Prof. Dr. C.-F. Stuckenberg, LL.M. (Harvard) SS 2016 Vorlesung Strafrecht II Abschlußklausur Die Umweltaktivisten A und B finden es unerträglich, daß in Deutschland jedes Jahr Millionen von Tonnen an Lebensmitteln auf dem Müll landen. Eines Abends wollen die beiden mit Unterstützung der F ihrer neuen Leidenschaft, dem „Containern“ – der „Rettung“ noch eßbarer Lebensmittel aus Müllcontainern von Einzelhändlern –, frönen. A und B halten das zwar für illegal, weil auch der Müll den Händlern noch gehöre, aber für moralisch gerechtfertigt, während F der Auffassung ist, daß das schon nicht verboten sei, weil die Händler die Lebensmittel ja sowieso nicht mehr haben wollten. Sie haben dies schon öfter zu dritt getan und wollen dies auch in Zukunft tun. Vereinbart ist, daß jeder „sein Ding macht“ und unabhängig über seine Beute disponiert. Hinter einem anderen Supermarkt befinden sich, wie A und B wissen, auf einer mit einem 2,50 m hohen Gitterzaun umgebenen Fläche mehrere unverschlossene Müllcontainer für abgelaufene Lebensmittel. A und B klettern mit Fs Hilfe nach Ladenschluß über den Zaun und durchstöbern die Container, während F draußen Schmiere steht. A findet in einem der Müllcontainer, dessen Inhalt tatsächlich für die Müllabfuhr bestimmt ist, zahlreiche Konservendosen, deren Haltbarkeitsdatum überschritten ist, und steckt sich drei Dosen mit Tomatenmark in seine Jackentaschen. B steht vor einem grünen Container, der als nicht verkehrsfähig angesehenes Gemüse und Obst enthält, das von einer lokalen Biogasanlage gegen Entgelt abgeholt wird. B entdeckt drei große, jeweils 5 kg schwere überreife Wassermelonen darin, schneidet aus einer Melone mit seinem Schweizer Offiziersmesser eine kleine Probe heraus, befindet sie für gut, und packt sie in eine mitgebrachte Sporttasche. Als zwei Wachleute sich nähern, warnt F die beiden per Handy. A und B klettern am Zaun hoch, um zu fliehen. Dabei läßt B die Tasche mit den Wassermelonen zurück, die auf dem Marktgelände verbleibt. Wachmann W packt A am Fuß, bekommt jedoch von A einen Tritt auf die Nase und läßt ihn daraufhin los. A, B und F entfliehen. 1. Begutachten Sie die Strafbarkeit von A, B und F nach dem StGB! 2. Es ist davon auszugehen, daß keine Mittäterschaft vorliegt. Prof. Dr. C.-F. Stuckenberg, LL.M. (Harvard) SS 2016 Vorlesung Strafrecht II Lösungshinweise zur Abschlußklausur [Anmerkung: Mittäterschaft soll nicht geprüft werden, vgl. den Hinweis im Sachverhalt, daß jeder „sein Ding mache“. ] A. Strafbarkeit des A I. Hausfriedensbruch, § 123 I Var. 1 (+) Durch das Betreten der mit einem 2,50 m hohen Gitterzaun umgebenen Fläche hinter dem Supermarkt könnte A sich zunächst eines Hausfriedensbruchs gem. § 123 I Var. 1 schuldig gemacht haben. 1.a) Objektiver Tatbestand aa) befriedetes Besitztum Die umzäunte Fläche hinter dem Supermarkt könnte ein befriedetes Besitztum darstellen. Darunter fallen in äußerlich erkennbarer Weise gegen unbefugtes Betreten durch zusammenhängende, nicht notwendigerweise lückenlose Schutzwehren gesicherte Grundstücke. Der 2,50 m hohe Gitterzaun um die an das Supermarktgebäude angrenzende Fläche hat den Zweck, Unbefugten den Eintritt zu verwehren, und macht diese zu einem befriedeten Besitztum. bb) Eindringen A müßte in das befriedete Besitztum eingedrungen sein. Unter Eindringen ist das Betreten gegen oder ohne Willen des Hausrechtsinhabers zu verstehen. Gegen oder ohne den Willen des Berechtigten erfolgt das Betreten, wenn der Täter ohne dessen ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung in das Schutzobjekt gelangt ist. Ein ausdrückliches oder stillschweigendes Einverständnis des Berechtigten schließt den Tatbestand aus. Zwar gilt für die Verkaufsflächen des Supermarkts eine generelle Zutrittserlaubnis, doch nur während der normalen Öffnungszeiten. Die Fläche mit den Müllcontainern hinter dem Supermarkt ist dem Publikum generell nicht zugänglich, schon gar nicht nach Ladenschluß, so dass von einem entgegenstehenden Willen des Berechtigten auszugehen ist. A ist somit in die Fläche hinter dem Supermarkt eingedrungen. [Bem.: „widerrechtlich“ ist kein Tatbestandsmerkmal, sondern ein überflüssiger Verweis auf das allgemeine Rechtswidrigkeitsmerkmal.] b) Subjektiver Tatbestand A kannte alle Tatumstände und ist zielgerichtet eingedrungen, handelte daher vorsätzlich gem. § 15 in Form der Absicht. 2., 3. Die Tat ist rechtswidrig und schuldhaft begangen. A hat sich somit eines Hausfriedensbruchs gem. § 123 I Var. 1 schuldig gemacht. 4. Der für die Verfolgung der Tat gem. § 123 II erforderliche Strafantrag ist gestellt. II. Diebstahl der Tomatendosen, §§ 242, 243 I 2 Nr. 1, 2 (+/–) Indem A auf der umzäunten Fläche hinter dem Supermarkt drei Dosen mit Tomatenmark aus dem Müllcontainer genommen und sich in seine Jackentaschen gesteckt hat, könnte er sich wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall gem. §§ 242, 243 I 2 Nr. 1, 2 strafbar gemacht haben. 2 1.a) aa) — — — Objektiver Tatbestand A müsste fremde bewegliche Sachen weggenommen haben. Fremde bewegliche Sache Fremd ist eine Sache, die nicht im Alleineigentum des Täters steht und auch nicht herrenlos ist. Die drei Dosen mit Tomatenmark haben als körperliche Gegenstände Sachqualität und waren zudem beweglich. Im Tatzeitpunkt standen sie nicht im Alleineigentum des A, könnten aber herrenlos gewesen sein, d.h. in niemandes Eigentum gestanden haben: Die Aussonderung der Lebensmittel des Supermarkts zum Wegwerfen könnte als Dereliktion i.S.d. § 959 BGB anzusehen sein. Diese setzt voraus, dass der ursprüngliche Eigentümer den Besitz aufgegeben und dabei zum Ausdruck gebracht hat, dass er auf sein Eigentum verzichtet (Entschlagungswille). Dieser Entschlagungswille muss aus der Sicht eines objektiven und verständigen Beobachters erkennbar betätigt werden, ohne allerdings besonders erklärt werden zu müssen, wenn aus der Art und Weise und den Begleitumständen eine Besitzaufgabe erkennbar ist. Folglich stellt die Dereliktion eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung dar, bei deren Auslegung es auf den tatsächlichen Willen des Eigentümers ankommt. Fraglich ist hier, worin die Eigentumsaufgabe an den drei Tomatendosen seitens des Supermarktes zu sehen ist. Die Eigentumsaufgabe könnte darin zu sehen sein, dass die ausgesonderten Tomatendosen als Müll im Container gelandet sind, andererseits könnte sie auch erst mit Bereitstellung der Müllcontainer zur Müllabfuhr erfolgen. [Bem.: Wichtig ist, dass die Bearbeiter das Problem erkennen und eine argumentative Auseinandersetzung erfolgt. Beide Zeitpunkte/Ansichten sind mit den entsprechenden Argumenten vertretbar.] (1) (2) Wer Gegenstände in die Mülltonne wirft, hat in aller Regel jedes Interesse an ihnen verloren. Geht es dem Eigentümer allein darum, den Müll loszuwerden, spielt es für ihn meist keine Rolle, wer den Müll abholt. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich der Bewertung der Dereliktion bei „Privatmüll“, die nur sehr zurückhaltend angenommen wird. Der Grund für die zurückhaltende Annahme der Eigentumsaufgabe bei Privatmüll sind vor allem datenschutzrechtliche Bedenken. Beim Wühlen im Hausmüll einer Privatperson finden sich regelmäßig Informationen, die auf den Inhaber der Mülltonne Rückschlüsse zulassen, daher wird eine differenzierte Betrachtung angestellt und für den objektiven Betrachter eine Dereliktion (Eigentumsaufgabe) dann nicht angenommen, wenn die Gegenstände in einer besonderen Beziehung zum (bisherigen) Eigentümer stehen. Hier ist an Kontoauszüge, Privat- und Geschäftsbriefe und Fotos zu denken, bei denen ein entsprechender Aufgabewille nicht vorhanden ist und lediglich ein Angebot zur Übergabe an den Entsorger und keine Eigentumsaufgabe vorliegt. Allerdings greifen diese Überlegung beim Containern gerade nicht. Besondere Rückschlüsse lassen sich vom Lebensmittelabfall des Supermarktes nicht ziehen, zumal es sich vorliegend um ausschließlich für den Lebensmittelabfall bestimmte Container handelt. Andererseits entsorgen die Supermärkte die überschüssigen Lebensmittel bewusst in den entsprechenden Containern. Könnte sich nun jedermann frei daran bedienen, sind für den Supermarkt Kundenverluste und damit einhergehende Umsatzeinbußen zu befürchten. Dies könnte in Kombination mit der Umzäunung der Container wiederum für eine Dereliktion erst mit Bereitstellen der Container zur Müllabfuhr sprechen. [Bem.: Kommt die Bearbeitung zu dem Ergebnis, dass noch keine Dereliktion vorliegt, ist die Prüfung wie nachstehend aufgezeigt fortzusetzen. Entscheidet sich der Bearbeiter hingegen für eine Dereliktion, ist ein versuchter Diebstahl der Tomatendosen in einem besonders schweren Fall weiterzuprüfen und dieser zu bejahen, da A sich (nun irrig) vorstellt, die Tomatendosen seien fremd. Die Ausführungen entsprechen insoweit der nachstehenden Lösung, vgl. dazu aber auch unten.] 3 bb) — — b) aa) bb) (1) (2) (3) (4) Wegnahme A müsste die Lebensmittel weggenommen haben. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Gewahrsam ist die von einem natürlichen Herrschaftswillen getragene tatsächliche Sachherrschaft, deren Grenzen sich nach der Verkehrsanschauung richten. Unter dem Bruch fremden Gewahrsams ist dessen Aufhebung gegen oder ohne den Willen des Berechtigten zu verstehen. Gegenstände in einem Supermarkt befinden sich in der Herrschaftssphäre des Supermarktleiters. Dieser hat nach überwiegender Ansicht einen allgemeinen Herrschaftswillen hinsichtlich aller in den Räumlichkeiten befindlichen Sachen. Es fragt sich, ob dies auch für die auf der Fläche hinter dem Supermarkt befindlichen, weggeworfenen Lebensmittel gilt. Hier ist zu berücksichtigen, dass diese sich in einem umzäunten Bereich befinden, so dass sie noch vom Herrschaftswillen umfasst sind und der Supermarktleiter dementsprechend noch Gewahrsam an den Lebensmitteln in den Containern hat. Die Begründung neuen Gewahrsams erfordert, die von einem Herrschaftswillen getragene Herrschaftsgewalt über eine Sache zu erlangen. Indem A die drei Dosen Tomatenmark aus dem Container nahm und sie in seine Jackentasche steckte, überführte er sie in seine höchstpersönliche Gewahrsamssphäre („Gewahrsamsenklave“) in der Kleidung, die nach der Verkehrsanschauung Alleingewahrsam an den dort befindlichen Sachen verleiht, auch wenn die Person sich in einer fremden Gewahrsamssphäre befindet, wie hier. A begründete neuen, eigenen Gewahrsam an den Sachen ohne den Willen des Marktleiters, dessen Gewahrsam er somit gebrochen hat. A hat die Lebensmittel weggenommen. Subjektiver Tatbestand Vorsatz A müsste gem. § 15 vorsätzlich gehandelt haben, d.h. mit Wissen und Wollen hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale. A wusste, dass es sich bei den ausgesonderten Lebensmitteln um bewegliche Sachen handelte und nahm an, dass der Müll noch den Händlern gehört. Bei dem normativen Merkmal „fremd“ ist es insoweit ausreichend, dass A sich mittels der Parallelwertung in der Laiensphäre der die Bewertung tragenden äußeren Umstände bewusst ist und den sozialen Sinn des Merkmals verstanden hat, ohne die genaue rechtliche Bedeutung des Begriffs, hier die juristische Bewertung der Eigentumslage („nicht herrenlos“), korrekt nachzuvollziehen. Folglich ist die Annahme, dass es sich um Müll handelt, der noch den Händlern „gehört“, ausreichend, so dass A vorsätzlich gehandelt hat. Zueignungsabsicht Weiterhin müsste A in der Absicht gehandelt haben, sich oder einem Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen. Erforderlich ist insoweit die Absicht (dolus directus 1. Grades) der wenigstens vorübergehenden Aneignung der Sache sowie wenigstens bedingter Vorsatz ihrer dauerhaften Enteignung. Aneignung ist die zumindest vorübergehende Anmaßung einer eigentümerähnlichen Stellung durch die Einverleibung der Sache oder ihres Wertes in das eigene Vermögen oder das Vermögen eines Dritten. Der A hat die drei Dosen Tomatenmarkt in seine Jackentasche gesteckt, um sie für sich zu verwenden, so dass er mit Aneignungsabsicht handelte. Enteignung meint die dauerhafte Verdrängung des Berechtigten aus seiner Besitzstellung. A hatte nicht vor, dem Berechtigten die Tomatendosen zurückzugeben, so dass er den erforderlichen Eventualvorsatz bzgl. der dauerhaften Besitzvorenthaltung hatte. Rechtswidrig ist die Zueignung, wenn der Täter keinen einredefreien fälligen Anspruch auf die Übereignung der Lebensmittel hatte – wie hier. Diesbezüglich handelte A auch vorsätzlich. 4 2. 3. 4. a) aa) — — bb) b) aa) c) aa) bb) 5. Rechtswidrigkeit Die Tat ist rechtswidrig, wenn kein Rechtfertigungsgrund eingreift. Ein solcher ist hier nicht erkennbar. Dementsprechend ist die Tat rechtswidrig. Schuld Die Tat ist schuldhaft begangen, wenn weder Schuldausschließungs- noch Entschuldigungsgründe vorliegen. Da A sein Verhalten für illegal und lediglich „moralisch“ gerechtfertigt hält, handelt er nicht im Verbotsirrtum gem. § 17. Die Tat ist schuldhaft begangen. Strafzumessung A könnte einen Diebstahl in einem besonders schweren Fall begangen haben. In Frage kommen hier die Regelbeispiele des § 243 I 2 Nr. 1 und 2. § 243 I 2 Nr. 1 Objektive Voraussetzungen Zur Verwirklichung des § 243 I 2 Nr. 1 müsste A in einen umschlossenen Raum eingestiegen sein. Umschlossener Raum beschreibt jedes Raumgebilde, das dazu bestimmt ist, von Menschen betreten zu werden und mit Vorrichtungen zur Abwehr des Eindringens versehen ist. Die Fläche hinter dem Supermarkt, auf die A sich begeben hat, ist durch einen 2,50 m hohen Zaun umfasst und dazu bestimmt, von Menschen betreten zu werden, und daher ein umschlossener Raum. In diesen Raum müsste A eingestiegen, also unter Überwindung von Hindernissen, die den Zugang nicht unerheblich erschweren, auf einem ungewöhnlichen Wege eingedrungen sein. Im Überklettern des hohen Zauns liegt solch ein ungewöhnliches Überwinden eines Hindernisses. A ist eingestiegen. Subjektive Voraussetzungen Wegen der Tatbestandsähnlichkeit der Regelbeispiele ist zu verlangen, dass dem Täter deren Verwirklichung auch bewusst ist, wie hier. § 243 I 2 Nr. 2 Objektive Voraussetzungen A könnte zudem eine Sache gestohlen haben, die durch ein verschlossenes Behältnis gegen Wegnahme besonders gesichert ist, § 243 1 2 Nr. 2. Im vorliegenden Fall war der Container, in dem sich die weggeworfenen Lebensmittel befanden, nicht besonders gesichert. Insoweit fällt die Umzäunung eines Grundstücks nicht darunter, da Räumlichkeiten i.S.d. (spezielleren) Nr. 1 nicht als Schutzvorrichtungen der Nr. 2 anzusehen sind. Folglich ist Nr. 2 nicht einschlägig. § 243 II Allerdings bezog sich die Tat mit drei Dosen Tomatenmark auf eine objektiv geringwertige Sache – die Wertgrenze liegt bei ca. 25 € –, so dass ein besonders schwerer Fall nach § 243 II ausscheidet, was A auch bewusst war. Strafantrag Wegen der Geringwertigkeit der Sachen ist Strafantrag erforderlich, § 248a, der gestellt wurde. A hat sich durch das Einstecken der drei Dosen Tomatenmark aus dem Container eines Diebstahls gem. § 242 I strafbar gemacht. [IIIa. Ggf.: Versuchter Diebstahl der Tomatendosen, §§ 242, 243 I 2 Nr. 1 (+/–) Bem.: Ist die Bearbeitung zuvor zur Herrenlosigkeit der drei Tomatendosen gelangt, ist nunmehr der versuchte Diebstahl in einem besonders schweren Fall zu prüfen. A stellt sich (ggf. irrig, dann als untauglicher Versuch) vor, die Sachen seien fremd. Im Übrigen entspricht die Prüfung der zuvor erfolgten Darstellung, wobei zu beachten ist, dass das Grunddelikt versucht, das Regelbeispiel hinsichtlich der Nr. 1 vollendet ist. Es liegt demnach grds. ein versuchter Diebstahl in einem besonders 5 schweren Fall nach §§ 242; 22; 23 I; 243 I 2 Nr. 1 vor, jedoch greift wiederum § 243 II und der besonders schwere Fall scheidet aus.] III. Bandendiebstahl, §§ 242 I, 244 I Nr. 2 (–/+) [Bem.: Sollte die Bearbeitung zuvor zu dem Ergebnis eines Versuchs gekommen sein, so ist auch hier als Versuch weiterzuprüfen, die Ausführungen geltend entsprechend.] A könnte sich durch die Mitwirkung von B und F wegen Bandendiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2 strafbar gemacht haben. 1.a) Objektiver Tatbestand Dann müsste A den Diebstahl als Mitglied einer Bande begangen haben. — Eine Bande setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich zur fortgesetzten Begehung einer noch unbestimmten Vielzahl an Straftaten verbunden haben. Erforderlich ist eine Bandenabrede, bei der das einzelne Mitglied den Willen hat, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Raub oder Diebstahl in der Zukunft für eine gewisse Dauer zusammenzutun. Als Bandenmitglied ist danach anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert, zum Fortbestand der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt. — Mit A, B und F sind zunächst drei Personen gegeben, die schon in der Vergangenheit zusammengewirkt haben und dies auch zukünftig planen, so dass auch von einer gewissen Dauer auszugehen ist. Dabei setzt das Merkmal der Mitwirkung beim Bandendiebstahl nach der vorgenannten Definition nicht voraus, dass jedes der zusammenwirkenden Bandenmitglieder Täter ist. Die Mitgliedschaft in einer Bande ist keine intensivere Form der Mittäterschaft, sondern vielmehr ein aliud. Demnach kann Bandenmitglied auch sein, wer von vornherein und stets nur als Gehilfe mitwirken will. Im konkreten Fall unterstützt die F den A und B, ihre genaue Rolle in der Vergangenheit bzw. Zukunft wird nicht konkretisiert, wobei dies nach den vorherigen Ausführungen dahinstehen kann, da sie zumindest als Gehilfin anzusehen wäre. — Fraglich ist allerdings, wie es sich in diesem Zusammenhang auswirkt, dass F der Auffassung ist, dass ihr Vorgehen schon nicht verboten sei, weil die Händler die Lebensmittel ja sowieso nicht mehr haben wollten. Ob jemand Mitglied einer Bande ist, bestimmt sich nach der deliktischen Vereinbarung, der so genannten Bandenabrede. Sie setzt den Willen voraus, sich mit anderen zu verbinden, um künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Delikttyps zu begehen. Zwar bedarf es keiner ausdrücklichen Vereinbarung; vielmehr genügt auch eine stillschweigende Übereinkunft, die auch aus dem konkret feststellbaren wiederholten deliktischen Zusammenwirken mehrerer Personen hergeleitet werden kann. — Hier stellt F sich vor, dass sie sich nicht an fremdem Eigentum vergriffen, mithin keine Diebstähle begingen. Fortgesetzte Hausfriedensbrüche begründen hingegen keine Bande i.S.d. § 244 I Nr. 2. Es fehlt bei F an der Bereitschaft, sich an Lebensmitteldiebstählen zu beteiligen. Folglich liegt keine Bandenabrede und somit auch keine Bande vor. A hat sich durch die Mitwirkung von B und F nicht wegen Bandendiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2 strafbar gemacht. IV. Schwerer Bandendiebstahl, § 244a I i.V.m. § 243 I 2 Nr. 1 (–/+) Darüber könnte sich A wegen schweren Bandendiebstahls gem. § 244a I Var. 1 i. V. m. § 243 I 2 Nr. 1 strafbar gemacht. Dies scheidet vorliegend in Ermangelung einer Bande (s.o.) jedoch aus. 6 V. Räuberischer Diebstahl durch Fußtritt, § 252 (+) [Bem.: Sollte die Bearbeitung zuvor einen Versuch angenommen haben, so ist auch hier Versuch weiterzuprüfen, die Ausführungen geltend entsprechend.] Indem A dem W mit dem Fuß auf die Nase getreten hat, könnte er sich wegen räuberischen Diebstahls gem. § 252 strafbar gemacht haben. 1.a) Objektiver Tatbestand Dann müsste W den A bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen haben. aa) Vollendeter, aber noch nicht beendeter Diebstahl als Vortat: A hatte den Diebstahl zwar mit Verbringen der drei Dosen Tomatenmark in seine Jackentasche bereits vollendet, da er aber die umzäunte Fläche hinter dem Supermarkt noch nicht verlassen hat, ist die Beute noch nicht endgültig gesichert und die Tat hierdurch noch nicht beendet. [Bem.: Wer oben einen versuchten Diebstahl wegen bereits erfolgter Dereliktion angenommen hat, muss hier diskutieren, ob ein untauglicher Diebstahlsversuch als Vortat genügt, wenn A Gewahrsam erlangt hat. Die Vortat (der Diebstahl) muss jedoch regelmäßig vollendet sein, ausnahmsweise reicht auch ein (untauglicher) Versuch, wenn der Täter dadurch Gewahrsam erlangt hat. Trotz eines durch die Vortat erfolgten Gewahrsamswechsels kann es sich in solchen Fällen lediglich um einen Versuch handeln, in denen der Täter wie hier (je nach Bearbeitung) eine herrenlose Sache an sich genommen hat. Es kommt dann aber nur ein Versuch des § 252 in Betracht, so dass Bearbeiter, die oben eine Herrenlosigkeit angenommen haben, ab hier §§ 252, 22, 23 I, 12 I weiterprüfen müssen; die folgenden Ausführungen geltend entsprechend.] bb) auf frischer Tat betroffen Auf frischer Tat betroffen ist, wer alsbald nach Vollendung der Wegnahme am Tatort oder dessen unmittelbarer Nähe von einem anderen wahrgenommen, bemerkt oder schlicht angetroffen wird. Noch während sich A auf der Fläche hinter dem Supermarkt befindet, nähern sich zwei Wachleute, von denen einer, der W, den A schließlich am Fuß packt. A ist somit auf frischer Tat betroffen. cc) Gewalt gegen eine Person Mittels des Fußtrittes auf die Nase des W hat A auch Gewalt als physisch wirkenden Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen eine Person ausgeübt. b) Subjektiver Tatbestand: aa) A handelte auch vorsätzlich. bb) Er tritt den W, um mit den drei Dosen Tomatenmark über den Zaun entkommen zu können. mithin in der Absicht, sich den Besitz am gestohlenen Gut zu erhalten. 2., 3. Die Tat ist rechtswidrig und schuldhaft. Indem A den W, während er mit den drei Dosen Tomatenmark über den Zaun kletterte, mit dem Fuß auf die Nase trat, hat er sich wegen räuberischen Diebstahls gem. § 252 strafbar gemacht. VI. — — Gefährliche Körperverletzung durch Fußtritt, §§ 223, 224 I Nr. 2 (+/–) Durch den Fußtritt gegen W hat A diesen auch körperlich misshandelt und an der Gesundheit beschädigt und damit vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft eine Körperverletzung gem. § 223 I begangen. Der nach § 230 I 1 erforderliche Strafantrag wurde gestellt. Ob auch eine gefährliche Körperverletzung durch Benutzung eines gefährlichen Werkzeugs i.S.d. § 224 I Nr. 2 vorliegt, hängt davon ab, ob der Einsatz des beschuhten Fußes hier nach der Beschaffenheit des Schuhs und seines konkreten Einsatzes geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen, wofür der Sachverhalt keine Anhaltspunkte liefert, so dass eine Verneinung in dubio pro reo gut vertretbar ist. Die Rspr. neigt dazu, § 224 I Nr. 2 zu bejahen bei schwerem Schuhwerk – hier nicht der Fall – oder heftigen Tritten ins Gesicht (BGHSt 30, 375 f.; BGH NStZ 2010, 151) – hier nur im Wege der ergänzenden Sachverhaltsauslegung vertretbar. 7 VII. Konkurrenzen § 242 I tritt aufgrund Spezialität hinter § 252 zurück. § 252 und § 223 I stehen in Tateinheit zueinander, § 52. Hinzu tritt, falls man die Handlungseinheit (§ 52) nicht bejaht (str.), tatmehrheitlich ein Hausfriedensbruch (§ 53). Entsprechendes gilt, wenn § 242 I bzw. § 252 nur als Versuch angenommen worden sind. B. Strafbarkeit des B I. Hausfriedensbruch, § 123 I (+) B ist wie A über den Zaun des Supermarkts geklettert und hat sich genauso nach § 123 strafbar gemacht. II. Diebstahl der drei Wassermelonen, §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1 (–) Indem B auf der umzäunten Fläche hinter dem Supermarkt drei große Wassermelonen aus dem Müllcontainer genommen und diese in seine Tasche gepackt hat, könnte er sich wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall gem. §§ 242 I, 243 I 2 Nr. 1, 2 strafbar gemacht haben. Objektiver Tatbestand Fremde bewegliche Sache B müsste fremde bewegliche Sachen weggenommen haben. Fremd ist eine Sache, die nicht im Alleineigentum des Täters steht und auch nicht herrenlos ist. Die Wassermelonen standen zum Tatzeitpunkt nicht im Alleineigentum des B. Als körperliche Gegenstände haben sie Sachqualität und waren zudem beweglich. Möglicherweise könnten die Melonen wiederum herrenlos gewesen sein infolge Dereliktion gem. § 959 BGB. Gegen einen Entschlagungswillen des Marktleiters spricht hier, dass der grüne Container, aus dem die Melonen sind, als nicht mehr verkehrsfähig angesehenes Gemüse und Obst enthält, das von einer lokalen Biogasanlage gegen Entgelt abgeholt wird. Der Supermarkt betreibt hinsichtlich der Entsorgung dieses Containers somit ein wirtschaftliches Geschäft. In diesem Fall entsteht dem Inhaber des Mülls ein unmittelbarer Nachteil, weil er seinen zuvor geschlossenen Vertrag nicht erfüllt, deswegen ist in diesem Fall aus der Sicht eines objektiven und verständigen Dritten von einer Eigentumsaufgabe nicht auszugehen. Folglich sind die Wassermelonen für B fremd. Wegnahme B müsste die Wassermelonen weggenommen haben. Die Wegnahme der großen Wassermelone verlangt den Bruch fremden, und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. Neuer Gewahrsam ist begründet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie ungehindert durch den alten Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann, ohne die Verfügungsgewalt des Täters zu beseitigen. Es fragt sich, ob ein Gewahrsamswechsel schon eingetreten ist, als B die Wassermelonen in seine Tasche packt. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei Kriterien wie Größe, Auffälligkeit und Beweglichkeit der Sache eine Rolle spielen. In der Regel genügt das Ergreifen, Festhalten oder Einstecken einer Sache zur Begründung der Sachherrschaft nur dann, wenn es sich um eine kleine, gut beherrschbare Sache handelt. Befindet sich der Täter in einer fremden Gewahrsamssphäre – wie hier –, reicht dies jedoch für einen vollständigen Gewahrsamsübergang nur dann aus, wenn die Sache in eine exklusive andere Gewahrsamssphäre (Enklave) wie etwa Körper oder Kleidung überführt wird. Handelt es sich jedoch bei der Sache um sperrige, schwere oder große Gegenstände, so ist für die Wegnahme erforderlich, dass der Täter die Sache aus dem fremden Gewahrsamsbereich 1.a) aa) bb) 8 herausschafft. Die von B entnommenen Wassermelonen sind groß und unhandlich, so dass uneingeschränkte Sachherrschaft und damit neuer Gewahrsam an ihnen erst mit dem Verlassen des Gewahrsamsbereichs des Supermarkts begründet wird, was hier jedoch misslingt. Folglich ist der Diebstahl noch nicht vollendet. B hat sich nicht gem. §§ 242 I, 243 I Nr. 1 strafbar gemacht. III. 1.a) aa) Versuchter Diebstahl der Wassermelonen, §§ 242 I, II, 243 I Nr. 1 (+/–) Subjektiver Tatbestand B müsste Wegnahmevorsatz hinsichtlich der drei Wassermelonen gehabt haben. B nahm an, dass der Müll, somit auch die darin befindlichen Wassermelonen, noch den Händlern gehören, und wollte den fremden Gewahrsam des Supermarktleiters brechen und durch Fortschaffen eigenen Gewahrsam neu begründen, so dass er Vorsatz bzgl. der Wegnahme fremder beweglichen Sachen hatte. bb) Da B die Wassermelonen behalten und sich somit in eine eigentümerähnliche Position unter Ausschluss der Verfügungsgewalt des Berechtigten bringen wollte, hatte er auch Zueignungsabsicht. Ferner war B bewusst, dass ihm kein Anspruch auf die Wassermelonen zukommt, so dass er auch Vorsatz bezüglich einer rechtswidrigen Bereicherung hatte. 2. Objektiver Tatbestand B müsste unmittelbar zur Tat angesetzt haben, § 22. Unmittelbares Ansetzen i.S.d. § 22 erfordert ein Verhalten, das nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur – vollständigen – Tatbestandserfüllung führt oder in unmittelbarem räumlichen und zeitlichem Zusammenhang mit ihr steht. Diese Voraussetzung kann gegeben sein, bevor der Täter eine der Beschreibung des gesetzlichen Tatbestandes entsprechende Handlung vorgenommen hat. Indem B die Wassermelonen in seine Tasche packt, nimmt er eine Handlung vor, die im weiteren Fortgang unmittelbar zum Gewahrsamsbruch führen soll und setzt damit zur Tat an. 2., 3. Die Tat ist auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft. 4. Regelbeispiele des § 243 I 2 a) § 243 I 2 Nr. 1 So wie oben für A festgestellt, ist auch B zur Begehung eines Diebstahls in einen umschlossenen Raum eingestiegen. Problematisch erscheint jedoch, ob die Straferschwerung des besonders schweren Falles gem. § 243 I 2 eingreifen kann, wenn das Grunddelikt lediglich versucht wurde. [Diese Frage kann man auch elegant dahinstehen lassen wegen § 243 II.] Dagegen könnte sprechen, dass § 243 I 1 einen „Diebstahl“ verlangt, was nahelegen könnte, dass der erhöhte Strafrahmen lediglich bei einem vollendeten Delikt anwendbar ist. Ferner verlangen die Nr. 2–7 des § 243 I 2, dass der Täter eine Sache „stiehlt“. Tatsächlich überdehnt die Auslegung des Wortes „Diebstahl“ als vollendeter und versuchter Diebstahl aber nicht die Wortlautgrenze, denn auch die Überschrift des § 242 „Diebstahl“ umfasst den in Absatz 2 genannten Versuch des Diebstahls. Ebenso sind auch die Strafantragserfordernisse der §§ 247, 248 a auf den vollendeten und versuchten Diebstahl anzuwenden. § 243 I 2 findet mithin auch auf den versuchten Diebstahl Anwendung. Die Regelwirkung tritt jedenfalls dann ein, wenn der Erschwerungsgrund voll verwirklicht ist – wie hier; dem ggf. geringeren Unrecht eines Diebstahlsversuchs in einem besonders schweren Fall ist im Wege einer Milderung der Strafe nach §§ 23 II, 49 I Rechnung zu tragen. b) § 243 II Allerdings sind auch die drei Wassermelonen zusammen wohl weniger wert als 25 €, so dass ein besonders schwerer Fall nach § 243 II ausscheidet. 9 4. IV. Rücktritt Ein strafbefreiender Rücktritt des B vom unbeendeten Diebstahlsversuch gem. § 24 I 1 scheidet vorliegend jedenfalls mangels Freiwilligkeit aus, da er von den Wachleuten überrascht wurde und die Wassermelonen bei der Flucht zurücklassen musste. B hat sich wegen versuchten Diebstahls der drei Wassermelonen gem. §§ 242 I, II, 22, 23 I strafbar gemacht. Versuchter Diebstahl mit Waffen, §§ 242 I, 244 I Nr. 1a), II, 22, 23 I (+) B könnte sich dadurch, dass er ein Schweizer Offiziersmesser bei sich trug, wegen versuchten Diebstahls mit Waffen gem. §§ 242, 244 I Nr. 1a), II, 22, 23 I strafbar gemacht haben. 1.a) Subjektiver Qualifikationstatbestand aa) Vorsatz bzgl. Beisichführens einer Waffe i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 1. Alt B wußte, daß er beim Diebstahlsversuch sein Schweizer Messer dabei hatte, das er auch benutzt hat, um eine Melone anzuschneiden. Das Schweizer Offiziersmesser könnte eine Waffe i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 1. Alt sein. Unter Waffe ist jeder Gegenstand zu verstehen, der nach der Beschaffenheit geeignet und nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu bestimmt ist, Menschen zu verletzen. Ein Schweizer Offiziersmesser wird nach seiner Bestimmung und seinem Gefahrenpotential typischerweise nicht zur Verletzung von Menschen verwendet. B hat mithin keinen Vorsatz bzgl. des Mitführens einer Waffe i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 1. Alt. bb) Vorsatz bzgl. Beisichführens eines anderen gefährlichen Werkzeugs i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 2. Alt. Das Messer könnte jedoch als anderes gefährliches Werkzeug anzusehen sein i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 2. Alt. Problematisch ist insoweit, wie die Gefährlichkeit eines Werkzeugs zu bestimmen ist. Eine Anknüpfung an die Definition des gefährlichen Werkzeugs in § 224 I Nr. 2 als Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und der Art der Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen – wie es die Gesetzesbegründung des § 244 I Nr. 1a) im Sinn hatte –, ist deshalb nicht möglich, weil anders als bei § 224 I Nr. 2 das Werkzeug für die Qualifikation des § 244 I Nr. 1a) nicht verwendet worden sein muss (dann läge Raub vor). Einigkeit besteht insoweit, als dass es sich bei dem Werkzeug um einen Gegenstand handeln muss, der objektiv dazu geeignet ist, nicht nur unerhebliche Verletzungen beim Opfer hervorzurufen und somit als Gewalt- oder Drohungsmittel eingesetzt werden kann. Das ist bei einem Schweizer Messer der Fall. Dies ist aber auch bei einer Vielzahl anderer alltäglicher Gegenstände der Fall. Um die Gefahr einer uferlosen Ausdehnung des Tatbestandes zu verhindern, gibt es in Rechtsprechung und Literatur verschiedene Ansätze, den Anwendungsbereich einzuschränken. [Bem.: In einer Klausur kann der umfangreiche Streitstand nur skizziert werden. Problembewußtsein und Kenntnis einiger wesentlicher Ansätze ist genügend, aber auch zu verlangen] (1) Objektivierende Ansichten Gerade im Hinblick auf das fehlende Verwendungserfordernis des Werkzeugs versucht sich der überwiegende Teil der Literatur an einer objektivierten Auslegung des Merkmals. (11) Zum Teil wird der Begriff des gefährlichen Werkzeugs auf solche Gegenstände verengt, die nach dem Gesetz nicht jedermann frei verfügbar sind, deren Mitführen also einem Verbot oder Erlaubnisvorbehalt unterliegt. Nach dieser Ansicht fehlt es hier an einem anderen gefährlichen Werkzeug, da das Beisichführen eines Schweizer Offiziersmessers nicht verboten ist. (22) Andererseits wird zum Teil verlangt, nur diejenigen gefährlichen Gegenstände von der Strafschärfung auszunehmen, deren Mitführen sozialtypisch oder zur Verwirklichung eines anderen Tatbildes deliktstypisch sei. Auch nach dieser Ansicht fehlt es an einem anderen gefährlichen Werkzeug, da das Beisichführen eines Schweizer Offiziersmesser sozialtypisch ist. 10 (33) Zum Teil wird die Gefährlichkeit des Werkzeugs lediglich nur dann verneint, wenn der Täter es nur bei Zweckentfremdung in gefährlicher Weise hätte einsetzen können. Tatsächlich ist ein Taschenmesser zuvorderst zum Schneiden gedacht. Demnach liegt nach dieser Ansicht kein anderes gefährliches Werkzeug i.S.d. Norm vor. (44) Wieder andere bestimmen die Gefährlichkeit des Werkzeuges danach, ob die Mitnahme des verletzungsgeeigneten Gegenstandes aus der Sicht eines objektiven Beobachters keinen anderen Sinn gehabt haben könne als dem eventuellen Einsatz gegen Menschen oder nicht. Da das Beisichführen eines Schweizer Offiziersmesser nichts Ungewöhnliches ist, drängt sich einem objektiven Dritten nicht notwendig auf, dass B dieses nur zum Zweck der Gewaltanwendung und Drohung mit derselben bei sich führte. (2) Subjektivierende Ansichten Subjektive Ansätze wiederum machen den Begriff des gefährlichen Werkzeugs von einem Verwendungsvorbehalt des Täters abhängig. Auch wenn der Gesetzgeber in § 244 I Nr. 1a) anders als in § 244 I Nr. 1b) keinen Gebrauchswillen voraussetze, könne eine sachgerechte Auslegung der Qualifikation nur durch die Zweckbestimmung des Täters erreicht werden. Ein gefährliches Werkzeug könne demnach nur gegeben sein, wenn der Gegenstand geeignet ist, in einer bestimmten Verwendung erhebliche Verletzungen herbeizuführen, und wenn der Täter ihn auch notfalls dazu oder zumindest zur Drohung mit einer Verletzung einsetzen wollte. Hier gibt es keine Anhaltspunkte für einen Gebrauchswillen des B. (3) Neue Rechtsprechung Inzwischen hat der BGH der subjektivierenden Auslegung jedoch eine Absage erteilt. Danach soll ein anderes gefährliches Werkzeug i.S.d. § 244 I Nr. 1a) 2. Alt. dann gegeben sein, wenn sich der bei der Tat mitgeführte Gegenstand objektiv dazu eigne, ähnlich schwere Verletzungen wie die in § 244 I Nr. 1a) außerdem genannte Waffe hervorzurufen. Allein darin erschöpfe sich bereits die qualifikationsrelevante Gefahr des möglichen Einsatzes des Werkzeuges als Nötigungsmittel. Ein Rückgriff auf subjektive Kriterien verbiete sich nicht zuletzt im Hinblick auf den Wortlaut des § 244 I Nr. 1b), der die Verwendungsabsicht voraussetze. Messern – und damit auch Schweizer Offiziersmesser – wohne die abstrakt- generelle Gefährlichkeit inne, erhebliche Verletzungen hervorzurufen. Sie sind deshalb andere gefährliche Werkzeuge i.S.d. Norm. (4) Stellungnahme: … [Alles ist mit Begründung vertretbar.] [Bem.: Der BGH gibt in seiner Entscheidung selbst zu, dass das lediglich objektive Kriterium der abstrakten Gefährlichkeit den Tatbestand sehr weit ausdehne und eine Abgrenzung insbesondere zu § 243 I 2 Nr. 1 schwierig mache. Aus diesen Gründen ist es mit guten Gründen nach wie vor vertretbar, über die bloße Gefährlichkeit des Gegenstandes hinaus objektiv einschränkende Kriterien zu fordern. Schwierig dürfte nach diesem Urteil jedoch die Begründung einer subjektiven Einschränkung sein. Lehnt man an dieser Stelle das Vorliegen eines anderen gefährlichen Werkzeuges i.S.d. § 244 I Nr. 1a) ab, was in Anbetracht der eindeutigen und als bekannt vorausgesetzten Rechtsprechung schwer zu begründen sein dürfte, so muss auch § 244 I Nr. 1b) mangels Angaben zur Verwendungsabsicht scheiten, B wäre dann lediglich wegen Diebstahls nach § 242 I strafbar.] Folglich ist das Schweizer Offiziersmesser ein anderes gefährliches Werkzeug. B wusste, dass er sein Messer griffbereit verfügbar hatte, so dass er Vorsatz bzgl. des Beisichführens hatte. b) Objektiver Qualifikationstatbestand B hatte das Messer bei dem Diebstahlsversuch dabei, mithin hat er auch unmittelbar zum Diebstahl mit Waffen angesetzt (§ 22). 2., 3. Die Tat ist auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft. — 11 V. Versuchter Bandendiebstahl, §§ 242, 244 I Nr. 2, II, 22, 23 I (–) B kannte Fs Auffassung über die Fremdheit der ausgesonderten Lebensmittel, so dass auch eine Strafbarkeit wegen versuchten Bandendiebstahls gem. §§ 242 I, 244 I Nr. 2, II, 22, 23 I, mangels Vorstellung einer Bande entfällt. VI. Versuchter schwerer Bandendiebstahl, §§ 244a I, 22, 23 I, 12 I i.V.m. §§ 243 I 2 Nr. 1, 244 I Nr. 1a) (–) Auch dies scheidet in Ermangelung einer Bande (s.o.) aus. VII. Sachbeschädigung an der Wassermelone, § 303 I (+) Indem B eine Wassermelone probeweise anschnitt, könnte er sich wegen Sachbeschädigung strafbar gemacht haben gem. § 303 I. 1.a) Objektiver Tatbestand Indem B die Melone anschnitt, hat er eine fremde Sache in ihrer körperlichen Integrität beeinträchtigt, mithin beschädigt. b) Subjektiver Tatbestand Dies tat er zielgerichtet in Kenntnis der Fremdheit, also mit Vorsatz (§ 15). 2., 3. Die Tat ist auch insoweit rechtswidrig und schuldhaft. 4. Der gem. § 303c erforderliche Strafantrag ist gestellt. VIII. Konkurrenzen Der versuchte Diebstahl mit Waffen steht zum Hausfriedensbruch (str.) und zu der Sachbeschädigung an den Melonen in Tatmehrheit. C. I. Strafbarkeit der F Beihilfe zum Hausfriedensbruch von A und B, §§ 123 I, 27 (+) Indem F draußen Schmiere stand und A und B per Handy warnte, könnte sie sich jeweils wegen Beihilfe zum Hausfriedensbruch gem. §§ 123 I, 27 strafbar gemacht haben. 1.a) Objektiver Tatbestand aa) Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat Mit dem Hausfriedensbruch von A und B liegt jeweils eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat i.S.d. § 11 Abs. 1 Nr. 5 vor. bb) Hilfeleisten Dazu müsste F Hilfe i.S.d. § 27 geleistet haben. Ein Hilfeleisten ist jeder Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder die vom Haupttäter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt. Indem F Schmiere stand, um A und B mit dem Handy zu warnen, hat sie deren Taten gefördert. b) Subjektiver Tatbestand aa) F wusste über die Einzelheiten der Haupttaten Bescheid, und wollte diese auch, so dass sie insofern Vorsatz hatte. bb) F wollte durch das Schmierestehen die Taten von A und B fördern, handelte also auch insoweit mit Vorsatz. 2., 3. Die Tat ist rechtswidrig und schuldhaft. F hat sich wegen Beihilfe zum Hausfriedensbruch von A und B gem. §§ 123 I, 27 strafbar gemacht. 12 II. 1.a) aa) bb) b) aa) Beihilfe zum (versuchten) Diebstahl des A, §§ 242, 27 (–) Indem F draußen Schmiere stand und A und B per Handy warnte, könnte sie sich wegen Beihilfe [Anm.: Je nach Entscheidung des Bearbeiters bei der Strafbarkeit des A zum versuchten) Diebstahl des A, §§ 242, 243/244, 27 strafbar gemacht haben. Objektiver Tatbestand Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat Mit dem (versuchten) Diebstahl des A liegt eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat vor. Hilfeleisten Dazu müsste F Hilfe i.S.d. § 27 geleistet haben. Ein Hilfeleisten ist jeder Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder die vom Haupttäter begangene Rechtsgutsverletzung verstärkt. Indem F Schmiere stand, um A mit dem Handy zu warnen, hat sie die Tat folglich gefördert. Subjektiver Tatbestand F müsste Vorsatz bezüglich der Haupttat gehabt haben, § 15. Sie ist allerdings der Auffassung, dass das Entnehmen der Lebensmittel aus den Containern schon nicht verboten sei, weil die Händler die Lebensmittel ja sowieso nicht mehr haben wollten. Sie hält demnach die Lebensmittel nicht für fremd und hat somit keinen Vorsatz bzgl. einer tatbestandsmäßigen Haupttat. F hat sich nicht wegen Beihilfe (Anm.: Je nach Entscheidung des Bearbeiters bei der Strafbarkeit des A) zum (versuchten) (Banden-)Diebstahl des A, §§ 242, 243/244, 27 strafbar gemacht. III. Beihilfe zur Körperverletzung des A, §§ 223, 27 (–) Eine Beteiligung an der Körperverletzung durch den Fußtritt des A scheitert daran, dass F insoweit keinen Vorsatz hatte IV. Beihilfe versuchten Diebstahl mit Waffen des B, §§ 242, 243/244, 27 (–) Hier gelten die vorherigen Ausführungen entsprechend: F ist der Auffassung, dass die Lebensmittel im Müllcontainer nicht fremd seien und hat somit keinen Vorsatz bzgl. eines Diebstahls. Gesamtergebnis A ist strafbar nach §§ 252, 223; 52; 123; 53. B ist strafbar nach §§ 242, 244 II, 22, 23 I; 123; 303 I; 53. F ist strafbar nach §§ 123, 27.