Kapitel 2 Zahlen, Folgen, Reihen I n diesem Kapitel wird nun wirklich der Grundstein der Analysis gelegt, darüber hinaus sollten wir uns noch etwas den verschiedenen Zahlbereichen widmen. Mit natürlichen Zahlen rechnet man bereits in der Volksschule; weil mit ihnen aber viele Gleichungen nicht lösbar sind, werden ganze und rationale Zahlen eingeführt. Auch die rationalen Zahlen sind in vieler Hinsicht unbefriedigend, wir werden sie daher zu den reellen Zahlen erweitern. Aber selbst in N sind manche Polynomgleichungen nicht lösbar, das wird uns letztendlich zu den komplexen Zahlen bringen. Parallel zu dieser Entwicklung des Zahlsystems werden wir eine mächtige Beweismethode kennenlernen, die vollständige Induktion, und eine wesentliche Eigenschaft von Mengen diskutieren, nämlich ihre Mächtigkeit. Vor allem aber werden wir uns mit Folgen befassen, den Begriff des Grenzwertes einführen und damit erstmals versuchen, das Unendliche mathematisch faßbar zu machen. The truth ist out there – der Schlüssel zur höheren Mathematik liegt draußen in der Unendlichkeit, in der Beschäftigung mit unendlich vielen, unendlich großen oder unendlich kleinen Objekten. Doch hier liegen auch viele Schwierigkeiten und bis heute ungelöste Probleme. Als Anwendung werden wir die praktisch bedeutsamsten Folgen behandeln, die Reihen. Ein kleiner Exkurs am Ende des Kapitels wird darüber hinaus einen ersten Einblick in die Welt der Fraktale geben. 1 2 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 2.1 Natürliche Zahlen Natürliche Zahlen Die natürlichen Zahlen hat uns der liebe Gott gegeben, alles andere ist Menschenwerk. (Leopold Kronecker) Tatsächlich sind ganze, rationale, reelle und komplexe Zahlen aus den natürlichen Zahlen abgeleitet und von daher tatsächlich eine Erfindung“ des Menschen. Aber selbst die natürlichen ” Zahlen sind in der modernen Mathematik nicht gottgegeben, sondern eine Menge, welche die Peano-Axiome erfüllt: • 1 ist eine natürliche Zahl. • Jede natürliche Zahl n hat einen “Nachfolger n∗ , der auch eine natürliche Zahl ist. ” ∗ • Für alle natürlichen Zahlen n gilt n 6= 1. • Für alle natürlichen Zahlen n und m gilt: Wenn n∗ = m∗ dann ist auch n = m. • Wenn die Menge T nur natürliche Zahlen enthält, 1 enthält und, wenn sie n enthält, damit auch n∗ enthält, dann ist T gleich der Menge aller natürlichen Zahlen. Damit erhält man die Menge aller positiven ganzen Zahlen. Natürlich wird man sich an die üblichen Konventionen halten, also 1∗ mit 2 bezeichnen, 1∗∗ = 2∗ mit 3, 1∗∗∗ = 2∗∗ = 3∗ mit 4 usw. Ob man die natürlichen Zahlen mit Null oder Eins beginnen läßt, ist eher Geschmackssache, in diesem Skriptum wird ein Mittelweg gegangen und auf eine weite verbreitete Notation zurückgegriffen: N = {1, 2, 3, 4, . . .} 2.1.1 N0 = {0, 1, 2, 3, . . .} Summen und Produkte Eines der wichtigsten Dinge, die man mit natürlichen Zahlen tun kann, ist das Zählen. So werden natürliche Zahlen oft als Laufzahlen oder Indizes (Einzahl Index ) für Summen und Produkte verwendet. Die Summe von n Zahlen, die mit gekennzeichnet werden, kann man daher kurz als n X ak = a1 + a2 + . . . + an k=1 schreiben. Das kleine k ist hier die Laufvariable, sie nimmt alle Werte von 1 bis n an. Analog schreibt man für ein Produkt von n Zahlen n Y ak = a1 · a2 · . . . · an . k=1 An sich werden Summen und Produkte rekursiv definiert. Das bedeutet, eine Summe n-ter Ordnung wird auf eine (n − 1)-ter Ordnung zurückgeführt, diese auf eine Summe (n − 2)-ter Ordnung und so fort. Dieses Spiel wird so lange fortgesetzt, bis man nur mehr eine Summe erster Ordnung vorliegen hat, die man leicht definieren kann: n−1 n−1 Y X n n Y X an · ak f ür n ≥ 2 an + ak f ür n ≥ 2 ak = ak = k=1 k=1 k=1 k=1 a1 f ür n = 1 a1 f ür n = 1 3 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 Natürliche Zahlen Fakultät und Binomialkoeffizient Die Zahl n!, gesprochen n Faktorielle“ oder n Fakultät“, ist ein ganz besonderes Produkt, ” ” nämlich das aller natürlichen Zahlen von Eins bis n: n! = n Y k = 1 · 2 · 3 · ... · n k=1 Per Definition ist übrigens 0! = 1 gesetzt worden, was sich später noch als praktisch erweisen wird. Natürlich kann man auch die Fakultät rekursiv anschreiben: ½ n · (n − 1)! f ür n ≥ 1 n! = 1 f ür n = 0 Eine besonders wichtige Rolle in der Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik spielt der Binomialkoeffizient µ ¶ n n! = , k k! · (n − k)! gesprochen n über k“. Er gibt die Anzahl der Möglichkeiten an, aus einer Menge von n Objekten ” genau Da es immer nur eine Möglichkeit gibt, kein oder alle Objekte auszuwählen, ¡n¢k auszuwählen. ¡n¢ ist n = 0 = 1. Wählt man genau ein Objekt oder alle ¡n¢bis auf ¡ neines ¢ (damit wählt man genau eines, das man nicht will), gibt es n Möglichkeiten: 1 = n−1 = n. Ganz allgemein gilt auch: Wählt man k Objekte aus, läßt man damit die übrigen links liegen,¡ was ¢ einer ¡ n ¢negativen Auswahl entspricht, für die es genau gleich viele Möglichkeiten geben muß: nk = n−k . Weitere, allerdings weniger wichtige Rechenregeln für Binomialkoeffizienten sind: µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶ n n n−k n n+1 n n n+1 n+1 = = + = n−k+1 k k+1 k+1 k k+1 k+1 k k In der Praxis, besonders in vielen Beweisen, in denen derartige Ausdrücke vorkommen, ist 1 es meist sicherer, diese Binomialkoeffizienten 1 1 gemäß Definition in Quotienten von Fakultäten 1 2 1 aufzuspalten. Konkrete Zahlenwerte lassen sich 1 3 3 1 leicht aus dem Pascalschen Dreieck ablesen. Je1 4 6 4 1 de Zahl darin ist die Summe ihrer beiden oberen 1 5 10 10 5 1 Nachbarn. In der (n ¡+ ¢1)-ten Zeile stehen die Bi- 1 6 15 20 15 6 1 nomialkoeffizienten nk mit k = 0, 1, . . . n. Für beliebige Zahlen α ∈ R ist der Binomialkoeffizient definiert durch µ ¶ α α · (α − 1) · (α − 2) · . . . · (α − k + 1) = k! k Gelegentlich stößt man auch auf den Ausdruck n!!: Das bedeutet das Produkt aller geraden bzw. ungeraden Zahlen von n bis Zwei bzw. Eins. ½ n · (n − 2) · (n − 4) · . . . · 4 · 2 f ür gerade n n!! = n · (n − 2) · (n − 4) · . . . · 3 · 1 f ür ungerade n 4 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 Natürliche Zahlen Spezielle Summen und Produkte Wie groß ist die Summe der ersten hundert natürlichen Zahlen? Bis man durch bloßes Zusammenzählen zu einem Ergebnis kommt, dauert es wahrscheinlich relativ lange. Doch es gibt eine elegantere und vor allem wesentlich schnellere Methode, so etwas auszurechnen. In unserem Fall braucht man ja die Zahlen nicht der Reihe nach zu addieren, sondern man kann etwa zuerst einmal 1 und 100 zusammenzählen und erhält 101. Auch 2+99 ergibt wieder 101, ebenso 3+98 und so weiter. Man erhält also insgesamt 50 Paare, die jeweils 101 ergeben, die gesuchte Summe ist also 50501 . Verallgemeinert man diesen Schluß, kommt man zur arithmetischen Summenformel: n X k= k=1 n (n + 1) 2 P Eine weitere interessante Frage ist jene nach der Summe 1 + q + q 2 + . . . + q n , also nach nk=0 q k . Wiederum würde es unter Umständen sehr lange dauern, diese Summe direkt auszurechnen, und wiederum hilft ein wenig Nachdenken: Wir nennen die Summe S = 1+ q + q 2 + . . . + q n und multiplizieren sie mit q: S · q = q + q 2 + . . . + q n + q n+1 Nun subtrahieren wir die zweite von der ersten Gleichung: S − S · q = 1 + q − q + q 2 − q 2 ± . . . + q n − q n − q n+1 Auf der rechten Seite bleiben nur 1 und q n+1 übrig, alle anderen Terme kommen je einmal mit positivem und einmal mit negativem Vorzeichen vor. Also erhält man (1 − q) · S = 1 + q n+1 und daraus die geometrische Summenformel: n X qk = k=0 1 − q n+1 1−q Auch manche Produkte braucht man nicht unbedingt Term für Term auszumultiplizieren, sondern kann einfachere Formeln verwenden. Für die ersten Potenzen (a + b)n gilt ja: (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 und (a + b)3 = a3 + 3a2 b + 3ab2 + b3 Die Zahlenkombinationen 1, 2, 1 und 1, 3, 3, 1 kommen vielleicht manchem bekannt vor, es handelt¡ sich ¢ einfach um die Binomialkoeffizienten. Allgemein gibt es nämlich beim Ausmultiplizieren nk Möglichkeiten, ein Produkt ak bn−k oder an−k bk zu bilden, es gilt also der binomischer Lehrsatz: n µ ¶ X n k n−k (a + b)n = a b k k=0 1 Der Legende nach wurde diese Aufgabe dem jungen Carl Friedrich Gauss in der Schule gestellt, weil sein Mathematiklehrer ihn endlich einmal für einige Minuten dazu bringen wollte, keine Fragen mehr zu stellen. Der Versuch mißlang, da Gauss die Aufgabe mit dem selben Trick, den auch wir angewendet haben, binnen kürzester Zeit löste. 5 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1.2 2.1 Natürliche Zahlen Die Abzählbarkeit Es gibt genau drei Arten von Mathematikern: die, die zählen können, und die, die nicht zählen können. (sprichtwörtlich) Ein sehr wesentlicher Begriff beim Umgang mit Mengen ist ihre Mächtigkeit. Für endliche Mengen ist das schlicht die Anzahl der Elemente, so hat etwa M = {1, a, 29, 3+i, xy } die Mächtigkeit Fünf. Wie ist es aber mit unendlichen Mengen? Hier läßt sich die Mächtigkeit nicht mehr durch eine einfache Zahl beschreiben. Man kann natürlich die Mächtigkeit als Unendlich bezeichnen – dabei zeigt sich aber, daß es verschiedene Arten von Unendlichkeit gibt. Dagegen sind können zwei unendliche Mengen, die intuitiv verschieden groß wirken, durchaus die gleiche Mächtigkeit haben. Als Beispiel betrachte man die natürlichen und die gerade Zahlen. Intuitiv würde man wohl sagen, daß es doppelt so viele gerade wie natürliche Zahlen gibt. Aber schreiben wir die beiden Mengen einmal untereinander: N = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . . .} G = {2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, . . . } Anscheinend entspricht jeder natürlichen Zahl n genau eine gerade Zahl 2n und umgekehrt. Wenn es aber eine solche in beide Richtungen eindeutige Zuordnung gibt, müssen beide Mengen gleich mächtig sein. Jede Menge, die gleich mächtig ist wie jene der natürlichen Zahlen, wird abzählbar genannt. Ganz allgemein gilt, daß zwei Mengen gleich mächtig sind, wenn es eine bijektive bbildung zwischen ihnen gibt, also eine Zuordnung, die ein beide Richtungen eindeutig ist und beide Mengen abdeckt. Später wird gezeigt, daß die rationalen Zahlen abzählbar sind – obwohl zwischen zwei natürlichen Zahlen unendlich viele rationale liegen! Ganz allgemein kann eine Teilmenge einer unendlichen Menge noch ebenso mächtig sein wie die ursprüngliche Menge – ein Umstand der durchaus für Verwirrung sorgen kann. Die Abzählbarkeit ist übrigens der kleinste“ Grad ” an Unendlichkeit, die reellen Zahlen beispielsweise sind bereits überabzählbar. Exkurs: Auf den großen Mathematiker David Hilbert geht ein Gedankenexperiment zurück, das als Hilberts Hotel bekannt ist und mit dessen Hilfe man sich die Eigenschaften (abzählbar) unendlicher Mengen gut veranschaulichen kann. Hilberts Hotel hat die bemerkenswerte Eigenschaft, (abzählbar) unendlich viele Zimmer zu besitzen. Trotzdem, eines Abends kommt ein neuer Gast an und muß zur Kenntnis nehmen, daß alle Zimmer belegt sind. Empfangschef Hilbert denkt eine Weile über das Problem nach und versichert dem Neuankömmling schließlich, er werde ihm ein freies Zimmer beschaffen. Hilbert bittet nun alle schon einquartierten Gäste, in das Zimmer mit der nächsthöheren Nummer umzuziehen. Wer zuerst in Zimmer Eins gewohnt hat, übersiedelt nach Zwei, wer in Zwei gewohnt hat, nach Drei und so fort. Jeder, der vorher ein Zimmer gehabt hat, hat auch hinterher eines, und Nummer Eins ist für den neuen Gast frei. Doch am nächsten Abend stellt sich Hilbert ein noch viel größeres Problem: Wieder sind alle Zimmer belegt, aber diesmal hält vor dem Hotel ein Bus mit (abzählbar) unendlich vielen Gästen, die alle ein Zimmer wollen. Doch auch hier läßt sich eine Lösung finden: Jeder Hotelgast wird gebeten, in das Zimmer mit der doppelt so großen Nummer umzuziehen. Der Gast von Eins übersiedelt nach Zwei, der von Zwei nach Vier, der von Drei nach Sechs usw. Damit werden unendlich viele Zimmer (alle mit einer ungeraden Nummer) für die neuen Gäste frei. 6 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1.3 2.1 Natürliche Zahlen Vollständige Induktion Wir kommen nun zu einer außerordentlich mächtigen Beweistaktik, die sich in vielen Fällen anwenden läßt, wenn eine Aussage von einer natürlichen Zahl n abhängt. Einige Beispiele dafür haben wir schon kennengelernt, etwa die Summenformeln n X k=1 k= n (n + 1) 2 und n X k=0 qk = 1 − q n+1 1−q Schon der Beweis dieser Formeln erforderte etwas Gehirnakrobatik, erst recht mühsam würde n X n+3 k+1 = 4 − n für alle n ∈ N0“ so angehen wollte. es, wenn man es Aussagen wie etwa k ” 2 2 k=0 Deswegen wollen wir nun einen formalisierten Weg finden, solche Formeln zu beweisen. Als konkretes Beispiel nehmen wir A(n): n2 + 7 < n3 für alle n ≥ 3“. ” Setzen wir n = 3 ein, erhalten wir 9+7 < 27, also eine wahre Aussage. Auch für n = 4, 5, 6, . . . ergeben sich jeweils wahre Aussagen. Bewiesen ist damit allerdings noch nichts, denn es könnte ja eine (unter Umständen sehr große) Zahl N geben, für die A(N ) plötzlich falsch ist. Einsetzen konkreter Zahlen bringt uns also nicht weiter. Wechseln wir also die Taktik: Wenn für irgendeine (nicht näher festgelegte) Zahl n die Aussage A(n) gilt, was läßt sich dann über A(n+1) aussagen? In unserem Beispiel setzen wir also n2 + 7 < n3 für ein bestimmtes n als richtig voraus. Nun betrachten wir (n + 1)2 + 7 = n2 + 7 + 2n + 1. Jetzt haben wir aber bereits angenommen, dass n2 + 7 < n3 ist, und wenn wir das verwenden, können wir weiter schreiben (n + 1)2 + 7 = n2 + 7 + 2n + 1 < n3 + 2n + 1. Mit Sicherheit ist aber (n + 1)3 = n3 + 3n2 + 3n + 1 größer als n3 + 2n + 1, da ja nur noch zusätzlich ein positiver Term 3n2 + n vorkommt. Wir erhalten also weiter (n + 1)2 + 7 = n2 + 7 + 2n + 1 < n3 + 2n + 1 < n3 + 3n2 + 3n + 1 = (n + 1)3 , insgesamt also (n + 1)2 + 7 < (n + 1)3 . Wir haben also die gleiche Aussage, die wir für eine beliebige Zahl n als wahr angenommen haben, auch für die nächste, nämlich n + 1 erhalten. Unter der Voraussetzung, dass A(n) stimmt, stimmt also auch A(n + 1). Die Zahl n war aber nicht näher festgelegt, also gilt das Gleiche auch für A(n + 1) und A(n + 2) usw. Findet man also eine Zahl n0 , für die A(n0 ) gilt, dann stimmt A(n) auch für alle n ≥ n0 . In unserem Fall ist aber bereits A(3) eine wahre Aussage, also stimmt n2 + 7 < n3 für alle n ≥ 3. Eine häufig zitierte Analogie ist die des Dominos: Will man erreichen, dass dabei alle Steine umfallen, dann genügen dazu zwei Dinge: Jeder Stein muss im Fallen auch den nächsten umwerfen – und der erste Stein muss per Hand umgestoßen werden. Auch wenn das Ganze ein wenig nach Münchhausens sich selbst an den Haaren aus dem ” Sumpf ziehen“ aussieht, es funktioniert und ist logisch einwandfrei begründet. 7 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 Natürliche Zahlen Das Prinzip der vollständige Induktion Der Beweis einer von einer natürlichen Zahl n abhängigen Aussage A(n) für n ≥ n0 mittels vollständiger Induktion verläuft formal in drei Schritten: 1) 2) 3) A(n) A(n0 ) n→n+1 Induktionsannahme: Hier wird die zu beweisende Annahme formuliert. Induktionsbeginn: muß eine wahre Aussage sein. Induktionsschritt: Unter der Annahme, dass A(n) richtig ist, muß (z.B. mittels Umformungen) gezeigt werden, dass A(n+1) ebenfalls richtig ist. Dabei sollte man auf die Verwendung der Induktionsannahme explizit hinweisen, ansonsten ist der entsprechende Schritt für andere oft schwer nachzuvollziehen. Noch einmal kurz das Prinzip: Aus A(n0 ) und A(n) → A(n+1) folgt selbstverständlich A(n0 +1), A(n0 + 2), A(n0 + 2), . . . und damit ist die Aussage für alle n ≥ n0 bewiesen. Hängt eine Aussage von mehreren natürlichen Zahlen ab, so braucht der Induktionsbeweis nur für eine davon geführt zu werden, allerdings darf sich für die anderen dabei keine Einschränkung ergeben. In manchen Fällen ist es einfacher, den Schluss von n − 1 nach n zu vollziehen, auch dass ist natürlich zulässig. Der Induktionsschritt ist meist schwieriger zu vollziehen, dementsprechend wird das Hauptgewicht meist auf diesen gelegt. Doch der Induktionsanfang ist nicht weniger wichtig, es gibt Behauptungen, die für alle n ∈ N falsch Q sind und für die sich der Induktionsschritt trotzdem durchführen läßt. So ist beispielsweise nk=1 k = 0 mit Sicherheit falsch, nimmt man aber an, es Qn Q Ann. wäre für n richtig, so ergibt der Induktionsschritt: n+1 k=1 k = (n + 1) · 0 = 0. k=1 k = (n + 1) · Exkurs: Induktion und Deduktion In der Logik und allgemein in der Wissenschaft gibt es zwei unterschiedliche Schlußweisen: Induktion und Deduktion. Ganz grob gesprochen ist Induktion der Schluß vom Speziellen auf das Allgemeine, Deduktion der Schluß vom Allgemeinen auf das Spezielle. Während die Deduktion logisch einwandfrei ist, ist der Schluß durch Induktion nicht zwingend richtig (die einzige Ausnahme ist die vollständige Induktion)! Als Beispiel: Setzen wir Newtons Gravitationsgesetz als richtig voraus, so können wir daraus deduktiv den Schluß ziehen, daß ein Stein nach unten fällt, daß sich die Erde auf einem Kegelschnitt um die Sonne bewegen muß und anderes mehr. Stimmt das Gravitationsgesetz, so stimmen auch diese Vorhersagen. Nun fällt aber ein Naturgesetz nicht vom Himmel, und so muß man zuerst den umgekehrten Weg gehen. Aus vielen Beobachtungen leitet man induktiv ein Naturgesetz ab, ob es sich nun um das Gravitationsgesetz, die Maxwell-Gleichungen oder die Evolutionstheorie handelt. Erst aus solchen Gesetzen lassen sich deduktiv Schlüsse ziehen. Wegen der prinzipiellen Unzuverlässigkeit der Induktion kann man sich aber nie vollkommen sicher sein, daß die auf solchem Weg abgeleiteten Erkenntnisse wirklich wahr sind. Natürlich, wenn sich eine Theorie mit den Beobachtungen deckt und wenn sie Vorhersagen macht, die sich später auch tatsächlich als richtig erweisen, spricht viel für ihre Gültigkeit. Es kann aber immer passieren, daß sich ein Ereignis der Theorie widerspricht, und dann ist diese zu verwerfen oder zumindest zu erweitern2 . Die Mathematik lehnt ja die Induktion (mit Ausnahme der vollständigen) als Schlußweise vollkommen ab: Auch tausend Beispiele sind noch kein Beweis. 2 Viele Vertreter solcher Theorien neigen allerdings dazu, einfach das Ereignis selbst zu ignorieren. Provokant, aber nicht ganz unwahr gesagt: Neue Theorien setzen sich nicht durch, indem sich die Vertreter der alten überzeugen lassen, sondern indem diese mit der Zeit aussterben. 8 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1.4 2.1 Natürliche Zahlen Übungsaufgaben – vollständige Induktion n X Man beweise durch vollständige Induktion: (k − 1)2 < k=1 n = 1: n → n + 1: 1 3 0 < ist offensichtlich richtig n+1 n X X (k − 1)2 = (k − 1)2 + n2 k=1 < laut Induktionsannahme n3 n + 3n2 n3 + 3n2 + 3n + 1 (n + 1)3 + n2 = < = 3 3 3 3 k=2 n → n + 1: n−1 X (n + k) (n − k) = k=0 n − 1 → n: 2 k (k + 1) ¶ 1 = 3 µ ¶ 2 1+ n µ ¶ 2 2 1 2 = = 1+ stimmt. 1− 2 · (2 + 1) 3 3 2 ¶ Y ¶ µ ¶ n+1 n µ Yµ 2 2 2 lt. Ind.−Ann. 1− = 1− · 1− = k (k + 1) k (k + 1) (n + 1) (n + 2) k=2 µ k=2 ¶ 1 2 (n + 1) (n + 2) − 2 1 n+2 n (n + 3) = 1+ · = · · = 3 n (n + 1) (n + 2) µ 3 n ¶ (n + 1) (n + 2) 1 n+3 1 n+1+2 1 2 = · = · = · 1+ , was zu beweisen war. 3 n+1 3 n+1 3 n+1 Man zeige für n ∈ N: n = 1: < k=1 3 n µ Y Man beweise für natürliche Zahlen n ≥ 2: 1− n = 2: n3 für alle natürlichen n. 3 0 X n (n + 1) (4n − 1) 6 1·2·3 stimmt. 6 k=0 n n−1 X X (n + 1 + k) (n + 1 − k) = (n + 1 + k) (n + 1 − k) + (2n + 1) = (1 + k) (1 − k) = 1 = k=0 n−1 X = = k=0 n−1 X k=0 k=0 ((n + k) (n − k) + (2n + 1)) + (2n + 1) = (n + k) (n − k) + n−1 X (2n + 1) + (2n + 1) laut Induktionsannahme = k=0 n (n + 1) (4n − 1) 6 (n + 1) (2n + 1) n (n + 1) (4n − 1) + n (2n + 1) + (2n + 1) = + = 6 2 6 6 (n + 1) (4n − n + 12n + 6) (n + 1) (4n2 + 8n + 3n + 6) = = = 6 6 (n + 1) (n + 2) (4n + 3) = , womit die Behauptung bewiesen ist. 6 = Man beweise, dass 5n − 1 durch 4 teilbar ist. n = 1: n → n + 1: 5 − 1 = 4 ist natürlich durch 4 teilbar. 5n+1 − 1 = 5 · 5n − 1 = |4 {z · 5n} + 5n − 1 ist ebenfalls durch 4 teilbar. | {z } durch 4 tb. 9 tb. lt. Ann. Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 Natürliche Zahlen Man beweise induktiv die beiden Summenformeln a) n X n k= k=1 a) 1 X n = 1: n → n + 1: b) n = 0: n → n + 1: k=1 n+1 X k=1= n X X n (n + 1) 1 − q n+1 und b) . qk = 2 1−q k=0 1 (1 + 1) stimmt. 2 n (n + 1) + (n + 1) = 2 k=1 k=1 n (n + 1) 2 (n + 1) (n + 1) (n + 2) = + = . 2 2 2 0 X 1−q stimmt. qk = 1 = 1−q k=0 n+1 n n+1 X X nach Annahme 1 − q qk = q k + q n+1 = + q n+1 = 1−q k=0 k=0 1 − q n+1 q n+1 − q n+2 1 − q n+2 = + = . 1−q 1−q 1−q = +(n + 1) nach Annahme = Q Man beweise nk=1 (1 + xk ) ≥ 1 + x1 + x2 + . . . + xn , wenn alle xk ∈ (−1, 0) oder alle xk > 0 sind und leite daraus die Bernoulli-Ungleichung (1 + a)n ≥ 1 + n a für a > −1 ab. n = 1: n → n + 1: 1 + xk ≥ 1 + xk ist eine wahre Aussage. Unter den Voraussetzungen für xk ist xj xk > 0 und 1 + xk > 0. n+1 n Y Y lt. Ann. (1 + xk ) = (1 + xn+1 ) · (1 + xk ) ≥ (1 + xn+1 ) · (1 + x1 + x2 + . . . + xn ) = k=1 k=1 = 1 + x1 + x2 + . . . + xn + xn+1 + xn+1 x1 + . . . xn+1 xn > 1 + x1 + x2 + . . . + xn+1 . Für die Wahl x1 = . . . = xn = a erhält man sofort die Bernoulli-Ungleichung für a ∈ (−1, 0) oder a > 0, für den Fall a = 0 erhält man trivialerweise 1n ≥ 1 + n · 0. Schließt man den Fall a = 0 aus, so erhält man für n ≥ 2 statt des ≥“ ein echt >“. ” ” Man beweise für alle n ∈ N die Formel n X ˙ − 1). k · 2k = 2 + 2n+1 (n k=1 n = 1: n → n + 1: 1 · 2 = 2 + 2 · 0 stimmt natürlich. n X k · 2k = k · 2k + (n + 1) · 2n+1 n+1 X k=1 laut Induktionsannahme = k=1 = 2 + 2n+1 · (n − 1) + (n + 1) · 2n+1 = 2 + 2n+1 · (n − 1 + n + 1) = = 2 + 2n+1 · 2n = 2 + 2n+2 n. Scheitert der Beweis von 2n + 1 ist gerade für alle n ≥ 100 am Induktionsanfang, am Indukti” onsschritt oder an beidem? 201 ist ungerade, womit der Induktionsanfang nicht gegeben ist, der Induktionsschritt hingegen läßt sich vollziehen: 2 (n + 1) + 1 = 2n + 1 +2 wäre gerade. | {z } gerade nach Annahme 10 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 2.2 Folgen Zahlenfolgen Nach den natürlichen Zahlen stellen wir in diesem Abschnitt nun ein Konzept vor, das sich als eines der wichtigsten der gesamten Analysis erweisen wird, das der (unendlichen) Folgen. Erst mit ihrer Hilfe kann man zum Begriff des Grenzwertes vordringen, und nur mit diesem kann man wiederum alles, was später noch kommen wird – Stetigkeit, Ableitungen, Integrale und mehr – auf ein solides Fundament stellen. Aber immer langsam, was versteht man nun überhaupt einmal unter einer Folge? Eine solche erhält man, wenn man mittels einer völlig beliebigen Vorschrift jeder natürlichen Zahl n eindeutig eine reelle Zahl an zuordnet. Diese Zahlen bilden nun eine Folge, hier eine reelle Zahlenfolge. Die an werden dabei als Folgenglieder bezeichnet, für eine Folge schreibt man gewöhnlich {an }∞ n=1 , {an }n∈N oder auch kurz {an }; runde Klammern sind dabei ebenso üblich wie geschwungene. Bsp: Beispiele für solche Folgen wären etwa: {an } = ©{1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, . .ª.}, {bn } = ©1, 12 , 31 , 14 , 15 , 16 , 17 , . . . ,ª {cn } = 14 , 21 , 1, 2, 3, 4, 5, 6, . . . , {dn } = © {1, −1, √ 1, √ −1, √1, −1, √ 1, . .ª.}, {en } = ©2, 3, 3 5, 4 7, 5 11, . ª .. , 3 2 5 4 7 {fn } = 0, 2 , − 3 , 4 , − 5 , 6 , . . . , {gn } = {1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, . . .}, aber ohne auch n weiteres √ 27 {hn } = 1, π, 256 , 1024, π2 6 , o −144, . . . , N n 1 2 2 4 ... → R 7→ an 7→ a1 7→ a2 7→ a3 7→ a4 7→ . . . selbst wenn hier das Bildungssgesetz ein wenig unklar erscheint Die Zuordnung selbst kann durch eine explizite Formel erfolgen, aber durch eine verbale Bildungsvorschrift, rekursiv oder auf jede andere denkbare Art. Die Schreibweise mit den drei Punkten wird oft verwendet, es sollte aber dann unmittelbar klar sein, wie es weitergehen soll, nicht so wie bei der Folge {hn } im oberen Beispiel.3 Bsp: Mittels an = n oder bn = n1 wird also genauso eine Folge erklärt wie mit en ist die ” n-te Wurzel der n-ten Primzahl“ oder g1 = 1, g2 = 1, gn+2 = gn + gn+1“. ” Ein wenig schlampignwerden Folgen oft direkt durch ihre Bildungsvorschrift gekennzeichnet, also (−1)n die Folge an = (−1) “ statt die Folge {a } mit a = “. Der Kürze zuliebe wird das auch n n 1+n 1+n ” ” in diesem Text gelegentlich passieren. Neben den hier behandelten Zahlenfolgen gibt es natürlich auch Folgen von fast beliebigen Objekten, vor allem Funktionenfolgen werden später noch eine wichtige Rolle spielen. Graphisch veranschaulicht werden Zahlenfolgen meist auf eine von zwei Arten: In der aufwändigeren trägt man an gegen n auf (wie später auch bei Funktionsgraphen; und tatsächlich sind Folgen ja Funktionen N → R). Für die Folgen {an } bis {cn } aus dem obigen Beispiel erhält man dafür das rechts dargestellte Bild. Oft verzichtet man bei Folgen aber auf eine Achse und zeichnet einzelne Folgenglieder direkt auf der Zahlengeraden ein: 3 Strenggenommen läßt sich aus einer endlichen Anzahl von Folgengliedern natürlich die Bildungsvorschrift nie mit Sicherheit feststellen. 11 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 Folgen Beschränktheit und Monotonie Zahlenfolgen haben auf den ersten Blick große Ähnlichkeiten mit Mengen; der wichtigste Unterschied ist, dass bei Folgen eine Ordnung vorgegeben ist. Während bei Mengen mit M1 = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . . .} und M2 = {2, 1, 4, 3, 6, 5, 8, . . .} natürlich M1 = M2 ist, sind {an } = {1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, . . .} und {bn } = {2, 1, 4, 3, 6, 5, 8, . . .} zwei vollkommen unterschiedliche Folgen. Oft macht es aber Sinn, die Menge A aller Folgenglieder an zu betrachten. Auf diese Weise können wir nämlich manche Begriffe, die für Teilmengen von R (oder allgemeiner eines geordneten Körpers bzw. metrischen Raumes) definiert sind, recht einfach auf Folgen übertragen: So heißt eine Folge an nach oben beschränkt, wenn es eine reelle Zahl M gibt, so dass an ≤ M für alle n ∈ N, nach unten beschränkt, wenn es ein m ∈ R gibt, so dass an ≥ m für alle n ∈ N und beschränkt, wenn sie nach oben und unten beschränkt ist. Bsp: {an } mit an = n ist nach unten, {bn } mit bn = n1 nach oben und unten, {dn } mit dn = (−1)n+1 ebenfalls nach oben und unten sowie {fn } mit fn = (−1)n + n1 wieder nach oben und unten beschränkt. Neben der Beschränktheit gibt es noch eine andere sehr wichtige Eigenschaft von Folgen, die Monotonie. Ist jedes Folgenglied gleich groß oder größer als das vorangegangene, so heißt die Folge monoton wachsend, schließt man auch den Fall der Gleichheit aus, so spricht man von strenger Monotonie. Analoges gilt für kleiner werdenden Folgenglieder und monotones Fallen. Ist eine Folge sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend, dann ist sie konstant, also an = a1 für alle n. Bsp: So sind an = n und cn = 2n−3 streng monoton wachsend. Das ist zwar vollkommen offensichtlich, der formale Beweis läßt sich aber auch auf raffiniertere Beispiele übertragen. Im ersten Fall ergibt sich sofort: an+1 −an = n+1−n = 1 > 0, die Differenz der Folgenglieder ist immer positiv. Im zweiten Fall könnte man ebenfalls so argumentieren, 2n−2 noch eleganter ist aber die Betrachtung des Quotienten cn+1 cn = 2n−3 = 2 > 1, auch das bedeutet streng monotones Wachsen. 1 − n1 = n−(n+1) Die Folge bn = n1 ist streng monoton fallend, denn bn+1 − bn = n+1 n·(n+1) = 1 1 n+1 n − n·(n+1) < 0. Hingegen sind dn = (−1) und fn = (−1) + n sicher nicht monoton, die Folgen springen ja ständig zwischen positiven und negativen Werten hin und her. Im ersten Fall etwa erhält man für die Differenz zweier Folgenglieder dn+1 − dn = (−1)n+2 − (−1)n+1 = (−1)n+2 + (−1)n+2 = 2 · (−1)n+2 = 2 · (−1)n . Beschränktheit Monotones Wachstum 12 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.1 2.2 Folgen Konvergenz und Grenzwert Betrachtet man die Folge an = n1 so fällt auf, dass sich ihre Werte mit größer werdendem n immer mehr der Null nähern. So scheint die Null, auch wenn sie gar kein Folgenglied ist, für die Folge doch irgendwie charakteristisch zu sein. Aber immer schön langsam. Um das irgendwie charakteristisch“ etwas exakter zu fassen: ” Was macht die Besonderheit dieser Zahl bezogen auf die Folge in unserem Beispie aus? Doch wohl, dass der Abstand der Foglenglieder zu ihr beliebig klein wird, d.h. |an − 0| < ε für jedes beliebige ε > 0, wenn nur n groß genug ist. Anders gesagt: Wenn wir eine ε-Umgebung (wieder mit beliebig kleinem ε > 0 des Punktes x = 0 betrachten, dann liegen fast alle (also alle bis auf endlich viele) Folgenglieder in dieser Umgebung: Dies erweitern wir nun auf den ganz allgemeinen Fall: Wenn es zu einer Folge {an } eine Zahl A gibt, so dass der Abstand der Folgenglieder an zu A, also |an − A| für genügend großes n beliebig klein wird, so nennen wir die Folge konvergent und A den Grenzwert der Folge. Symbolisch schreibt man das (vom lateinischen limes für Grenze) als lim an = A n→∞ oder kürzer. an −→ A bzw. überhaupt nur an → A. Etwas formaler ausgedrückt, liest sich die n→∞ Abstand beliebig klein“-Bedingung als: ” {an } ist konvergent zum Grenzwert A, ⇐⇒ ∀ε > 0 ∃N ∈ N ∀n > N : |an − A| < ε Die Zahl N wird im allgemeinen natürlich von ε abhängen, deshalb schreibt man dafür auch gerne Nε . Ihr genauer Wert ist aber nicht entscheidend (und wenn die Bedingung |an − A| für alle n > N erfüllt ist, gilt das ebenso für alle n > N 0 mit einem beliebigen N 0 ≥ N . Bsp: n 2 n +n+1 1−n! Die Folgen an = (−1) n , bn = 2n2 +n−7 und cn = 1+n! sind jeweils konvergent mit den Grenzwerten limn→∞ an = 0, limn→∞ bn = 21 , limn→∞ cn = −1. Was hier recht einleuchtend, vielleicht sogar ein wenig trivial ausieht, ist das Ergebnis jahrhundertelanger Bemühungen, das Fundament, auf dem nahezu die gesamte Analysis auf der einen oder anderen Weise aufbaut. Mittels Konvergenz von Folgen begründet man beispielsweise Grenzwerte von Funktionen und damit wiederum die gesamte Differentialrechnung, ebenso ist das Konzept des Integrals das Ergebnis eines ähnlichen Grenzprozesses. 13 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 Folgen Rechenregeln für Grenzwerte Aus der Definition des Grenzwerts lassen sich natürlich sofort einige allgemeine Aussagen und Rechenregeln ableiten. So ist klar, dass nicht jede Folge einen Grenzwert haben wird, man betrachte z.B. an = n oder cn = (−1)n . Folgen, die nicht konvergent sind, nennt man divergent 4 . Gibt es aber für eine Folge einen Grenzwert, so ist dieser eindeutig bestimmt. Klar, denn gäbe es zwei unterschiedliche Grenzwerte A1 und A2 , so hätten diese einen endlichen Abstand d12 , und für ε < d12 könnten nicht in einer ε-Umgebung von jedem dieser Werte fast alle Folgenglieder liegen. Fundamentale Rechenregeln für konvergente Folgen sind: • Wenn {an } und {bn } konvergente Folgen sind, so ist auch {an + bn } konvergent mit: lim (an + bn ) = lim an + lim bn n→∞ n→∞ n→∞ • Ebenso ist dann {an · bn } konvergent mit lim (an · bn ) = lim an · lim bn n→∞ n→∞ n→∞ • Aus lim an = 0 folgt: lim (an · bn ) = 0, wenn {bn } beschränkt ist. n→∞ n→∞ • Konstanten können vor den Grenzübergang gezogen werden: lim (c · an ) = c · lim an . n→∞ n→∞ Vorsicht, die Umkehrung der obigen Regeln muss keinesfalls gelten! Betrachtet man etwa an = (−1)n und bn = (−1)n+1 sind beide divergent, die Summenfolge {an + bn } ist hingegen klar konvergent: lim (an + bn ) = lim ((−1)n + (−1)n+1 ) = lim ((−1)n − (−1)n ) = lim 0 = 0 n→∞ n→∞ n→∞ n→∞ Epsilontik“ ” Zum Beweis der obigen Rechenregeln greift man meist direkt auf die Definition des Grenzwertes zurück. Man nimmt also ein ε > 0 als gegeben an und zeigt dann, dass der Abstand zwischen dem aktuellen Folgenglied und dem Grenzwert für genügend großes n kleiner als dieses ε wird. Da ε je beliebig klein gewählt werden kann, ist damit der Beweis erbracht. Bsp: Wir beweisen die erste der obigen Rechenregeln, also dass aus limn→∞ an = A und limn→∞ bn = B unmittelbar limn→∞ (an + bn ) = A + B folgt. Wenn {an } konvergent zum Grenzwert A ist, gibt es zu jedem ε ein N1 ∈ N, so dass |an − A| < 2ε für n > N1 wird (der Abstand soll ja beliebig klein werden können). Außerdem gibt es ein N2 , so dass |bn − B| < 2ε für n > N2 ist. N sei die größere der beiden Zahlen N1 und N2 , also N = max(N1 , N2 ). Damit gilt aber für alle n > n (man beachte die Dreiecksungleichung): ε ε |(an + bn ) − (A + B)| = |(an − A) + (bn − B)| ≤ |an − A| + |bn − B| < + = ε 2 2 Diese Beweise werden aufgrund der intensiven Verwendung von ε > 0 halb scherzhaft unter Epsilontik“ zusammengefaßt; aus ihrem Umfeld stammt auch der wahrscheinlich kürzeste Ma” thematikerwitz: Epsilon kleiner Null.5 4 Gibt es für eine Folge {an } zu jedem R ∈ R ein n ∈ N, so dass an > R bzw. an < R für alle n > N ist, wenn die Folge also über jede beliebige Schranke wächst oder unter jede fällt, so nennt man sie bestimmt divergent und schreibt symbolisch auch lim an = +∞ bzw. lim an = −∞. 5 n→∞ n→∞ Es handelt sich dabei weniger um einen wirklichen Witz, eher um eine Art Indikator: Man erzählt ihn auf einer Party – die, die lachen, sind Mathematiker. 14 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.2 2.2 Folgen Konvergenzkriterien für Folgen Arbeitet man mit der direkten Definition von Grenzwert und Konvergenz, so erweist sich die Überprüfung bei komplizierteren Folgen oft als recht aufwendig oder unpraktisch. Zudem muss man dazu den Grenzwert ja schon kennen. Im Folgenden werden daher noch drei Kriterien vorgestellt, mit deren Hilfe man die Konvergenz von Folgen manchmal auf leichtere Weise überprüfen kann: • Hauptsatz über monotone Zahlenfolgen: Eine nach oben beschränkte monoton wachsende Folge ist konvergent, ebenso eine nach unten beschränkte monoton fallende. Das ist unmittelbar einsichtig, wenn eine Folge immer wächst, einen gewissen Wert aber nicht überschreiten kann, muss sie ja wohl einen Grenzwert haben, und analog für das Fallen. • Cauchy-Kriterium: Wenn es für jedes ε > 0 eine natürliche Zahl N gibt, so dass |an − am | < ε für alle n, m > N ist (Cauchy-Folge), dann ist die reelle Zahlenfolge {an } konvergent. Man beachte, dass (im Gegensatz zur normalen“ Konvergenz) im Cauchy-Kriterium der ” Grenzwert A überhaupt nicht vorkommt ( inneres Kriterium“), man kann also die Kon” vergenz überprüfen, ohne den Grenzwert überhaupt zu kennen. Allerdings ist das CauchyKriterium rechnerisch meist schwierig zu handhaben. Außerdem ist zu beachten, dass dieses Kriterium etwa für Folgen in den rationalen Zahlen Q nicht anwendbar ist, da Q nicht vollständig ist (dazu mehr in ??). • Sandwich-Kriterium: Wenn an ≤ bn ≤ cn für alle bis auf endlich viele n und lim an = n→∞ lim cn =: A ist, so folgt daraus: Auch {bn } ist konvergent und hat den Grenzwert A. n→∞ Zum Beispiel hat die Folge {bn } mit bn = 1+ sinn n den Grenzwert Eins, weil wegen | sin n| ≤ 1 immer gilt an := 1 − n1 ≤ 1 + sinn n ≤ 1 + n1 =: cn und weil ja lim an = lim cn = 1 ist. n→∞ n→∞ Kompliziertere Grenzwerte können mittels Umformungen in einfachere aufgespalten werden. Dabei ist aber zu beachten, dass das nur zulässig ist, wenn alle so entstehenden Einzelgrenzwerte auch tatsächlich existieren und insgesamt keine unbestimmte Form (wie etwa 00 ) erhalten wird: lim (1 + n1 ) 1 + lim n1 1 + n1 n→∞ n→∞ lim = = =1 1 n→∞ 1 + 12 lim (1 + ) 1 + lim n12 n n2 n→∞ n→∞ µ ¶ µ ¶ lim n 1 n 1 n→∞ lim 1 + 6= 1 + lim n→∞ n→∞ n n Zur effektiven Berechnung von Grenzwerten ist es gut, die folgenden Limiten zu kennen: µ ¶ √ √ √ an 1 n n n n = 0, lim 1 + = e ≈ 2, 71828 lim a = 1, lim n = 1, lim n! = ∞, lim n→∞ n→∞ n→∞ n! n→∞ n→∞ n Außerdem ist lim n1α = 0 für jedes α > 0. Das kann man bei der Berechnung der Grenzwerte n→∞ von Folgen ausnutzen, deren Glieder rationale Funktionen in n sind, die also die Form an = Cp np +Cn−1 np−1 +...+C1 n+C0 haben. Man dividiert Zähler und Nenner durch die höchste irgendwo Dr nr +Dr−1 nr−1 +...+D1 n+D0 vorkommende Potenz nmax(p,r) . Wegen lim n1α = 0 spielen nun nur mehr die Koeffizienten dieser n→∞ Potenz eine Rolle. 4 − n7 + n22 4−0+0 4n2 − 7n + 2 = lim =2 = Bsp: Wir erhalten lim n→∞ 2 + 1 + 112 n→∞ 2n2 + n + 11 2+0+0 n n 15 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.3 2.2 Folgen Limes superior und Limes inferior In viele Fällen wird es für eine Folge keinen Grenzwert geben (also eine Zahl, für die in jeder beliebig kleinen Umgebung fast alle Folgenglieder liegen), sehr wohl aber einige Werte, bei denen man in jeder noch so kleinen Umgebung unendlich viele Folgenglieder findet. Nehmen wir zum Beispiel an = (−1)n + n1 . Hier liegt zwar Divergenz vor, aber in jeder Umgebung von x = 1 und x = −1 finden sich unendlich viele Folgenglieder (fast alle geraden bzw. fast alle ungeraden). Wir können also die Folge {an } in zwei Teilfolgen unterteilen: bk := a2k = 1 + 1 2k ck := a2k+1 = −1 + 1 2k + 1 die beide konvergieren: bk → 1, ck → −1. Im allgemeinen Fall kann es natürlich viele Punkte geben, bei denen sich Folgenglieder häufen ( und wiederholen dabei auch gleich noch etwas Topologie: Die Glieder einer Folge {an } bilden (siehe Einleitung) eine Menge A, die unter Umständen auch Häufungspunkte haben kann. Es gilt nach Bolzano-Weierstraß ja sogar, daß jede beschränkte unendliche Menge zumindest einen Häufungspunkt haben muss. In jeder Umgebung eines solchen Häufungspunktes H muss zumindest ein Element liegen, das heißt, die Folgenglieder drängen sich an den Häufungspunkt beliebig dicht heran. Zusammen mit allen Werten, die von der Folge unendlich oft angenommen werden (wie etwa x1 = −1 und x2 = 1 von dn = (−1)n+1 ), bilden die Häufungspunkte die Menge der Verdichtungspunkte. In jeder Umgebung eines Verdichtungspunktes liegen also unendlich viele Folgenglieder. Der größte dieser Verdichtungspunkte heißt Limes superior (lim supn→∞ an oder limn→∞ an ), der kleinste heißt Limes inferior (lim inf n→∞ an oder limn→∞ an ). © 3 ª Für die Folge {fn } = 0, 2 , − 23 , 45 , − 45 , 67 , − 67 , 89 , . . . , (−1)n + n1 , . . . , gilt: lim supn→∞ fn = 1 und lim inf n→∞ fn = −1. Es kann natürlich für eine Folge der Fall sein, dass Limes superior und Limes inferior zusammenfallen. In diesem Fall spricht man bei beschränkten Folgen einfach vom Grenzwert oder Limes einer Folge (A = limn→∞ an ). Außerhalb jeder Umgebung von A dürfen demnach nur endlich viele Folgenglieder liegen. Der Begriff des Grenzwerts einer Folge ist einer der wichtigsten, wenn nicht der wichtigste der gesamten Analysis. Bsp: 16 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.4 2.2 Folgen Übungsaufgaben – Folgen q 1 + n1 . Man berechne den Grenzwert der Folge an = n − n · q ³ ´ an = n · 1 − 1 + n1 = √ n· 1− 1 1+ n · 1+ √ 1+ √ 1 1+ n 1 1+ n = 1 n·(1−(1+ n ) √ 1+ −1 q Damit erhält man problemlos lim an = lim n→∞ n→∞ 1+ 1+ 1 n 1 1+ n = 1 n·(− n ) 1+ √ 1 1+ n =− −1 1 √ = =− 2 1+ 1+0 √1 1+ 1 1+ n p p 4n(n − 2) − 2n(n − 1) p Man berechne den Grenzwert der Folge an = . 3n(n + 3) q q q p 1 2 4(1 − ) − 2(1 − n1 ) 2 4n(n − 2) − 2n(n − 1) n n p q an = ·q = 1 3n(n + 3) 3(1 + n3 ) n2 q q p p √ 4(1 − n2 ) − 2(1 − n1 ) 4(1 − 0) − 2(1 − 0) 2− 2 q p √ lim an = lim = = n→∞ n→∞ 3 3(1 + 0) 3(1 + n3 ) p √ ¡√ √ ¢ n 1 + 2 + 3 + ... + n − n n + 1 − n und bn = n+2 2 auf Konvergenz und berechne gegebenenfalls die Grenzwerte. Man untersuche die Folgen an = (−1)n √ ¢ ¡√ √ ¢ √ √ (n + 1) − n n+1− n n+1+ n n √ an = (−1) n = (−1)n n √ √ √ = (−1)n √ √ n+1+ n n+1+ n n+1+ n √ n 1 Nun ist lim √ √ = ; wegen des (−1)n ist {an } also divergent. n→∞ 2 n + 1 + n Pn k n n (n + 1)/2 n n (n + 1) n(n + 2) n2 + n − n2 − 2n n − = − = =− bn = k=1 − = n+2 2 n+2 2 2(n + 2) 2(n + 2) 2(n + 2) 2n + 4 µ ¶ µ 1 ¶ n 1 1 1 lim bn = lim − · n = lim − =− = n→∞ n→∞ n→∞ 2n + 4 n1 2+0 2 2 + n4 n √ ¡√ Man berechne den Grenzwert der Folge an = an = = 2 + 4 + 6 + . . . + 2n . 1 + 3 + 5 + . . . + (2n − 1) 2 n (n+1) 2(1 + 2 + . . . + n) = (2n−1) 2n 2 (n−1) n = 1 + 2 + . . . + (2n − 1)) − 2(1 + 2 + . . . + (n − 1)) −2 2 2 n+1 n+1 n (n + 1) = = −→ 1 n(2n − 1) − (n − 1)n 2n − 1 − n + 1 n n→∞ Man berechne den Grenzwert der Folge an = p n2 + n − p n2 − n. √ √ √ √ ( n2 + n − n2 − n)( n2 + n + n2 − n) n2 + n − (n2 − n) 2n √ √ √ √ an = =√ =√ 2 2 2 2 2 n +n+ n −n n +n+ n −n n + n + n2 − n 2 2 √ q lim an = lim q =1 =√ n→∞ n→∞ 1+0+ 1−0 1+ 1 + 1− 1 n n 17 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 Folgen n−1 n+1 X X 1 1 (k + 1) und b = k ist, eine n (n + 1)2 (n + 1)2 k=0 k=1 Intervallschachtelung vorliegt. Welche reelle Zahl wird dadurch definiert? Man zeige, dass mit [an , bn ], wobei an = n ³n ´ X 1 1 n (n + 1) n an = ` = · (n + 1) = = (n + 1)2 (n + 1)2 2 2(n + 1)2 2(n + 1) `=1 µ ¶ n+1 X 1 n+1 (n + 1) (n + 2) n+2 1 bn = k= (n + 2) = = (n + 1)2 (n + 1)2 2 2(n + 1)2 2(n + 1) k=1 Man erkennt schon limn→∞ an = limn→∞ bn = Folgenglieder noch etwas umzuformen: 1 2. Mit diesem Wissen kann man versuchen, die 1 1 n 1 n+1 n 1 1 − + = − + = − wächst streng monoton 2 2 2(n + 1) 2 2(n + 1) 2(n + 1) 2 2(n + 1) 1 1 n+2 1 n+1 n+2 1 1 bn = − + = − + = + fällt streng monoton 2 2 2(n + 1) 2 2(n + 1) 2(n + 1) 2 2(n + 1) an = 1 Für die Differenz der beiden Folgen gilt: bn − an = n+1 → 0. Da beiden Folgen den gleichen Grenzwert haben, die eine monoton wächst, die andere monoton fällt, liegt eine Intervallschachtelung vor, sie definiert die Zahl 12 . µ Gegeben ist an = 2n 3n + 1 ¶(−1)n + 1 (−1)n n − . Man bestimme lim sup an und lim inf an . n→∞ 2(n + 1) 2 n→∞ Bei Ausdrücken, in denen (−1)n vorkommt, bieten sich meist Fallunterscheidungen an: 4k 2k 1 4 2 1 2 gerade: n = 2k a2k = + − −→ + − = k→∞ 6 6kµ+ 1 4k + 2 2 4 2 3 ¶−1 4k + 2 2k + 1 1 6 2 1 1 ungerade: n = 2k + 1 a2k+1 = − − −→ − − = 6k + 4 4k + 4 2 k→∞ 4 4 2 2 2 1 Demnach ist lim sup an = und lim inf an = . n→∞ 3 2 n→∞ Man zeige, daß die Folge an = Grenzwert. (n+a)n an nn ·n! µ für jede reelle Zahl a konvergiert und bestimme den ¶n an n+a Wir wissen lim an = lim = lim · lim . n→∞ n→∞ n→∞ n→∞ n! n ¶n µ ³ n+a a ´n Nun kennt man bereits (oder sollte zumindest kennen) lim = lim 1 + = ea . n→∞ n→∞ n n an Weiters ist lim = 0 – das sieht man am einfachsten, indem man ein allgemeines Folgenglied n→∞ n! an a · a · ... · a explizit anschreibt: = . Sowohl im Zähler als auch im Nenner steht ein Produkt von n! 1 · 2 · ... · n n Faktoren, aber während diese über dem Bruchstrich den immer den Wert a haben, werden sie darunter mit wachsendem n immer größer, und für n → ∞ geht der Ausdruck gegen Null. Beide Grenzwerte existieren, damit ist der Grenzwert des Produkts gleich dem Produkt der Grenzwerte, und man erhält lim an = ea · 0 = 0. (n + a)n an · nn n! ¶ n→∞ 18 µ Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.5 2.2 Folgen Rekursive Folgen Neben den Folgen, deren Glieder durch eine explizite Formel angegeben sind, an = f (n), haben vor allem jene Folgen große Bedeutung, die rekursiv definiert werden. Sie machen üblicherweise auch (sei es jetzt bei realen Problemen oder bei Prüfungen) die meisten Probleme. Eine Folge, deren Glieder nicht durch eine explizite Bildungsvorschrift (), sondern aufbauend auf vorangegangene Folgenglieder angegeben werden (z.B. , gegeben), nennt man eine rekursive Folge. kann gewöhnlich erst berechnet werden, wenn bereits alle vorherigen Folgenglieder bekannt sind. Bsp: Eines der bekanntesten Beispiele für eine rekursive Folge ist die Fibonacci-Folge mit der Bildungsvorschrift : , , und , also den Werten . Diese Folge ist divergent, der Quotient hingegen konvergiert gegen den Goldenen Schnitt (proportio divina) . Die meisten Erkenntnisse über rekursive Folgen werden durch vollständige Induktion gewonnen, mittels dieser kann man fast alle entsprechenden Beweise führen. Um die Konvergenz einer rekursiven Folge nachzuweisen, gibt es in den meisten Fällen nur zwei Möglichkeiten: Kann man (induktiv) zeigen, daß die Differenz immer größer bzw. immer kleiner als Null ist (die Folge also monoton ist) und daß die Folge nach oben bzw. nach unten beschränkt ist, so ist die Konvergenz bewiesen. Die andere Möglichkeit ist die Anwendung des (meist aufwendigen) Cauchy-Kriteriums. Zur Erinnerung: Monotonie und Beschränktheit Cauchy-Kriterium: Wenn es für alle eine natürliche Zahl gibt, so daß der Abstand kleiner als wird, wenn nur n und m größer als sind, dann ist die Folge konvergent. Hat man erst einmal bewiesen, daß eine rekursive Folge konvergent ist, ist das Berechnen des entsprechenden Grenzwertes zumindest im Prinzip nicht mehr schwer. Im Grenzfall gehen nämlich alle , , usw. in den Grenzwert a über. Man erhält damit eine implizite Gleichung , die nur noch“ nach a aufgelöst werden muss. Bsp: Für die Folge , erhält man als erste Glieder ” , man kann vermuten, dass die Folge monoton wachsend und durch 1 nach oben beschränkt ist. Beide läßt sich leicht mittels Induktion beweisen: ; : ; : lt. Induktionsannahme ; : ; : Für den Grenzwert erhält man nun Gelingt es nicht, auf einfachem Weg eine passende Schranke zu finden, hilft es oft, den Grenzübergang formal durchzuführen, auch wenn nicht sicher ist, ob die Folge wirklich konvergiert. Die so gefundene Zahl kann probeweise als Schranke eingesetzt werden. Erhält man so einen Grenzwert, der nicht in Frage kommt, etwa weil er kleiner ist als ein bestimmtes Folgenglied und die Folge monoton steigt, ist die Divergenz nachgewiesen. 19 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 Folgen Exkurs: Kaninchen und der Goldene Schnitt Natürlich divergiert die Fibonacci-Folge offensichtlich gegen Unendlich. Der Quotient zweier Folgenglieder allerdings strebt gegen einen konstanten Wert: √ an+1 1+ 5 φ := lim = n→∞ an 2 Diese Zahl heißt der Goldene Schnitt (oder auch proportio divina, die göttliche Teilung) und stammt ursprünglich aus geometrischen Überlegungen: Teilt man nämlich eine Strecke a in zwei Teile und fordert, dass sich der größere Teil a1 zum kleineren a2 so verhalten soll wie die gesamte Strecke zum größeren, so ist genau a1 a = = φ. a1 a2 Abgesehen davon, dass der Goldene Schnitt eine Reihe netter arithmetischer Eigenschaften (z.B. 1 + φ = φ2 , φ1 = φ − 1) und interessante Darstellungen wie r φ= q √ 1 + 1 + 1 + ... = 1 + 1 1+ 1 1 + 1 +1 . . . hat, taucht er auch in den verschiedensten Bereichen der Naturwissenschaften ebenso wie der Kunst auf. 20 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2 Folgen Exkurs: Ein diskretes Populationsmodell Fibonaccis Kaninchen sind zwar als Ausgangspunkt für mathematische Konzepte außerordentlich dankbar, als ökologisches Modell jedoch eine mittlere Katastrophe. Daneben existiert aber eine ganze Reihe von Modellen, die ebenfalls auf rekursiven Folgen aufbauen, allerdings sehr viel realistischer sind – und deren Vorhersagen dementsprechend mehr Aussagekraft haben. Eines davon soll an dieser Stelle vorgestellt werden, nämlich das diskrete logistische Populationsmodell (wobei jedoch auch dieses unmittelbar an ein faszinierendes Phänomen heranführt, dessen Implikationen weit über dieses spezielle Modell hinausreichen): Beginnen wir aber mit den Fragen, die am Anfang jeder Modellierung stehen sollten: Was will man überhaupt beschreiben? Mit welcher Genauigkeit soll das erfolgen? Welche Mittel wird man dazu verwenden? Das logistische Modell will nur Aussagen über eine Population in einem begrenzten Lebensraum machen. Dabei soll die gesamte Population zu einem bestimmten Zeitpunkt durch eine einzige Zahl Pn ausgedrückt werden, und diese wiederum nur von der Population zu einem vorherigen Zeitpunkt, Pn−1 abhängen, also Pn = f (Pn−1 ). Unterschiede zwischen Individuen kommen also nicht zum Tragen, es kann dementsprechend weder eine Alters- noch eine sonstige Struktur beschrieben werden. Außerdem kennen wir diese Population nur zu (diskreten) Zeitpunkten mit klar definierten Abstand, d.h. wir haben P1 , P2 , P3 usw., im gesamten Modell kommt niemals ein P1,5 vor. Diese Taktik wird von vornherein nur funktionieren, wenn man Arten betrachtet, deren Lebenszyklus dieser Beschreibung entgegenkommt. Ein gutes Beispiel wären viele Insektenarten, bei denen alle Tiere alle im Frühling etwa zur gleichen Zeit schlüpfen, sich später paaren, Eier legen und im späten Herbst alle sterben. Hier hat man eine weitgehend homogene Population, die in jedem Jahr durch eine Kenngröße (vernünftigerweise die Zahl der Tiere, die es bis zur Fortpflanzung bringen) beschrieben werden kann. Lebewesen mit einem komplexeren Lebenszyklus hingegen, vielleicht gar noch einem echten Sozialsystem, sind sicher jenseits dessen, was sich mit einem solchen Modell behandeln läßt. Soviel also zur Aussagekraft. Bevor wir die Modellgleichungen aufstellen, noch eine kleine Vereinfachung: xn+1 = r · xn · (1 − xn ) 21 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.2.6 2.2 Folgen Übungsaufgaben – rekursive Folgen {an } ist definiert durch a0 = 1, a1 = 2, an+2 = an+1 + an . Man beweise: Induktiv: n = 0: ¡ 3 ¢0 2 (n, n + 1) → n + 2 ¡ 3 ¢n 2 ≤ an ≤ 2n ¡ ¢1 = 1 ≤ 1 ≤ 1 = 20 stimmt; n = 1: 23 = 32 ≤ 2 ≤ 2 = 21 stimmt ebenfalls. ¡ ¢n+1 ¡ 3 ¢n ¡ ¢n ¡ ¢n ¡ ¢n+2 an+2 = an+1 + an ≥ 32 + 2 = 52 · 23 > 94 · 32 = 32 an+2 = an+1 + an ≤ 2n+1 + 2n = 3 · 2n < 4 · 2n = 2n+2 Man untersuche an+1 = 1 + √ 1 + an , a1 = 0 auf Konvergenz und bestimme ggf. den Limes. Ausrechnen: {an } = {0, 2, 2.73, 2.93, . . .} Vermutung: {an } ist monoton wachsend und an ≤ 3 √ √ an+2 − an+1 = 1 + an+1 − 1 + an ; wenn an+1 > an ist, muss demnach auch an+2 > an+1 sein. Weil a2 = 2 > 0 = a1 ist, wächst die Folge monoton. √ a1 < 3. Induktionsannahme: an < 3, daraus folgt an+1 < 1 + 1 + 3 = 3, die Folge ist nach oben beschränkt und wegen der Monotonie konvergent. √ √ a = 1 + 1 + a bzw. a − 1 = 1 + a und nach Quadrieren a2 − 2a + 1 = 1 + a bzw. a2 − 3a = a(a − 3) = 0. Von den beiden Lösungen a = 0 und a = 3 kommt nur die zweite in Frage: limn→∞ an = 3. Monotonie: Schranke: Grenzwert: Man untersuche an+1 = a2n + an , a1 = 1 4 auf Konvergenz und bestimme ggf. den Grenzwert. Aus an+1 = a2n + an und a1 > 0 folgt weiter an > 0 für alle n ∈ N. Wegen an+1 − an = a2n +an −an = a2n ist die Folge streng monoton wachsend und durch a1 = 14 nach unten beschränkt. ¡ ¢2 ¡ ¢n an+1 = an · (an + 1) ≥ an · 54 ≥ an−1 · 54 ≥ . . . ≥ a1 · 54 wächst über jede Schranke. Demnach ist {an } nach oben unbeschränkt, also divergent. Alternativer Nachweis der Divergenz: Der formale Grenzübergang n → ∞ liefert die implizite Gleichung a = a2 + a mit der einzigen Lösung a = 0. Dies steht aber im Widerspruch zum monotonen Wachsen einer Folge mit positiven Gliedern, {an } kann deshalb nicht konvergent sein. Man untersuche an+1 = C+an 2 , a1 = 0, C > 0 auf Konvergenz und bestimme ggf. den Grenzwert. 7C Die ersten Glieder der Folge sind {an } = {0, C2 , 3C 4 , 8 , . . .}, man kann also monotones Wachsen und Beschränktheit nach oben vermuten. Für die Monotonie erhält man an+1 −an = C2 + a2n −an = C−an 2 . Solange also an < C ist, ist an+1 > an . Nun zeigt man Beschränktheit nach oben durch C (und damit auf einen Schlag auch die Monotonie) ganz einfach mittels Induktion. Ist an < C, so n ist an+1 = C+a < C+C = C. Die Folge ist also konvergent und man erhält für den Grenzwert 2 2 A = limn→∞ an (wenig überraschend) A = A+C 2 , also A = C. Gegeben ist die Folge an+1 = 2an −1 mit a1 = a ∈ R. Man bestimme ein explizites Bildungsgesetz für die Folgenglieder und untersuche, für welche a ∈ R die Folge konvergiert. Eine Berechnung der ersten Glieder zeigt: a1 = a, a2 = 2a − 1, a3 = 2(2a − 1) − 1 = 4(a − 1) + 1; a4 = 2(4(a − 1) + 1) − 1 = 8(a − 1) + 1. Man kann vermuten: an = 2n−1 (a − 1) + 1, was allerdings noch mittels vollständiger Induktion bewiesen werden sollte: Ann an+1 = 2an − 1 = 2(2n−1 (a − 1) + 1) − 1 = 2n (a − 1) + 2 − 1 = 2n (a − 1) + 1 Der Induktionsanfang ist bereits gemacht, demnach stimmt die Rekursionsformel. Man erkennt auch sofort, daß die Folge divergiert, wenn nicht gerade a = 1 ist (der Ausdruck wächst für a > 1 über und fällt für a < 1 unter jede Schranke). Die Folge ist also nur konvergent für a = 1. 22 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 2.3.1 2.3 Unendliche Reihen Unendliche Reihen Einleitung, Historisches Ein, ja geradezu der klassische Einstieg in die Theorie der Reihen geht auf auf den griechischen Philosophen Zenon von Elea zurück, und auch wir wollen ihn hier aufgreifen: Es geht dabei um einen Wettlauf zwischen dem Helden Achill, dem schnellsten Läufer der Antike, und einer Schildkröte. Da Achill zehnmal schneller ist als die (anscheinend gar nicht so langsame) Schildkröte, erhält diese zum Ausgleich einen Vorsprung von 100 Metern. Nun aber, so argumentiert Zenon, kann Achill die Schildkröte niemals einholen, egal wie sehr er sich auch anstrengen mag. Denn, so erklärt Zenon, weiter, wenn Achill die ersten hundert Meter zurückgelegt hat, ist die Schildkröte ja schon zehn Meter weiter. In der Zeit, die Achill für diese Strecke benötigt, schafft sie aber einen weiteren Meter und ist immer noch vorn. So geht es weiter, zehn Zentimeter, ein Zentimeter, . . . , der Abstand wird zwar ständig kleiner, aber immer ist die Schildkröte vorn und Achill hat das Nachsehen. Auf ähnliche Art beweist“ Zenon auch, daß man nie von einem Ort zu einem anderen gelan” gen kann. Denn um von A noch B zu kommen, müßte man zuerst die halbe Strecke dazwischen zurückgelegt haben. Dafür müßte man aber wiederum die davon die Hälfte überwunden haben, und so fort. Nun sagt schon der Hausverstand, dass Achill seinen Gegner natürlich überholen wird, und dass man doch von einem Ort zum nächsten kommen kann. Zenons Paradoxa (es gibt noch einige mehr) wenden sich eher gegen die Art, wie zu seiner Zeit mit dem Unendlichen argumentiert wurde, und führt sie ins Absurde. Wenn wir uns den Wettlauf noch einmal ansehen, spielt die Summe 100 + 10 + 1 + 0, 1 + 0, 01 + 0, 001 + . . . dort eine wesentliche Rolle. Zenons Argument lautet ja eigentlich, dass die Summe von unendlich vielen positiven Zahlen auch unendlich groß sein muss. Aber kann das stimmen? Sehen wir uns einmal die ersten Teilsummen an: s1 s2 s3 s4 s5 = = = = = 100 100 + 10 100 + 10 + 1 100 + 10 + 1 + 0, 1 100 + 10 + 1 + 0, 1 + . . . = = = = = 100 110 111 111, 1 111, 1 . . . Anscheinend habe wir hier eine Zahlenfolge vor uns, von der wir annehmen, dass sie gegen 111, 1̇ = 111, 111111 . . . konvergiert. Bei dieser Marke wird Achill also wahrscheinlich die Schildkröte überholen. Ähnliche Probleme wie dieses führen direkt zur Theorie der unendlichen Reihen. Allerdings ist es zwar manchmal hilfreich, aber definitiv nicht ganz richtig, sich eine Reihe einfach als Summe mit unendlich vielen Gliedern vorzustellen. Tatsächlich werden wir die Reihen als spezielle Folgen ansehen, die unter bestimmten Umständen natürlich einen Grenzwert haben können. Doch bis man zu diesem in sich konsistenten Standpunkt gelangte, war es historisch ein langer und manchmal recht mühsamer Weg. 23 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Auch nach Zenon standen Reihen immer wieder im Mittelpunkt mathematischer, philosophischer, ja sogar theologischer Diskussionen. Eines der berühmtesten Beispiele ist dabei die Reihe S = 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − 1 + ... Mit unterschiedlichen Begründungen wurde ihr der Wert Null, Eins oder 12 zugewiesen, und keine dieser Vorschläge wirkt ganz falsch. Fasst man nämlich jeweils zwei Glieder zusammen, so kann man das auf folgende Weise tun: S = 1| {z − 1} + 1| {z − 1} + 1| {z − 1} + . . . = 0 + 0 + 0 + . . . = 0. 0 0 0 Genausogut könnte man aber auch so arbeiten: S = 1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) + (−1 + 1) − . . . = 1 + 0 + 0 + 0 + . . . = 1. | {z } | {z } | {z } 0 0 0 Mit derartigen Argumenten wurden anhand dieser Reihe sogar Gottesbeweise geführt, denn, so lautete die Überlegung, wenn 0 = 0 + 0 + 0 + . . . = (1 − 1) + (1 − 1) + (1 − 1) + . . . = 1 + (−1 + 1) + (−1 + 1) + . . . = 1 + 0 + 0 + . . . = 1 ist, dann kann Gott auch die ganze Welt aus dem Nichts erschaffen haben. Das letzte Ergebnis erhält man, indem man die durch formale Division gewonnene Summenformel 1 = 1 + x + x2 + x3 + x4 + . . . 1−x 1 anwendet: S = 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − 1 + . . . = 1−(−1) = 12 . Dieses Ergebnis wurde auch noch mit diversen Argumenten untermauert (etwa, wenn zwei Brüder einen Edelstein immer untereinander hin und her geben, so besitzt ihn jeder insgesamt die halbe Zeit). In Wirklichkeit gilt diese Formel nur für einen begrenzten Zahlenbereich, nämlich |x| < 1, früher allerdings wurde sie bedenkenlos für alle x 6= 1 verwendet, uns selbst große Mathematiker wie Leibniz verteidigten seitenlang gewisse merkwürdige Resultate wie etwa 1 + 2 + 4 + 8 + 16 + 32 + . . . = −1. Erst langsam wurde deutlich, dass gar nicht alle Reihen überhaupt einen definierten Wert haben müssen. Solche die das tun, nennt man wie bei Folgen konvergent, die anderen divergent. Tatsächlich wurde, etwa von Euler, teils recht erfolgreich, mit divergenten Reihen gerechnet – um das zu tun, braucht man aber ein gehöriges mathemtisches Fingerspitzengefühl. So gerieten divergente Reihen allmählich ins schiefe Licht, so schrieb etwa Nils Henrik Abel: Divergente ” Reihen sind ein Unglücksding, und es ist eine Schande, damit etwas zu beweisen.“ Mehr noch, er nannte sie sogar eine Erfindung des Teufels“. ” So weit wollen wir zwar nicht gehen, aber es ist klar, dass wir klar fassen müssen, was Konvergenz in diesem Zusammenhang bedeutet – und wir brauchen eine Möglichkeit herauszufinden, welche Reihen denn nun konvergent sind und welche nicht. 24 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3.2 2.3 Unendliche Reihen Definition Wie schon angedeutet wollen wir Reihen auf die Theorie der Folgen zurückführen. Dazu nehmen wir eine beliebige Folge {ak } und bilden nun die Partialsummen sn = n X ak = a1 + . . . + an k=1 Die Reihe entsteht also gewissermaßen durch das Aufsummieren einer Folge, die Partialsummen sn bilden selbst wieder eine neue Folge, die – je nach Aussehen von {ak } – konvergent oder divergent sein kann. Im Falle der Konvergenz schreibt man für den Grenzwert symbolisch ∞ X ak := lim sn n→∞ k=1 und nennt die entsprechende Zahl den Wert der Reihe. Die Schreibweise suggiert die Auffassung einer Reihe als Summe mit unendlich vielen Summanden“, es sei aber nochmals darauf hinge” wiesen, dass diese Vorstellung zwar manchmal hilfreich sein kann (insbesondere bei Aufstellen einer Reihe), aber auch viele Gefahren in sich birgt – so gelten machen Regeln für das Rechnen mit endliche Summen bei Reihen plötzlich nicht mehr. Strenggenommen haben wir es mit dem Grenzwert einer speziell definierten Folge {an } zu tun – und mit nichts sonst. Trotzdem wird die Schreibweise ∞ X ak ≡ a1 + a2 + a3 + . . . k=1 häufig verwendet, und auch wir werden uns dem gelegentlich anschließen. Nehmen wir aber nun als erstes konkretes Beispiel die Reihe ∞ X 1 1 1 1 = 1 + + + + ... k 2 2 4 8 k=0 Für endliche Summen von analoger Gestalt gilt (wie bereits gezeigt) n X qk = k=0 Wenn nun n → ∞ geht, geht die geometrische Reihe: ∞ X k=0 q n+1 1 − q n+1 . 1−q gegen Null, sofern |q| < 1 ist. Man erhält also allgemein für k q = lim n→∞ n X 1 − q n+1 1 = n→∞ 1 − q 1−q q k = lim k=0 für |q| < 1 und somit für den obigen Spezialfall q = ∞ X 1 1 = k 2 1− k=0 1 2 1 2 unmittelbar: = 2, wie es auch die graphische Anschauung (siehe rechts) nahelegen würde. Für |q| > 1 divergiert q n+1 mit n → ∞, undPdamit auch die Reihe; Pn auch für |q| = 1 n k liegen divergente Reihen vor, nämlich k=0 (−1) bzw. k=0 1). 25 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Wie man sich leicht überzeugen kann, wird betragsmäßig kleiner als jede beliebige positive Zahl, wenn der Betrag von r kleiner als Eins und N groß genug ist. Eine Reihe der Form nennt man übrigens geometrische Reihe, sie konvergiert eben gerade, wenn ist, ansonsten divergiert sie. In unserem Beispiel ist , also lautet der Wert der Reihe . P Wie man sich leicht überlegen kann, muss für eine konvergente Reihe ∞ n1 an auf jeden Fall limn→∞ an = 0 sein, die Reihenglieder müssen also eine Nullfolge bilden. Doch nicht jede Reihe, für die das zutrifft, ist auch konvergent. Ein Beispiel für eine solche divergente Reihe ist die harmonische Reihe . Es ist zwar , von Konvergenz ist hier aber keine Rede. Am besten sieht man das, wenn man die ersten Glieder der Reihe explizit anschreibt: Die ersten beiden Glieder sind größer bzw. gleich . Nun faßt man die nächsten beiden Glieder zusammen: . Jedes der nächsten vier Glieder ist mindestens gleich , ihre Summe ist also wiederum größer als : So kann man immer wieder Glieder zu Summen zusammenfassen, die größer sind als . Daß man dabei immer mehr Reihenglieder braucht, ist völlig egal - man hat ja unendlich viele zur Verfügung. Damit kann man den Wert der Reihe mit nach unten abschätzen - dieser Ausdruck wächst über jede Schranke. Die harmonische Reihe ist divergent. Halten wir das fest: Die geometrische Reihe ∞ X q k konvergiert genau dann, wenn |q| < 1 ist, k=0 sie hat dann den Wert 1 . 1−q 26 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3.3 2.3 Unendliche Reihen Absolute und bedingte Konvergenz 27 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3.4 2.3 Unendliche Reihen Konvergenzkriterien für Reihen Um die Konvergenz einer gegebene Reihe zu überprüfen, stehen diverse Kriterien zur Verfügung, von denen hier die wichtigsten vorgestellt werden sollen. Die meisten davon haben durchaus einschneidende Voraussetzungen (z.B. dass alle an ≥ 0 sind und monoton fallen); diese werden beim jeweiligen Kriterium explizit angegeben. Quotientenkriterium Hier betrachtet man den Grenzwert zweier aufeinanderfolgender Glieder der Reihe und kann feststellen: ¯ < 1 Konvergenz ¯ ¯ an+1 ¯ ¯= = 1 keine Aussage lim ¯ n→∞ ¯ an ¯ > 1 Divergenz Wenn der Grenzwert nicht existiert, können immer noch limes superior und limes inferior eine Aussage bringen. Wenn sogar lim supn→∞ an+1 an < 1 ist, liegt ebenfalls Konvergenz vor, ist dagegen bereits lim inf n→∞ an+1 > 1, hat man divergentes Verhalten. an P∞ 2n n Bsp: Man untersuche die Reihe n=1 n ! auf Konvergenz. Dazu bilden wir mit an := 2n ! an+1 2n+1 = · an (n + 1) ! µ 2n n! ¶−1 = n! n! 2n+1 2 · 2n 2 · n = · n = → 0 < 1, (n + 1) ! 2 (n + 1) · n ! 2 n+1 die Reihe konvergiert demnach. Wurzelkriterium Mit dem Quotientenkriterium verwandt ist das Wurzelkriterium, in dem man die n-te Wurzel des Betrags von an im Limes n → ∞ betrachtet. Auch hier gilt: lim p n n→∞ < 1 Konvergenz = 1 keine Aussage |an | = > 1 Divergenz p Sollte der Limes nicht existieren, genügt es in diesem Fall, lim sup n |an | zu untersuchen, auch dann zeigt ein Wert < 1 Konvergenz und einer > 1 Divergenz an; im Falle = 1 kann auch hier keine Aussage getroffen werden. Anm: Bsp: Das Wurzelkriterium ist insofern stärker“ als das Quotientenkriterium, als dass auch ” für Fälle, in denen das Quotientenkriterium keine Entscheidung bringt, noch manchmal Aussagen erlaubt. (Das gilt allerdings nur dann, wenn der Grenzwert von an+1 an nicht an+1 existiert und auch lim sup und lim inf nicht weiterhelfen. Für an → 1, liefert auch p das Wurzelkriterium n |an | → 1 und damit keine Entscheidung.) Versagt allerdings das Wurzelkriterium, so bringt auch das Quotientenkriterium sicher keine Aussage. ¡ ¢ 2 P 1 n Man untersuche die Reihe ∞ auf Konvergenz: n=1 1 − n s µ ¶ 2 µ ¶ p 1 n 1 n 1 n n |an | = 1− = 1− → < 1, n n e die Reihe ist konvergent. 28 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Vergleichskriterium P∞ Das Vergleichskriterium versucht, die Konvergenz/Divergenz einer gegebenen Reihe n=0 an P∞ anhand einer anderen Reihe n=0 bn zu überprüfen, deren Konvergenzverhalten bereits bekannt ist. Üblicherweise wird es in einer der drei folgenden Arten verwendet (wir betrachten dabei nur Reihen mit positiven Gliedern an ): P∞ P∞ • Wenn an ≤ bn für fast alle n ist, und P∞ n=0 bn konvergiert, dann konvergiert auch n=0 an (Majorantenkriterium, die Reihe n=0 bn heißt dann eine konvergente Majorante). P P∞ • Wenn an ≥ bn für fast P alle n ist, und ∞ n=0 bn divergiert, dann divergiert auch n=0 an (Minorantenkriterium, ∞ b heißt analog zu oben eine divergente Minorante). n n=0 P P∞ an • Wenn limn→∞ bn = C ∈ R+ ist, dann haben die beiden Reihen ∞ n=0 an und n=0 bn das gleiche Konvergenzverhalten. Ansonsten gilt immerhin noch: P P∞ – Wenn abnn → 0, und ∞ an . n=0 bn konvergiert, dann konvergiert auch P∞ P∞ n=0 an – Wenn bn → ∞, und n=0 bn divergiert, dann divergiert auch n=0 an . Natürlich ist das Vergleichskriterium nur so gut wie die Reihen, die zum Vergleich zur Verfügung stehen. Insbesondere praktisch sind in dieser Hinsicht die schon von vorhin bekannten Reihen ½ ½ ½ ∞ ∞ ∞ X X X 1 1 konv. f. |q| < 1 konv. f. α > 1 konv. f. α > 1 n q ... ... ... div. f. |q| ≥ 1 div. f. α ≤ 1 div. f. α ≤ 1 nα n · (ln n)α n=0 Bsp: n=1 Man untersuche die Reihe P∞ n=1 n=1 n2 −7n+1 4n4 +3n3 +2n2 +n auf Konvergenz. Die höchste Potenz im Zähler ist n2 , die höchste im Nenner n4P ; man kann also P∞vermuten, n2 1 dass sich die Reihe ein analoges Verhalten haben wird wie ∞ = 4 n=1 n n=1 n2 , also 2 n −7n+1 Konvergenz vorliegt. Das gilt es nun noch zu beweisen. Mit an := 4n4 +3n 3 +2n2 +n und 1 bn := n2 erhält man: 1 − n7 + n12 n2 − 7n + 1 n2 n4 − 7n3 + n2 an = 4 · = = bn 4n + 3n3 + 2n2 + n 1 4n4 + 3n3 + 2n2 + n 4 + n3 + n22 + 1 n3 → 1 ∈ R+ 4 Die beiden haben also gleiches Konvergenzverhalten, und wie erwartet konverP∞ Folgen n2 −7n+1 giert n=1 4n4 +3n3 +2n2 +n tatsächlich. Leibniz-Kriterium P∞ n Nun betrachten wir Reihen der Form n=0 (−1) an mit an ≥ 0, also Gliedern mit jeweils wechselndem Hier gilt: Wenn an monoton fallend ist und an → 0 geht, dann ist die P∞ Vorzeichen. n Reihe n=1 (−1) an konvergent. P n1 Bsp: Man untersuche die alternierende harmonische Reihe ∞ n=1 (−1) n auf Konvergenz: Diese Reihe hat auf jeden Fall die richtige Form mit wechselndem Vorzeichen und an = n1 ≥ 0, auch dass limn→∞ an = 0 ist, ist klar. Was also noch zu überprüfen bleibt ist die Monotonie: an+1 − an = 1 1 n n+1 1 − = − =− <0 n+1 n n (n + 1) n (n + 1) n (n + 1) Die alternierende harmonische Reihe ist also wie früher schon behauptet tatsächlich konvergent. 29 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Verdichtungskriterium P Im Falle, dass in der Reihe ∞ n=1 an die Glieder an alle positiv sind und monton fallen, wird die Konvergenz einer Reihe schon von einer sehr viel dünneren“ Teilreihe bestimmt. Es gilt dabei ” der Cauchy’sche Verdichtungssatz: ∞ ∞ X X Die Reihe an konvergiert genau dann, wenn die verdichtete“ Reihe 2n a2n konvergiert. ” n=1 n=1 Cauchy-Kriterium Im Gegensatz zu allen bisher angegebenen Kriterien setzt das Cauchy-Kriterium keine spezielle Gestalt der an voraus und ist damit das allgemeinste hier verfügbare Kriterium – allerdings ist es auch technisch am anspruchsvollsten, und man wird es nur dann verwenden, wenn die anderen Kriterien alle nicht anwendbar sind oder versagen. Auf Reihen umgelegt lautet seine Formulierung: ∞ X Eine Reihe ak ist genau dann konvergent, wenn es zu jedem ε > 0 ein N ∈ N gibt, so dass k=1 ¯ ¯ m ¯ ¯ X ¯ ¯ ak ¯ < ε für beliebige m > n > N ist. ¯ ¯ ¯ k=n+1 Analog zum letzten Abschnitt gilt auch hier das Kriterium nur dann, wenn man es mit reellen (oder komplexen) Zahlen zu tun, aber nicht notwenigerweise in einem unvollständigen“ ” Zahlbereich wie etwa Q. 30 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Exkurs: Weitere Konvergenzkriterien für Reihen Neben den hier vorgestellten Konvergenzkriterien gibt es noch eine ganze Reihe anderer, die entweder auf Mittel zurückgreifen, die erst später in diesem Skriptum folgen (Integralkriterium) oder allgemein technisch anspruchsvoller sind (Kriterien von Kummer und Raabe). Der Vollständigkeit halber seien sie an dieser Stelle trotzdem kurz angeführt: P∞ • Integralkriterium: REine Reihe n=n0 f (n) mit monoton fallendem f (n) ist genau dann ∞ konvergent, wenn n0 f (x) dx existiert. (Das Integral braucht nur an der oberen Grenze ausgewertet zu werden.) Das kann man sich anhand einer graphischen Darstellung unmittelbar veranschaulichen: • Kriterium von Kummer : • Kriterium von Raabe: 31 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Exkurs: Unendliche Produkte 32 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3.5 2.3 Unendliche Reihen Übungsaufgaben – Reihen Der Erwartungswert einer Größe ist die Summe aller möglichen Werte gewichtet mit jeweils der Wahrscheinlichkeit für ihr Eintreten. So ist der Erwartungswert eines (fairen) n-seitigen Würfels hWn i = 1 1 n (n + 1) n+1 (1 + 2 + . . . + n) = = n n 2 2 Berechnen Sie, wie sich dieser Wert durch die Zusatzregel ändert, dass beim Würfeln der höchsten Zahl n jeweils weitergewürfelt und das Ergebnis immer zum bisherigen addiert wird. 1 n (1 + 2 + . . . + n) wird nun µ µ ¶¶ ­ +® 1 1 1 Wn = 1 + ... + n + 1 + . . . + n + (. . .) n n n Aus dem Erwartungswert Aus der Summe ist eine unendliche Reihe geworden, die man mit N = 1 + . . . + n = n (n+1) 2 einfacher schreiben kann als: Ã∞ ! µ ¶ ∞ X 1 X ­ +® 1 1 1 1 1 = N · Wn = N + 2N + 3N + ... = N · = N · − 1 − 1 = n n n nk nk 1 − n1 k=0 k=1 µ ¶ n 1 n (n + 1) 1 n n+1 = N· −1 =N · = · = · n−1 n−1 2 n−1 n−1 2 Der Erwartungswert erhöht sich also um einen Faktor n n−1 . Man untersuche die folgenden Reihen auf Konvergenz: ¶ ∞ ∞ ∞ µ X X X 2 + (−1)n 1 2n −3n−1 a) , b) , c) 2 2n−1 n + n2 n n=1 n=1 a) r p n |an | = n 2 + (−1)n = 2n−1 n=1 p n 2 + (−1)n 2 n−1 n → 1 , die Reihe ist konvergent nach Wurzelkriterium 2 ∞ X 1 1 1 ≤ . Da die Reihe konvergent ist, ist auch diese Reihe 2 n + n2 n2 n n=1 konvergent (Majorantenkriterium). ¯ ¯ µ ¶ −3n−4 ¯ an+1 ¯ 2n −3n−1 (2n)! −3n−1 ¯ ¯ = (2n + 2)! 2 c) Es ist an = 2 = 2 und damit gilt ¯ · n n! n! an ¯ (n + 1)! (n + 1)! (2n + 2) (2n + 1) 2−3 2 (n + 1) (2n + 1) 2 1 n! n! = = 3 → = < 1, die Reihe ist −3n−1 (2n)! 2 (n + 1) (n + 1) 2 (n + 1) (n + 1) 4 2 also konvergent. b) Abschätzung an = Man untersuche die Reihe ∞ X 1 · 3 · 5 · . . . · (2n + 3) n=1 n! auf Konvergenz. ¯ ¯ ¯ an+1 ¯ 1 · 3 · . . . · (2n + 3) (2n + 5) · n ! (2n + 5) · n ! 2n + 5 ¯ ¯ ¯ an ¯ = 1 · 3 · . . . · (2n + 3) · (n + 1) ! = (n + 1) · n ! = n + 1 → 2 > 1, divergent 33 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.3 Unendliche Reihen Man untersuche die folgenden Reihen auf Konvergenz: √ √ ∞ ∞ ∞ X X X 3n ln n n sin n a) (−1) , b) , c) n3 n5/2 n5/4 n=1 n=1 n=1 ¯ √ ¯ ∞ X ¯ ¯ 1 1 n sin n ¯ ¯ a) ¯(−1) ≤ , die Reihe konvergiert, da auch konvergiert. ¯ 5/2 5/2 5/2 n n n n=1 ¯ ¯ ¯ an+1 ¯ 3n+1 /(n + 1)3 3n+1 · n3 n3 ¯ ¯= b) ¯ = = 3 · → 3 > 1, divergent an ¯ 3n /n3 3n · (n + 1)3 n3 + 3n2 + 3n + 1 √ √ ∞ X ln n/n5/4 1 an ln n n9/8 ln(n1/2 ) 1 ln n = c) Vgl. mit : = = = → 0, da der 9/8 9/8 5/4 5/4−9/8 bn 2 n1/8 n 1/n n n n=1 Logarithmus im Unendlichen“ langsamer wächst als jede Potenz. Also ist die Reihe c) ” konvergenter“ als die bereits konvergente Vergleichsreihe. ” Man untersuche die folgenden Reihen auf Konvergenz: µ ¶ √ ∞ ∞ X X n · ( n + 1) 1 1 n n1 a) , b) + , (−1) n2 + 5n − 1 n 3 n n=1 c) n=1 ∞ X n=1 ¶¶ µ µ 4 sin π · n + n 2 √ ∞ X 1 + √1n a (n3/2 + n) · n n2 + n3/2 1 √ liefert: n = = = → 1, die bn n2 + 5n − 1 n2 + 5n − 1 n 1 + n5 − n12 n=1 Reihen haben gleiches Konvergenzverhalten und divergieren demnach beide. µ ¶ µ ¶ p 1 1 1 1 1 1 b) Wurzelkriterium: n |an | = √ + → + 0 = < 1, konvergent n 1 3 3 n 3 n µ µ ¶¶ µ ¶ µ ¶ µ ¶2 µ µ ¶ . ¶2 4 4π 4π 4π 4π 4π 2 2 2 c) sin π · n + = sin nπ + = sin = sin ≤ n n n n n n ∞ X 1 (4π)2 , d.h. die Reihe ist konvergent, weil konvergent ist. 2 n n2 n=1 a) Vergleich mit Man untersuche die Reihen ∞ X · n (−1) n=1 ¶ ¸ ¶ µ ∞ µ X 4n −1 1 n und auf Konvergenz. e− 1+ n 3n n=1 µ ¶n µ ¶n · µ ¶n ¸ 1 1 1 1. Weil 1 + monoton wächst und lim 1 + = e ist, ist e − 1 + eine n→∞ n n n monoton fallende Nullfolge und die Reihe ist nach dem Leibniz-Kriterium konvergent. ¯ ¯ ¶−1 µ ¶−1 µ ¯ an+1 ¯ (3n)! n! 4n (4n)! ¯ ¯ = (3n + 3)! (n + 1)! · = und damit ¯ 2. Es ist an = = (3n)! n! (4n)! an ¯ (4n + 4)! 3n (4n)! (3n + 3) (3n + 2) (3n + 1) (n + 1)! 27n4 + . . . 27 = = → < 1, konvergent. (3n)! n! (4n + 4) (4n + 3) (4n + 2) (4n + 1) 256n4 + . . . 256 Man bestimme alle x ∈ (−π, π), für die die Reihe ∞ X (sin 2x)n konvergiert. n=1 p n π 3π |an | = | sin 2x| ist kleiner Eins außer für 2x = ± π2 , ± 3π 2 , . . . ⇐⇒ x = ± 4 , ± 4 , . . .. In diesen ∞ ∞ X X Fällen erhält man die divergenten Reihen 1 bzw. (−1)n . Die Reihe konvergiert also für π π 3π x ∈ (−π, π) \ {− 3π 4 , − 4 , 4 , 4 }. n=1 34 n=1 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.4 2.4 Reelle und komplexe Zahlen Reelle und komplexe Zahlen 35 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.5 2.5 Ergänzungsaufgaben Ergänzungen (Teil Zwei) 1. Man beweise für alle n ≥ 1 die Gültigkeit von: à n !2 n X X k3 = k k=1 k=1 µ ¶ 1 n 2. Man berechne den Grenzwert der Folge an = 1 − 2 . n 3. Beweisen Sie: 7n − 2n ist für alle n ∈ N durch 5 teilbar. 4. Man untersuche die Folge {an } mit an = 1 1 1 + + ... + n+1 n+2 2n auf Konvergenz. 5. Man untersuche die Folge {an } mit an = n + sin n 3n + 1 auf Konvergenz und berechne gegebenenfalls den Grenzwert. 6. Man untersuche die Reihe ¶2n2 ∞ µ X n n+2 n=1 auf Konvergenz. 7. Beweisen Sie die Summenformel n X k=1 2k + 1 1 =1− 2 + 1) (n + 1)2 k 2 (k und bestimmen Sie den Wert der unendlichen Reihe ∞ X k=1 2k + 1 k 2 (k + 1)2 8. Ein schwer Betrunkener kommt spät (bzw. recht früh) nach Hause und steht nun vor der Haustür. An seinem Schlüsselbund befinden sich N Schlüssel, die er in seinem Zustand nicht mehr unterscheiden kann und die er deshalb auf gut Glück probiert. Nun ist aber nicht nur zu betrunken, um den Haustorschlüssel noch zu erkennen, er vergißt sogar zwischen jedem Versuch wieder, welche Schlüssel er schon probiert hat. Wie viele Versuche benötigt er im Mittel, bis er den richtigen Schlüssel erwischt? 9. Untersuchen Sie, für welche Werte von q ∈ R die Reihe ∞ X nq n n=1 konvergiert und bestimmen Sie für diese Fälle den Wert der Reihe. 36 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.5 Ergänzungsaufgaben 2 n 10. Eine Folge ist rekursiv definiert über an+1 = λ+a mit λ ∈ [0, 1] und a) a1 = 0, b) 2 a1 = 1. Untersuchen Sie diese Reihe auf Konvergenz und bestimmen Sie gegebenenfalls den Grenzwert. 37 Kapitel 2: Zahlen, Folgen, Reihen 2.5 Ergänzungsaufgaben 38 Inhaltsverzeichnis 2 Zahlen, Folgen, Reihen 2.1 Natürliche Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Summen und Produkte . . . . . . . . . . 2.1.2 Die Abzählbarkeit . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Vollständige Induktion . . . . . . . . . . . 2.1.4 Übungsaufgaben – vollständige Induktion 2.2 Zahlenfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Konvergenz und Grenzwert . . . . . . . . 2.2.2 Konvergenzkriterien für Folgen . . . . . . 2.2.3 Limes superior und Limes inferior . . . . 2.2.4 Übungsaufgaben – Folgen . . . . . . . . . 2.2.5 Rekursive Folgen . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Unendliche Reihen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Einleitung, Historisches . . . . . . . . . . 2.3.2 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.3 Absolute und bedingte Konvergenz . . . . 2.3.4 Konvergenzkriterien für Reihen . . . . . . 2.3.5 Übungsaufgaben – Reihen . . . . . . . . . 2.4 Reelle und komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . . 2.5 Ergänzungen (Teil Zwei) . . . . . . . . . . . . . . 39 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 3 3 6 7 9 11 13 15 16 17 19 23 23 25 27 28 33 35 36