Technische Universität Dresden

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Prof. Dr. Detlev Sternberg-Lieben / Wirtschaftsstrafrecht
Einführungsfälle zu § 266 StGB
I.
Prokurist P, der im Betrieb X des Inhabers X tätig ist, nimmt, obwohl
er dies nicht darf, im Namen des Betriebs ein Darlehen auf,
wodurch dieser geschädigt wird.
(= Rengier, Strafrecht BT I, § 18, Fall 1)
I. Missbrauchstatbestand (§ 266 I, 1. Alt. StGB):
Tatbestand:
objektiver TB:
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder
Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (+) → § 48 HGB1
- Missbrauch dieser Befugnis
- Handeln im Rahmen des rechtlichen Könnens: (+) → §§ 49, 50 HGB2
- unter Überschreitung des rechtlichen Dürfens: (+) → vgl. SV
- Vermögensfürsorgepflicht: (+)
- Hauptpflicht
- gewisse Selbstständigkeit (Entscheidungsspielraum)
- Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen: (+)
subjektiver TB:
1
§ 48 Abs. 1 HGB: Die Prokura kann nur von dem Inhaber des Handelsgeschäfts oder seinem
gesetzlichen Vertreter und nur mittels ausdrücklicher Erklärung erteilt werden.
2
§ 49 HGB: (1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen
Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. (2) Zur
Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis
besonders erteilt ist.
§ 50 HGB (1) Eine Beschränkung des Umfanges der Prokura ist Dritten gegenüber unwirksam. (2)
Dies gilt insbesondere von der Beschränkung, daß die Prokura nur für gewisse Geschäfte oder
gewisse Arten von Geschäften oder nur unter gewissen Umständen oder für eine gewisse Zeit oder
an einzelnen Orten ausgeübt werden soll.
1
- Vorsatz: (+) - Bereicherungsabsicht (!)
1. Abw.: P entzieht dem Betrieb für sich Gelder oder Ware.
I. Missbrauchstatbestand (§ 266 I, 1. Alt. StGB):
Tatbestand:
objektiver TB:
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder
Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (+) → s.o.
- Missbrauch dieser Befugnis: (-)
- Handeln im Rahmen des rechtlichen Könnens: (-) → kein
rechtsgeschäftliches Handeln
im
Außenverhältnis
II. Treubruchstatbestand (§ 266 I, 2. Alt. StGB):
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, die dem Täter kraft
Rechtsgeschäfts obliegen (sog. Vermögensfürsorgepflicht): (+) → s.o.
- Verletzung dieser Pflicht: (+) → durch tatsächliches Verhalten
- Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen: (+)
subjektiver TB:
- Vorsatz: (+)
2. Abw.: P veranlasst während einer Urlaubsreise per Telefon, dass
der Angestellte A der Firma X gegen einen Beuteanteil Gelder oder
Ware für P entzieht.
Strafbarkeit des A:
I. Treubruchstatbestand (§ 266 I, 2. Alt. StGB)
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen: (-) !
II. § 242 (oder zumindest § 246 I [II]) StGB: (+)
Strafbarkeit des P:
2
I. Treubruchstatbestand (§ 266 I, 2. Alt. StGB)
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen: (+)
- Verletzung dieser Pflicht: (+) → durch tatsächliches Verhalten
- als Täter (str.): jede Pflichtverletzung begründet Täterschaft (auch
ohne Tatherrschaft über die konkret schädigende Handlung)3
- sonstige § 266-Vor.: (+)
II. §§ 242/246, 25 II StGB: (-) → keine (Mit-)Tatherrschaft
III. §§ 242/246, 26 StGB: (+)
noch einmal: Strafbarkeit des A:
§§ 266 I 2. Alt., 27 (§ 28 I) StGB: (+)
II.
Prokurist Paul schließt gegen die ausdrückliche Weisung seines
Prinzipals4 einen Kaufvertrag mit X ab. Da X die speziell für ihn
gefertigte Maschine mangels Liquidität nicht abnehmen kann, bleibt
die Firma auf den Lohn- und Sachkosten, die für die Fertigung der
Maschine anfielen, sitzen. Außerdem bedient sich P aus der
Firmenkasse, um seinen Wochenendurlaub zu finanzieren (er
konnte seine EC-Karte nicht finden). Am Montag legt er das Geld wie von Anfang an geplant - zurück.
(s. Rengier, BT I, § 18 Fall 1, Rn. 6, 11, 20, 23; Schönke/SchröderLenckner/Perron § 266 Rn 42).
A] MASCHINE
I. § 266 I, 1. Alt. StGB (MissbrauchsTB): (+)
Tatbestand:
objektiver TB:
3
Vgl. Rengier, BT I, § 18 Rn. 68 f. mwN.
Prinzipal: Inhaber einer kaufmännischen Unternehmung (s. §§ 55 [„(1) Die Vorschriften des § 54
finden auch Anwendung auf Handlungsbevollmächtigte, die Handelsvertreter sind oder die als
Handlungsgehilfen damit betraut sind, außerhalb des Betriebes des Prinzipals Geschäfte in dessen
Namen abzuschließen.“], 60 ff., 74 ff. HGB).
4
3
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (+) → §§ 48, 50 HGB
- Missbrauch dieser Befugnis: (+)
- nach außen wirksames Rechtsgeschäft („Handeln im Rahmen des
rechtlichen Könnens“): (+) → Verkauf der Maschine
- im Widerspruch zu internen Vorgaben („unter Überschreiten des
rechtlichen Dürfens“): (+) → Anweisung des Prinzipals
- Vermögensfürsorgepflicht5 (h.M.): (+)
- Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen: (+) → durch
Aufwendungen zur Vertragserfüllung
subjektiver TB:
- Vorsatz: (+)
[[ II. § 266 I, 2. Alt. StGB (TreubruchsTB): (+) (-) zur 1. Alt.! ]]
B] BARGELD
I. § 266 I, 1. Alt. StGB (MissbrauchsTB): (-)
Tatbestand:
objektiver TB:
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (+) → §§ 48, 50 HGB
- Missbrauch dieser Befugnis: (-)
- nach außen wirksames Rechtsgeschäft („Handeln im Rahmen des
rechtlichen
Könnens“): (-) → nur tatsächliches Verhalten
II. § 266 I, 2. Alt. StGB (Treubruchstatbestand): (-)
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, die dem Täter kraft
Rechtsgeschäfts obliegen (sog. Vermögensfürsorgepflicht): (+)
- Verletzung dieser Pflicht: (+) → durch Verwenden des Firmengeldes für
eigene Zwecke
- Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen: (-); hM; zw.
5
Kriterien: Fremdnützig typisiertes Rechtsverhältnis / Hauptpflicht / gewisse Selbstständigkeit und
Handlungsspielraum
4
→ angesichts der jederzeitigen Ersatzfähigkeit und -bereitschaft des A: (-)
→ wirtschaftliche Wert des Ausgleichsanspruchs der Fa. gegen A entspricht
dem Wert des „weggefallenen“ Vermögensstückes
III.
A ist als Handelsvertreter der Firma X lediglich zu
Vertragsabschlüssen befugt, kassiert aber dessen ungeachtet auch
Rechnungsbeträge ein und behält sie für sich (s. Rengier, BT I, §
18, Fall 4, Rn. 7, 11).
I. § 266 I, 1. Alt. StGB (MissbrauchsTB): (-)
Tatbestand:
objektiver TB:
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder
Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (-)
→ keine
Inkassovollmacht;
:
- Missbrauch dieser Befugnis: (-)
- nach außen wirksames Rechtsgeschäft („Handeln im Rahmen des
rechtlichen
Könnens“): (-) → nur tatsächliches Verhalten
II. Treubruchstatbestand (§ 266 I, 2. Alt. StGB): (-)
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, die dem Täter kraft
Rechtsgeschäfts obliegen (sog. Vermögensfürsorgepflicht): (+) → für Fa X
- fremdnützig typisiertes Rechtsverhältnisses (Besorgung fremder
Vermögensangelegenheiten): → Handelsvertreter6
- Vermögensfürsorge als Hauptpflicht (typischer und wesentlicher
Inhalt)
- (idR) gewisse Selbständigkeit und eigener Entscheidungsspielraum
(eigenverantwortliche Dispositionen) des Verpflichteten
- Verletzung dieser Pflicht: (+) → durch Behalten/Verwenden der
einkassierten Gelder
- Vermögensnachteil bei dem zu betreuenden Vermögen: (+)
6
§ 84 HGB - Begriff des Handelsvertreters
(1) 1Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für
einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen
abzuschließen. 2Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine
Arbeitszeit bestimmen kann
5
subj. TB: (+)
III. § 246 I, II StGB: (+)
obj TB:
- fremde Sache: (+) → Gelder von Schuldnern jedenfalls nicht an A
übereignet
- Zueignung: (+) → hinreichende Manifestation spätestens in eigennütziger
Verwendung
- ReWi der Zueignung: (+)
- Vorsatz: (+)
- Qualifikation (Abs. 2): (+) → empfangene Gelder anvertraut
IV.
Die F hat eine Sache gemietet; statt sie zurückzugeben, verkauft
sie diese unter Vorspiegelung ihrer Berechtigung an den
gutgläubigen X.
(s. Wessels/Hillenkamp, Rn. 746, 766 [zu § 266] sowie Rengier, BT
I, § 13 Fall 3, Rn. 50, 91, 107 [zu § 263]).
I. § 266 I, 1. Alt. StGB (MissbrauchsTB): (-)
Tatbestand:
objektiver TB:
- durch Rechtsgeschäft eingeräumte Verfügungs- oder
Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen: (-) → keine
Veräußerungsvollmacht
→ Rechtsschein (§ 1006 I BGB7) / gutgl.
Erwerb durch X
(§§ 929, 932 BGB): genügt nicht
II.Treubruchstatbestand (§ 266 I, 2. Alt. StGB): (-)
objektiver TB:
- Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, die dem Täter kraft
Rechtsgeschäfts obliegen (sog. Vermögensfürsorgepflicht): (-)
7
§ 1006 BGB Eigentumsvermutung für Besitzer
(1) 1Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der
Sache sei. 2Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen
worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld
oder Inhaberpapiere handelt.
6
→ M bloße Mieterin
- fremdnützig typisiertes Rechtsverhältnisses (Besorgung fremder
Vermögensangelegenheiten): (-)
- Vermögensfürsorge als Hauptpflicht (typischer und wesentlicher
Inhalt): (-)
→ Obhutspflicht des Sachmieters = bloße Nebenpflicht
- (idR) gewisse Selbständigkeit und eigener Entscheidungsspielraum
(eigenverantwortliche Dispositionen) des Verpflichteten: (-)
III. § 246 I, II StGB: (+)
obj. TB:
- fremde Sache: (+) → PC (nur gemietet)
- Zueignung: (+) → hinreichende Manifestation spätestens in Übereignung
- ReWi der Zueignung: (+)
- Vorsatz: (+)
- Qualifikation (Abs. 2): (+) → Mietsache anvertraut
IV. § 263 ggü/zulasten X: (-)
obj. TB:
- Täuschung: (+) → Berechtigung zur Übereignung
- entsprechender Irrtum erregt: (+)
- hierdurch Vermögensverfügung des X: (+) → Zahlung des Kaufpreises
- Vermögensschaden: (-) → Kompensation des gezahlten Kaufpreises durch
Eigentumserwerb am PC (vollwertig → keine Prozess-Verlust-Gefahr /
sittlicher Makel)
V. § 263 ggü X/zulasten Eigentümer (E): (-)
obj. TB:
- Täuschung: (+) → Berechtigung zur Übereignung
- entsprechender Irrtum bei X erregt: (+)
- hierdurch Vermögensverfügung des X: (+) → Eigentumserwerb am PC
= Eigentumsverlust bei E
→ Dreiecksbetrug:
- Verfügender X ≠ Geschädigter E
- keine Zurechnung der Verm.-Verfügung des X zulasten E:
→ keine hinreichende Nähebeziehung X/E: X war vor der
Tat weder (von E)
rechtlich befugt worden noch stand er „im Lager“ des E
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