Kapitel 5 Speicherung und Kühlung von geladenen Teilchen Die Speicherung und Kühlung von geladenen Teilchen war ein Schwerpunkt der Vorlesung “Laserspektroskopie, Fallen und deren Anwendungen” im WS2005/06, daher wird im Folgenden nur in Grundzügen darauf eingegangen. Zudem verweise ich auf das kürzlich erschienene Buch von F.G. Major et al. [Majo2004] bzw. auf meinen Übersichtsartikel [Blau2006]. Diese geben umfassend das Thema dieses Kapitels wieder. 5.1 Einführung Ionenfallen (engl.: ion traps) dienen der Speicherung von geladenen Teilchen in einem räumlich begrenzten Bereich. Dabei kann die Fokussierung sowohl auf zwei als auch auf drei Dimensionen erfolgen. Für ,,die Entwicklung der Ionenkäfigtechnik ” [Paul1953, Paul1955, Paul1958, Fisc1958, Fisc1959] erhielt Wolfgang Paul (1913-1993) den Nobelpreis 1989 (siehe Abb. 5.1). Die Anwendungsmöglichkeiten und Eigenschaften von Ionenfallen sind vielfältig und wurden nach 1958 in einer Reihe von theoretischen und experimentellen Arbeiten detailliert untersucht und publiziert. Besonders hervorzuheben sind die Arbeiten von Dawson, Ghosh und Werth, deren Resultate großteils in den grundlegenden Werken und Lehrbüchern: ,,Quadrupole Mass Spectrometry and its Applications” [Daws1995], ,,Ion traps” [Ghos1995] und ,,Charged particle traps: The physics and techniques of charged particle field confinement” [Majo2004] zusammengefasst sind. 5.2 Eigenschaften der Ionenfallen ,,Worin lieht der Vorteil Ionen zu speichern? ” Diese Frage liegt auf der Hand und soll mit Hilfe der Eigenschaften von Ionenfallen beantwortet werden. Lange Speicherzeit Ionenfallen ermöglichen die Speicherung von geladenen Teilchen über sehr lange Zeiträume. Dadurch können zum einen Prozesse auf langer Zeitskala und zum anderen sehr seltene Prozesse mit kleinem Wirkungsquerschnitt beobachtet werden. Die Speicherzeit ist von der Kohärenzzeit zu unterscheiden. 104 5.2. EIGENSCHAFTEN DER IONENFALLEN 105 Abb. 5.1: Verleihung des Nobelpreises durch König Carl XVI. Gustav von Schweden und zugehörige Urkunde an Wolfgang Paul am 12. Oktober 1989. Aufnahme: Foto Klein, Bonn. Lange Kohärenzzeit Die Kohärenzzeit ∆t gibt die Zeit an, in der das System ungestört ist. Sie geht in die Heisenbergsche Unschärferelation ein: ∆E · ∆t ≥ ~. (5.1) Ionenfallen im Ultrahochvakuum (Druck p ∼ 10 −9 mbar) zeichnen sich durch lange Kohärenzzeiten aus und sind daher ideal geeignet für die Präzisionsspektroskopie. Beispiel: Die Stoßrate R ist gegeben durch R = n · σ · v. (5.2) Hier bezeichnen n die Teilchenzahldichte, σ den Wirkungsquerschnitt und v die Relativgeschwindigkeit. Mit n(p = 10−9 mbar) ≈ 3 · 109 cm−3 σStoß = 10−16 cm2 v = 105 cm/s resultiert: R = 3 · 10−4 s−1 . Falls Stöße mit Restgasatomen und -molekülen die einzigen Störeffekte darstellen, so ergibt sich die Kohärenzzeit zu: ∆t = 1/R = 3.3 · 103 s ≈ 1 h. 106 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Hohe Nachweisempfindlichkeit Ionenfallen weisen sich durch höchste Nachweisempfindlichkeit aus, wie die in Abb. 2.10 gezeigte optische Detektion eines einzelnen Bariumions in einer Paul-Falle (siehe hierzu Kap. 5.3.1) eindrucksvoll verdeutlicht. Rechenbeispiel: Regt man ein Elektron permanent mittels Laserlicht in einen Zustand mit einer typischen Lebensdauer von τ ≈ 10 −8 s an, so sendet ein einzelnes Ion 108 Photonen/s aus. Geht man davon aus, dass bei Beobachtung mit dem bloßen Auge ein Raumwinkel dΩ von etwa 10−4 abgedeckt wird, so ist bei hinreichend langer Speicherzeit ein einzelnes Ion ohne Problem zu sehen. Die Eigenschaft der hohen Nachweisempfindlichkeit macht die Ionenfalle zu einem idealen Werkzeug für die Spektroskopie an seltenen Nukliden (z.B. kurzlebige radioaktive Nuklide). Ionenmanipulation und -präparation Die Ionenfalle bietet in Kombination mit anderen Techniken eine Reihe von Manipulations- und Präparationsmöglichkeiten eines gespeicherten Ionenensembles. Dazu gehören u.a. 1. q/m-Separation (q: Ladung, m: Masse des Ions) 2. Ladungsbrüten 3. Polarisation 4. Akkumulation 5. ,,Bunching” (bündeln eines Ionenstrahls, d.h. Veränderung der Zeitstruktur) Ein Teil dieser Punkte wird zu einem späteren Zeitpunkt diskutiert. 5.3 Fallenformen für geladene Teilchen Das Problem bei statischen elektrischen Feldern besteht darin, dass die Feldlinien auf den geladenen Oberflächen enden. D.h. man kann keine statischen, stabilen Gleichgewichtspunkte im Vakuum finden. Trotzdem kann man Ionenfallen mit statischen Feldern konstruieren. 5.3.1 RF-Ionenfalle oder Paul-Falle In der Radiofrequenz (RF)-Falle bzw. Paul-Falle werden dynamische (zeitabhängige) Felder zum Einschluss der Ionen verwendet, und zwar in der Regel Quadrupolfelder. Das Quadrupolfeld weist ein Potential der Form φ = φ0 λx2 + σy 2 + γz 2 2 2r0 (5.3) auf, wobei φ0 dem extern angelegten Potential entspricht und r 0 von der Geometrie abhängt. Außerhalb der Elektroden erfordert die Laplacegleichung λ+σ+γ =0 . (5.4) 107 5.3. FALLENFORMEN FÜR GELADENE TEILCHEN Abb. 5.2: Elektrodenstruktur für den zweidimensionalen Quadrupol. Quelle: [Ghos1995]. Zweidimensionaler Fall: Historisch war zunächst der zweidimensionale Quadrupol von Bedeutung, z.B. γ = 0, λ = −σ = 1, mit dem Potential φ(x, y) = φ0 x2 − y 2 . 2r02 (5.5) Ein derartiges Feld wird experimentell mit einer Struktur wie in Abb. 5.2 erzeugt. Im Folgenden werden an diese Struktur zeitabhängige Spannungen angelegt: φ(x, y, t) = (U − V cos (Ωt)) x2 − y 2 . 2r02 Für ein geladenes Teilchen erhält man dann die Bewegungsgleichungen e ẍ + (U − V cos (Ωt)) x = 0 mr02 e ÿ − (U − V cos (Ωt)) y = 0 mr02 z̈ = 0 . (5.6) (5.7) (5.8) (5.9) Mit den Substitutionen 4eU mr02 Ω2 2eV q = mr02 Ω2 Ωt = 2ζ a = (5.10) (5.11) (5.12) 108 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN erhält man die Gleichungen d2 x + (a − 2q cos (2ζ))x = 0 dζ 2 d2 y − (a − 2q cos (2ζ))y = 0 . dζ 2 (5.13) (5.14) Hierbei handelt es sich um Differentialgleichungen des Mathieu‘schen Typs. Ohne auf die Lösung dieser Gleichungen näher einzugehen (siehe dazu [McLa1947, Meix1954]), beschränken wir uns hier auf das wesentliche Merkmal: Es gibt nur für bestimmte Werte von a und q stabile Lösungen. Das Diagram 5.3 zeigt dies. Abb. 5.3: Stabilitätsdiagramm der Mathieuschen Differentialgleichung für den 2D-Quadrupol: (a) Für die x-Bewegung, (b) für die x- und y-Bewegung. Quelle: [Ghos1995]. Betreibt man den Quadrupol mit Parametern a, q, so dass die Ionenbewegung in x- und y-Richtung stabil sind, d.h. die Bewegungsamplituden sind endlich, so erhält man in der x − yEbene gebundene Trajektorien. Anschauliche Beschreibung und Prinzip der starken Fokussierung: Ein statischer Quadrupol kann Teilchen natürlich nicht auf einer stabilen Bahn halten. In einer Dimension werden die Teilchen in die Mitte des Quadrupols gedrückt, gleichzeitig ziehen die beiden anderen, senkrecht dazu stehenden Elektroden die Ionen an, diese werden also in einer Richtung zusammengedrückt und senkrecht dazu aus der Anordnung herausgequetscht. Polt man nun die Elektroden zeitlich in geeigneter Weise um, kann man die Teilchen jedoch wieder in die Mitte zurückdrücken, wobei sie dann aber senkrecht dazu wieder anfangen herauszulaufen usw.. Der wesentliche Punkt ist nun, dass man bei geeigneter Wahl der RF in beiden Dimension netto eine Kraft in die Quadrupolmitte erhält. Dies resultiert von der Tatsache, dass die nach außen wirkende (defokussierende) Kraft immer angreift, wenn die Teilchen in der Mitte sind, die nach 5.3. FALLENFORMEN FÜR GELADENE TEILCHEN 109 innen drückende (fokussierende) Kraft aber auf die Teilchen wirkt, die schon nach außen gewandert sind. Aus der Form des Quadrupolfeldes erkennt man aber, dass das Feld in der Mitte sehr klein ist und nach außen hin linear ansteigt. Das heißt dass im Mittel die fokussierende Kraft stärker ist als die defokussierende. Dieser Effekt ist die sog. starke Fokussierung, wie sie ursprünglich für die Synchrotrons der Hochenergiephysik erfunden wurde: Selbst ein perfekt kollimierter Teilchenstrahl bläht sich, z.B. durch die eigene Raumladung, schnell auf und nach wenigen Umläufen im Synchrotron wäre der Strahl verloren. Deshalb muss man natürlich fokussierende Elemente in den Ring einbauen. Das magnetische Äquivalent zur optischen Linse ist der statische Quadrupolmagnet. Auch der Quadrupolmagnet hat das Problem, dass er nur in einer Richtung fokussiert, in der anderen jedoch defokussiert. Nimmt man jetzt wieder zwei Quadrupolmagnete hintereinander, mit um 90 Grad versetzten Polschuhen, dann hat man auch wieder den Effekt, dass für beide transversalen Richtungen Fokussierung und Defokussierung stattfindet, der Nettoeffekt jedoch in beiden Dimensionen einer Fokussierung entspricht. In der Optik kann man den gleichen Effekt beobachten: Schaltet man zwei Linsen, eine konvexe (fF > 0) und eine konkave (fD < 0) mit einem Abstand l hintereinander, hat diese Anordnung bei geeignetem l eine fokussierende Wirkung, in der linearen Näherung (dünne Linsen) erhält man für die Gesamtbrennweite f des Linsendoubletts f = fF fD . fF + f D − l (5.15) In der Physik mit Speicherringen nennt man solch eine Struktur eine FODO-Zelle, “F” für den fokussierenden Magnet, “0” für die Driftstrecke und “D” für den defokussierenden Magnet. Das Paul‘sche Quadrupolmassenfilter: Die erste Anwendung der zweidimensionalen RFQuadrupolstruktur war das Massenfilter (W. Paul, 1952, Nobelpreis 1989, siehe Abb. 5.1). Dabei macht man sich zunutze, dass die Parameter a, q in der Mathieu-Gleichung vom Masse-zuLadungsverhältnis m/Q der Teilchen abhängen. Hält man z.B. das Verhältnis U/V = a/q konstant und fährt beide Spannungen hoch, läuft man im a − q Diagramm auf einer Ursprungsgeraden (siehe Abb. 5.4) hoch. Nur in einem bestimmten Bereich von m/Q-Werten befindet man sich innerhalb des Stabilitätsbereichs und nur solche Teilchen können das Massenfilter ungehindert durchlaufen. Die geeignete Wahl des Verhältnisses U/V gestattet es, die Güte des Massenfilters zu beeinflussen. Die lineare Paul-Falle: Man kann den zweidimensionalen Quadrupol auch als Falle verwenden. Anstatt einen Strahl durchzuschießen, versieht man die beiden Enden mit abstoßenden Endkappen. Diese Art von Falle wurde bei Laserkühlexperimenten (auch Quantencomputern) populär, da das Potentialminimum einer ganzen Linie entspricht, und nicht wie bei der 3D-Falle (siehe unten) nur ein einziger Punkt ist. Dadurch kann man mehr Ionen in die Falle laden und Effekte wie RF-Heizung werden minimiert. Abb. 5.5 zeigt ein Beispiel für eine 2D-PaulFalle [Herf2001], die am on-line Massenspektrometer ISOLTRAP an ISOLDE/CERN in Genf eingesetzt wird [Blau2006]. Die dreidimensionale Paul-Falle: Für die dreidimensionale Paul-Falle verwendet man ein “echtes” dreidimensionales Quadrupolfeld, z.B. λ = σ = 1, γ = −2. Die Idealform der Elektroden sind hyperbolische Flächen, wie in Abb. 5.6 und 5.7 gezeigt. In diesem Falle haben wir Rotationssymmetrie in der x − y Ebene, die Feldstärke hängt also nur vom radialen Abstand r um die z-Achse und von z ab. Man erhält dann Stabilitätsdiagramme für r und z. Durch die unterschiedlichen Gradienten sind die Definitionen von a und q achsenspezifisch: 110 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Abb. 5.4: Stabilitätsdiagramm der Mathieuschen Differentialgleichung (a) und Vergrößerung des 1. Stabilitätsbereichs (b). Quelle: [Ghos1995]. HV platform 60 kV buffer gas ISOLDE ion beam cooled ion bunches injection electrode extraction electrodes trapping Uz axial DC potential gas-filled ion guide ejection 0 10 20 cm z Abb. 5.5: Schematische Zeichnung einer zweidimensionalen Paul-Falle wie sie am on-line Massenspektrometer ISOLTRAP eingesetzt wird. Der obere Teil der Abbildung zeigt die Elektrodenstruktur, der untere Teil das axiale DC Potential bei Speicherung bzw. bei Ausschuss der Ionen [Herf2001]. az = a2D (5.16) qz = q2D (5.17) ar = az /2 (5.18) qr = qz /2 (5.19) 111 5.3. FALLENFORMEN FÜR GELADENE TEILCHEN a b B z ~5 cm z obere Endkappe Ring z0 VDC z0 ρ0 URF ρ ρ0 ρ untere Endkappe Abb. 5.6: Prinzipieller Aufbau der Elektrodenkonfiguration einer Penningfalle (a) und Paul-Falle (b) zur Erzeugung eines Quadrupolpotentials. Die Fallen bestehen aus einer Ringelektrode und zwei Endkappen mit hyperbolischer Form. Das Gesamtdiagramm ist deshalb nicht mehr symmetrisch, wie in Abb. 5.8 gezeigt. Die Bewegung des Ions in der Falle hat zwei Komponenten: (i) eine niedrigfrequente Säkulärbewegung im Pseudofallenpotential, d.h. dem zeitlich gemittelten, fokussierenden Potential, und (ii) eine schnelle Mikrobewegung mit kleinerer Amplitude aufgrund der direkten Antwort des Teilchens auf die angelegte Hochfrequenz. Übrigens kann man auch makroskopische Metallpartikel in Paul-Fallen fangen und mit Hilfe von gestreutem Licht die Trajektorien sichtbar machen ([Wuer1959], Abb. 5.9). In der Vorlesung wird dazu ein Experiment vorgeführt werden. Ein mechanisches Analogon für die RF-Falle ist in Abb. 5.10 gezeigt. Eine auf den Sattel gelegt Kugel rollt sofort hinunter, lässt man aber den Sattel mit der geeigneten Frequenz rotieren, kann die Kugel auf dem Sattel stabilisiert werden. Anmerkungen: • Die bisher gezeigten Stabilitätsdiagramme gelten für ein einzelnes Teilchen in der Falle. Größere Mengen von gefangenen Ionen sorgen durch Raumladungseffekte für Verschiebungen im Diagramm. • Falls die genaue Form des Potentials keine Rolle spielt, kann man auf hyperbolische Elektroden verzichten und z.B. eine Paul-Falle ganz aus gebogenen Drähten herstellen. In der Vorlesung werden einige Beispielexemplare gezeigt. Ebenso ist es möglich, sehr kleine Fallen lithographisch, quasi auf einem “Chip”, herzustellen, was in der Abbildung 5.11 illustriert ist. 5.3.2 Penning-Falle Die Penning-Falle ist eine rein statische Falle mit elektrischen und magnetischen Feldern. Die Elektrodenkonfiguration ist ähnlich der der Paulfalle und ist in Abb. 5.6 gezeigt. Abbildung 5.12 zeigt einen Schnitt durch die reale hyperbolische Penning-Falle und Abb. 5.13 einen Schnitt durch 112 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Abb. 5.7: Die erste hyperbolische Paul-Falle nach Wolfgang Paul 1955. Quelle: [Paul1990]. die reale zylindrische Penning-Falle, wie sie beim ISOLTRAP-Experiment eingesetzt werden [Blau2006]. Ein Photo der hyperbolischen Falle ist in Abb. 5.14 zu sehen. Auch in diesem Fall erhält man ideale Potentiale mit hyperbolischen Oberflächen, die die Gleichung r2 z 2 − = ±1 r02 z02 (5.20) erfüllen. Die beiden Endkappen sorgen in z-Richtung für Abstoßung, was zu einer harmonischen Oszillation mit der axialen Frequenz s 4eU ω0z = (5.21) m(2z02 + r02 ) 5.3. FALLENFORMEN FÜR GELADENE TEILCHEN 113 Abb. 5.8: Stabilitätsdiagramm niedrigster Ordnung der 3-dim. Paul-Falle. Quelle: [Ghos1995]. führt. In der x − y Ebene drängt das elektrische Feld die Teilchen nach außen, aber das homogenen magnetische Feld in z-Richtung verhindert das Erreichen der Elektroden. Es entsteht eine Zyklotronbewegung um die magnetischen Feldlinien mit ωc = eB/m . (5.22) Dies führt jedoch zu einer sogenannten E×B-Drift im gemischten magnetischen und elektrischen Feld (Details sind z.B. in Jackson zu finden). Bezüglich der Lösung dieses Problems sei z.B. auf Ghosh [Ghos1995] oder [Majo2004] verwiesen. Das Resultat sieht folgendermaßen aus: In der x − y Ebene erhält man zwei kreisförmige Bewegungen: • eine modifizierte Zyklotronbewegung um die magnetischen Feldlinien mit der Frequenz q 2 ω0+ = ωc + ωc2 − 2ω0z /2 . (5.23) • eine Magnetronbewegung um das Fallenzentrum mit der Frequenz q 2 2 ω0− = ωc − ωc − 2ω0z /2 . (5.24) 114 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Abb. 5.9: Makroskopische Teilchen in der Paul-Falle [Wuer1959]. beschreiben Lissajous-ähnliche Trajektorien. Die geladenen Teilchen Beispiel für Orbitale in der Penning-Falle sind im Bild 5.15 gezeigt. Typische Parameter einer Penning-Falle: • r0 = 0.8 cm • U =8V • B=6T • νc = 901 kHz • ν0z = 78 kHz 5.3. FALLENFORMEN FÜR GELADENE TEILCHEN 115 Abb. 5.10: Mechanisches Modell der Paul-Falle. Quelle: [Paul1990]. Abb. 5.11: Links: Prinzip der lithographischen, linearen Paul-Falle. Rechts: Photo der lithographischen, linearen Paul-Falle. Quelle: Mary Rowe, NIST, Boulder. 116 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN main electrodes correction electrodes 10 mm 5 0 Abb. 5.12: Querschnitt durch eine reale hyperbolische Penning-Falle. Es sind sowohl die Hauptelektroden als auch die Korrekturelektroden eingezeichnet. Quelle: [Blau2006]. 100 main electrodes correction electrodes z (mm) 50 0 100 mm -50 50 -100 0 40 80 Uz (V) 0 Abb. 5.13: Querschnitt durch eine reale zylindrische Penning-Falle. Es sind sowohl die Hauptelektroden als auch die Korrekturelektroden eingezeichnet. Neben der Elektrodenkonfiguration ist auch der Potentialverlauf mit harmonischem Minimum bei z = 0 gezeigt. Quelle: [Blau2006]. • ν0+ = 898 kHz 5.4. KÜHLUNG IN IONENFALLEN 117 Abb. 5.14: Photo einer Penning-Falle mit achtfach segmentierter Ringelektrode, zwei Endkappen und Korrekturelektroden. Der Durchmesser der Falle beträgt ca. 5 cm. • ν0− = 3.4 kHz Bemerkenswert ist, dass die Magnetronbewegung eigentlich instabil ist. Ihr Energiebeitrag ist negativ. Wenn das Ion auf eine größere Magnetronbahn kommt, senkt sich die Gesamtenergie ab. Das Wandern nach außen geschieht jedoch sehr langsam, deshalb ist die Magnetronbewegung metastabil. Ein Problem sind jedoch Teilchenkollisionen. 5.4 Kühlung in Ionenfallen Ganz allgemein bedeutet Kühlung die Erhöhung der Phasenraumdichte eines Atom- bzw. Ionenstrahls, d.h. die gleichzeitige Reduzierung der räumlichen Ausdehnung und der Winkeldivergenz (transversaler Impuls) des Teilchenstrahls und somit eine Reduzierung der Strahldivergenz. Dies verletzt das Theorem nach Liouville, das besagt, dass für eine gegebene Engergie (Geschwindigkeit) die Strahlemittanz [mm · mrad], d.h. das Produkt aus Strahlgröße und Winkeldivergenz, konstant sein muss, sofern ausschließlich konservative Käfte wirken. Abbildung 5.16 verdeutlicht das Theorem nach Liouville. Die Lösung besteht darin äußere Wechselwirkungen ins Spiel zu bringen, wie z.B. mit Elektronen bei der Elektronenkühlung, Atome bei der Puffergaskühlung oder Photonen bei der Laserkühlung. In der Paul- bzw. Penningfalle bedeutet ein Kühlen der Ionenbewegung eine Reduzierung der Bewegungsamplituden bzw. im quantenmechanischen Bild eine Verminderung der Quantenzahlen der Bewegungsmoden und somit auch eine Verminderung von Einflüssen elektrischer und magnetischer Feldfehler auf die Eigenfrequenzen. Zusätzlich ist der Transfer eines gekühltes Ionenensembles durch die resultierende, geringere zeitliche Verteilung erleichtert. Für die Kühlung von Ionenensembles sind mehrere Verfahren bekannt, einige davon sollen im Folgenden kurz 118 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN ω+ 1 ωz ω- 0 -1 z 0 -1 1 y -1 0 1 x Abb. 5.15: Schematische Darstellung der drei idealerweise unabhängigen Eigenbewegungen eines gespeicherten Teilchens in einer Penningfalle (a): Eine harmonische Schwingung im speichernden elektrischen Potential in axialer Richtung (ω z ), sowie die Überlagerung einer schnellen Kreisbewegung mit der reduzierten Zyklotronfrequenz (ω + ) und der langsamen Magnetronbewegung (ω− ) in der Radialebene (b). Die Amplituden der Gesamtionenbewegung (c) liegt zur Vermeidung von Feldfehlern idealerweise unter einem Millimeter [Blau2006]. divergence p A = πε ! = const. size x divergence p size x Abb. 5.16: Veranschaulichung des Theorems nach Liouville. Die Emittanz, d.h. das Produkt aus Strahlgröße x und Winkeldivergenz (transversaler Impuls) p ist konstant. vorgestellt werden. Für eine detaillierte Darstellung der Kühlmethoden sei auch hier auf das Skript zur Vorlesung “Laserspektroskopie, Fallen und deren Anwendungen” im WS2005/06 ver- 119 5.4. KÜHLUNG IN IONENFALLEN wiesen. Puffergaskühlung: Ionenfallen haben im Vergleich zu Neutralfallen (siehe nächstes Kapitel der Vorlesung) sehr tiefe Potentiale, d.h. Hintergrundgasstöße müssen nicht fatal sein und können daher zum Kühlen herangezogen werden, wenn das Puffergas kälter als die Fallenionen ist (z.B. kaltes Helium). Probleme mit dieser Methode kann es bei Penning- und Kingdonfallen geben. Die Mikroteilchenfalle von Wuerker et al. [Wuer1959] operierte z.B. mit 0.01 Torr Puffergas. Widerstandskühlung: Die Ionenfalle wird hier Teil eines externen elektrischen Schwingkreises, der in Resonanz, z.B. mit der axialen Ionenbewegung, gebracht wird. Über die ohmschen Verluste des externen Schwingkreises wird dann der Ionenschwingung Energie entzogen. Allerdings muss hierzu der externe Schwingkreis extrem kalt sein, damit das Temperaturrauschen nicht auf die Ionen übertragen wird (siehe Abb. 5.17). Die Kühlrate ist recht gering, man benötigt einige Sekunden für einfach geladene Ionen. Übrigens ist ein solcher Schwingkreis auch ein wichtiges Mittel, um die Ionen in der Falle überhaupt zu detektieren (nichtdestruktiver FT-ICR Ionennachweis). TUNED CIRCUIT z R = Q / ω+C . C .. L . R I P=RI 2 Abb. 5.17: Energie der reduzierten Zyklotronbewegung (ω + ) kann an einen abgestimmten Schwingkreis der Güte Q = ω/∆ω abgegeben werden [Blau2006]. Stochastisches Kühlen: Die vom oszillierenden Ion erzeugte Spiegelladung auf einer Elektrode wird detektiert. Mithilfe schneller Elektronik wird dann auf die Gegenelektrode ein Signal geeigneter Phasenlage gegeben, das die Schwingung abbremst. Im Vergleich zur Widerstandskühlung kann dies schneller geschehen. Diese Methode stammt aus der Beschleunigerphysik. In den großen Protonenspeicherringen (z.B. CERN PS, Fermilab Tevatron) ist sie der Hauptkühlmechanismus. Synchrotrons für Elektronen haben übrigens einen automatischen 120 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Kühlmechanismus eingebaut: Die Kreisbewegung der hochenergetischen Elektronen verursacht Synchrotronsstrahlung, die schnellen Elektronen im Ensemble strahlen dabei mehr ab als die langsamen und der Strahl kühlt sich ab, wird allerdings auch immer langsamer, deshalb muss ständig nachbeschleunigt werden. Laserkühlung: Genau wie bei neutralen Atomen (siehe nächstes Kapitel der Vorlesung) kann man mit einem rotverstimmten Laser auch Ionen in einer Falle kinetische Energie entziehen (Dehmelt und Wineland, 1975). Für das in der Falle oszillierende Ion gibt es zwei Regimes: (i) Schwere Teilchen (ν Γ, wobei ν die Oszillationsfrequenz des Ions in der Falle ist und Γ die Linienbreite des atomaren Übergangs). Falls der Laser nicht zu sehr verstimmt ist, gibt es dann auf der Trajektorie des Ions zwei lokalisierte Punkte wo der Laser in Resonanz mit dem Ion kommt, wie in Abb. 5.18 gezeigt. (ii) Schnelle Teilchen (ν Γ). Die spontane Emission findet entlang der gesamten Trajektorie statt. Die Ruhefrequenz des Übergangs wird durch den Dopplereffekt frequenzmoduliert. Deshalb erscheinen im Spektrum Seitenbänder. kv0 sin (νt))] + c.c. ν +∞ X = exp (−iωt) Jl (kv0 /ν) exp (−ilν t) , E(t) ∝ exp [−i(ωt + (5.25) l=−∞ wobei Jl eine Besselfunktion ist. Man erhält durch die Frequenzmodulation also Seitenbänder bei ω +lν, l = −∞..∞. In diesem Fall kann man Kühlung durch Anregung auf einem Seitenband und spontanem Zerfall auf dem Träger interpretieren (Abb. 5.19). Abb. 5.18: Laserkühlung für langsame Ionen, die Dopplerbedingung ist genau an zwei Punkten der Ionentrajektorie erfüllt. Quelle: [Ghos1995]. Laserkühlung wurde 1978 von zwei Gruppen zum ersten Mal erzielt, in Hamburg von der Gruppe um P. Toschek und in Boulder von D. Wineland. Man kann Temperaturen von Kelvin bis hinunter zu einigen mK erreichen. Tabelle 5.20 gibt einen Überblick über bisher verwendete Ionenspezies. 5.4. KÜHLUNG IN IONENFALLEN 121 Abb. 5.19: Laserkühlung für schnelle Ionen. Im Bild befindet sich das Ion im ersten angeregten Schwingungszustand der Falle (die Bewegung ist jetzt quantisiert); durch Anregung in den angeregten elektronischen Zustand und anschließende spontane Emission kann man in den unteren Schwingungszustand kommen. Quelle: [Ghos1995]. Sympathetisches Kühlen: Zwei Sorten von Ionen werden gleichzeitig geladen, eine davon ist laserkühlbar. Durch Coulombwechselwirkung wird die zweite Spezies “dunkel” mitgekühlt. Dabei kann es sich z.B. auch um zwei Isotope des gleichen Elements handeln. Mit Hilfe dieser Methode kann man ein Ion kühlen, ohne es direkt resonanter Strahlung auszusetzen. 122 KAPITEL 5. SPEICHERUNG UND KÜHLUNG VON GELADENEN TEILCHEN Abb. 5.20: Ionensorten für Laserkühlung. Quelle: [Thom1993].