Magen und Darm

Werbung
Magen
und
Darm
Beschwerden
heilen, lindern,
vermeiden
MAGEN
UND
DARM
Beschwerden heilen, lindern, vermeiden
Kirsten Khaschei
INHALT
7 WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
7 Prima, wenn alles gut klappt
8 Die Anatomie des Magen-DarmTrakts
14 Zentraler Lebensstilfaktor – unsere
Ernährung
21 Einfach wohlfühlen – mit sanfter
Bewegung
25 Genuss – mit und ohne Risiko
28 Wie Verdauung und Psyche
zusammenhängen
33 Speisereise durch den Körper
37 Die Magen- und Darmgesundheit
pflegen
41
41
44
47
51
55
57
WELCHE PROBLEME UND WARUM?
Ein Symptom kommt selten allein …
Appetitlosigkeit
Bauchschmerzen
Blähungen
Druck- und Völlegefühl
Durchfall
62
64
66
68
70
75
81
Erbrechen und Übelkeit
Gewichtsverlust
Magen-Darm-Blutungen
Schluckstörungen
Sodbrennen
Verstopfung
Beschwerden – Symptome –
Ursachen
85 SCHRITT FÜR SCHRITT ZUR DIAGNOSE
85 Präzise Informationen gefragt
86 Arztgespräch und körperliche
Untersuchung
89 Laboruntersuchungen
91 Atemtests
92 Ultraschall
92 Magenspiegelung
94 Darmspiegelung
96 Bildgebende Verfahren
98 Funktions- und
Spezialuntersuchungen
103 Vorsorge und Früherkennung
109
109
110
113
120
129
139
143
148
KRANK? WAS SIE TUN KÖNNEN
Was hilft wie und vor allem wann
Erkrankungen der Speiseröhre
Erkrankungen des Magens
Funktionelle Magen- und DarmErkrankungen
Erkrankungen des Darms
Nahrungsmittelintoleranzen
Magen-Darm-Beschwerden bei
Kindern und Jugendlichen
Magen-Darm-Infekte
155 MEDIKAMENTE – WAS SIE WISSEN
SOLLTEN
155 Die wichtigsten Mittel –
eingeordnet und bewertet
160 Selbstmedikation
162 Magenrisiken und Magenschutz
163 Medikamententabellen
170
170
171
172
SERVICE
Tagebuch
Adressen
Register
ANMERKUNG
Aus Gründen der Vereinfachung und besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch der
behandelnde Arzt oder Therapeut immer in der maskulinen Form genannt. Diese
schließt selbstverständlich Ärztinnen und Therapeutinnen mit ein.
WIE WIR ESSEN
UND VERDAUEN
„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, sagt der Volksmund. Aber wann denken wir schon darüber nach, wie die Versorgung unseres Körpers genau vor sich geht? Welche Aufgaben
die Speiseröhre, der Magen-und Darm-Trakt, aber auch die Psyche
dabei übernehmen? Im Alltag halten wir es meistens für vollkommen selbstverständlich, dass alles perfekt zusammenspielt …
PRIMA, WENN ALLES GUT KLAPPT
„Glück besteht aus einem soliden Bankkonto, einer guten Köchin und einer tadellosen Verdauung“, wusste der französische Philosoph und Aufklärer JeanJacques Rousseau. Wie wichtig ein gut
funktionierendes Verdauungssystem tatsächlich für unser körperliches und seelisches Wohlbefinden ist, merken wir meist
erst dann, wenn „etwas nicht stimmt“.
Was, wenn „etwas nicht stimmt“?
Wenn wir zu viel gegessen haben und ein
unangenehmes Völlegefühl spüren, wenn
wir eine bestimmte Speise oder ein Getränk nicht vertragen, uns elend fühlen,
erbrechen müssen, unter Durchfall oder
Verstopfung leiden, den Appetit verlieren,
Bauchweh haben – dann erleben wir, dass
ein aus der Balance geratenes Verdau-
ungssystem die Lebensqualität von heute
auf morgen enorm beeinträchtigen kann.
Aber was tun, wenn man sich irgendwie
unwohl fühlt, aber nicht genau weiß, woran es liegt? Die Ernährungsgewohnheiten
umstellen? Stress im Job reduzieren? Sich
mehr bewegen? Es gibt tatsächlich verschiedene Möglichkeiten, die Magen- und
Darmgesundheit zu pflegen. Doch wenn
Verdauungsbeschwerden zum lästigen
Alltagsbegleiter werden, sollten Sie ärztlichen Rat suchen.
EIN SENSIBLES SYSTEM
Unser Verdauungssystem ist ein
sensibles und komplexes Netzwerk, in
dem verschiedene Organe und Prozesse
ineinander greifen und zusammenwirken.
Wie, das erfahren Sie in diesem Kapitel.
8
WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
DIE ANATOMIE DES MAGEN-DARM-TRAKTS
Egal, ob man den menschlichen Körper
von oben nach unten, von links nach
rechts, vorn oder hinten betrachtet – man
wird immer zu der Erkenntnis gelangen,
dass sich Magen und Darm so ziemlich
genau in unserer Körpermitte befinden.
Diese zentrale Lage unserer Verdauungsorgane korrespondiert mit der zentralen
Aufgabe von Magen und Darm, den gesamten Körper zuverlässig und rund um
die Uhr mit lebenswichtigen Nährstoffen
zu versorgen, die wir zum Beispiel für den
Blutkreislauf brauchen, zum Atmen und
Denken oder auch für die vielfältigen Bewegungen unserer gesamten Muskulatur.
Die verschiedenen Nährstoffe werden
aus den von uns verzehrten Speisen und
Getränken durch eine gut aufeinander abgestimmte Verdauungsarbeit gewonnen:
Wir essen zum Beispiel eine Scheibe Brot
oder einen Apfel, Magen und Darm zerlegen die von uns gekauten und heruntergeschluckten Bisse Schritt für Schritt und
über mehrere Stationen und Stunden in
winzige Bestandteile, sodass die Nährstoffe schließlich über die Schleimhaut
des Dünndarms in den Blutkreislauf „geliefert“ und von dort überall hin transportiert werden können, wo sie gebraucht
werden.
Vom Mund in die Speiseröhre …
Wenn wir Hunger und/oder Appetit haben
und etwas essen, dann teilen, schneiden
oder beißen wir uns die Nahrung zuerst in
mundgerechte Portionen und fangen dann
mit unseren Zähnen an, die Nahrung weiter zu zerkleinern, zu zerkauen und zu zermahlen. Feste Speisen mischen wir mit
Speichel und/oder Getränken, wobei der
Speichel gleich von mehreren verschiedenen Speicheldrüsen produziert wird. Die
Speichelbildung selbst ist übrigens auch
eng mit unserer Psyche verbunden –
denkt man zum Beispiel an etwas Leckeres oder Appetitliches, so läuft einem oft
schon automatisch das Wasser im Mund
zusammen.
Der Speichel sorgt dafür, dass die Speisen bereits im Mund leicht „vorverdaut“
werden. Das dafür zuständige Enzym
heißt Amylase und gilt in der Stressforschung auch als ein anerkannter Indikator
für Stress, was wiederum darauf hinweist,
dass auch Stress und unsere Verdauung
auf verschiedenen Ebenen miteinander
zusammenhängen.
Im Mund gelangt der zerkaute und
dann auch leicht vortemperierte Speisebrei in den Rachenraum. Hier wird der
Schluckreflex ausgelöst und der Speisebrei rutscht weiter in die Speiseröhre.
Die Speiseröhre ist ein ungefähr 25
Zentimeter langer dehnbarer muskulärer
Schlauch und verbindet den Rachen mit
dem Magen. Sie besteht aus mehreren
hoch spezialisierten Schichten (z. B. einer
Schleimhaut und einer Muskelschicht) mit
verschiedenen Aufgaben. In der Speiseröhre wird der zerkaute Speisebrei Stück
9
Mundhöhle
Speiseröhre
Leber
Gallenblase
Hauptgallengang
Zwölffingerdarm
Dickdarm
Magen
Bauchspeicheldrüse
Bauchspeicheldrüsengang
Dünndarm
Blinddarm
Wurmfortsatz
Enddarm
Anus
für Stück weitergeschoben, indem sich
die Speiseröhre abschnittweise verengt.
Alle Getränke sowie flüssigen Nahrungsstoffe rutschen dagegen mithilfe der
Schwerkraft mehr oder weniger direkt in
den Mageneingang.
WAS BLEIBT EIGENTLICH WIE
LANGE IM VERDAUUNGSTRAKT?
Die Verdauungszeit von Getränken und
Nahrungsmitteln kann ganz unterschiedlich sein und hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab – etwa davon, wie viel
Kohlenhydrate, Eiweiß oder Fett eine Speise enthält oder in welcher Kombination
mit anderen Speisen man sie zu sich
nimmt. Kräutertee zum Beispiel gelangt
schnell in den Darm und kann deshalb
dort bei Beschwerden auch zügig unterstützend und lindernd wirken, Fleisch dagegen braucht lange zum Verdauen, die
durchschnittliche Verweildauer im Dünndarm beträgt rund 6 Stunden, im Dickdarm 6 bis 7 Stunden.
… und weiter in den Magen und
Darm
Nach der vergleichsweise engen Speiseröhre bietet unser Magen – ein muskuläres und innen hohles Organ – deutlich
mehr Platz.
Ein durchschnittlicher Magen hat ungefähr ein Fassungsvermögen von 1,5 Litern, das ist etwa so viel wie ein großes
und ein kleines Tetrapak Saft. Der Magen
mit seiner dicken Magenschleimhaut produziert den salzsäurehaltigen Magensaft
sowie Enzyme, die verschiedene chemische Verdauungsprozesse einleiten und
beschleunigen.
Magen und Dünndarm sind im Gegensatz zum Dickdarm fast keimfrei und genau dafür sorgt der hohe Säuregehalt
des Magens. Der liegt nämlich bei einem
pH-Wert von 1 – 2 und macht somit eine
Ansiedlung jener Krankheitserreger unmöglich, die mit der Nahrung in den Körper gelangen. Auch der Magen schiebt
die Nahrung durch Kontraktionen seiner
10
WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
Mikroskopisches Bild
einer Darmzotte
Muskulatur weiter, jetzt in Richtung Zwölffingerdarm – so wird der obere erste Teil
des Dünndarms genannt.
Am Magenausgang (Seite 34) wird
der mit Magensaft vermischte Brei dann
portionsweise weiter in den Zwölffingerdarm abgegeben und von dort in den
Dünndarm, der in vielfachen Windungen
in der Mitte unseres Bauchraums liegt
(Abbildung rechts).
Im etwa sechs bis sieben Meter langen
Dünndarm finden nun die eigentlichen
Verdauungsprozesse statt, denn die meisten lebenswichtigen Nährstoffe gelangen
über den Dünndarm in unseren Körper.
Hier verbleibt die Nahrung etwa 6 Stunden, bevor sie vom Dünndarm weiter in
den Dickdarm gelangt.
INFO
Der etwa eineinhalb Meter lange Dickdarm umrahmt den Dünndarm wie eine
Art nach unten offenes U. Er hat hauptsächlich die Aufgabe, dem bis hierhin
gelangten Darminhalt das Wasser zu entziehen, was noch einmal etwa sechs bis
sieben Stunden dauert. Außerdem sind
im Dickdarm ca. 300 Trillionen Keime
(1,5 kg!) an der Verdauung und Synthese
bestimmter Nahrungssubstanzen beteiligt,
bis schließlich alle unverdaulichen Nahrungsbestandteile, Darmbakterien und
abgestorbenen Zellen zur Ausscheidung
vorbereitet werden.
Das letzte Stück des Dickdarms, das
Rektum, endet mit einem Schließmuskel
(Seite 34), sodass alle nicht mehr verwertbaren Darminhalte vom Körper kontrolliert
ausgeschieden werden.
Säuren und Basen – natürlich ausbalanciert
Die Magensäure und viele verschiedene Enzyme spielen im Verdauungstrakt
eine wichtige Rolle bei der Aufspaltung
der Nahrung.
Dabei funktionieren unsere Verdauungsorgane und ihre Verdauungssekrete nur bei ihren jeweils spezifischen
pH-Werten störungsfrei.
Auch jeder Nährstoff benötigt, um optimal verdaut werden zu können, sozusagen „sein“ spezielles Enzym, welches wiederum nur in einem bestimmten pH-Bereich aktiv und optimal wirksam wird.
Der pH-Wert gibt an, wie stark eine
Säure beziehungsweise eine Base wirkt
– die Skala reicht von 1 (stärkste Säure)
bis 14 (höchster basischer Wert). Bei
einem Mittelwert von pH 7 ist die Reaktion weder sauer noch basisch, sondern neutral.
Der Speichel ist zum Beispiel mit einem
pH-Wert von bis zu 5,8 leicht sauer.
Wenn wir unser Essen gut kauen,
steigt er bis auf 7,8 an, wird damit basisch und das wiederum schützt den
Zahnschmelz. Auch der pH-Wert des
Magens verändert sich – nüchtern liegt
11
er bei dem neutralen Wert von 7, mit
der Produktion von Magensäure sinkt
das Milieu ab bis pH 1. Mithilfe der
Magensäure werden die Eiweißstoffe
aufgeschlüsselt, gleichzeitig aber auch
in den Körper eindringende Krankheitserreger verdaut und unschädlich gemacht. Ein fein abgestimmtes Gleichgewicht, das spürbar „meldet“, wenn
es gestört ist: Zu viel Magensäure kann
sich nämlich als Sodbrennen merkbar
machen, zu wenig bringt die Nahrungsaufschlüsselung ins Stocken und das
Essen liegt uns noch nach Stunden
schwer im Magen.
Im Zwölffingerdarm schlägt der pHWert wieder in sein Gegenteil um,
denn hier geben Gallenblase und
Bauchspeicheldrüse ihre basischen
Sekrete an den Verdauungstrakt ab.
Der pH-Wert im Dickdarm ist abhängig
davon, was wir verzehrt haben: Bei erhöhter Eiweißzufuhr verändert sich der
pH-Wert in den basischen Bereich;
Kohlenhydrate wie Brot, Nudeln oder
Süßigkeiten verursachen ein eher saures Milieu.
Die Theorie der Trennkost geht davon
aus, dass für die Verdauung unterschiedlicher Nährstoffe jeweils ein anderes Milieu erforderlich ist und sich
daher bei gleichzeitiger Verdauung von
Eiweiß und Kohlenhydraten die Enzyme gegenseitig stören. Deshalb soll es
sinnvoll sein, Eiweiß und Kohlenhydrate getrennt zu sich zu nehmen. Dagegen spricht allerdings, dass nach aktuellem medizinischen Wissensstand
beides im Dünndarm verdaut wird –
mithilfe von Enzymen der Bauchspeicheldrüse, die im basischen pH-Bereich
des Dünndarms aktiv sind. Auch die
Vorstellung einer Übersäuerung des
Körpers ist aus wissenschaftlicher Sicht
nicht haltbar, da der menschliche Organismus äußerst wirksame Mechanismen zum Ausgleich des Säure-BasenHaushalts besitzt: Überschüssige Säuren puffert er ab und scheidet sie über
die Atmung und die Nieren aus.
12
WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
Schmecken und schlucken üben
wir schon im Mutterleib …
Neugeborene, Kleinkinder, Kinder und Jugendliche oder Erwachsene verschiedener
Altersgruppen: Das Thema Ernährung und
Verdauung begleitet uns Menschen ein
Leben lang. Von welcher zentralen Bedeutung es für unser Leben ist, wird auch
deutlich, wenn man sich noch einmal kurz
die embryonale Entwicklung des Menschen vergegenwärtigt.
Wir wissen heute, dass Ungeborene
schon im sechsten Monat am Daumen
lutschen und so ihren Saugreflex trainieren. Gegen Ende der Schwangerschaft
trinken Babys unermüdlich Fruchtwasser,
um es wieder auszuscheiden, und trainieren so Schluckreflex, Magen, Nieren und
Blase für ein eigenständiges Leben außerhalb des Mutterleibes.
Wissenschaftler haben zudem herausgefunden, dass Babys offenbar auch ihre
ersten Geschmackseindrücke schon im
Mutterleib sammeln. Aromastoffe aus süßen oder herzhaften Speisen gelangen ins
Fruchtwasser, werden dort geschluckt
und später, wenn die Kinder geboren sind,
gegenüber noch unbekannten Lebensmitteln und Geschmacksstoffen bevorzugt.
Unser Verdauungssystem brauchen wir
ein Leben lang
Sinnliche Eindrücke und Erfahrungen begleiten uns also ein Leben lang und haben
einen Einfluss auf unser Ernährungsverhalten und unsere Ernährungsgewohnheiten. Gleichzeitig ist es so, dass unser Ver-
dauungssystem in bestimmten Lebensabschnitten vor besondere Herausforderungen und Aufgaben gestellt ist:
Neugeborene, Säuglinge und Kleinkinder, deren Verdauungs- und auch Immunsystem oft noch nicht vollständig entwickelt ist, sind besonders empfindlich für
Magen-Darm-Infekte und gleichzeitig eher
gefährdet, unter Flüssigkeitsverlust und
folgend Dehydration zu leiden. Nicht zuletzt deshalb gibt es im Kapitel MagenDarm-Erkrankungen einen Extraabschnitt
für Kinder.
Auch alte und/oder chronisch kranke
Menschen sind oft anfällig für verschiedene Magen-Darm-Beschwerden wie z. B.
Schluckbeschwerden (Seite 68) oder Magen-Darm-Infekte (weitere Informationen
zu Infekten ab Seite 148).
Magen- und Darm-Beschwerden nehmen zu
Experten schätzen, dass etwa ein Drittel
der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland unter immer wieder auftretenden Beschwerden im Bauchraum leidet, wobei
sich nur bei etwa jedem fünften Patienten
mit wiederkehrenden Beschwerden eine
organische Ursache wie eine Entzündung
oder ein Geschwür (in seltenen Fällen ein
Krebs) feststellen lässt. Das bedeutet umgekehrt, dass bei vielen Patienten keine
eindeutige Ursache für ihre Beschwerden
feststellbar ist. Auf etwa 20 bis 25 Prozent
der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland trifft deshalb die Diagnose Reizdarmoder Reizmagensyndrom zu, das heißt,
die Betroffenen leiden unter belastenden,
XX
manchmal quälenden Beschwerden,
deren Ursprung dem Magen oder Darm
zugerechnet wird und für die sich keine
organpathologische – also durch eine
Erkrankung der Organe bedingte – Erklärung findet.
In der Altersgruppe der Über-50-Jährigen finden sich zudem bei etwa jedem
Zweiten in Deutschland sogenannte Divertikel – Ausstülpungen der Schleimhaut –
im Darm (mehr dazu ab Seite 130), die
meistens keine Beschwerden verursachen. Doch etwa 20 Prozent davon werden später zu Divertikelkranken mit Beschwerden wie Blähungen, Schmerzen,
Durchfall oder Verstopfung.
Auch Magen-Darm-Infekte treten in
Deutschland seit mehreren Jahren vermehrt und gehäuft auf. So erkrankten im
Herbst 2012 mehr als 11 000 Kinder an
Brechdurchfall – nach Angaben des
Robert-Koch-Instituts (RKI) handelte es
sich dabei um die bisher größte durch
Lebensmittel ausgelöste Infektionswelle
in der Bundesrepublik, alle Kinder waren
in Kantinen ihrer Schule oder ihrer Kindertagesstätte von einer Firma mit Essen
versorgt worden, die ihre tiefgefrorenen
Erdbeeren aus China bezogen hatte.
Untersuchungen des RKI erkannten
schließlich die mit Noroviren verunreinigten Tiefkühlerdbeeren als Ursache der
Infektionswelle.
Verschiedene Experten haben darauf
hingewiesen, dass sich infektiöse MagenDarm-Erkrankungen sowie massenhafte
Durchfallinfekte vermutlich auch in Zukunft nicht vermeiden lassen werden.
Um Durchfallepidemien möglichst frühzeitig einzudämmen und Betroffenen wirksam helfen zu können, ist eine zügige
Suche nach den Ursachen entscheidend.
Häufig hängen die Ursachen solcher gastrointestinalen Infekte mit unzureichenden
Hygienemaßnahmen zusammen – ein
wichtiges und aktuelles Thema der Infektiologie (die wichtigsten Hygienetipps
finden Sie auf Seite 38)
13
14
WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
ZENTRALER LEBENSSTILFAKTOR – UNSERE ERNÄHRUNG
Ob auf persönlicher, nationaler oder internationaler Ebene: Ernährung ist in den
vergangenen Jahrzehnten verstärkt zu einem zentralen Thema mit vielen verschiedenen Facetten geworden. Wichtige Fragen, die Experten und engagierte Menschen dabei weltweit beschäftigen, sind
zum Beispiel:
J Wie kann es gelingen, dass die Nahrungsmittel für alle Menschen auf unserem Planeten reichen und Hungersnöte
in Zukunft verhindert werden können?
J Wie hängen unsere Ernährungsgewohnheiten und der Klimawandel zusammen?
J Wie sieht eine moderne, gesunde und
verantwortungsbewusste Ernährungsweise aus?
J Welche Rolle spielt dabei unser Fleischkonsum?
J Wie groß ist der Einfluss von Ernährung auf bestimmte Erkrankungen oder
Erkrankungsrisiken?
J Wie beeinflussen gentechnisch veränderte Lebensmittel und die Massentierhaltung unsere Gesundheit?
J Welche globalen Transportwege legen
die Lebensmittel, die wir zu uns nehmen,
zurück?
Kluge und wissenschaftlich fundierte
Antworten auf diese Fragen zu finden, ist
ein schwieriges Unterfangen, zumal eindeutige Zusammenhänge zum Beispiel
zwischen Herkunft, Umweltbelastung,
Transportwegen und Lebensmittelqualität
kaum nachweisbar sind. Zu viele Wirkfaktoren und Wechselwirkungen gibt es, die
alle zu berücksichtigen und zu berechnen
wären. Dennoch ist es bedeutsam, sich
diese allgemeinen Rahmenbedingungen
unserer modernen Ernährung wenigstens
kurz zu vergegenwärtigen – auch, weil sie
relevant sind, wenn es zum Beispiel um
Lebensmittelskandale oder Magen-DarmInfekte geht, die möglicherweise durch
Erreger in bestimmten Lebensmitteln ausgelöst werden.
Einkaufstipps – von „Bio“ über
regional bis saisonal
Bioprodukte erobern zunehmend den
Markt. Gegenüber herkömmlichen Lebensmitteln weisen sie zwei Vorteile auf:
J Verbraucher von Biolebensmitteln können gezielt Produktionsbetriebe und Unternehmen unterstützen, die ökologische,
soziale und ethische Verantwortung übernehmen.
J Pestizide kommen in Bioware nur sehr
selten vor – die Schadstoffkonzentration
im Essen geht gegen null.
Zwischen 2002 und 2010 hat die Stiftung Warentest 85 große Tests verschiedener Lebensmittel durchgeführt und
dabei auch jeweils deren Qualität untersucht. Die interessante Bilanz: Biolebensmittel sind nicht unbedingt besser als herkömmliche Produkte – auf beiden Seiten
gibt es „sehr gute“, aber auch „mangelhafte“ Produkte, geprüft wurden unter
ZENTRA L E R L E B E N S ST I L F A KT O R – U N S E RE E R N Ä HR U N G
anderem der Schadstoffgehalt, Keime,
Geruch und Geschmack der Produkte.
Gut zu wissen: Wer beim Kauf von konventionell angebauten oder produzierten
Produkten – zum Beispiel auf Wochenmärkten – regional und im Einklang mit
den Jahreszeiten einkauft, verhält sich
ebenfalls umwelt- und gesundheitsbewusst. Denn: Höhere Pestizidbelastungen
treten meist bei Importen aus anderen
Ländern sowie außerhalb der Saison auf.
Eine gute Einkaufsstrategie ist daher: Aus
der Region für die Region und essen mit
den Jahreszeiten.
DIE WICHTIGSTEN QUALITÄTSSIEGEL
Das grüne EU-Bio-Logo in Blattform mit
Sternchen bedeutet, dass die Zutaten zu
95 Prozent bio sind und auf chemischsynthetische Pflanzenschutzmittel sowie
Gentechnik verzichtet wird. Die Tiere werden außerdem artgerecht gehalten und
bekommen nicht vorsorglich Medikamente. Eine Übersicht der wichtigsten Biosiegel bietet der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland unter www.bund.net/
themen_und_projekte/landwirtschaft/
service/biosiegel.
Essen – und sich etwas Gutes tun
Frische Lebensmittel einzukaufen, einen
leckeren Salat oder ein schönes Abendessen zuzubereiten, sich gesund zu ernähren – das ist nicht nur ein sinnliches und
oft ein geselliges Vergnügen, sondern
gleichzeitig auch immer eine Möglichkeit,
Leib und Seele etwas Gutes zu tun. Und
so manchen Verdauungsbeschwerden
kann man mit einer bewussten und abwechslungsreichen Ernährung sogar vorbeugen.
Ihr Körper hat in letzter Zeit vielleicht
öfter signalisiert, dass es gut wäre, wenn
Sie Ihrem Magen und/oder Darm etwas
mehr Aufmerksamkeit schenken? Das
könnte für Sie ein Anlass sein, jetzt die
eigenen Ernährungsgewohnheiten einmal
auf den Prüfstand zu stellen, vielleicht
sogar neue Wege beim Einkaufen und/
oder Kochen zu beschreiten. Vergessen
Sie dabei aber auf gar keinen Fall, dass
gesundes Essen und Trinken keine unangenehme Pflicht sind, sondern vor allem
Spaß machen sollen!
Ernährung als Basis für
Wohlbefinden
In diesem Zusammenhang ist es vielleicht
interessant für Sie, was Wissenschaftler
herausgefunden haben – nämlich: Lebensmittel, die wir in positiven Stimmungen zu uns nehmen, können über chemische Prozesse im Gehirn unsere Gemütslage beeinflussen. „Mood Food“ werden
solche Lebensmittel auch genannt, die einem besonders guttun. Vielleicht wissen
Sie ja auf Anhieb, welche Speisen oder
Getränke bei Ihnen gute Laune auslösen:
besonders leckere Pralinen oder ein schöner großer Burger? Das klingt zwar gewiss
nicht magenfreundlich, aber wenn Sie es
mengenmäßig mit dem Verzehr solcher
Lieblingsspeisen nicht übertreiben, dürfen
15
16
WIE WIR ESSEN UND VERDAUEN
BILD: Gesund essen auf einen Blick – der Ernährungskreis der DGE,
Erläuterungen im Text und unter www.dge.de.
Sie sich ruhig auf Ihren Appetit verlassen
– meistens spürt der Körper intuitiv, was
gerade gut für ihn ist und was nicht.
Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist eine zentrale Basis für körperliches Wohlbefinden, denn so wird der
Körper durch eine abwechslungsreiche
Ernährung mit allen Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen versorgt, die für
eine optimale Funktion aller Verdauungsorgane notwendig sind. Umgekehrt haben
einseitige Essgewohnheiten leider zur
Folge, dass der Körper einige Nährstoffe
im Überfluss bekommt, während ihm
andere wichtige Stoffe fehlen.
Auf Nummer Sicher gehen Sie, wenn
Sie sich mit Ihrer Ernährung an den Emp-
TIPP
fehlungen der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung e. V. (DGE) orientieren.
Die Lebensmittelgruppen des
Ernährungskreises
Der Ernährungskreis der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) unterscheidet zwischen Getränken (DGE-Ernährungkreis Gruppe 7) und Lebensmitteln
(1 – 6), die unterschiedlich viel Raum im
Kreis einnehmen.
Die Getränke im Zentrum (7) weisen
darauf hin, wie wichtig es für unseren Körper und für den Verdauungstrakt ist, jeden
Tag ausreichend viel zu trinken – mindestens 1,5 Liter, besser sogar 2 Liter Wasser,
ungesüßte Kräuter- oder Früchtetees pro
Viel trinken – wie wär es mit einem Tagesplan?
Bei Verdauungsproblemen wie z. B. Verstopfung (Seite 75) ist es besonders
wichtig, viel und regelmäßig zu trinken,
am besten stilles Wasser, Saftschorlen
oder ungesüßte Kräuter- und Früchtetees. Aber wie kann man das schaffen?
Zum Beispiel mithilfe eines Trinkplanes
und einer persönlichen Auswahl passender Getränke, denn über den Tag
verteilt sind 1,5 bis 2 Liter Flüssigkeit
pro Tag gar nicht so viel!
Wichtig: Falls Sie an einer Herzerkrankung (v. a. Herzinsuffizienz) leiden, sollten Sie die optimale Trinkmenge sicherheitshalber mit Ihrem Arzt besprechen!
J Direkt nach dem Aufstehen: Ein
großes Glas Wasser (200 ml).
J Zum Frühstück: Einen großen Becher Tee oder Kaffee (200 ml).
J Im Laufe des Vormittags: Einen
Becher oder sogar ein kleine Kanne
Früchte- oder Kräutertee oder einen
halben Liter Wasser (200 bis 500 ml).
J Zum Mittag: Ein Glas Saftschorle
(200 ml).
J Im Laufe des Nachmittags: 2 Gläser
Wasser oder 2 Becher Tee (400 ml).
J Zum Abendessen: Ein Glas Wasser
oder Tee (200 ml).
J Vor dem Schlafengehen: Eine Tasse
Tee oder warmes Wasser (200 ml).
Herunterladen