Referat Katrin Endtner Spital Emmental

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Borderlinestörung:
Ein Blick auf Symptome und
Behandlungsmöglichkeiten
Ich bedanke
mich für Ihr Interesse
und dass ich heute Euer Gast
Katrin Endtner
[email protected]
1
ABLAUF
 Symptomatik und allgemeine Informationen zur
Borderlinestörung (BPS)
 Behandlung
 Informationen zu Emotionsregulation
 Emotionsregulationsgruppe / Skillstraining
 Selbstschädigendes Verhalten / Selbstverletzungen
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DIAGNOSEKRITERIEN
 Angst vor dem Verlassenwerden
 Instabile zwischenmenschliche Beziehungen
 Identitätsstörung
 Impulsivität (2)
 Selbstverletzungen, Suizidalität
 Affektive Instabilität
 Chronisches Gefühl der Leere
 Unangemessene Wut
 Paranoide Vorstellungen, dissoziative Phänomene
 Mindestens fünf Kriterien
 Kontinuum Persönlichkeitsstil - Persönlichkeitsstörung
PRÄVALENZ DER BPS
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Zwischen 1% und 2% der Weltbevölkerung
8% - 11% in ambulanten Therapien
14% - 20% in stationären Therapien
97% der Betroffenen nehmen Therapie in Anspruch
im Verlauf eine deutliche Verbesserung der Symptomatik
ca. 60% sind Frauen
ca. 80% verletzen sich regelmässig selber
Suizidrate zwischen 5% und 10%
KOMORBIDITÄT AUF ACHSE-I
UND II
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Affektive Erkrankungen (96%)
Angststörungen (90%)
Essstörungen (53%)
Schlafstörungen (50%)
Substanzmissbrauch (64%)
Psychotische Erkrankungen (1%)
Achse-II Störungen
BPS ALS EMOTIONSREGULATIONSSTÖRUNG I
 Entstehung der Störung durch:
• Emotionale Vulnerabilität der PatientInnen
→ Die Reizschwelle für interne und externe Stimuli ist
niedrig, das Erregungsniveau ist hoch
• Inkompatibles Umfeld
► PatientInnen lernten nicht:
• ihre Emotionen wahrzunehmen
• sie einzuordnen
• adäquat darauf zu reagieren
BPS ALS EMOTIONSREGULATIONSSTÖRUNG II
 Angst vor Gefühlen
→ sie werden weggedrückt
→ das Erleben erzeugt Spannung
→ Orientierungslosigkeit, Leere, Kontrollverlust
→ positive und destruktive Bewältigungsstrategien
→ dies führt zu einer Störung der Emotionsregulation
BPS ALS EMOTIONSREGULATIONSSTÖRUNG III
• Probleme in weiteren Bereichen:
- zwischenmenschlich
- Selbst und Selbstbild
- dissoziative Phänomene
- Verhalten
THERAPIE DER BPS I
 Allgemeine Prinzipien:
- die Patientin versucht, jeweils das Beste zu machen
- Borderline-PatientInnen müssen in der Regel in fast
allen relevanten Bereichen neues Verhalten lernen
(Emotionsregulation, Denken, Selbstwahrnehmung,
zwischenmenschlich, Verhalten)
→ Ressourcen aktivieren und stärken
THERAPIE DER BPS II
 Allgemeine Prinzipien:
- die PatientInnen sind richtig und wertvoll so wie sie
sind, nur sollen sie sich auch verändern = Dialektisches
Prinzip
DAS DIALEKTISCHE
PRINZIP
 Balance halten zwischen
- Annehmen (validieren) von dysfunktionalem Verhalten,
dysfunktionalen Emotionen und/oder Kognitionen
und
- Verändern von selbstschädigendem Verhalten, dysfunktionalen Emotionen und/oder Kognitionen
validieren
aber
verändern
VALIDIERUNG
 Bedeutet:
anerkennen, bestätigen, den Wert geben
 verschiedene Arten und Intensitäten von Validierung:
 V1: Auf unvoreingenommene, flexible Art zuhören
(mh, ja, ja…. - und ich kann mir vorstellen, dass…)
 V2: Gefühle und Gedanken widerspiegeln
(Sie waren wohl sehr traurig danach – gleichzeitig…..)
 V3: Gefühle und Gedanken lesen (mind reading), auf eine
andere Ebene gehen, als angeboten wird
(ich kann mir vorstellen, dass Sie das wütend gemacht hat – nur…)
VALIDIERUNG
 V4: Validieren von Gefühlen / Gedanken / Verhalten
aufgrund der Lebensgeschichte
(weil Sie in Ihrem Leben … erlebt haben, ist es klar, dass es Ihnen
jetzt so geht – gleichzeitig….)
 V5: Validieren von Gefühlen / Gedanken / Verhalten
aufgrund von Fakten / Normen
(man weiss, dass viele Leute mit Depressionen dieses Verhalten
haben – nur denke ich, dass….)
 V6: Radikal echt sein
(das tut mir sehr leid und ist ungerecht… - und es ist so, wie es ist)
THERAPIE DER BPS III
 Allgemeine Prinzipien:
- da die BPS eine Persönlichkeitsstörung ist, auf der
Beziehungsebene arbeiten (Dropout-Rate: 45-67%)
- mögliche Grundbedürfnisse, die abgedeckt werden
können:
- Nähe und echte Zuwendung
- an- und ernst genommen werden
- als wertvoll angesehen werden
- Kontrolle erlangen
- vermeiden, allein zu sein
4 THERAPIEPHASEN
 Vorbereitungsphase
Aktives Aufbauen der therapeutischen Beziehung,
Diagnostik (IPDE), Psychoedukation, Eruieren bisheriger
Suizidversuche, Commitment erarbeiten
• Phase I:
bearbeiten des suizidalen- und parasuizidalen Verhaltens
→ erhöhen der emotionalen Belastbarkeit
 Phase II:
bearbeiten von dysfunktionalem Erleben, verbessern der
Emotionsregulation
 Phase III:
integrieren des Neuen in den Alltag, Neuorientierung
THERAPIE-HIERARCHIE
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Reduzieren von suizidalem-, parasuizidalem Verhalten
Reduzieren von Therapie gefährdendem Verhalten
Reduzieren der inneren Verzweiflung
Reduzieren von sozialer Isolation
Reduzieren von Hospitalismus, Aufbau eines
befriedigenden Alltags
THERAPIEBAUSTEINE
 Einzeltherapie
 Gruppentherapie
(Emotionsregulationsgruppe / Skillstraining)
 Pharmakotherapie, falls indiziert
 Telefoncoaching
 Supervisionsgruppen für TherapeutInnen
EMOTIONEN
 Die Begriffe Emotion, Gefühl und Affekt werden
synonym verwendet
 Emotionen entstehen, wenn uns etwas Wichtiges
berührt
 Emotion ↔ Kognition ↔ Motivation ↔ Emotion
 Emotionen dauern meist kurz an und verändern sich
rasch
 länger andauernd → Stimmung
 beinhalten verschiedene Aspekte
ASPEKTE VON EMOTIONEN /
EMOTIONSPROTOKOLL
Gefühl
Verhalten
Intensität
Handlungsimpuls
Körpersprache
Situation
Kognitive Bewertung
Körperempfindung
►Kreislauf, der unterbrochen werden kann
FUNKTIONEN VON EMOTIONEN
 Emotionen vermitteln Orientierung und geben eine
Rückmeldung über Körper und Geist
 Emotionen beeinflussen den Verstand und tragen zur
Entscheidungsfindung bei
 Emotionen motivieren zu handeln
 Emotionen sind zentral für die Gestaltung von
interpersonellen Beziehungen
DEFINITION VON
EMOTIONSREGULATION
 Emotionsregulation beinhaltet, die eigenen Gefühle
wahrzunehmen, sie zu verstehen und sie anzunehmen
 ER bedeutet, Ziele zu verfolgen, auch wenn negative
Gefühle erwartet werden sowie eigene Impulse zu
kontrollieren
 ER heisst, Regulationsstrategien einsetzen zu können, die
der Situation angemessen sind
(Gross, 2007; Gratz & Roemer, 2004; Greenberg & Paivio, 2000; Linehan, 1996)
EMOTIONSREGULATION UND
PSYCHISCHE STÖRUNGEN I
 Häufig liegen psychischen Störungen Probleme in der
Emotionsregulation zugrunde - z. B. bei der
- rezidivierenden depressiven Störung
- Posttraumatischen Belastungsstörung
- Bulimia nervosa
- Borderlinestörung
EMOTIONSREGULATION UND
PSYCHISCHE STÖRUNGEN II
 Befunde:
- Emotionale Unterregulierung
- Übermass an negativen Emotionen
- ungenügende Regulation (z. B. Angst bei Panikanfällen, Wut bei BPS)
→ Ziel: lernen, sich selber zu beruhigen und die eigene
Impulsivität zu kontrollieren
(Greenberg, 2005)
EMOTIONSREGULATION UND
PSYCHISCHE STÖRUNGEN III
 Befunde:
- Emotionale Überregulierung:
- Schwierigkeiten, schmerzliche Emotionen zuzulassen
- verminderte Wahrnehmung von Emotionen
- vermeiden von Emotionen
- Einschränkung im emotionalen Ausdruck (z.B. bei
depressiver Symptomatik)
→ Ziel: lernen, Gefühle zuzulassen, zu erleben und auszudrücken
(Greenberg, 2005)
EMOTIONSREGULATION UND
PSYCHISCHE STÖRUNGEN IV
 Oft finden sich bei PatientInnen beide Kategorien von
emotionalen Zuständen
→ sie brauchen Fertigkeiten für beide Kategorien
100
70
SPANNUNGSKURVE
EMOTIONSREGULATIONS-/
SKILLSGRUPPE - ZIELE
 Lernen von Fertigkeiten, um sich bei Spannung über 70
«herunterzuholen»
 lernen Warnsignale frühzeitig zu erkennen
 lernen, Emotionen wahrzunehmen und sie auszudrücken
 vermitteln von spezifischen Fertigkeiten - Fertigkeiten
haben sowohl kurzfristig, als auch langfristig positive
Konsequenzen → Notfallkoffer / Werkzeugkiste
 erhöhen von Kontrolle und Selbstwirksamkeit
EMOTIONSREGULATIONS- /
SKILLSGRUPPE
 Module:
- Stresstoleranz
- Emotionsregulation
- Zwischenmenschliche Fertigkeiten
- Achtsamkeit
- Selbstwertsteigerung
- Körperwahrnehmung
28
SELBSTSCHÄDIGENDES
VERHALTEN /
SELBSTVERLETZUNGEN (SV)
 Haben kurzfristig positive Auswirkungen und längerfristig
negative Konsequenzen
 Ungenügende Affektregulation als zentrale psychopathologische Dimension
FORMEN
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Schneiden, ritzen (72%)
den Kopf an/auf eine harte Fläche schlagen (30%)
brennen mit Zigaretten, Bügeleisen, Backofen (35%)
verbrühen oder verätzen
Körperpartien aufkratzen (22%)
Hochrisikoverhalten (z.B. balancieren auf Brückengeländern, sitzen auf Bahnschienen)
SV TRETEN AUF BEI
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Borderlinestörungen
Depressionen
Essstörungen
Traumatisierungen
Körperschema-Störungen
Zwangsstörungen
psychotischen Schüben
Organischen Störungen
ZAHLEN
 Häufigkeit: 0.7% – 1.5%
 mehr weibliche Personen
 Alter:
- 11 – 16j. 34%
- 16 – 20j. 46%
- über 20j. 20%
SPEZIFISCHES
 SV werden geplant / rituell durchgeführt oder geschehen
impulsiv
 Beginn meist in der Adoleszenz
 es findet eine Gewöhnung statt
 gehen oft auf den ganzen Körper über
 häufig (ca. 80%) werden Selbstverletzungen in
analgetischem Zustand ausgeführt
 vor und während der SV wird kein Schmerz empfunden,
der Schmerz stellt sich erst nach ca. 20 Minuten ein
THERAPIE BEI SV
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Akzeptieren, annehmen, verstehen
taktvoll, direkt ansprechen
eine Sprache für die Funktion der SV finden
stärken der Eigenverantwortung / motivieren
lernen von alternativem Coping/Skills
WICHTIGSTES PRINZIP
• Gemeinsam danach suchen, was die Funktion der SV
sein könnte
• finden von Fertigkeiten, die die Funktion erfüllen, jedoch
kurzfristig und langfristig positive Konsequenzen haben
FUNKTIONEN VON SV
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Spannungsverminderung oder Identitätserleben
Regulation von Angst oder Stress, Ärger oder Wut
Ablenkung
Steigerung von Autonomie, Kontrolle
Selbstbestrafung, Reinigung
Kommunikation
Entspannung, Ruhe, Geborgenheit
auslösen subeuphorischer Zustände (Endorphine),
verbessern der Stimmung, Konzentration
FERTIGKEITEN
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Eisbeutel
Starke Gerüche / Lieblingsgerüche
Musik
Sport, joggen, Treppen laufen, Fahrrad fahren
Konzentration auf den Augenblick
Atemübungen
Wärmeflasche
Filme
sich ablenken (zählen, Gartenarbeit, Flickflacks)
ZU BEACHTEN BEI
SELBSTVERLETZUNGEN
 Medikamente nur in Kombination mit PT
 Vorsicht mit Benzodiazepinen, eher Neuroleptika oder
Antidepressiva
 Verbote wirken sich eher kontraproduktiv aus
 Zwangseinweisungen sind meist unnötig
LITERATUR
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Reicherzer, M. (2013). Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung mit
der DBT. Psychotherapie 18. Jg. 2013, Bd.18, Heft 1, CIP-Medien, München
Bohus, M. (2002). Borderline-Störung. Fortschritte in der Psychotherapie.
Göttingen: Hogrefe
Bohus, M. & Wolf-Arehult, M. (2012). Interaktives Skillstraining für
Borderlinepatienten. Das Therapeutenmanual (Vol.2). Stuttgart, New York:
Schattauer
IPDE - International Personality Disorder Examination (Loranger et al., 1994)
Greenberg, L. S. (2005). Emotionszentrierte Therapie: Ein Überblick.
Psychotherapeutenjournal, 4, 324-337
Endtner, K., Hänni, M. & Tschacher, W. (2011). Wirk-samkeitsüberprüfung
eines gruppenpsychotherapeutischen Verfahrens zur Emotionsregulation.
www.upd.unibe.ch
Huppertz, M. (2011). Achtsamkeitsübungen – Experimente mit einem
anderen Lebensgefühl. Paderborn: Junfermann
www.dbt-schweiz.ch
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