Lösungsskizze zu Übungsfall 5 Erster Tatkomplex: Das Geschehen um B A) Strafbarkeit des A I. § 212 I StGB 1. Tatbestand a) objektiver Erfolg: Tod des B Kausalität: entfällt Abbruch des Kausalverlaufs (überholende/überholte Kausalität: die von G in Gang gesetzte Kausalkette hat die des A überholt) Beachte: Nimmt man an, dass G den B nur erschießen konnte, weil dieser wehrlos am Boden lag, so könnte die Handlung des A (Stich mit Messer) nicht hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele; dies kann man dem Sachverhalt aber nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entnehmen, wäre aber mit entsprechender Argumentation gut vertretbar. II. §§ 212 I, 22, 23 I StGB Vorprüfung: - Strafbarkeit des Versuchs: Nach § 23 I StGB ist der Versuch eines Verbrechens stets strafbar. Totschlag (§ 212 I) ist ein Verbrechen (vgl. § 12 I), sodass auch der versuchte Totschlag strafbar ist. - Nichtvollendung: Der objektive Tatbestand des Totschlags darf nicht vorliegen. Vorliegend fehlt es an der Kausalität (s.o.), sodass § 212 I nicht vollendet ist. 1. Tatbestand a) subjektiver Tatbestand (Tatentschluss) A hatte Tötungsvorsatz in Form der Absicht. b) objektiver Tatbestand (unmittelbares Ansetzen) Unmittelbares Ansetzen i.S. des § 22 liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten und objektiv eine Handlung vorgenommen hat, die ohne weitere (wesentliche) Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung münden soll. Indem A auf den B mehrmals mit dem Messer eingestochen hat, hat er die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten. Es waren aus seiner Sicht auch keine weiteren Zwischenakte erforderlich. A hat somit unmittelbar angesetzt i.S. des § 22 StGB. 2. Rechtswidrigkeit 3. Schuld 4. Rücktritt: Ein strafbefreiender Rücktritt nach § 24 liegt nicht vor. 5. Ergebnis: A hat sich gem. §§ 212 I, 22, 23 I StGB wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht. III. §§ 223 I, 224 I Nr. 2, 3, 5 StGB 1. Tatbestand (1) Tatbestand des Grunddelikts, § 223 a) objektiver körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung liegen vor. Kausalität und obj. Zurechenbarkeit sind ebenfalls zu bejahen. b) subjektiver Es liegt Vorsatz in Form der Absicht vor (der Tötungsvorsatz beinhaltet den Körperverletzungsvorsatz). (2) Tatbestand der Qualifikation, § 224 I Nr. 2, 3, 5 a) objektiver Die Voraussetzungen der Nr. 2, 3 und 5 liegen vor. b) subjektiver A handelte insoweit auch vorsätzlich. 2. Rechtswidrigkeit liegt vor 3. Schuld liegt vor 4. Ergebnis: A hat sich gem. §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 5 wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht. B) Strafbarkeit des G I. § 212 I StGB 1. Tatbestand a) objektiver Erfolg: Tod des B Kausalität liegt vor. Dass B ohnehin an den von A zugefügten Verletzungen gestorben wäre, stellt eine sog. hypothetische Reserveursache dar, die für die Frage der Kausalität unerheblich ist. Objektive Zurechenbarkeit ist gegeben. b) subjektiver Vorsatz liegt in Form der Absicht vor. 2. Rechtswidrigkeit liegt vor 3. Schuld liegt vor 4. Ergebnis: G hat sich gem. § 212 I wegen Totschlags strafbar gemacht. II. § 123 StGB Liegt vor. G hat die Wohnung des B gegen dessen Willen betreten (ist mithin eingedrungen). III. § 303 StGB (Eintreten der Haustür) Liegt vor. Zweiter Tatkomplex: Das Geschehen P Strafbarkeit des A § 212 I StGB Entfällt evident mangels Tötungsvorsatz, aber natürlich auch mangels Tatherrschaft des A: Die Tötungshandlung wurde von P selbst vorgenommen. I. § 222 StGB 1. Tatbestand a) Verursachung des Todes eines anderen Das Hinlegen des Messers auf das Armaturenbrett kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg (Tod des P) entfiele. Dass sich P u.U. später auf andere Weise das Leben genommen hätte, stellt eine unbeachtliche hypothetische Reserveursache dar. A hat den Tod des P somit verursacht b) Objektive Zurechenbarkeit Die objektive Zurechenbarkeit entfällt unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an einem freiverantwortlichen Suizid eines anderen (Handeln des Opfers auf eigene Gefahr). Klarstellung: Die Handlung des A (Hinlegen des Messers) würde eine bloße Beihilfehandlung i.S.d. § 27 darstellen, wenn er vorsätzlich gehandelt hätte. Da der Suizid jedoch keinen Tatbestand erfüllt, wäre eine vorsätzliche Beihilfe straflos (es fehlte dann an einer vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat i.S.d. § 27) Wenn nun aber die vorsätzliche Mitverursachung eines freiverantwortlichen Suizids, sei es in Form der Anstiftung (§ 26), sei es als Beihilfe (§ 27), straflos ist, dann muss dies – wie hier – erst recht für die bloße fahrlässige Mitverursachung eines freiverantwortlichen Suizids gelten (Erst-Recht-Argument). Zur Freiverantwortlichkeit siehe Extrazettel m.w.N. Siehe zur Thematik „Handeln des Opfers auf eigene Gefahr“: Krey, AT 1, Rn 313 ff; Krey/Heinrich, BT 1, Rn 116 ff Dritter Tatkomplex: Das Motorradrennen Strafbarkeit des G § 212 I StGB Entfällt evident mangels Tötungsvorsatz. I. § 222 StGB 1. Tatbestand a) Verursachung des Todes eines anderen Das Überreden zum Motorradrennen durch G und seine Beteiligung daran können nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg (Tod des F) entfiele. G hat den Tod des F somit verursacht. b) Objektive Zurechenbarkeit Die objektive Zurechenbarkeit entfällt unter dem Gesichtspunkt der Beteiligung an einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung eines anderen (Handeln des Opfers auf eigene Gefahr). Klarstellung: Die Selbsttötung erfüllt keinen Straftatbestand, sodass die vorsätzliche Mitverursachung eines freiverantwortlichen Suizids, sei es in Form der Anstiftung (§ 26), sei es als Beihilfe (§ 27), straflos ist (siehe schon oben). Dann aber muss auch die vorsätzliche Beteiligung an einer freiverantwortlichen Selbstgefährdung straflos sein (Erst-Recht-Argument). Zur Freiverantwortlichkeit siehe Extrazettel m.w.N. Siehe zur Thematik „Handeln des Opfers auf eigene Gefahr“: Krey, AT 1, Rn 313 ff; Krey/Heinrich, BT 1, Rn 116 ff Exkurs: Abwandlung des Falles (G nimmt den F auf seinem Motorrad mit und F ist mit der rasanten Fahrweise einverstanden oder wünscht sie sogar): Wegen der Tatherrschaft des G (er fährt das Motorrad) liegt ein Fall der einverständlichen Fremdgefährdung vor. Wie diese zu behandeln ist, ist strittig: eA: im Rahmen der Einwilligung (auf der Stufe der Rechtswidrigkeit), vgl. Krey, AT 1, Rn 329 aA: bei der objektiven Zurechenbarkeit, Einschränkung des Schutzzwecks, vgl. Jäger, AT 1, Rn 51 III. § 315 c I Nr. 2 dürfte vorliegen (Tatfrage) Es gibt allerdings nicht genügend Anhaltspunkte im Sachverhalt.