36. Konstruktionen mit Zirkel und Lineal - TU Wien

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36. Konstruktionen mit Zirkel und Lineal
Wir wollen in allgemeiner Weise Konstruktionen mit
Zirkel und Lineal untersuchen. Erlaubte Konstruktionen sind das Schneiden von Geraden und/oder
Kreisen, das Verbinden von 2 Punkten durch eine
Gerade, und das Zeichnen eines Kreises auf die folgende Art und Weise: Einstechen mit dem Zirkel in
einem Punkt, Öffnen bis zu einem weiteren Punkt,
und Ziehen des Kreises.
Folgende Konstruktionen lassen sich auf die obigen
zurückführen und sind daher mit Zirkel und Lineal durchführbar: Parallelverschieben einer Geraden
durch einen Punkt; Das Fällen der Normalen aus einem Punkt auf eine Gerade; und das Übertragen von
Streckenlängen von einer Geraden auf eine andere.
Zum Beweis siehe die Figuren unten.
Wir verwenden zur Beschreibung der Punkte der
euklidischen Ebene ein kartesisches Koordinatensystem und schreiben sie in der Form P = (p0 , p1 ).
Gerade sind durch ihre linearen Gleichungen
(1)
g : ax + by + c = 0
bestimmt. Ist K ein Unterkörper von R (z.B. K = Q),
so nennen wir Punkte mit Koordinaten aus K KPunkte. Eine Gerade ist eine K-Gerade, wenn sie
eine
mit Koeffizienten in K hat. Z.B. ist
√
√ Gleichung
2x + 2 = 0 eine Q-Gerade, denn diese Gerade
wird äquivalenterweise durch die Gleichung 1·x+1 =
0 beschrieben.
Satz 1. Konstruktionen mit dem Lineal alleine erzeugen aus K-Punkten und K-Geraden wieder KPunkte und K-Gerade.
Beweis. Das Verbinden von zwei Punkten sowie das
Schneiden von 2 Geraden geschieht rechnerisch mit
Hilfe der 4 Grundrechnungsarten.
Ein K-Kreis ist bestimmt durch einen K-Punkt als
Mittelpunkt und einen K-Punkt auf seinem Umfang.
Damit ist sein Radiusquadrat aus K, und er besitzt
die folgende Gleichung mit Koeffizienten aus K:
(2)
(x − m1 )2 + (y − m2 )2 = r2
(3)
r2 = (p1 − m1 )2 + (p2 − m2 )2 .
Für einen Körper K und ein p ∈ K, dessen Wurzel
nicht in K liegt, betrachten wir die Menge
√
√
(4)
K( p) = {a + b p | a, b ∈ K}.
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
√
√
Ein Beispiel ist Q( 2). K( p) ist ein Körper, denn
Summe, Produkt, Differenz und Kehrwert von sol√
chen Zahlen sind wieder in der Menge K( p) enthalten:
√
√
√
(a + b p) ± (a0 + b0 p) = (a0 ± b0 ) + (a0 ± b0 ) p
√
√
0
0√
0
0
0
(a + b p)(a + b p) =√(aa + bb p) + (ab√ + ba0 ) p
a−b p
a−b p
1
.
√ =
√
√ = 2
a+b p
(a + b p)(a − b p)
a − bp2
√
Dabei wurde a − b p 6= 0 verwendet, was aus
√
a/b 6= p folgt.
√
Satz 2. K( p) ein zweidimensionaler Vektorraum
√
über dem Körper K mit Basis {1, p}.
√
Beweis. Offenbar ist {1, p} ein Erzeugendensy√
√
stem. {1, p} ist linear unabhängig, denn a + b p =
√
0 hieße bei b 6= 0, daß p = −a/b ∈ K. Also ist
b = 0, und daher a = 0.
Satz 3. Das Schneiden einer K-Geraden mit einem K-Kreis liefert K-Punkte oder L-Punkte mit
√
L = K( p) für ein p ∈ K. Dasselbe gilt für das
Schneiden von 2 Kreisen.
Beweis. Schneiden einer K-Geraden mit einem KKreis führt auf das Lösen eines Gleichungssystems
der Form
(5)
ax + by = c
(6)
(x − m1 )2 + (y − m2 )2 = r2
mit Koeffizienten aus K. Wir drücken eine der Variablen x und y durch die andere aus, setzen in (6) ein,
und lösen die entstehende quadratische Gleichung.
Die dabei vorkommende Wurzel ist entweder in K
√
oder in einem Körper L = K( q).
Das Schneiden von zwei Kreisen führt auf das Lösen
von 2 quadratischen Gleichungen in 2 Variablen:
(7)
(x − m1 )2 + (y − m2 )2 = r2
(8)
(x − m01 )2 + (y − m02 )2 = r02
Wir können die Gleichungen (7) und (8) durch (7)
und (7) − (8) ersetzen, wobei in der Differenzgleichung die quadratischen Glieder wegfallen. Damit ist
der Fall von 2 Kreisen äquivalent zum Fall einer Geraden und eines Kreises.
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37. Konstruktionen nicht mit Zirkel und Lineal I
Die Dreiteilung des Winkels
Eine Konstruktion zur Dreiteilung eines Winkels,
welche für ‘alle’ Winkel oder für solche in einem gewissen Intervall funktioniert, ist — anders als die
Halbierung von Winkeln — mit Zirkel und Linear
nicht möglich (Wantzel, M. L. “Recherches sur les
moyens de reconnaı̂tre si un Problème de Géométrie
peut se résoudre avec la règle et le compas.” J. Math.
pures appliq. 1, 366-372, 1836). Es gibt jedoch außer
diesen beiden noch weitere Zeichengeräte, und wir
wollen hier dieses berühmte, in der Antike ungelöste
Problem zum Anlaß nehmen, eines davon, das Einschiebelineal, vorzustellen. Dessen Funktion wird aus
der folgenden Konstruktionsbeschreibung deutlich:
Gegeben sind zwei Gerade g, h mit Schnittpunkt M
und zwei Punkten B ∈ g, C ∈ h im Abstand r vom
Punkt M , sodaß der zu teilende Winkel α = ^BM C
ist. Wir beschränken uns auf spitze Winkel α. Nun
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
ziehe man den Kreis mit Mitte M durch B und C
und schiebe ein Lineal, auf dem die Strecke r markiert ist, so durch C, daß die Endpunkte D, E der
markierten Strecke auf dem Kreis und der Geraden
g zu liegen kommen. Dann ist ^BEC = α/3. Diese Lösung mit Hilfe eines markierten anstelle eines
unmarkierten Lineals stammt von Archimedes und
zeigt, wie durch eine kleine Änderung der zulässigen
Hilfsmittel ein vorher unlösbares Problem einen sehr
einfachen Zugang gestattet.
Beweis. Zum Beweis bemerken wir, daß die Dreiecke M ED und CM D gleichschenkelig sind. Bezeichnen wir den Winkel ^BEC mit β. Dann ist
^EM D = β und ^M DE = π − 2β. Also ist
^M DC = 2β, ^M CD = 2β, und wegen der Winkelsumme im Dreieck ist ^DM C = π − 4β. Nun ist
α = π − (π − 4β) − β = 3β.
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38. Konstruktionen nicht mit Zirkel und Lineal II
Als weitere Konstruktionsmöglichkeit nicht mit Zirkel und Lineal wollen wir den Schnitt von Geraden
mit einer gezeichneten Kurve verwenden. dies soll
wieder am Beispiel der Dreiteilung eines Winkels erfolgen.
Tauschen bei der Ellipsenbewegung der feste und rollende Kreis ihre Rollen, so entsteht die umgekehrte
Ellipsenbewegung (oder Oldhambewegung), bei der
ein Kreis k um einen halb so großen Kreis k0 rollt.
Dabei wandert der Mittelpunkt des Gangkreises auf
dem Rastkreis und jeder Durchmesser d des Gangkreises gleitet durch einen festen Punkt D0 des Rastkreises.
Zur Bestimmung der Bahn eines mit dem Gangkreis
fest verbundenen Punktes A verbinden wir diesen
durch den Durchmesser d mit der Mitte M des Gangkreises: Dann entsteht die Bahn von A auch als Konchoide des Rastkreises k0 : Dabei gleitet die Gerade d
durch den festen Punkt D0 auf k0 , während ein auf
d fester Punkt M auf dem Kreis k0 wandert. Der auf
d feste Punkt A hat dann immer denselben Abstand
von M .
Wir wählen jetzt den Punkt A so, dass sein Abstand
von M gleich der Radius des Kreises k0 ist.
Aus der Figur erkennen wir folgende Konstruktion:
(vgl. auch die Internetseite http://did.mat.unibayreuth.de/studium/seminar/antike/kirchner/mathe1.html)
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
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39. Konstruktionen nicht mit Zirkel und Lineal III
Spiralen
Die Quadratur des Kreises
Eine Spirale kann man etwa so definieren, dass bei
einer Darstellung in Polarkoordinaten (r, φ) der r eine streng monotone Funktion von φ ist. Für zwei
spezielle Wahlen ergeben sich bekannte Kurven:
Mit Zirkel und Lineal genauso unmöglich ist die Aufgabe, für einen gegebenen Kreis mit Zirkel und Lineal ein Quadrat von gleichem Flächeninhalt oder
eine Strecke zu konstruieren, deren Länge mit dem
Kreisumfang übereinstimmt (F. Lindemann: “Über
die Zahl π. Mathematische Annalen 20 (1882), 213–
225). Wenn wir die Maßeinheit in der Zeichenebene
gleich dem Kreisradius wählen, so ist die Kreisfläche
gleich π und
√ die Seitenlänge des gesuchten Quadrates gleich π.
r = epφ (logarithmische Spirale)
Diese Spirale tritt bei Wachstumsprozessen
(Schnecken) auf. Der Koordinatenursprung O heißt
Spiralzentrum. Eine logarithmische Spirale geht
durch unendlich viele Drehstreckungen als ganzes
in sich über, nämlich durch jeder Drehstreckung
um O die einen Punkt der Spirale in einen anderen
Punkt der Spirale überführt.
r = aφ (archimedische Spirale)
Diese wollen wir für eine Konstruktion nicht mit Zirkel und Lineal verwenden.
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
Ein ‘Zeichengerät’, mit dessen Hilfe die Quadratur
des Kreises möglich wird, ist ein auf dem gegebenen Kreis abrollendes Lineal. Während des Rollvorganges beschreibt der Endpunkt eine Kreisevolvente
oder archimedische Spirale. Der Radialabstand zwischen zwei Spiralzügen ist gleich dem Kreisumfang,
also gleich 2π. Nachdem das Dividieren durch 2 und
das Ziehen der Quadratwurzel mit Zirkel und Lineal durchführbar ist, ist mit diesem zusätzlichen Zeichengerät die Quadratur des Kreises möglich.
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40. Näherungskonstruktion mit Papierfalten
Eine weitere Möglichkeit zur Konstruktion nicht mit
Zirkel und Lineal ist das Papierfalten. Wir wollen
hier exemplarisch die Konstruktion regelmäßiger nEcke behandeln.
Regelmäßiges Fünfeck:
Das regelmäßige 5-Eck ist zwar mit Zirkel und Lineal konstruierbar. Es kann aber auch aus einem Papierstreifen mit parallelen Kanten gefaltet werden,
indem man einen Knoten gemäß untenstehender Figur macht. Begründung für diese Konstruktion ist
die Tatsache, dass jede Diagonale parallel zur gegenüberliegenden Seite ist und der Abstand dieser
Parallelen für alle möglichen Paare gleich ist.
Gleichseitiges Dreieck:
Wir legen einen Papierstreifen mit parallelen Kanten
vor uns hin, und falten ihn längs der Kante O1 U1
nach unten und legen ihn dann wieder ausgebreitet
hin.
Im nächsten Schritt falten wir den Streifen nach
oben, sodass die untere Kante mit der Falte O1 U1 zur
Deckung kommt. Dadurch entsteht die Falte O2 U1 .
Danach breiten wir den Streifen wieder aus.
Im nächsten Schritt falten wir den Streifen nach unten, sodass die obere Kante mit der Falte O2 U1 zur
Deckung kommt. Dadurch entsteht die Falte O2 U2 .
Danach breiten wir den Streifen wieder aus.
Nun setzen wir diese Schritte in analoger Weise fort
und falten den Streifen immer einmal nach oben
und einmal nach unten. Nach einigen Schritten wird
die Falte Ok Uk mit den Rändern des Papierstreifens
einen Winkel einschließen, der sich von 60o nur sehr
wenig unterscheidet, und Ok Uk Ok+1 nähert daher
ein gleichseitiges Dreieck sehr gut an.
Begründung: Die erste Falte schließt mit dem Rand
des Papierstreifens (den beliebig gewählten) Winkel
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
(π/3) + ε ein. Die zweite Falte entspricht der Konstruktion der Winkelsymmetralen des Winkels bestimmt durch den unteren Rand und die Falte O1 U1 .
Aus der Figur erkenne wir, dasß O2 U2 mit der unteren Kante einen Winkel von (π/3) + (ε/2) und die
Falte Ok Uk einen Winkel von (π/3) + (ε/2k ) einschließt. Damit konvergiert der Winkel von On Un
mit dem unteren Rand für n → ∞ gegen π/3.
Regelmäßiges 7-Eck:
In analoger Weise können wir näherungsweise eine
Falte Ok Uk bestimmen, die mit dem Rand einen
Winkel π/7 einschließt und damit näherungsweise
ein regelmäßiges 7-Eck falten. Dazu muss man jeweils einmal nach oben und zweimal nach unten falten. Ein regelmäßiges 7-Eck ist nicht mit Zirkel und
Lineal konstruierbar.
Ohne Beweis sei erwähnt, das nur jene regelmäßigen
p-Ecke mit Primzahl p mit Zirkel und Lineal konstruierbar sind, für die
k
p = Fk = 22 + 1 und n = Fk ist eine Primzahl
Fk heißt Fermatzahl und die einzigen bekannten Fk ,
die Primzahlen sind, sind für k=0,1,2,3,4 die Zahlen
p=3, 5, 17, 257, 65537.
Weitere Literatur, durch welche Faltungen regelmäßige n-Ecke konstruiert werden können und
den mathematischen Hintergrund dazu, findet man
etwa in:
Hilton,P. und Pedersen, J.: Build your own polyhedra. Addison Welsey, Menio Park, California, 1996.
Hilton,P. und Pedersen, J.: ”Aprocimating Any Regular Polygon by Folding Paper: An Interplay of
Geometry, Analysis and Number Theory.Mathematics Magazine 56 (1983), 141-155.
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41. Komplexe Zahlen
Wir fassen die kartesischen Koordinaten x, y eines
Punktes zu einer komplexen Zahl z = x + iy zusammen, wobei für die komplexe Einheit i gilt i2 = −1.
Die zugehörigen Polarkoordinaten seien r, φ. Dann
gelten folgende Zusammenhänge:
beschreibt eine Drehstreckung mit Zentrum O, 1 7→
a, Faktor | a | und Winkel arga.
Speziell beschreibt
z 0 = −z eine Punktspiegelung an O
z 0 = z eine Geradenspiegelung an der rellen Achse
iφ
z = x + iy = r(cos φ + isinφ) = re
r =| z |, φ = argz
z 0 = iz eine positive Viertelschwenkung.
Eine Drehstreckung mit Zentrum m wird beschrieben durch
Die komplexe Zahl
z 0 − m = (z − m)a
z = x − iy
heißt die zu z konjugiert komplexe Zahl.
Jede komplexe Zahl beschreibt
• einen Punkt
• einen Vektor
• eine Abbildung
Aus dem Zusammenhang ist jeweils klar, wie die
komplexe Zahl zu interpretieren ist.
0
Die Abbildung z → z mit
z0 = z + a
beschreibt eine Schiebung mit Schiebvektor a.
Die Abbildung → z 0 mit
z0 = z · a
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
Wir wollen dies nun anwenden um folgenden Satz zu
beweisen.
Satz 1. Gegeben sie ein Streckenzug ACB. Verschwenkt man die Strecke AC um 90o gegen Uhrzeigersinn, sodass C auf D abgebildet wird, und die
Strecke BC um 90o im Uhrzeigersinn, sodass C auf
E abgebildet wird, so ist M A = M B und M A ⊥
M B.
Beweis:
b−a
a+b
−i
=
2
2
a−b
b−a
−i
2
2
b−a
a+b
−i
=
MB = b −
2
2
b−a
a−b
−i
2
2
MA = a −
Es gilt daher M A · i = M B also M A = M B und
MA ⊥ MB
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42. Arbelos - Schustermesser
Arbelos:
Geben sei eine Strecke AB, ein Punkt C im inneren der Strecke sowie die drei Halbkreise k bzw.
k1 bzw. k2 über den Durchmessern AB bzw. AC
bzw. CB in einer Halbebene von AB Dann nennen
wir den von den drei Kreisbögen berandeten Bereich
Arbelos bzw. Schustermesser. Die Normale in C auf
AB schneide den Halbkreis k in H.
Daher liegen F, C, G, H auf einem Kreis l mit Mit√
telpunkt D und Radius r1 r2 .
Die Fläche des Arbelos berechnet sich zu
(R2 − r12 − r22 ) π2 = ((r1 + r2 )2 − r12 − r22 ) π2 = r1 r2 π
und stimmt daher mit der Fläche des Kreise l überein.
Archimedische Zwillingskreise:
Satz 1. Nach den obigen Bezeichnungen gilt für den
Kreis l über dem Durchmesser CH:
• l schneidet k1 und k2 orthogonal
• Der Arbelos und der Kreis l besitzen den
gleichen Flächeninhalt.
Beweis. r bzw. r1 bzw. r2 bezeichne den Radius von
k bzw. k1 bzw. k2 . M bzw. M1 bzw. M2 bezeichne den Mittelpunkt von k bzw. k1 bzw. k2 . Weiters
seien F bzw. G die Berührpunkte der gemeinsamen
Tangente von k1 und k2 .
Satz 2. Die Kreise l1 bzw. l2 die dem Arbelos
so eingeschrieben sind, dass sie k die Sehne CH
und k1 bzw. k2 berühren haben denselben Radius
r1 r2 /(r1 + r2 ).
Beweis. Wir wählen die Bezeichnungen gemäß der
2
Figur und berechnen die Strecke N1 L1 auf zwei verschiedene Arten mit dem Pythagoreischen Lehrsatz
aus den rechtwinkeligen Dreiecken N1 L1 M1 bzw.
N1 L1 M
(r1 +s1 )2 −(r1 −s1 )2 = (r1 +r2 −s1 )2 −(r1 −r2 −s1 )2
2r1 s1 + 2r1 s1 = 4r1 r2 − 4r2 s1
Dann gilt r = r1 + r2 .
und daraus
Nach dem Höhensatz im Dreieck AHB folgt:
s1 = r1 r2 /(r1 + r2 )
2
HC = 4r1 r2
Aus dem Hilfsdreieck M1 M2 E erkennen wir
Durch analoge Rechnung für N2 L2 erhalten wir auch
für l2 den Radius r1 r2 /(r1 + r2 ).
2
F G = (r1 + r2 )2 − (r1 − r2 )2 = 4r1 r2
Also gilt:
Für weitere Sätze zum Arbelos vgl.
HC = F G
Dodge, C. W.; Schoch, T.; Woo, P. Y.; and Yiu,
P. Those Ubiquitous Archimedean Circles.Mathematics Magazine 72, 202-213, 1999.
Sei D = [CH] ∩ [F G]. Da D auf der Potenzgeraden
und der gemeinsamen Tangente von k1 und k2 liegt
gilt:
DF = DG = DC ( und wegen HC = F G) = DH
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
und
http://mathworld.wolfram.com/Arbelos.html
J. Wallner - W. Rath
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43. Elementare Graphentheorie
Ein endlicher (ungerichteter) Graph ist ein Paar
(V, E), bestehend aus einer endlichen Menge V =
(v1 , v2 , . . . ) von Ecken und einer Folge E von Kanten
— jede Kante ist ein ungeordnetes Paar von Ecken.
Man visualisiert Graphen gerne so, daß man die
Ecken als Punkte in der Ebene und die Kanten
als deren Verbindungsstrecken oder allgemeiner als
Verbindungskurven realisiert. Es gibt eine Reihe
geometrisch-kombinatorischer Probleme, die sich in
der Sprache der Graphentheorie einfach formulieren
lassen.
Ein historischer Ausgangspunkt der Graphentheorie
war die Frage Leonhard Eulers (1707–1783), ob es
möglich wäre, einen Rundgang über die 7 damaligen Brücken über die Pregel in Königsberg zu machen, sodaß dabei jede Brücke genau einmal betreten
wird (siehe Figur unten). Die genaue Form der beiden Inseln und Flußarme ist dabei irrelevant — die
4 Landteile sind die Ecken v1 , . . . , v4 und die die 7
Brücken (v1 , v2 ), (v1 , v2 ), (v2 , v3 ), (v2 , v3 ), (v1 , v4 ),
(v2 , v4 ), (v3 , v4 ) sind die Kanten eines Graphen. Ein
solcher Euler-Weg, also ein geschlossener Kantenzug
im Graphen, der alle Kanten genau einmal erreicht,
existiert hier nicht, wie Euler 1736 gezeigt hat.
Man bezeichnet die Anzahl der Kanten, an denen
eine Ecke beteiligt, als Ordnung der Ecke. Eine Kante der Form (vi , vi ), die von einer Ecke wieder zu
ihr zurückführt (eine Schlinge), ist dabei doppelt zu
zählen. Man nennt einen Graphen zusammenhängen,
wenn es zu je 2 Knoten v und w eine Folge von Kanten der Form (v = v1 , v2 ), (v2 , v3 ), . . . (vk−1 , vk = w)
gibt. Mit Hilfe dieser Begriffe formulieren wir den
Satz 1. Ein Euler-Weg existiert in einem zusammenhängenden Graphen genau dann, wenn alle
Ecken gerade Ordnung haben.
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
Beweis. Durchläuft man einen Euler-Weg, so kommt
man entlang einer Kante zu einer Ecke, und verläßt
sie entlang einer anderen — daß die Anzahl der Kanten pro Ecke zu diesem Zwecke gerade sein muß, ist
klar.
Um auch die Umkehrung (also die Existenz eines Eulerweges bei gerader Ordnung) zu zeigen, überlegen
wir uns zuerst, daß für alle Graphen mit 1 Knoten die
Aussage richtig ist. Das ist klar, weil solche Graphen
nur aus Schlingen bestehen können (siehe Figur).
Der Rest folgt mit Induktion nach der Anzahl der
Knoten: Wir haben einen Graphen mit k Knoten
und nehmen an, daß die Aussagen für alle Graphen
mit weniger als k Knoten bereits gezeigt ist. Wählen
wir eine Ecke vi mit zwei oder mehr Kanten aus,
können wir aus dem gegebenen Graphen einen neuen Graphen mit weniger Knoten machen (siehe Figur). Möglicherweise zerfällt bei dieser Operation der
Graph in zwei oder mehrere Teile.
Gibt es in jedem der Teile einen Eulerweg, so kann
man daraus einen Eulerweg im ursprünglichen Graphen machen, und umgekehrt liefert ein Eulerweg im
Ausgangsgraphen Eulerwege in jedem der Teile. Die Prozedur in dem Beweis kann auch dazu benutzt
werden, um rekursiv einen Eulerweg zu konstruieren.
Eine andere elementare Frage ist z.B. die nach der
Planarität eines Graphen, d.h. ob man ihn überkreuzungsfrei in der Ebene zeichnen kann. Die Graphen
K5 und K3,3 (s.u.) sind nicht planar, und allgemein
gilt, daß ein Graph genau dann planar ist, wenn er
keinen der beiden “enthält”.
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44. Das Jones-Polynom eines Knotens
Hier sollen Eigenschaften und Berechnung einer
bekannten Invariante der Knotentheorie vorgezeigt
werden — auf Beweise wird verzichtet.
wenn man die entsprechenden Diagramme mit Hilfe
der drei Reidemeister-Bewegungen (Bild 2) ineinander überführen kann (Bild 3).
Unter einem Knoten versteht man eine glatte und
injektive Abbildung einer bzw. mehrerer Kreislinien
in den R3 ; eine Verkettung ist ein Knoten, der mit
einem Durchlaufsinn versehen ist. Man nennt zwei
Verkettungen äquivalent, wenn sie sich durch steige Deformation des R3 ineinander überführen lassen. Die Knotentheorie versucht, das Problem der
Äquivalenz bzw. Nichtäquivalenz von Verkettungen
zu lösen. Für Beispiele (Unknoten, linkshändiges und
rechtshändiges Kleeblatt, Borromäische Ringe) siehe
Bild 1 (v.l.n.r).
Es ist schwierig, Nichtäquivalenz von Verkettungen
zu zeigen — daß man zwei Diagramme nicht ineinander überführen kann, kann neben Nichtäquivalenz
der Knoten auch Ungeschicktheit als Ursache haben.
Man stellt Verkettungen mit Hilfe von geschlossenen
Kurve in der Ebene dar, wobei man bei Kreuzungspunkten anzeigt, welcher Zweig der Kurve oben“
”
und welcher unten“ zu liegen kommt. Durch ein sol”
ches Knotendiagramm ist eine Verkettung natürlich
nicht eindeutig bestimmt — alle möglichen Verkettungen im Raum, die zu dem Bild passen, sind aber
zueinander äquivalent.
Bei Deformation eines Knotens bzw. einer Verkettung in eine andere, so werden im Diagramm Kreuzungspunkte entstehen, andere sich verschieben, wieder andere sich auflösen. Man kann sich überlegen,
daß zwei Verkettungen genau dann äquivalent sind,
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
Im folgenden zeigen wir die Konstruktion des JonesPolynoms einer Verkettung (V.F.R. Jones: A Polynomial Invariant for Knots via von Neumann Algebras, Bull. Am. Math. Soc. 12 (1985), 103–111).
Ist das Jones-Polynom zweier Verkettungen verschieden, so sind diese nicht äquivalent. Es gibt
aber nichtäquivalente Knoten mit demselben JonesPolynom.
Das Jones-Polynom J(a, z) ist ein Polynom in den
Variablen a, a−1 , z, z −1 und ist rekursiv definiert
über die Formeln
a−1 J( ) − aJ( ) = zJ( ),
J(0) = 1.
Dabei bedeuten die Symbole in den Klammern drei
verschiedene Verkettungen, die dadurch entstehen,
daß sie außerhalb der durch Pfeile angedeuten Stelle
übereinstimmen; sowie die Definition daß der Unknoten das Jones-Polynom 1 besitzt. Unten (Bilder
4ff) sind Beispiele für die Berechnung des JonesPolynoms angegeben, u.a. wird die Nichtäquivalenz
des linken und rechten Kleeblatts demonstriert.
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45. Konfokale Kegelschnitte — Der Satz von Ivory
Wir gehen aus von den wohlbekannten Relationen
(1)
cos2 t + sin2 t = 1, cosh2 t − sinh2 t = 1.
sind. Die geradlinigen Diagonalen in diesem Viereck
sind gleich lang (nachrechnen!). Dies ist der sogenannte Satz von Ivory1 .
Die Kurven mit Parameterdarstellung
(6)
(2)
Wir bestimmen die Brennpunkte einer Ellipse
v =const.: Sind a, b die Halbachsenlängen, so ist die
Exzentrizität e (Entfernung der Brennpunkte vom
Mittelpunkt) gegeben durch e2 = a2 − b2 . Es ergibt
sich
x(t) = a cos t, y(t) = b sin t
x(t) = a cosh t, y(t) = b sinh t
erfüllen daher die Gleichungen
(3)
y2
x2
y2
x2
+ 2 = 1, 2 − 2 = 1.
2
a
b
a
b
(7)
Es handelt sich dabei um Ellipsen und halbe Hyperbeln (wegen cosh t > 0) mit den Halbachsen a und b.
Nun betrachten wir die Kurven die Kurvenscharen
u = const und v = const zu
Nun betrachten wir gekrümmte Viereck, dessen Seiten aus Bögen der obigen Ellipsen und Hyperbeln
bestehen, und dessen Ecken die Punkte
(5) x(u0 , v0 ),
x(u0 , v1 ),
x(u1 , v1 ),
Geometrie für den Mathematikunterricht PS
x(u1 , v0 )
e2 = c2 cosh2 v − c2 sinh2 v = c2 .
Man erkennt, daß alle beteiligten Ellipsen dieselben
Brennpunkte F1 = (−c, 0), F2 = (c, 0) besitzen. Eine ähnliche Überlegung zeigt, daß die Punkte F1 , F2
auch Brennpunkte aller beteiligten Hyperbeln sind:
Hier ist e2 = a2 + b2 :
(4) x(u, v) = c cos u cosh v, y(u, v) = c sin u sinh v.
Bei v = const 6= 0 ist das eine Ellipse mit Halbachsen a = c cosh v, b = c sinh v. Bei u = const 6= 0 ist
das eine halbe Hyperbel mit Halbachsen a = c cos u
und b = c sin u. Wir fassen die Koordinaten (x, y) zu
einem Vektor x zusammen.
x(u0 , v0 )x(u1 , v1 ) = x(u0 , v1 )x(u1 , v0 )
e2 = c2 cos2 u + c2 sin2 u = c2 .
Aus diesem Grund nennt man die Ellipsen und Hyperbeln, die als Kurven v =const. und als Kurven
u =const. in Gl. (4) enstehen, eine Schar von konfokalen Ellipsen und Hyperbeln.
N.B.: Zum Zeichnen von Ellipsen und Hyperbeln ist
es vorteilhaft, über die Scheitelkrümmungskreise Bescheid zu wissen (siehe Figur).
1
pp. 353, 355 aus: James Ivory: On the Attractions of Homogeneous Ellipsoids, Philos. Trans. of the Royal Society of London
1809, 345-372.
J. Wallner - W. Rath
Unterlagen — WS 2004/2005
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