gelben
Punkte verschwinden würden. Einige Probanden artikulierten auch ganz offen den Verdacht,
dass es sich beim MIB um eine optische Illusion handle. Ein Patient machte darauf
aufmerksam, dass vor Testbeginn explizit abgeklärt werden sollte, ob sich unter den
potentiellen Versuchteilnehmern Personen mit Epilepsie befinden, da die Durchführung des
MIB für Epileptiker gefährlich sein könnte.
CAM
Beim CAM nahm ein Patient bei der Fixierung der Mitte des Bildschirms, satt eines
einfachen, ein doppeltes Kreuz wahr. Ein weiterer Patient hatte Mühe, die Fixation der Mitte
über eine Minute aufrechtzuerhalten und berichtete von Aufmerksamkeitsschwierigkeiten.
Einigen wenige Probanden gelang es generell nicht, akkurat zu reagieren, d.h. sie nahmen
zwar die zirkuläre Scheinbewegung wahr, aber drückten die Pfeiltasten nach eigenen
Angaben zeitverzögert und/oder nicht die zur wahrgenommenen Bewegungsrichtung
korrespondierenden Tasten.
162
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
9.3. Korrelationstabellen
Tabelle 20. Korrelationsmatrix (Spearman): Phantomwörter, MIB, MIB-Vortest, CAM und
Sourcemonitoring mit PANAS: Positive Aktivierung, getrennt nach Gruppen sowie
Gesamtstichprobe
Gesamt
Versuchsgruppe Kontrollgruppe
r
p
r
p
r
p
PhantomwörterTransformationen
-0,18
0,166
-0,32
0,092
-0,11
0,570
Phantomwörter-Dauer
0,18
0,209
0,52
0,012
-0,06
0,763
MIB-Rate
0,17
0,199
0,16
0,402
0,16
0,388
MIB-Dauer
0,00
0,971
-0,05
0,810
0,10
0,585
Mittlere Reaktionszeit Press
0,06
0,637
0,13
0,491
-0,05
0,813
Mittlere Reaktionszeit Release
0,06
0,672
0,20
0,287
-0,16
0,392
CAM-Dauer
-0,22
0,087
-0,30
0,112
-0,21
0,255
CAM-Transitionen
0,17
0,187
0,19
0,315
0,18
0,341
Source Monitoring Attribution
0,22
0,087
0,36
0,053
0,10
0,587
Source Monitoring Kontrolle
0,09
0,479
0,22
0,238
-0,03
0,857
Tabelle 21. Korrelationsmatrix (Spearman): Phantomwörter, MIB, MIB-Vortest- CAM und
Source Monitoring mit PANAS: Negative Aktivierung, getrennt nach Gruppen sowie
Gesamtstichprobe
Gesamt
Versuchsgruppe Kontrollgruppe
r
p
r
p
r
p
PhantomwörterTransformationen
0,18
0,161
0,31
0,100
0,21
0,273
Phantomwörter-Dauer
-0,17
0,224
-0,39
0,067
-0,02
0,914
MIB-Rate
-0,22
0,098
-0,21
0,265
-0,02
0,907
MIB-Dauer
0,02
0,862
-0,17
0,380
0,38
0,040
CAM-Dauer
0,08
0,545
0,30
0,107
0,17
0,357
CAM-Transitionen
-0,04
0,735
-0,15
0,429
-0,15
0,416
Source Monitoring Attribution
-0,08
0,529
0,03
0,863
-0,36
0,053
Source Monitoring Kontrolle
0,09
0,501
0,03
0,888
-0,16
0,389
Mittlere Reaktionszeit: Press
0,07
0,587
-0,03
0,866
-0,49
0,006
Mittlere Reaktionszeit: Release
0,19
0,152
-0,05
0,798
-0,03
0,868
163
Gestaltwahrnehmung bei Patienten mit psychotischen Störungen
Georg Rees
Tabelle 22. Korrelationen zwischen CPZ-Mittelwert in mg/Tag und den Tests
Phantomworte-Transformationen
-0,00
0,990
29
Phantomworte-Dauer
-0,06
0,769
23
Mittlere Reaktionszeit Press
0,13
0,482
30
Mittlere Reaktionszeit Release
0,09
0,624
30
MIB-Rate
-0,25
0,174
30
MIB-Dauer
-0,06
0,763
30
CAM-Transitionen
-0,01
0,945
30
CAM-Dauer
-0,01
0,977
30
Source Monitoring Attribution
-0,15
0,420
30
Source Monitoring Kontrolle
0,29
0,122
30
MWT-Gesamtscore
-0,07
0,729
30
WFT-Gesamtscore Korrekt
0,20
0,295
30
Tabelle 23. Spearman-Korrelationsmatrix: Testzeitpunkt mit den verwendeten Tests
r
p
N
Phantomworte-Transformationen
-0,08
0,572
59
Phantomworte-Dauer
0,06
0,679
50
Source Monitoring Attribution
0,16
0,233
60
Source Monitoring Kontrolle
-0,15
0,258
60
WFT-Gesamtscore Korrekt
0,30
0,018
60
WFT-Repetitionen
-0,08
0,542
60
WFT-Regelbrüche
-0,10
0,425
60
MIB-Rate
0,19
0,157
60
MIB-Dauer
0,19
0,139
60
CAM-Dauer
-0,12
0,358
60
CAM-Transitionen
0,13
0,311
60
Mittlere Reaktionszeit Press
-0,10
0,430
60
Mittlere Reaktionszeit Release
-0,08
0,551
60
PANAS - Positive Aktivierung
0,08
0,565
60
PANAS - Negative Aktivierung
-0,28
0,030
60
MWT-Gesamtscore
0,04
0,748
60
164
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