Geotechnische Grundlagen zur Gebirgslösung im Tunnelbau am Beispiel von klastischen Sedimentgesteinen Seminarvortrag am Institut für Angewandte Geologie der Universität für Bodenkultur in Wien am Mittwoch, den 22. Oktober 1997 von Kurosch Thuro* Zusammenfassung Bei den Voruntersuchungen zu großen Tunnelprojekten steht üblicherweise die Vorhersage der Stabilität des auszubrechenden Hohlraums im Vordergrund. Häufig ergeben sich allerdings auch Probleme bei der Wahl einer wirtschaftlichen Vortriebsmethode. Der richtigen Einschätzung der geomechanischen Eigenschaften von klastischen Sedimentgesteinen (Ton-Schluff-Steine, Sandsteine, Fanund Konglomerate) kommt dabei - nicht zuletzt auch aufgrund der weiten Verbreitung im Untergrund Deutschlands - eine entscheidende Bedeutung zu. Anhand von Fallstudien wird beispielhaft auf die geologischen Verhältnisse und die Zusammenhänge zwischen geomechanischen Gesteins- und Gebirgseigenschaften und vortriebsrelevanten Parametern (Bohrgeschwindigkeit, Fräsbarkeit und Werkzeugverschleiß) eingegangen. Abstract Usually the main subject in preliminary site investigations prior to major tunnelling projects is the prediction of tunnel stability. Frequently, problems connected with the choice of an economic tunnelling method have been encountered. The accurate assessment of the geomechanical properties of clastic sedimentary rocks (clay-siltstones, sandstones, fanglomerates and conglomerates) may be of great importance - especially because they are wide-spread in the German underground. With the help of case studies, the geological conditions and the correlation between geomechanical rock and rock mass behaviour on the one side and tunnelling parameters on the other will be discussed. 1 Einführung Bei den geotechnischen Voruntersuchungen zu großen Tunnelprojekten steht üblicherweise die Vorhersage der Stabilität des auszubrechenden Hohlraums im Vordergrund. Probleme der Gebirgslösung, also des Ausbruchs oder der Gewinnung, fristen demgegenüber eher ein Schattendasein. Unter dem Begriff der Gebirgslösung - der nicht streng definiert ist - verbirgt sich ein komplexes Wirkungsgefüge aus Ursachen und Wirkungen. Üblicherweise wird zwischen dem Bohr- oder Fräsfortschritt - also einem Leistungskriterium - und dem Verbrauch von Werkzeugstahl - meist der Bohrkronen- oder Meißelverschleiß - unterschieden. Dazu können noch Erschwernisse kommen, die sich durch das Gebirge beim Bohr- oder Fräsvorgang selbst oder erst beim Besetzen der Bohrlöcher oder beim Schuttern ergeben, z. B. in gestörtem oder quellfähigem Gebirge oder bei Schlammbildung im Fräsgut. Diese Erschwernisse werden häufig bei der Diskussion der Gebirgslöäsung außer acht gelassen, können jedoch unter ungünstigen Bedingungen für die Wirtschaftlichkeit ausschlaggebend sein. * Dipl.-Geol. Dr.rer.nat. K. Thuro, Lehrstuhl für Allgemeine, Angewandte und Ingenieur-Geologie,Technische Universität München, Lichtenbergstr. 4, D-85747 Garching, Tel: +49 89 289-13148 Fax -14382 Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 2 Geotechnik Maschinen Gestein & Gebirge Gerätschaft Verschleiß Gebirgslösung Geschwindigkeit Baubetrieb Logistik, Bedienung, Wartung Abb. 1: Schaubild zum Begriff „Gebirgslösung“ - drei Haupteinflußbereiche lassen sich unterscheiden. Es lassen sich drei Haupteinflußbereiche unterscheiden (Abb. 1), welche die Gebirgslösung beeinflussen: ð Gestein und Gebirge mit ihrer Ausbildung und den geotechnischen Parametern, ð die Gerätschaft bzw. den Maschinen mit denen der Ausbruch erfolgt und deren technischen Daten ð und der Baubetrieb mit seiner Logistik, dem Ineinandergreifen der Bauabfolgen und letztlich der Mannschaft, die die Geräte bedient und wartet. Die erzielbare Ausbruchsgeschwindigkeit und ebenso der Verschleiß der Geräte und Werkzeuge ist zunächst von der verwendeten Ausrüstung abhängig: von System und Leistung des Bohrhammers oder der Fräse, und von Materialgüte und Bauform der Bohrkrone oder des Meißels. Die Auswahl der Ausrüstung wird entscheidend von den geologischen Gegebenheiten beeinflußt. Gestein und Gebirge - sozusagen die geologischen Faktoren - bestimmen durch ihre spezifischen Materialeigenschaften (Mineralzusammensetzung, felsmechanische Eigenschaften, Ausbildung des Gesteins im Gebirgsgefüge) entscheidend die Bohrleistung, den Verschleiß und eventuelle Probleme beim Bohren und Besetzen der Bohrlöcher. Der dritte Faktor ist der Mensch, dem bei Betrachtungen der Gebirgslösung oft zu wenig Beachtung zukommt, obwohl es schließlich die Mineure sind, welche die Geräte bedienen und instand halten. Ohne eine eingespielte Mannschaft können trotz modernster und effektivster technischer Verfahren keine hohen Vortriebsleistungen erzielt werden - von unsachgemäßer oder nachlässiger Bedienung gar nicht zu reden. In Tab. 1 sind die Problemstellungen und deren Einflußfaktoren im Zuge der Planung zusammengestellt. Während der Wahl der wirtschaftlichen Vortriebsmethode in einem Gebirge bei der Planung meistens noch eine gewisse Priorität eingeräumt wird, werden spezielle Untersuchungen zum erzielbaren Bohr- oder Fräsfortschritt und zum Verschleiß der Werkzeuge momentan nur selten durchgeführt. Eine positive und mustergültige Ausnahme bilden die im Jahr 1995/96 durchgeführten Voruntersuchungen zum Schönbergtunnel/Umfahrung Schwarzach im Land Salzburg. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 3 Tab. 1: Übersicht über die Problemstellungen bei der Gebirgslösung im Zuge der Planung von Tunnelprojekten. Gebirgslösung Problemstellung Faktoren Methode Wahl einer wirtschaftlichen Vortriebsmethode Technische Faktoren Tunnellänge, Ausbruchsquerschnitt etc. Gebirge Gebirgs- & Gesteinseigenschaften (wie unten aufgeführt) Baufortschritt Abschätzung der Vortriebsgeschwindigkeit Baubetrieb & Logistik Gebirge & Gebirgsverhalten (Stabilität) Art und Umfang der Sicherungsmaßnahmen Abschätzung von Nettowerten wie m Netto-Bohrgeschwindigkeit (Bohren & Sprengen), m Fräsleistung (Teilschnittmaschine), m Penetration (Tunnelbohrmaschine) Technische Faktoren: Leistung der Maschinen, Art der Energieübertragung, Art und Anordnung der Werkzeuge Gesteinseigenschaften: Zähigkeit ð Zerstörungsarbeit (THURO 1996), Einaxiale Druckfestigkeit, Art des Bindemittels und Qualität der Kornbindung, Porosität / Porenvolumen (Trockenrohdichte) Gebirgseigenschaften: Abstand und Orientierung der Trennflächen, Anzahl der Trennflächenscharen, Verwitterung, Besonderheiten wie hydrothermale Zersetzung, Quellfähigkeit, etc. Verschleiß m Lebensdauer und Verbrauch von Bohrkronen, Rundschaftmeißel, Diskenmeißel (direkt an der Ortsbrust) Gesteinseigenschaften Mineralzusammensetzung, Verzahnungsgrad & Bindemittel (s.o.), Gesteinsabrasivität m Verschleiß an Material wie Gebirgseigenschaften Bohrstangen, Meißelhalter, Lager, Hy- Trennflächengefüge, Verwitterung, Besondraulik- und Antriebs-aggregate und derheiten (s.o.) andere verschleißrelevanten Maschinenteilen Bei der Wahl der wirtschaftlichen Vortriebsmethode stehen naturgemäß technische Faktoren des Bauablaufs und der Rentabilität - insbesondere bei kurzen Tunnellängen - im Vordergrund. Beispielsweise werden für die vergleichsweise immer relativ kurzen innerstädtischen Umfahrungstunnel selten Tunnelbohrmaschinen eingesetzt. Aber auch Gebirgs- und Gesteinseigenschaften bestimmen maßgebend die Wirtschaftlichkeit der Vortriebsmethode. Zur Abschätzung der Vortriebsgeschwindigkeit gehören neben dem Baubetrieb vor allem das geomechanische Gebirgsverhalten, welches die Art und den Umfang der Sicherungsmaßnahmen bestimmt. Über die Ermittlung von Nettowerten (Bohr-, Fräs-, Schneidegeschwindigkeit) können Abschlagszeiten oder Vortriebsleistungen abgeschätzt werden. Dazu sind sowohl eine Reihe von techni- Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 4 schen Faktoren erforderlich als auch die Gesteins- und Gebirgseigenschaften. Die Prognose des Verschleißes ist eine weitere Problemstellung, die im wesentlichen auf die Ermittlung der mineralogischen Zusammensetzung, den Verzahnungsgrad des Mikrogefüges, die Art des Bindemittels und die Qualität der Kornbindung sowie der Porosität zurückgeht. Neben Verschleißindices (z.B. dem Cerchar Abrasivitäts Index CAI) ist der äquivalente Quarzgehalt beispielsweise ein wichtiger Indikator (GEHRING 1995, THURO & SPAUN 1996). Anhand von zwei Projekten, dem Altenbergtunnel bei Idar-Oberstein und dem Meisterntunnel in Bad Wildbad, soll beispielhaft auf die geologischen Verhältnisse und die Zusammenhänge zwischen geomechanischen Gesteins- und Gebirgseigenschaften und vortriebsrelevanten Parametern wie Bohrgeschwindigkeit, Fräsbarkeit und Werkzeugverschleiß eingegangen werden. Den Hintergrund bilden Projektdaten aus dem Schönraintunnel, Nantenbacher Kurve bei Würzburg (POSCHER 1994, THURO 1996) und Achbergtunnel, Umfahrung Unken (LAABMAYR & EDER 1994, THURO 1996). Allen Projekten ist gemeinsam, daß sie ganz oder überwiegend in klastischen Sedimentgesteinen (Ton-SchluffSteinen, Sandsteinen, Fanglomeraten und Konglomeraten) aus dem Perm und dem Buntsandstein liegen. Diesem Gesteinstyp kommt im Untergrund Deutschlands aufgrund seiner weiten Verbreitung eine wichtige Bedeutung zu. Die richtige Einschätzung der geomechanischen Eigenschaften dieser Gesteine könnte damit bei künftigen Projekten helfen, Probleme der Gebirgslösung (d.h Probleme des Ausbruchs bzw. der Gewinnung) besser zu bewältigen. 2 Altenbergtunnel / Idar-Oberstein Die Problematik der Wahl der richtigen Vortriebsmethode soll am Beispiel des Altenbergtunnels, eines nur 320 m kurzen Straßentunnels erläutert werden. 2.1 Projektbeschreibung und geologische Verhältnisse Der Altenbergtunnel (320 m) stellt einen Teilabschnitt des Streckenausbaus der Bundesstraße B 41 nach Bad Kreuznach dar und begradigt die Strecke im Bereich der am östlichen Ortsausgang gelegenen Naheschleife mit einem Durchstichtunnel. Die Streckenführung beginnt im Westen mit einer neuen innerstädtischen Straßentrasse und führt über eine Brücke direkt in den Altenbergtunnel. Die schwach gekrümmte Tunnelachse verläuft in etwa West-Ost und mündet am Ostportal in einem Brückenbauwerk, das in einer langen Rampe auf das ursprüngliche Straßenniveau absinkt. Als Besonderheit ist zu erwähnen, daß annähernd parallel zur geplanten Trasse im Abstand zwischen 25 m im SW und 100 m im NE ein bereits Ende des letzten Jahrhunderts gebauter Eisenbahntunnel verläuft. Der Altenberg bei Idar-Oberstein, östlich des Stadtteils Struth gelegen, ist ein schmaler, etwa Nord Süd streichender, ca. 340 m hoher Felsrücken, der im Westen, Süden und Osten von der Nahe umflossen wird. An der Westseite des Altenbergs wurden in der Vergangenheit die Felswände durch die Erosion der Nahe unterschnitten und es kam zu größeren Felsstürzen. Der frühere Namen des Tunnels „Gefallener Felsen“ ist auf einen großen Bergsturzblock zurückzuführen, der im Bereich des Westportals lag und vor dem Tunnelanschlag entfernt werden mußte. Auf dieser Seite existieren noch Steilwände mit einer mittleren Neigung von 60°, während die Ostflanke mit einer mittleren Neigung von 30° flacher ausgebildet ist. Der Altenbergtunnel befindet sich nur wenig südlich des Hunsrücks, im nördlichen Teil des mit klastischen Rotliegend-Sedimenten und -Vulkaniten gefüllten Saar-Nahe-Troges. An der Oberfläche stehen hier überwiegend Fanglomerate an, die im allgemeinen ein Streichen von NE - SW aufweisen. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 5 Tab. 2: Wichtige Projektdaten des Altenbergtunnels in Kurzform. Übersicht Altenbergtunnel/Idar-Oberstein Zweck Begradigung der B 41 (Naheschleife) Länge 319,5 m, davon 299 m bergmännisch, 72 m max. Überlagerung Ausbruchsquerschnitt Kalotte ca. 50m², gesamt max. 92 m² Bauzeit (Vortrieb) Februar 1989 bis Juli 1989 Bauherr Bundesrepublik Deutschland, Straßenbauverwaltung Rheinland-Pfalz Straßenneubauamt Bad Kreuznach Abb. 2: Geologisches Übersichtsprofil des Altenbergtunnels mit Lageskizze (THURO 1996). Unter einem Fanglomerat wird hier ein klastisches Sedimentgestein verstanden, welches in der Regel unter wüstenhaften Bedingungen in großen Schuttfächern entstanden ist. Typischerweise ist es chaotisch zusammengesetzt: Es wird von Korngrößen von Ton-Schluffgröße bis in den Blockbereich hinein aufgebaut. Und als fossil gewordener Abtragungsschutt des umliegenden Gebirges besteht es aus ganz unterschiedlichen Komponenten: Quarziten, Gangquarzen, Porphyren, Basalten und anderen Vulkaniten sowie Schieferbruchstücken (Abb. 2). Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 6 2.2 Wahl einer wirtschaftlichen Vortriebsmethode Zur Wahl des wirtschaftlichen Ausbruchsverfahrens wurde zu Beginn des Tunnelvortriebs ein Fräsversuch mit einer Teilschnittmaschine mit 300 kW Schneidleistung und Querschneidkopf unternommen. Das Ergebnis ist in Abb. 4 zu sehen: Nach kürzester Zeit waren die Außenmeißel des Fräskopfes abgenutzt - bei gleichzeitiger äußerst unbefriedigender Fräsleistung. Quarzit 40% 18% Vulkanite verwittert 22% 10% 10% Gangquarz Vulkanite frisch Schiefer (Waderner Schichten/Idar-Oberstein) Abb. 3: Gesteinszusammensetzung des Fanglomerats (Rotliegendes der Waderner Schichten). Abb. 4: Abgenutzte Außenmeißel am Querschneidkopf der Teilschnittmaschine (300 kW Schneidleistung). Fräsversuch in Fanglomeraten der Waderner Schichten. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 7 Fanglomerat In Abb. 5 sind die einaxialen Druckfestigkeiten des Gesteins und der Komponenten aufgetragen. Die Druckfestigkeit des Gesteins (großer grauer Balken) liegt im mittleren Bereich und das Gestein hätte damit laut Leistungsangabe des Maschinenherstellers gut fräsbar sein müssen. Die hohen Festigkeiten von einzelnen Komponenten jedoch wirkten „wie ein Nagel im Brett unter einem Sägeblatt“. Die Maschine hat sich an den hochfesten Quarzitgeröllen im wahrsten Sinne des Wortes „die Zähne ausgebissen“. Quarzite Gangquarz Vulkanite (frisch) Vulkanite (verwittert) 0 50 100 150 200 einaxiale Druckfestigkeit [MPa] 250 Abb. 5: Einaxiale Druckfestigkeiten des Fanglomerats und seiner Komponenten (Punktlastfestigkeiten). Die Quarzite erreichen Festigkeiten bis 230 MPa! (Rotliegendes der Waderner Schichten). Das Leistungsdiagramm einer Teilschnittmaschine mit 300kW installierter Leistung, d.h. die Schneidoder Fräsleistung in Abhängigkeit der einaxialen Druckfestigkeit ist in Abb. 6 gegeben. Je nach Ausbildung des Gebirges, vor allem der Trennflächen, können ganz unterschiedliche Fräsleistungen erzielt werden. Das Gebirge im Altenbergtunnel war - und das dürfte ein ganz wesentlicher Punkt sein - weitestgehend frei von mechanisch wirksamen Trennflächen. In Abb. 7 ist der Einfluß des Trennflächengefüges genauer dargestellt. Bei gleicher Druckfestigkeit des Gesteins werden Fräsleistungen von bis zu 100% Spannweite erreicht. Maßgebend für hohe Fräsleistungen sind dabei Trennflächenabstände in der Größenordnung des Fräskopfes - also kleiner als etwa 60 cm. Erst dann ist die Maschine in der Lage, ganze Kluftkörper aus dem Gebirgsverband zu lösen und die Leistung steigt fast linear an. Die Gesteinseigenschaften sind dann nicht mehr maßgebend für die Löseleistung. Da Fanglomerate und Konglomerate im Perm und Buntsandstein sehr häufig massig (bis massig gebankt) auftreten, dürfte dies auch bei zukünftigen Projekten ein beachtenswertes Kriterium sein. Im Falle des Altenbergtunnels mußte der Vortrieb konventionell mit Bohren und Sprengen erfolgen. Die spezifischen Probleme, die bei dieser Vortriebsmethode auftraten, sind in THURO (1997) beschrieben. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 8 140 maximale Leistungskurve hohe Klüftigkeit, günstige Orientierung der Klüfte 120 mittlere Leistungskurve 100 minimale Leistungskurve geringe Klüftigkeit, ungünstige Orientierung der Klüfte 80 60 100 m3/h 40 35 m3/h einaxiale Druckfestigkeit [MPa] 160 20 0 0 50 100 150 3 Schneidleistung [m /h] 200 Abb. 6: Schneidleistungsdiagramm einer Teilschnittmaschine mit 300 kW installierter, elektrischer Leistung in Abhängigkeit der einaxialen Druckfestigkeit. Nach Angaben des Maschinenherstellers PAURAT (1995), umgezeichnet. 120 140% Gesteinseigenschaften maßgebend Fräsleistung [m3/h] 100 sehr hoch hoch 80 100% 60 Fräsen des Gesteins 40 Herauslösen von Kluftkörpern aus dem Gebirge 20 Gebirgseigenschaften maßgebend 50% 0,6 cm 2 cm 6,3 cm 20 cm 63 cm 200 cm mittel gering > 200 cm massig sehr weit weit mittel eng dicht sehr dicht Störung 0 Kluftabstände Abb. 7: Fräsleistung in Abhängigkeit des Durchtrennungsgrades (hier: Abstand der Klüfte). Teilschnittmaschine mit 300kW Schneidleistung Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 9 2.3 Verschleißcharakteristik von Fanglomeraten und Sandsteinen Welche Auswirkungen können nun die Gesteinseigenschaften auf den Verschleiß der Werkzeuge haben? Es stellt sich beispielsweise die Frage, ob diese groben Fanglomerate nur wie grobkörnige Sandsteine einzuschätzen sind, oder ob sie eine eigenständige Gesteinsgruppe mit eigenen felsmechanischen und technischen Eigenschaften darstellen. Verschleiß 2500 sehr gering Sandsteine Standzeit [m/Krone] 2000 st Po eige r o nd si t e ät "Hauptast" 1500 gering mittel 1000 hoch 500 Fanglomerate sehr hoch extrem h. 0 0 20 40 60 äquivalenter Quarzanteil [%] 80 100 Abb. 8: Bohrkronenverschleiß (als Gesamtstandlänge, d.h Standzeit) in Abhängigkeit des äquivalenten Quarzanteils in Sandsteinen und Fanglomeraten. Gestrichelt dargestellt ist der gesamte Hauptast (Fortsetzung der Kurve bei anderen Gesteinen). (4) Totalausbruch (3) Sprödbruch Fanglomerate (2) Kaliberverschleiß (5) Totalverschleiß (6) Schaftbruch (1) Normalverschleiß (2) Kaliberverschleiß (3) Sprödbruch (4) Totalausbruch Sandsteine (1) Normalverschleiß (6) Schaftbruch (5) Totalverschleiß Abb. 9: Verschleißcharakteristik von Bohrkronen in Fanglomeraten und Sandsteinen. Verschleißtypen siehe Tab. 4. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 10 In Abb. 8 ist der Bohrkronenverschleiß gegen den äquivalenten Quarzanteil aufgetragen. Der Bohrkronenverschleiß wird als mittlere Gesamtstandlänge (Standzeit) einer Bohrkrone in einem bestimmten Gestein (Gebirge) gemessen. Es sind zwei unterschiedliche Äste in dem Diagramm abgebildet: einer für die Fanglomerate und den Hauptast aller Gesteine sowie ein zweiter für die Sandsteine. Obwohl beide Gesteinsfamilien sich prinzipiell nur in der Korngröße unterscheiden, liegt der Verschleiß bei den Fanglomeraten wesentlich höher - ausgedrückt durch eine wesentlich niedrigere Standzeit der Bohrkronen. Vergleicht man die Verschleißcharakteristik (vgl. Tab. 4) beider Gesteinsfamilien, so wird der Unterschied deutlich: Während bei den Sandsteinen der Verschleiß des Trägermaterials der Bohrkrone (Kaliberverschleiß) durch die scheuernde Wirkung des Quarzsandes überwiegt, stehen bei den Fanglomeraten Brüche der Hartmetallstifte im Vordergrund. Auch hier kommt also der Maßstabseffekt voll zur Wirkung: m Die Komponenten in einem Fanglomerat sind in der gleichen Größenordnung wie das bearbeitende Werkzeug und führen zu einem vorzeitigen Verschleiß durch Kronenbrüche. m Die Körner in einem Sandstein sind klein gegen das bearbeitende Werkzeug und führen zu einer schleifenden Abnutzung der Krone. Die groben Komponenten in den Fanglomeraten steuern also die Eigenschaften bezüglich der Gebirgslösung. Daneben ist offensichtlich die Porosität des Gesteins von ausschlaggebender Bedeutung. Dieser Parameter wird im letzten Abschnitt noch eigens diskutiert. 3 Meisterntunnel / Bad Wildbad 3.1 Projektbeschreibung und geologische Verhältnisse Der Heilkurort Bad Wildbad im Schwarzwald, der auf eine über 600 Jahre alte Kurtradition zurückblicken kann, liegt im Herzen des Nordschwarzwaldes, etwa eine halbe Autostunde südlich von Pforzheim (Baden-Württemberg). Die Enge des rund 300 m tief eingeschnittenen Tales der Großen Enz führt dazu, daß im Ort selbst die Interessen von Individualverkehr und ruhesuchendem Kurgast auf engstem Raum kollidieren. Zur Verbesserung des Kurambientes wurde bereits in den frühen 60er Jahren das Konzept einer immissionsverringernden Teilortsumfahrung geboren. Im September 1994 wurde mit dem NÖT-Vortrieb des 1338 m langen, bergmännischen Abschnitts des innerstädtischen Entlastungstunnels begonnen. Der Mitte 1997 dem Verkehr übergebene Meisterntunnel umfährt heute den Kurort in einer insgesamt 1684 m langen Schleife. Die dabei angetroffenen klastischen Sedimente sind zeitlich ins Perm (Oberes Rotliegend - Zechstein) zu stellen und stellen den Abtragungsschutt des darunterliegenden variszischen Grundgebirges dar. Die äußerst wechselhaften geomechanischen Eigenschaften der einzelnen Schichtglieder sind dabei ursächlich mit deren Genese verknüpft: Es handelt sich - wie schon beim Altenbergtunnel - um terrestrische Bildungen, die unter wüstenhaften Bedingungen in Schuttfächern („alluvial fans“) abgelagert wurden. Die dabei ständig wechselnden und sehr kleinräumigen Ablagerungsverhältnisse führten dazu, daß sich in nur wenigen Metern mächtigen Lagen mürbe, tonig gebundene Fanglomerate mit festen Ton-Schluff-Steinen und unterschiedlich gut zementierten Sandsteinen abwechseln. Das granitische Ausgangsmaterial dieser Schichten bedingte dabei Quarzgehalte von bis über 75%. Zusätzlich wurden in der Abfolge konkretionäre Lagen von äußerst kompaktem, sehr hartem Dolomit sowie darin eingelagertem kryptokristallinem Quarz („Karneol“) angetroffen. Auch dieser Karneoldolomithorizont ist unter wüstenhaften Bedingungen als Kalkkruste an der Oberfläche gebildet worden. Bei der Dokumentation zeigte sich, daß das Gebirge über weite Bereich frei von ausgeprägten Kluftflächen war. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau Tab. 3: Wichtige Projektdaten des Meisterntunnels in Kurzform. Übersicht Meisterntunnel/Bad Wildbad Zweck Ortsumfahrung der L 350 Länge 1684 m, davon 1338 m bergmännisch Ausbruchsquerschnitt Kalotte ca. 45 m2, Größter Gesamtquerschnitt (Lüfterkaverne) bis 140 m2 Bauzeit (Vortrieb) September 1994 bis Oktober 1996 Bauherr Stadt Bad Wildbad Abb. 10: Geologisches Übersichtsprofil des Meisterntunnels mit Übersichtskarte (nach PLINNINGER 1997, verändert). 11 Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 12 3.2 Einflüsse auf die Wahl des Vortriebsverfahrens Zunächst war vorgesehen, den Vortrieb mit einer 300 kW starken Teilschnittmaschine Paurat E242B mit Längsschneidkopf (Abb. 11) durchzuführen. Nach zwei kurzen Probeabschnitten, die geringe Bruttoschneidleistungen von rund 13 m³/h ergeben hatten, ließ man dieses Vortriebskonzept jedoch fallen und stellte auf einen konventionellen Bohr- und Sprengvortrieb um. Wie bereits in der Einleitung dargestellt, führt das massige, weitgehend ungeklüftetes Gebirge dazu, daß sich die Schneidleistungen der Teilschnittmaschine an der „Minimum“-Kurve des in Abb. 12 dargestellten Schneidleistungsdiagrammes orientieren. Die zusätzlich in Wildbad noch horizontbeständig auftretenden Lagen von bis zu 150 MPa festem Karneoldolomit und bis 90 MPa festen Ton-Schluff-Steinen bildeten Hindernisse, aufgrund derer die Schneidleistung der Teilschnittmaschine unter die Grenze der Wirtschaftlichkeit rutschen mußte. Abb. 11: Ansicht der Teilschnittmaschine Paurat E 242B (nach PAURAT 1995). einaxiale Druckfestigkeit [MPa] 160 140 m hohe Gesteinsdruckfestigkeit m massiges Gebirge 120 100 80 60 40 Max 20 Min 13 m³/h 0 0 unwirtschaftliche Schneidleistung 50 Paurat E 242B (300 kW) 100 150 3 Schneidleistung [m /h] 200 Abb. 12: Schneidleistungsdiagramm der Teilschnittmaschine E 242B. Die geomechanischen Eigenschaften des angetroffenen Gebirges führten zu einer nicht wirtschaftlichen Fräsleistung von rd. 13 m3/h. 3.3 Einfluß auf den Bohr- und Sprengvortrieb Nachdem man auf einen konventionellen Vortrieb umgestellt hatte, verlief der weitere Vortrieb problemlos. Zum Einsatz kam ein Bohrwagen vom Typ Atlas-Copco Rocket Boomer 352 mit zwei Bohrlafetten, die mit jeweils einem Bohrhammer COP 1440 T05 bestückt waren. Auch den hohen Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 13 Anforderungen, die die Unterfahrung einer in Betrieb befindlichen Kurklinik bei einer äußerst geringen Felsüberlagerung von nur etwa 15 m stellte, wurde diese Vortriebsweise dank sprengtechnischer Maßnahmen und ständiger Überwachung gerecht (Einen ausführlichen Bericht hierzu bringt ARNOLD 1995). Die weiterhin baubegleitend durchgeführte ingenieurgeologische Baudokumentation erbrachte jedoch zahlreiche Ergebnisse, die nicht in das bekannte Schema zu passen schienen. Bohrgeschwindigkeit Üblicherweise besteht zwischen der Bohrgeschwindigkeit, die ein Bohrgerät erreicht und den geomechanischen Gesteinseigenschaften ein enger Zusammenhang. Die Zerstörungsarbeit (nach THURO 1996) stellt dabei ein hochsignifikantes Maß für die zu erwartende Bohrleistung dar (Abb. 13). Im Falle des Meisterntunnel-Vortriebes liegen die ermittelten Punkte jedoch so weit außerhalb der Norm, daß weder die natürliche Wertestreuung, noch Meßfehler eine Erklärung liefern konnten. Ein ebenfalls ungewöhnliches Phänomen war die stark differierende Bohrgeschwindigkeit zweier baugleicher, jedoch unterschiedlich stark abgenutzter Bohrkronen, die auf identischen Bohrhämmern eingesetzt wurden. Entgegen der Erwartungen erzielten Bohrkronen, die bereits seit mehreren Abschlägen eingesetzt wurden, erheblich höhere Bohrgeschwindigkeiten als fabrikneue Kronen. Bohrgeschwindigkeit Bohrgeschwindigkeit [m/min] 5 Meisterntunnel 4 sehr hoch hoch 3 mittel 2 bisherige Tunnelprojekte gering 1 sehr gering COP 1440 - 20 kW 0 0 100 200 300 400 500 3 Zerstörungsarbeit Wz [kJ/m ] Abb. 13: Zusammenhang von Bohrgeschwindigkeit und Zerstörungsarbeit für bisher untersuchte Tunnelprojekte (gestrichelt) und das Projekt Meisterntunnel/Bad Wildbad (schwarz). Bohrkronenverschleiß Auch bei der Begutachtung der Verschleißform der Stiftbohrkronen stellten sich ungewöhnliche Formen des Werkzeugverschleißes heraus: Generell handelte es sich um einen für weniger harte Sandsteine typischen Verschleiß des Werkzeugträgermaterials (Verschleiß-typ 2, siehe Tab. 4). Das Ungewöhnnliche bei diesem Projekt war jedoch eine trompetenförmige Erweiterung der an der Stirnseite der Krone austretenden Spüllöcher (Typ 2b). Wie die Schnitte (Abb. 14) zeigen, ging dies bei 8-Stift-Kronen bis hin zur völligen Abtragung des Kronenzentrums (Typ 2c). Bei allen Kronen führte dieser Effekt sehr frühzeitig zum Verlust der zentralen Hartmetallstifte. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 14 Tab. 4: Verschleißcharakteristik von Bohrkronen - incl. Sonderformen 2 b) und 2 c). Verschleißcharakteristik von Stiftbohrkronen 1 Normaler Verschleiß Verschleiß der Hartmetallstifte - Abstumpfung 2 Kaliberverschleiß + Sonderformen 2 a) Verschleiß des Trägermaterials (v.a. Schaft) 2 b) trompetenartige Erweiterung der Spüllöcher 2 c) Verlust der Mittelstifte (Trompetenbildung) 3 Sprödbruch Bruch von Stiften aufgrund hoher Scherbelastung 4 Totalausbruch Herausreißen von Stiften aus dem Trägermaterial 5 Totalverschleiß Abnutzung der Bohrkrone bis zur Basis der Stifte 6 Kronenschaftbruch Bruch des Schafts unterhalb des Stiftbereichs Abb. 14: Typische Verschleißformen von Stiftbohrkronen ∅ 45mm aus dem Meisterntunnel-Vortrieb. Vor allem bei der 8-Stift-Krone (links) wird die trompetenförmige Erweiterung der zentralen Spülöffnungen deutlich. Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 15 Verschleiß 2500 sehr gering Sandsteine "Hauptast" Standzeit [m/Krone] 2000 gering 1500 mittel Fanglomerate 1000 hoch 500 483 m/Krone sehr hoch ∅ 64 % extrem h. 0 0 20 40 60 äquivalenter Quarzanteil [%] 80 100 Abb. 15: Bohrkronenverschleiß (als Gesamtstandlänge, d.h Standzeit) in Abhängigkeit des äquivalenten Quarzanteils in Sandsteinen und Fanglomeraten. Der in den Gesteinen des Meisterntunnels ermittelte äquivalenter Quarzanteil ist als schwarzer Punkt eingetragen (Sandsteine), der für diese Gesteine charakteristische Schätzwert als grauer Punkt auf dem Sandstein-Ast. Dieser - bisher tatsächlich nur am Meisterntunnel beobachtete Effekt - bot aber auch eine Erklärung für all die bisher beschriebenen Phänomene. Heute sind wir der Ansicht, daß diese „von innen angreifende“ Abrasion der Spüllöcher durch feinstkörnige Quarzpartikel verursacht wurde, die im Spülwasser mitgeführt wurden. Als Spülwasser wurde beim Vortrieb ausschließlich Tunnelsickerwasser verwendet, das in offenen Gerinnen abgeleitet wurde. Hier konnte sich feiner Quarzstaub niederschlagen, der z.B. beim Sprengen entstanden war und durch den Fahrzeugverkehr ständig wiederaufgewirbelt wurde. Durch die Erweiterung der Spülöffnungen könnte sich das Spülsystem soweit verbessert haben, daß sich in den überwiegend tonig gebundenen Sedimenten tatsächlich verbesserte Bohrleistungen ergaben. Als negative Folge dieses nicht nur von der Gebirgsseite, sondern zusätzlich auch von Innen heraus angreifenden Verschleißvorgangs sank jedoch auch die Standzeit der Einzelbohrkronen auf knapp 500 m/Krone. Für das Projekt „Meisterntunnel Bad Wildbad“ läßt sich also zusammenfassend aussagen, daß in diesem speziellen Fall die Bohrgeschwindigkeit höher und weniger von den geomechanischen Gesteinseigenschaften gesteuert wurde, als dies die Laboruntersuchungen erwarten ließen. Der bisher unseres Erachtens unterschätzte Einfluß des Spülsystems wird u.a. durch die Verschleißform und deren Auswirkung deutlich. 4 Einfluß der Porosität am Beispiel von vier Tunnelprojekten Aus dem vorangegangenen Abschnitt könnte nun der Eindruck entstehen, daß es wohl doch eher technische denn geologische Gründe sind, die Bohrgeschwindigkeit und Verschleiß steuern. Es ist zwar sicher so, daß technische und geologische Parameter eng ineinander greifen. Aber der primäre Grund, weshalb die Fanglomerate und mürben Sandsteine des Wildbader Vortriebs durch den verstärkten Wasserstrahl zusätzlich gelöst werden konnten, ist ihr überwiegend toniges Bindemittel. Auffällig bei der Gesteinsansprache der Sandsteine war die wechselnde Porosität und die ganz offensichtlich davon abhängige Festigkeit, die schon mit den Händen bzw. dem Geologenhammer getestet werden konnte. Daher wurde bei allen Projekten neben den üblichen felsmechanischen Kennwerten das Porenvolumen (Porenraum) über den Wasseraufnahmeversuch und die Trockenrohdichte be- Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 16 stimmt. Zusätzlich wurden die Proben unter dem Rasterelektronenmikroskop betrachtet, um einen räumlichen Eindruck der Porosität und der Zusammensetzung des Bindemittels zu gewinnen. Der Unterschied zwischen geringer und großer Porosität wird in den RasterelektronenmikroskopFotos der Abb. 16 bis 18 deutlich. Beim Ton-Schluff-Stein der Abb. 16 besteht die Matrix zwar nur aus Tonmineralen, jedoch ist das Porenvolumen durch die extrem dichte Lagerung sehr gering. Möglicher Grund dürfte die ehemals hohe Überlagerung von bis zu 1,3 km mesozoischer Sedimentgesteine sein. In Abb. 17 ist eine kompakte, dolomitischer Konkretion des Karneoldolomithorizontes mit einem sehr dichten Gefügeverband aus überwiegend Dolomit, Tonen bzw. Glimmer und wenigen eingebetteten, großen Quarzsandkörnern zu sehen. Bei Abb. 18 ist ein insgesamt lockeres Gefüge mit einem überwiegend tonigen, untergeordnet silikatischen Bindemittel sichtbar (Feinsandstein). Die höchste Porosität ist in Abb. 19 zu erkennen. Das lockere Gefüge entsteht durch groben Granitbruchstücke und das dazwischen auftretende, überwiegend tonige, untergeordnet silikatische Bindemittel. Abb. 16: Ton-Schluffstein. Tonstein, in dem die extrem dichte Matrix nur aus Tonmineralen besteht. Geringe Porosität. Untere Bildkante 0,3 mm. Abb. 18: Feinsandstein. Quarzsandstein mit tonigem Bindemittel in mitteldichtem Gefügeverband. Mittlere Porosität. Untere Bildkante 0,3 mm Abb. 17: Karneol-Dolomit. Sehr dichter Gefügeverband aus überwiegend Dolomit, Tonen bzw. Glimmer und wenigen eingebetteten, großen Quarzsandkörnern (Bildmitte). Geringe Porosität. Untere Bildkante 1,6 mm. Abb. 19: Granitfanglomerat. Überwiegend toniges, untergeordnet silikatisches Bindemittel mit insgesamt lockerem Gefüge. Hohe Porosität. Untere Bildkante 0,4 mm. Die Abhängigkeit der technischen Kennwerte Bohrgeschwindigkeit und Bohrkronenstandzeit vom Porenvolumen wird in den nachfolgenden Diagrammen deutlich. Die zusätzlichen Werte stammen aus den Projekten Schönraintunnel (Nantenbacher Kurve bei Würzburg) und Achbergtunnel (Umfahrung Unken, Land Salzburg). Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 17 Sowohl die Standzeit der Bohrkronen als auch die Bohrgeschwindigkeit (Abb. 20 und Abb. 21) steigen mit zunehmender Porosität. Die Trockenrohdichte, die in etwa dem nutzbaren Porenvolumen entspricht, wurde als zweite x-Achse aufgetragen. Auch die Werte von einaxialer Druckfestigkeit, Spaltzugfestigkeit, Elastizitätsmodul und Zerstörungsarbeit nehmen dabei überproportional mit sinkendem Porenvolumen zu (Abb. 22 und Abb. 23). Die angegebenen Regressionskurven sind allerdings wegen der geringen Anzahl der Werte nur als generelle Trends zu werten, nicht als statistisch gesicherte Gesetzmäßigkeiten. Trotzdem lassen die hohen Werte des Bestimmtheitsmaßes den Schluß zu, daß es sich hierbei nicht um eine zufällige Abhängigkeit handelt. 2 Trockenrohdichte [g/cm3] 2,2 2,3 2,4 2,1 2,5 2,6 Verschleiß 2000 Standzeit [m/Krone] defektes Bindemittel gering 1500 mittel 1000 ste i Por gende osi tät hoch kompakt 500 sehr hoch extrem h. 0 25 20 15 10 5 0 Porenvolumen [%] Abb. 20: Einfluß der Porosität auf die Bohrgeschwindigkeit. 2 Trockenrohdichte [g/cm3] 2,2 2,3 2,4 2,1 2,5 2,6 Verschleiß 2000 Standzeit [m/Krone] defektes Bindemittel gering 1500 mittel 1000 ste i Por gende osi tät hoch kompakt 500 sehr hoch extrem h. 0 25 20 15 10 5 Porenvolumen [%] Abb. 21: Einfluß der Porosität auf den Bohrkronenverschleiß (die Standzeit). 0 Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 18 Trockenrohdichte [g/cm3] 2 2,1 2,2 2,3 2,4 Trockenrohdichte [g/cm3] Druckfestigkeit 2,5 2,6 2 nach ISRM 120 Kurvengleichung y=a+b⋅ln x 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Kurvengleichung y=a+b⋅ln x sehr hoch 100 80 8 hoch 60 mittel 40 10 SPZ [MPa] UCS [MPa] 2,1 12 6 4 Tonschluffstein Tonschluffstein y σ(n-1)= 8,1 MPa n=8 R2=95% p=0,02% 20 yσ (n-1)= 1,3 MPa n=8 R2=87% p=0,08% 2 niedrig sehr niedrig 0 0 25 20 15 10 Porenvolumen [%] 5 0 25 20 15 10 Porenvolumen [%] 5 0 Abb. 22: Druck- und Spaltzugfestigkeit von Sand- und Tonschluffsteinen, aufgetragen gegen das Porenvolumen. Trockenrohdichte [g/cm3] 2 2,1 2,2 2,3 2,4 Trockenrohdichte [g/cm3] 2,5 2,6 2 35 2,2 2,3 2,4 2,5 2,6 Kurvengleichung y=a+b⋅ln x Kurvengleichung y=a+b⋅ln x Zerstörungsarbeit Wz [kJ/m3] 30 Elastizitätsmodul [GPa] 2,1 250 25 20 15 Tonschluffstein 10 yσ(n-1)= 4,1 GPa n=8 R2=83% p=0,14% 5 0 200 150 100 50 Tonschluffstein yσ(n-1)= 29,6 kJ/m3 n=8 R2=83% p=0,15% 0 25 20 15 10 Porenvolumen [%] 5 0 25 20 15 10 Porenvolumen [%] 5 Abb. 23: Elastizitätsmodul und Zerstörungsarbeit von Sand- und Tonschluffsteinen, aufgetragen gegen das Porenvolumen. Der Einfluß des Porenvolumens läßt sich unter dem Rasterelektronenmikroskop eindrucksvoll belegen. Alle untersuchten Sandsteine waren - zumindest ursprünglich - silikatisch gebunden. Eine tonige Bindung trat nur sekundär bei einem mürben, entfestigten Sandstein aus einer Störungszone (Schönraintunnel, Nantenbacher Kehre) auf und natürlich bei den Tonschluffsteinen. 0 Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 19 Abb. 24: Sehr harter, quarzitischer Sandstein bei 135 facher Vergrößerung. Das Bindemittel füllt die Zwikkel zwischen den Körnern praktisch zu 100% aus, es sind keine Körner oder Poren zu sehen. Die Oberfläche wird durch Intragranularbrüche gebildet (untere Bildkante ca. 1 mm). Abb. 25: Fester, pröser Sandstein bei 135facher Vergrößerung. Das Bindemittel erfüllt die Zwickel zwischen den Körnern nicht völlig, geht aber noch wesentlich über die bloßen Korn-Korn-Kontaktstellen hinaus. Deutlich sind Quarz-Hexaeder und feines, granulatartiges Bindemittel zu sehen (untere Bildkante ca. 1 mm). Abb. 26: Mürber Sandstein mit weggelöstem „defektem“ Bindemittel aus einer Störungszone bei 35facher Vergrößerung. Es ist praktisch kein Bindemittel zu sehen. Lediglich die Kontaktstellen zwischen den Körnern sind noch schwach verkittet. Die Oberflächen der Körner sehen schmutzig-tonig aus (untere Bildkante ca. 5 mm). Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 20 Abb. 27: Silikatisches Bindemittel des festen, porösen Sandsteins (Abb. 25) bei 1200facher Vergrößerung. Das Bindemittel wächst zunächst in Form von kleinen Quarzkristallen auf der Kornoberfläche, um schließlich zu einem großen Kristall (vgl. Abb. 25) zusammenzuwachsen (untere Bildkante ca. 0,1 mm). Abb. 28: Toniges Bindemittel des mürben Sandsteins (Abb. 26) bei 1200facher Vergrößerung. Kaolinitkristalle wachsen in der Zwillingslamellierung eines verwitterten Plagioklaskristalls. Die feinen Schüppchen werden wahrscheinlich durch Wasser in die Kornzwischenräume transportiert. (untere Bildkante ca. 0,1 mm). Abb. 29: Sekundär gesproßtes, calcitisches Bindemittel (Rhomboeder) im mürben Sandstein (Abb. 26) bei 900facher Vergrößerung. Durch die karbonatreichen Wässer können kleine Calcitrhomboeder in den Kornzwischenräumen wachsen (untere Bildkante ca. 0,14 mm). Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 21 In Abb. 24 ist ein sehr harter, „quarzitischer“ Sandstein bei 130facher Vergrößerung zu sehen. Das Bindemittel füllt die Zwickel zwischen den Körnern vollständig aus, es sind weder Körner noch Poren zu sehen. Die Oberfläche wird durch Intragranularbrüche der Quarzkörner und des silikatischen Bindemittels gebildet. Bei dem festen, porösen Sandstein (Abb. 25, 130fache Vergrößerung) erfüllt das Bindemittel die Zwickel zwischen den Körnern nicht völlig, geht aber noch wesentlich über die bloßen Korn-Korn-Kontaktstellen hinaus. Deutlich sind Quarz-Hexaeder und feines, granulatartiges Bindemittel zu sehen. Im mürben Sandstein (Abb. 26, 30fache Vergrößerung) ist praktisch kein Bindemittel mehr zu sehen. Dieser Sandstein stammt aus der zentralen Störungszone im Schönraintunnel. Begleitende hydrothermale Aktivität deutet auf eine Weglösung des ursprünglich silikatischen Bindemittels hin (=„Defekt“). Lediglich die Kontaktstellen zwischen den Körnern sind noch schwach verkittet. Die Oberflächen der Körner sehen schmutzig-tonig aus. Die weiteren Bilder zeigen die unterschiedlichen Bindemittel in höherer Vergrößerung. In Abb. 27 ist das feine silikatische Bindemittel des festen, porösen Sandsteins bei 1200facher Vergrößerung zu sehen. Das Bindemittel wächst zunächst in Form von kleinen Quarzkristallen auf der Kornoberfläche, um schließlich zu einem großen Kristall (vgl. Abb. 25) zusammenzuwachsen. Das tonige Bindemittel des mürben Sandsteins (Abb. 28, 1200fache Vergrößerung) wird durch feine Tonblättchen gebildet. Kaolinitkristalle wachsen auf einem verwitterten Plagioklaskristall und zeichnen seine Zwillingslamellierung nach. Die feinen Schüppchen werden wahrscheinlich durch Wasser in die Kornzwischenräume gespült. In den Kornzwischenräumen des mürben Sandsteins (Abb. 29, 900fache Vergrößerung) wachsen sekundär kleine Calcit-Rhomboeder auf. Das calcitische Bindemittel wird dabei sicher durch die karbonatreichen Wässer antransportiert. 5 Schlußbetrachtung In den Betrachtungen der vorliegenden Fallstudien können vor allem die folgenden drei Punkte hervorgehoben werden: 1. Maßstabseffekt Bei der Betrachtung von Phänomenen der Gebirgslösung kommt dem Maßstabseffekt eine außerordentliche Bedeutung zu. Die Größenordnung der Phänomene spielt dabei für die Charakterisierung des Problems eine wesentliche Rolle. Die Voruntersuchungen zum Zwecke der Gebirgslösung, bei denen der Betrachtungsmaßstab in der Größenordung von Zentimetern bis Dezimetern liegt, müssen einen anderen Schwerpunkt haben als Voruntersuchungen für die Stabilitätsabschätzung in einem auszubrechenden Hohlraum, bei denen Größenordnungen von einigen Metern bis Zehnermetern im Vordergrund stehen. Durch den Einfluß des Maßstabseffekts ist es unmöglich, mit dem gleichen Voruntersuchungsprogramm, das für eine Prognose der Gebirgsstabilität (im 10er-Meter-Bereich) ausgelegt ist, die Prognose für die Gebirgslösung (im Meter- und Zentimeterbereich) nebenbei mit zu erledigen 2. Geologische Diversität Ein Untersuchungsprogramm sollte von einem erfahrenen Ingenieur-Geologen betreut werden und sollte sich auf die geologischen Bedingungen des Projektareals und dessen besonderen Problem konzentrieren. Der Einfluß der Phänomene des Gebirges auf die Gebirgslösung kann ungleich größer sein als der der felsmechanischen Kennwerte des Gesteins. Geologische Probleme können die Wirtschaftlichkeit eines Vortriebs sehr schnell in Frage stellen, insbesondere dann, wenn es sich herausstellt, daß für die vorliegenden (nicht vorhergesehenen) Untergrundverhältnisse ein ungeeignetes Vortriebsverfahren gewählt worden ist. Deshalb sollte in einem Vorerkundungsprogramm der Unter- Thuro: Gebirgslösung im Tunnelbau 22 suchung der geologisch-petrographischen Aspekte das gleiche Gewicht beigemessen werden wie der Ermittlung der geotechnischen Kennwerte des zu durchörternden Gebirges. 3. Repräsentative Probennahme Scheinbar eine Binsenweisheit - aber trotzdem immer noch der häufigste Fehler bei Voruntersuchungen. Eine nicht repräsentative Probennahme zusammen mit einer zu geringen Anzahl von Felstests kann ein verzerrtes oder gar falsches Bild der tatsächlichen geotechnischen Situation wiedergeben. In einem Untersuchunsprogramm sollten immer für jeden notwendigen Parameter sowohl der durchschnittliche Kennwert als auch Minimal- und Maximalwerte angegeben sein. In jedem Fall ist es notwendig, die härtesten und weichesten Lagen oder Komponenten zu suchen und - so irgend möglich - sowohl mit einfachen Feldmethoden (auch der Hammerschlag ist ein wirksamer „Feldtest“) als auch mit Labormethoden - Kennwerte zu ihrer Charakterisierung zu ermitteln. Unserer Erfahrung nach werden die meisten Probleme im Zuge der Gebirgslösung durch eine Fehleinschätzung der geologischen Parameter bzw. Umstände verursacht. Zunächst müssen die geologischen Grundlagen der Gebirgslösung untersucht und verstanden werden, bevor geotechnische Kennwerte erhoben und interpretiert werden können. 6 LITERATUR ARNOLD, K. (1995): Sprengvortrieb eines Verkehrstunnels bei extremen Bedingungen für den Immissionsschutz. - Nobel Hefte, 3, 100-111. GEHRING, K. (1995): Leistungs- und Verschleißprognosen im maschinellen Tunnelbau. - Felsbau, 13, 439-448. LAABMAYR, F. & EDER, M. (1994): Achbergtunnel - ein Tunnelbau in einer großen Störungszone der nördlichen Kalkalpen. - Tunnel, 2, 44-50. PAURAT (1995): Tunnelvortriebsmaschine mit teleskopierbarem Schneidausleger für große Querschnitte E 242. Datenblatt. Schneidleistungstabelle. - 3 S., Paurat GmbH, Nordstraße 73, D46562 Voerde. PLINNINGER, R. J. (1997): Meisterntunnel Bad Wildbad/Schwarzwald: Regionalgeologische und ingenieurgeologische Erkenntnisse im Zuge der Auffahrung des Innerstädtischen Entlastungstunnels. - 130 S., Dipl.Arb. und Dipl.Kart. TU München (unveröff.). POSCHER, G. (1994): Tunnelvortrieb in einem Grabenbruchsystem bei hohen horizontalen Primärspannungen. - Felsbau, 12, 269-274. STADT BAD WILDBAD (1997): Meistern-Tunnel: Chronik-Dokumentation-Perspektiven 1994-1997, Bad Wildbad (Hrsg. Stadtverwaltung Bad Wildbad), 1997 THURO, K. & SPAUN, G. 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