Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im

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Jüdische Häftlinge aus den
besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
KZ-Gedenkstätte Neuengamme | Reproduktion nicht gestattet
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Verfolgung vor Beginn des Zweiten Weltkrieges
Die Ausgrenzungen und Diskriminierungen der jüdischen
Bevölkerung im Deutschen Reich wurden im März 1938
nach dem „Anschluss“ Österreichs und im Oktober 1938
bzw. März 1939 in den Gebieten der ehemaligen Tschechoslowakei („Sudetengau“ und „Reichsprotektorat Böhmen
und Mähren“) in noch verschärfter Form eingeführt. Die
„Nürnberger Rassengesetze“ und zahlreiche weitere Erlasse
hatten zum Ziel, die jüdische Bevölkerung auszugrenzen,
zu demütigen und ihr die materielle Existenzgrundlage zu
nehmen. Jüdinnen und Juden wurden namentlich registriert,
aus ihren Berufen gedrängt, oftmals aus ihren Wohnungen
in Sammelunterkünfte verwiesen, jüdisches Eigentum wurde
„arisiert“ und die Versorgung mit Lebensmitteln eingeschränkt.
Im Oktober 1941 begannen die Deportationen der jüdischen
Bevölkerung aus dem „Altreich“, Österreich, dem Sudetenland und dem „Protektorat Böhmen und Mähren“ in Gettos in
den besetzten osteuropäischen Ländern. Ende 1941 begannen
die Massenmorde in den Vernichtungslagern.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Österreichische Jüdinnen und
Juden, die in einem Wiener Bezirkspolizeikommissariat Pässe
für die Ausreise beantragen, Mai
1938. Schon im Sommer 1938
wurde in Wien die „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“
eingerichtet, die die Vertreibung
der jüdischen Bevölkerung aus
Österreich zentral organisierte.
Die Ausreisenden durften neben
wenigen persönlichen Habseligkeiten nur so viel Geld mitnehmen, wie sie zur Erlangung der
Einreiseerlaubnis in das künftige
Immigrationsland benötigten; der
gesamte übrige Besitz fiel an das
Deutsche Reich.
Foto: Hilscher. (Österreichische
Gesellschaft für Zeitgeschichte, Wien)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Jüdinnen und Juden im besetzten Osteuropa
In den Ländern, die während des Zweiten Weltkrieges
von der deutschen Wehrmacht besetzt waren, verlief die
Gettoisierung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung
unterschiedlich. So wurden beim Überfall der Wehrmacht
auf Polen im September 1939 zahlreiche polnische Jüdinnen
und Juden ermordet. Bereits am 30. Oktober 1939 erließ
Heinrich Himmler die Anweisung, alle Jüdinnen und Juden
aus den von Deutschland annektierten Gebieten in das
„Generalgouvernement“, die östlichen polnischen Gebiete,
zu deportieren. Dort wurden – meist in größeren Städten –
ab Ende 1939 zahlreiche Gettos errichtet, die Zwischenstationen des Völkermords waren. Im besetzten Polen wurden
in den Vernichtungslagern fast drei Millionen Jüdinnen und
Juden durch Giftgas ermordet.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Registrierung der Mitglieder der
jüdischen Gemeinde in Prag,
Herbst 1941.
Foto: unbekannt.
(Jüdisches Museum Prag, 4970)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Warschauer Getto, Privataufnahme
eines deutschen Feldwebels vom
19. September 1941. Das Getto
wurde am 16. Oktober 1940 eingerichtet. 30 % der Warschauer
Bevölkerung – 380 000 Menschen –
lebten dort auf 2,4 % der Fläche
Warschaus, abgetrennt vom
übrigen Stadtgebiet. Am 22. Juli
1942 begannen Massendeportationen in das Vernichtungslager
Treblinka. Am 18. Januar 1943
widersetzten sich Bewohner und
Bewohnerinnen des Gettos zum
Teil mit Waffengewalt weiteren
Deportationen. Nach der Niederschlagung des Aufstands im
Mai 1943 wurde das Warschauer
Getto vollständig zerstört.
Foto: Jöst.
(ANg, Sammlung Schwarberg)
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die jüdische Widerstandsorganisation im Warschauer Getto
richtete unter der Leitung von Emanuel Ringelblum ein
geheimes Archiv ein, in dem sie Berichte, Tagebücher und
Dokumente zur Verfolgung und Deportation der polnischen
Jüdinnen und Juden sammelte. Das Archiv wurde in Metallkisten vergraben, sodass nach Kriegsende große Teile geborgen werden konnten. Aus dem Bericht des zehnjährigen
Henoch Jarzębski:
Im April [1942] wurden wir aus Pustelnik vertrieben. Eines
Tages kamen um fünf Uhr früh, als wir nichts Böses erwarteten, Gendarmen und Polizisten, umstellten unser Ghetto und
befahlen uns, unsere Habe auf den Hof herauszutragen. Dann
übergossen sie die Sachen mit Benzin und steckten alles an.
Vorher gingen die Gendarmen mit Revolvern in die Häuser
und befahlen, sich innerhalb von fünf Minuten anzuziehen
und die Wohnung zu verlassen. Wer es nicht schaffte, den
brachten sie um. So töteten sie unseren Rabbiner und seinen
Sohn, die verschlafen hatten. [...] In Warschau brachten sie
uns in die Quarantäne, dort wurden wir verpflegt, so daß
wir nicht hungerten. Von der Quarantäne zogen wir mit der
Mutter und der Schwester in den „Punkt“ [Massenunterkunft]
in der Rynkowa-Straße 1, der Rest der Familie ging unterwegs
verloren. Bis heute weiß ich nicht, wo sie sind. Im „Punkt“ war
es schlecht, wir hungerten. Mutter erhielt weniger als ich, sie
schwoll an und starb im April 1942. Ich und meine Schwester
kamen ins Waisenhaus Śliska-Straße 12.
Zitiert nach: Ruth Sakowska: Die zweite Etappe ist der Tod. NSAusrottungspolitik gegen die polnischen Juden, gesehen mit
den Augen der Opfer. Ein historischer Essay und ausgewählte
Dokumente aus dem Ringelblum-Archiv 1941–1943,
Berlin 1993, S. 196.
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Mit dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni
1941 verübten Einheiten der Wehrmacht und SS auf beispiellose Weise unzählige Massenmorde an der jüdischen
Bevölkerung. In der Schlucht von Babi Jar bei Kiew erschossen
Kommandos der Einsatzgruppe C der SS Ende September
1941 33 771 jüdische Männer, Frauen und Kinder. Dieses
Massaker war nur eines von zahlreichen Verbrechen; innerhalb weniger Monate wurden von den Kommandos der
Einsatzgruppen A bis D mehrere Hunderttausend jüdische
Menschen erschossen. Insgesamt geht die Forschung von
2 100 000 sowjetischen jüdischen Opfern aus.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Hinterlassene Kleidung und
Besitz der Ermordeten in der
Schlucht von Babi Jar, September
1941. Nachdem über 33 000
jüdische Bewohnerinnen und
Bewohner Kiews zu der nahe der
Stadt Kiew gelegenen Schlucht
von Babi Jar getrieben worden
waren, mussten sie Papiere,
Gepäck sowie Wertgegenstände
abgeben, sich vollständig entkleiden und sich an den Rand der
Schlucht stellen. Dann wurden sie
niedergeschossen.
Im Juli 1943, während des deutschen Rückzugs, sollten die Spuren des Massenmords verwischt
werden. Polizeieinheiten ließen
Insassen eines nahe gelegenen
Lagers die Leichen ausgraben und
verbrennen.
Foto: Hähle, Propagandakompanie
der Wehrmacht. (Hamburger Institut
für Sozialforschung)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Jüdinnen und Juden im besetzten Westeuropa
In den besetzten Ländern Westeuropas war der offene Massenmord an der jüdischen Bevölkerung, wie er in Osteuropa
durchgeführt wurde, aus vielerlei Gründen nicht möglich –
nicht zuletzt um die vorhandene Bereitschaft der Verwaltung, Polizei oder Wirtschaft zur Zusammenarbeit nicht zu
gefährden. Es wurden hingegen diskriminierende, antijüdische Verordnungen erlassen und Betriebe „arisiert“. Die im
Frühjahr 1942 beginnenden Deportationen in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurden als Transporte zum
„Arbeitseinsatz in den Osten“ getarnt.
Eine mit der Sowjetunion vergleichbare Situation gab es in
Serbien, wo bis Juni 1942 alle jüdischen Männer als Geiseln
zur „Vergeltung“ von Partisanenangriffen erschossen sowie
die jüdischen Frauen und Kinder in Gaswagen ermordet
wurden.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Deportation aus dem „Polizeilichen Durchgangslager Westerbork“ in den Niederlanden, April
1943. Von dort wurden über
100 000 Jüdinnen und Juden sowie
Sinti und Roma in die Vernichtungslager deportiert. Durch das
Fehlen des offenen Terrors von
Wachmannschaften, die Errichtung einer Schule, eines Kranken-
hauses und eines Waisenhauses
sowie die Durchführung kultureller und sportlicher Veranstaltungen versuchten die deutschen
Besatzer, den Gefangenen das
Fortbestehen eines normalen
Alltags vorzutäuschen. Zur selben
Zeit gingen jedoch regelmäßig
Deportationszüge in Richtung der
Vernichtungslager ab.
Foto: unbekannt. (NIOD)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Verfolgung in verbündeten Ländern
Deutschland übte auf seine Verbündeten und Satellitenstaaten
Druck aus, die jüdische Bevölkerung dieser Länder diskriminierenden und ausgrenzenden Gesetzen zu unterwerfen und
sie schließlich zu ermorden. Bestehender Antisemitismus wurde in diesen reaktionären oder faschistischen Regimes durch
den Erlass weiterer Gesetze verschärft. Aber die meisten der
verbündeten Länder verweigerten sich der „Endlösung“ – der
Deportation der jüdischen Bevölkerung und ihrer Ermordung:
So waren Jüdinnen und Juden in Italien und den italienisch
besetzten Gebieten zunächst vor Deportation und Vernichtung geschützt; erst als italienisches Territorium im September
1943 unter direkten deutschen Einfluss kam, begannen dort
die Deportationen.
In Ungarn lebten neben der einheimischen jüdischen Bevölkerung zahlreiche Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich
und der Tschechoslowakei sowie die Menschen aus den
Ungarn eingegliederten Gebieten – insgesamt 875 000
jüdische Männer, Frauen und Kinder. Sie unterlagen seit 1938
einer antisemitischen Gesetzgebung, die Enteignung sowie
Zwangsarbeit in jüdischen Arbeitsbataillonen vorsah – die
Auslieferung an Deutschland wurde aber verweigert. Erst als
im März 1944 deutsche Truppen Ungarn besetzten, begannen
die Deportationen. Innerhalb von zwei Monaten wurden weit
über 400 000 Jüdinnen und Juden in die Vernichtungslager
deportiert.
Insgesamt fielen mindestens 5,29 Millionen jüdische Männer,
Frauen und Kinder dem nationalsozialistischen Völkermord
zum Opfer.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Verhaftung von Jüdinnen und
Juden in Budapest, Oktober 1944.
Foto: Faupel, Propagandakompanie der
Wehrmacht. (BA (Koblenz),
Bild 101I-680-8285A-25)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die ersten jüdischen Häftlinge aus den annektierten
und besetzten Ländern im KZ Neuengamme
Milan Kulka, geboren 1909
in Neu-Traubendorf in der
Tschechoslowakei, wurde
im Dezember 1940 in das
KZ Dachau eingewiesen und
einen Monat später in das
KZ Neuengamme überstellt.
Dort starb er am 24. September 1941.
Foto: unbekannt. (ANg)
Zu den ersten nicht deutschen jüdischen Häftlingen im
KZ Neuengamme gehörten Österreicher sowie Tschechen
aus dem annektierten „Sudetengau“. In den Konzentrationslagern zählte die SS sie zur deutschen Häftlingsgruppe.
Auch unter den ersten polnischen, belgischen und niederländischen Häftlingen, die seit April 1941 im KZ Neuengamme
eintrafen, befanden sich Juden. Sie alle wurden aus unterschiedlichen Gründen verhaftet, u. a. weil sie Antifaschisten
waren. Auch wenn der rassistische Aspekt für die Verhaftung
nicht ausschlaggebend gewesen war, wirkte er sich im
Konzentrationslager in Form einer besonders schlechten
Behandlung aus.
Im Zuge der Mordaktion „14 f 13“ wurden im Juni 1942 81
polnische, belgische und niederländische jüdische Häftlinge
des KZ Neuengamme in Bernburg/Saale vergast. Im Herbst
1942 wurden alle im KZ Neuengamme verbliebenen Juden
in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die Ermordung sowjetischer jüdischer
Kriegsgefangener im KZ Neuengamme
Am 28. und 29. August 1941 wurden in einer ersten großen
Massenexekution 46 sowjetische Kriegsgefangene im KZ
Neuengamme erschossen. Es handelte sich um Gefangene aus dem gerade eingerichteten Kriegsgefangenenlager
Wietzendorf (Stalag X D), die dort auf der Grundlage des
„Kommissarbefehls“ vom Juni 1941 als „Juden“ selektiert
worden waren. Im Konzentrationslager wurden ihre Namen
nicht registriert und auch nicht dem zuständigen Standesamt gemeldet.
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die Situation 1944
Vom Herbst 1942 bis zum Frühjahr 1944 waren keine als
Juden gekennzeichnete Häftlinge im KZ Neuengamme.
Als sich die NS-Führung im Frühjahr 1944 angesichts des
gravierenden Arbeitskräftemangels in der Kriegswirtschaft
entschloss, Arbeitskräfte auch aus den Gettos und Vernichtungslagern zu rekrutieren, wurden dort junge, kräftige und
gesunde Männer und Frauen selektiert und zur „Vernichtung durch Arbeit“ in die Konzentrationslager im Deutschen
Reich deportiert. Es kam zu Überstellungen von etwa 12 000
jüdischen Häftlingen vor allem aus dem Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau, aber auch aus den KZ Groß-Rosen,
Stutthof, Lublin-Majdanek und Riga-Salaspils in das KZ Neuengamme.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Jüdische Häftlinge waren in den
Konzentrationslagern oft den
härtesten Arbeitskommandos
zugeteilt und der besonderen
rassistisch motivierten Brutalität
der SS und der Kapos ausgesetzt.
Der dänische Häftling Jens Martin
Sørensen fertigte nach Kriegsende diese Zeichnung mit dem
Titel „Ein Jude bekam immer die
doppelte Last. Lager Versen“ an.
(FM, 30C-13266-6)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Transporte in das Hauptlager des KZ Neuengamme
Nur wenige der Transporte mit jüdischen Häftlingen im Jahr
1944 führten direkt in das Hauptlager des KZ Neuengamme,
meist wurden die Häftlinge direkt in eines der Außenlager
des KZ Neuengamme überstellt, die in diesem Jahr in großer
Zahl errichtet wurden.
Ein Transport aus Auschwitz mit 30 jüdischen Ärzten unterschiedlicher Nationalität erreichte im Oktober 1944 das
Hauptlager Neuengamme; am 26. November 1944 kam aus
Budapest ein Transport mit 880 ungarischen Juden an. Weitere
Überstellungen jüdischer Häftlinge in das Hauptlager Neuengamme sind nicht bekannt.
Diese Häftlinge wurden getrennt von nicht jüdischen Häftlingen im so genannten „Schonungsblock“ untergebracht.
Berichte Überlebender deuten darauf hin, dass sie sonst,
z. B. beim Arbeitseinsatz, den anderen Häftlingen gleichgestellt waren.
Die im Hauptlager Neuengamme inhaftierten Juden wurden
am 8. April 1945 mit einem großen Transport kranker, nicht
marschfähiger Häftlinge in das Kriegsgefangenenlager Sandbostel gebracht. Erst nach langer Irrfahrt kam der Güterzug
dort an. Tausende weitere Häftlinge aus den Außenlagern
des KZ Neuengamme trafen im April 1945 in Sandbostel ein
und wurden dort nahezu ohne Nahrung und unter völlig
unzureichenden hygienischen Bedingungen ihrem Schicksal
überlassen. Mehrere Tausend Häftlinge starben in den letzten Kriegstagen sowie in den Wochen nach der Befreiung im
Lager Sandbostel und in den umliegenden Krankenhäusern.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Transporte in Außenlager des KZ Neuengamme
Die Mehrzahl der jüdischen Häftlinge wurde direkt in Außenlager des KZ Neuengamme transportiert, die zu diesem
Zeitpunkt von der SS, dem Bedarf der Kriegswirtschaft
Norddeutschlands entsprechend, zum großen Teil neu eingerichtet wurden. Dazu gehörten ab Mitte 1944 auch erste
Außenlager des KZ Neuengamme für Frauen. In mehreren
Außenlagern waren ausschließlich Jüdinnen oder Juden
inhaftiert. Über die Hälfte der weiblichen Häftlinge des KZ
Neuengamme waren jüdische Frauen, insgesamt etwa 7200.
Die jüdischen Häftlinge wurden überwiegend zu schweren
Bauarbeiten wie der Herrichtung von Stollen für unterirdische
Produktionsanlagen, bei der Trümmerbeseitigung nach Bombenangriffen oder beim Bau von Behelfsbauten eingesetzt.
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Nachum Rotenberg
Nachum Rotenberg, geboren 1928 in Lodz, kam mit seinem
Bruder und seinem Cousin in die Außenlager HannoverStöcken und Hannover-Ahlem. Nach Kriegsende emigrierte
Nachum Rotenberg nach Israel:
Mein Bruder Szmuel Rotenberg und mein Cousin, der auch
Nachum Rotenberg hieß, haben es nicht geschafft, sondern
sind entweder am Tag der Befreiung selbst oder bereits
einen Tag zuvor ums Leben gekommen. Beide waren im
dortigen „Revier“, wo niemand sonst Zutritt hatte. Szmuel
war schon sehr abgemagert und bekam nichts zu essen.
Ich selbst hatte das Glück, weil sie jemanden für die Küche
suchten. Sie fragten uns: „Wer von euch ist Koch?“ Alle
riefen: „Ich, ich!“ „Gut“, wurde gesagt, „dann nehmen wir
den, der am wenigsten wiegt“. So fiel die Wahl auf mich:
ich wog zu dem Zeitpunkt nur noch 28 Kilo. Der zweite,
den sie aussuchten, wog noch 29 Kilo, war dabei aber noch
einen Kopf größer als ich ...
Aus: Nachum Rotenberg/Matthias Horndasch:
Ich habe jede Nacht die Bilder vor Augen. Das Zeitzeugnis des
Nachum Rotenberg, Hannover 2005, S. 34.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Nachum Rotenberg (Mitte) in
den Wochen nach der Befreiung 1945 in Braunschweig.
Foto: US-Armee. (Privatbesitz)
Ausweis von Nachum Rotenberg vom August 1945.
(Privatbesitz)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Blick auf das Hafengebiet von
Hamburg-Veddel, 1930. In einem
der Speicher (Markierung) befand sich ab Mitte Juli 1944 das
Frauenaußenlager Dessauer Ufer,
in dem ungarische, tschechische
und polnische Jüdinnen inhaftiert
waren.
Foto: unbekannt.
(Hamburger Hafen und Logistik AG)
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Das Frauenaußenlager Dessauer Ufer
Die Frauen des Außenlagers am Dessauer Ufer mussten nach
Bombenangriffen, die sich ab 1944 auf Industrieanlagen konzentrierten, im Freihafen Aufräumungsarbeiten verrichten.
Einsatzorte waren vor allem größere Raffinerien wie Rhenania-Ossag (Shell), Ebano-Oehler (Esso), Julius Schindler
oder Jung-Öl. Lili Susser, 1927 in Polen geboren, wurde aus
Auschwitz in das KZ Neuengamme deportiert. Sie berichtete
über ihre Ankunft am Dessauer Ufer:
Ich weiß nicht, wie lange es dauerte uns [aus Auschwitz] in
den Hamburger Freihafen, unseren direkten Ankunftsort, zu
bringen. Aber ich glaube, dass es drei Tage und drei Nächte
gewesen sein müssen. Der Zug zog an einem gewaltigen
roten Backsteingebäude vorbei, von dem ich annehme, dass
es ein Lagerhaus an den Docks war. Das Gebäude erstreckte sich auf Stelzen über dem Wasser. Es gab verschiedene
Eingänge in das Gebäude. Von der Wasserseite aus konnten
Schiffe anlanden und beladen werden. Zwei Gruppen von
Männern standen an der Tür und teilten uns ein, als wir an
ihnen vorbei in den zweiten Stock gingen. Im Erdgeschoss
des Lagerhauses befanden sich Gefangene verschiedenster
Nationalitäten – Italiener, Russen, Ukrainer, Tschechen und
andere. Sie waren Kriegsgefangene. Wir waren Juden und
die einzigen Frauen.
Aus: Lili Susser: Lili’s Story. A memory of the Holocaust.
Bericht von 1995. Übersetzung. (ANg, HB 1185)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Das Frauenaußenlager Lübberstedt-Bilohe
Seit August 1944 bestand in Lübberstedt-Bilohe bei Bremen
ein Frauenaußenlager des KZ Neuengamme für 500 zumeist
ungarische Jüdinnen, die im Vernichtungslager AuschwitzBirkenau für dieses Außenlager ausgewählt worden waren.
Sie mussten in einer Munitionsanstalt Seeminen, Fliegerbomben und Flakmunition an einem Fließband zusammensetzen, befüllen und auf Waggons verladen.
Mit dem Näherrücken der Front wurde das Außenlager
Lübberstedt-Bilohe geräumt. Nachdem kranke Frauen bereits Ende März 1945 in das KZ Bergen-Belsen transportiert
worden waren, verließen die übrigen Frauen in zwei Zugtransporten das Lager. Während der tagelangen Irrfahrten
starben etwa 100 Frauen bei alliierten Luftangriffen. Die
Überlebenden wurden am 3. Mai 1945 in Plön in SchleswigHolstein von britischen Truppen befreit.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die Polin Zofia Raczynska, geborene Pracka, war mit einer
weiteren polnischen Gefangenen im Revier des Außenlagers
des KZ Neuengamme Lübberstedt-Bilohe eingesetzt. 1989
berichtete sie:
In Lübberstedt waren 500 ungarische Jüdinnen – weil zwei
inzwischen gestorben waren, haben wir deren Platz eingenommen. Dort bin ich auch [wie zuvor im KZ Auschwitz] als
Krankenschwester eingesetzt worden. [...] [Die Gefangenen]
arbeiteten in der nahe gelegenen Munitionsfabrik, die sich
mit künstlichem Grün getarnt im Wald befand. Die Frauen
gingen frühmorgens und kamen abends zurück – immer
unter der Aufsicht der SS mit ihren Hunden. [...] Durchschnittlich waren immer ca. 20 Kranke im Revier. Nach der
Arbeit kamen abends viele Frauen aufs Revier zur Versorgung
und zu anderen Behandlungen.
Zofia Raczynska. Brief, 10.7.1989. (ANg, HB 863)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Das Männeraußenlager Hannover-Stöcken
Die Continental-Gummiwerke AG besaß in Hannover-Stöcken
Baracken, in denen Zwangsarbeiter untergebracht waren.
Am 7. September 1944 erreichte ein Transport mit 1000
jüdischen Häftlingen aus dem Getto Lodz das Lager. Die
Männer waren zuvor im Vernichtungslager AuschwitzBirkenau zum Arbeitseinsatz ausgewählt worden. Die zum
Teil stark geschwächten Häftlinge wurden in Tag- und
Nachtschichten überwiegend in der Produktion von Autound Flugzeugreifen eingesetzt. Obwohl während des knapp
dreimonatigen Bestehens des Außenlagers kranke und
„arbeitsunfähige“ Gefangene ins Hauptlager Neuengamme
transportiert wurden, starben in der kurzen Zeit 55 Häftlinge.
Bereits im November 1944 wurden die Häftlinge des Außenlagers in Stöcken in ein anderes Außenlager der ContinentalWerke in Hannover-Ahlem überstellt.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Benjamin Sieradzki wurde 1927 bei Lodz geboren. Die jüdische Bevölkerung der Stadt wurde im Frühjahr 1940 gezwungen, in das Getto Lodz zu ziehen. Von dort kam Benjamin
Sieradzki in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und
in das Außenlager des KZ Neuengamme Hannover-Stöcken:
Nach einigen Tagen der Irrfahrt des Zuges hielt dieser schließlich auf einem Nebengleis. Wir wurden aufgefordert, auszusteigen, und nach der Anwesenheitskontrolle setzte man uns
zum Lager Stöcken in der Nähe von Hannover (Deutschland)
in Marsch. Bei dieser Gelegenheit wurden wir darüber informiert, dass unser Transport aus eintausend Häftlingen bestand, die zumeist, wenn nicht alle, aus Lodz über Auschwitz
kamen. Das war am 7. September 1944. Als wir im Lager
ankamen, sahen wir einige alte Baracken in der Nähe einer
Wiese. Es wurde befohlen, uns auf der Wiese niederzusetzen
und auf weitere Instruktionen zu warten. Das Lager schien auf
uns nicht vorbereitet zu sein. [...]
Nach dem Eintreffen in der Fabrik wurden wir in der Abteilung Reifenproduktion eingesetzt. [...] Ich arbeitete mit deutschen Zivilarbeitern zusammen, die alle über Schutzkleidung
verfügten: spezielle Gummischürzen, -schuhe und -handschuhe, Gesichtsmasken gegen Säurespritzer und die übel
riechenden Dämpfe, die aus den Säurebecken aufstiegen.
Uns gab man keinerlei Schutzmittel dieser Art. In derselben
gestreiften Häftlingsuniform, die wir in Auschwitz empfangen
hatten, verrichteten wir die gefährliche Arbeit.
Benjamin Sieradzki. Bericht, nicht datiert. Übersetzung. (ANg, HB 1690)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die Situation im KZ Bergen-Belsen
Viele Jüdinnen und Juden aus den Außenlagern des KZ
Neuengamme kamen mit weiteren Häftlingen, insgesamt
über 8000, gegen Kriegsende in das KZ Bergen-Belsen. Das
Lager war in den letzten Wochen des Krieges zum Zielort
für „Evakuierungstransporte“ aus den geräumten Konzentrationslagern geworden. Durch die katastrophalen Bedingungen, die im KZ Bergen-Belsen herrschten, war das Lager
bald ein Sterbelager: Kurz vor und in den ersten Wochen
nach der Befreiung am 15. April 1945 starben dort 25 000
Häftlinge an Hunger und Krankheiten. Wie viele jüdische
Häftlinge des KZ Neuengamme unter den Toten waren, ist
nicht bekannt.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Befreite Häftlinge im KZ BergenBelsen, April/Mai 1945.
Foto: unbekannt. (IWM)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die jüdischen Häftlinge aus Ungarn
Die ungarischen Häftlinge bildeten im KZ Neuengamme mit
7200 Häftlingen die fünftgrößte nationale Häftlingsgruppe.
Es handelte sich nahezu ausschließlich um jüdische Frauen und Männer, die in den Monaten nach der Besetzung
Ungarns durch deutsche Truppen im März 1944 deportiert
wurden. Die Transporte erreichten die Vernichtungslager
dabei zu einem Zeitpunkt, als in Deutschland für die Rüstungsindustrie dringend zusätzliche Arbeitskräfte benötigt
wurden.
Unter den ungarischen Häftlingen waren 5800 Frauen, dies
waren mehr als 80 % aller Jüdinnen im KZ Neuengamme.
Viele weitere jüdische Frauen kamen vor allem aus der
Tschechoslowakei und Polen. Unter den aus Ungarn deportierten Jüdinnen und Juden im KZ Neuengamme gehörten
viele auch nationalen Minderheiten an, vor allem waren es
slowakische und rumänische Frauen und Männer.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Endre Szabó, geboren 1903 in Lengyel in Ungarn, war Arzt.
Er wurde aus Dombovár in das Konzentrationslager Auschwitz deportiert und kam von dort in das KZ Neuengamme.
Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Budapest verfasste
er einen Bericht:
[In Birkenau] suchte man einmal zwanzig Zahnärzte aus,
die zur Behandlung von SS nach Auschwitz sollten. Man
prüfte uns und fünf bestanden die Prüfung. Wir kamen nach
Auschwitz. Hier aber stellte sich heraus, dass Juden Mitglieder
der SS nicht behandeln dürfen. Man behielt uns aber gleich
zum Kanal- und Straßenbau dort [...], bis man 20 Ärzte,
unter denen auch ich mich befand, nach Neuengamme versandte. [...] Als wir aber ankamen, erfuhren wir, dass jüdische
Häftlinge christliche Häftlinge nicht behandeln dürfen,
und so war die ganze Illusion, in unserem Beruf fungieren
zu können, zerronnen. So stellte man uns zu allgemeiner
Arbeit ein. Wir zogen Loren, trugen Ziegel und Zement und
verrichteten andere sehr schwere Arbeit. Die Verpflegung
reichte nicht mal annähernd, außerdem wurden wir von
unseren Vorgesetzten immerfort gepeinigt. So geschah
es, dass von den 29 in allerkürzester Zeit nur 14 am Leben
blieben.
Endre Szabó. Bericht, 14.9.1945. (ANg, HB 1037)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Edith Fehér
Edith Fehér, geborene Friedmann,
mit ihren Eltern und ihrem Bruder,
1936.
Foto: unbekannt. (ANg)
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Edith Fehér wuchs in Abaújszántó in Ungarn auf. Über
Kaschau wurde sie nach der deutschen Besetzung Ungarns
im Frühjahr 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau
deportiert. Dort wurde die 16-Jährige für die Zwangsarbeit
im Außenlager des KZ Neuengamme in Boizenburg ausgewählt:
Die Selektionen waren so: Da war ein großer Platz. Man
musste sich ausziehen [...]. Ich bin fünf Mal auf so eine
Selektion gegangen und man hat mich immer weggeschoben,
mit 38 Kilo war ich überhaupt nicht [arbeitsfähig]. Anfang
August kam eines Tages eine SS-Frau in den Block und hat
400 Frauen ausgesucht [...]. In fünf Minuten waren wir
schon draußen. [...] Das Kleid mussten wir ein wenig hochheben und sie haben sich die Füße und Schenkel angeschaut – ich bin durchgegangen [...]. Wir wollten einfach
nur hinaus aus Auschwitz. Und so ist es auch mir gelungen,
in diesen [Transport von] 400 Frauen zu gelangen.
Edith Fehér. Interview, 5.7.2002. (ANg, HB 1853)
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Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Die zwanzig jüdischen Kinder
Im November 1944 forderte der SS-Arzt Kurt Heißmeyer
für medizinische Experimente 20 jüdische Kinder für das KZ
Neuengamme an: 10 Jungen und 10 Mädchen unterschiedlicher Nationalität im Alter von fünf bis zwölf Jahren wurden
aus dem KZ Auschwitz nach Neuengamme überstellt. Heißmeyer infizierte die Kinder mit Tuberkuloseerregern. Als
sich die britischen Truppen Hamburg näherten, wurden
die Kinder in der Nacht vom 20. auf den 21. April 1945 in
das bereits geräumte Außenlager des KZ Neuengamme
in Hamburg-Rothenburgsort, eine ehemalige Schule am
Bullenhuser Damm, gebracht. Die SS ermordete dort die
Kinder, vier Häftlingsärzte und -pfleger, die die Kinder
betreut hatten, sowie 24 sowjetische Kriegsgefangene.
Jüdische Häftlinge aus den besetzten Gebieten im KZ Neuengamme
Paulina Trocki, geborene Austrijsky, wurde 1905 in Kischinew
in Moldawien geboren. Sie war Ärztin und lebte seit 1923 in
Belgien, wo sie im Widerstand gegen die deutsche Besatzung
aktiv war. Im Juli 1944 wurde sie mit dem letzten Transport
aus Belgien in das KZ Auschwitz deportiert. Dort arbeitete
sie u. a. als Häftlingsärztin. Im November 1944 wurde Paulina
Trocki ausgewählt, die 20 jüdischen Kinder in das KZ Neuengamme zu begleiten:
Ich wurde eines Mittags zum Lagerführer gerufen und mir
wurde gesagt, daß ich mit Kindern auf einen Transport
gehen müßte, sie zu begleiten. Außer mir drei Schwestern,
davon eine Laborantin aus Ungarn. Es waren 10 Jungen und
10 Mädchen, im Alter zwischen 6 und 12 Jahren, alles Juden,
aber aus den verschiedensten Ländern, zwei waren aus
Paris. Ich fragte, weshalb die Kinder verschickt würden. Man
sagte: Alles Kinder ohne Eltern. Von den Kindern erfuhr ich,
daß viele der Eltern im Arbeitslager auf Transport geschickt
worden waren. Auf der Reise war die Verpflegung ausgezeichnet, es gab Schokolade. Nach zwei Tagen kamen wir
nachts um 10 im Lager Neuengamme an. [...] Ich sprach mit
einem Medizinstudenten aus Belgien, so konnten wir Französisch sprechen. Er sagte: Männerlager, keine Kinder. Ich
fürchte, sie wollen die Kinder zu Kinderversuchen benutzen.
[...] Die Kinder sah ich nie wieder.
Aus den Aufzeichnungen von Kurt Ball-Kaduri vom
Januar 1957 über ein Gespräch mit Paulina
Trocki am 30.12.1956. (ANg, HB1066)
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