2013_01_18_Tag des Judentums 2013

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Pressemitteilung
Nr. 6 / 18. Jänner 2013
Tag des Judentums: Entstehung und Wirkung der Konzilserklärung
„Nostra Aetate“
Prof. Dr. h.c. Hans Hermann Henrix (Aachen) beleuchtete in seinem Vortrag zum Tag des
Judentums am 17. Jänner 2013 an der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz die Frage,
wie die Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Haltung der Kirche zu den
nichtchristlichen Religionen „Nostra Aetate“ entstand und welche bedeutende Wirkungsgeschichte
sie hat. Im Mittelpunkt von „Nostra Aetate“ steht die Frage nach dem Verhältnis der Kirche zum
Judentum bzw. zum jüdischen Volk. Das Thema des Vortrags lautete: „‚Die eigentliche Quelle ist das
Herz Johannes‘ XXIII.' – Entstehung und Wirkung der Konzilserklärung ‚Nostra Aetate'“.
Die Weite des Herzens von Johannes XXIII.
Papst Johannes XXIII. ist es zu verdanken, dass das Konzil das Thema Judentum behandelte. Als
Apostolischer Gesandter in Istanbul (1935 – 1944) war er an der Rettung zahlreicher jüdischer
Flüchtlinge vor der Vernichtung beteiligt gewesen. Als Papst strich er aus der Karfreitagsfürbitte „für
die ungläubigen Juden“ das Wort „ungläubig“ und sprach 1960 zu einer Gruppe amerikanischer
Juden die bekannten Worte: „Ich bin Josef, euer Bruder“ (Gen 45,4). Johannes Oesterreicher, der
Konzilsberater für Fragen des Judentums, meinte: „Die eigentliche Quelle für den Entschluss, dem
Konzil den Erlass einer Erklärung über das Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk nahezulegen,
ist ... das Herz Johannes‘ XXIII., im besonderen seine Einfühlung in das jüdische Leiden.“ – Prof.
Henrix zur Bedeutung von Johannes XXIII.: „Die Weite des Herzens, der daraus erwachsende
Einsatz in Tat und Solidarität und die spontane Geste der Zuwendung haben in der Gestalt von
Papst Johannes XXIII. die Firnis von Vorurteil, Unfreundlichkeit, ja Feindseligkeit im Verhältnis der
katholischen Kirche zum jüdischen Volk und Judentum aufgebrochen. Das war notwendig, damit in
diesem Verhältnis auf katholischer Seite eine kirchliche und theologische Neubesinnung einsetzen
konnte.“
Ein Anstoß von außen und seine Weiterverfolgung
Der französische-jüdische Historiker Jules Isaac (1877-1963), der Frau und Kinder in Auschwitz
verloren hatte, hatte sich die Lebensaufgabe gestellt, die christliche Judenfeindschaft zu überwinden.
1960 überreichte er Johannes XXIII. eine Denkschrift. Eine Arbeitsgruppe entwarf daraufhin ein
Konzilsdekret „Über die Juden“. Dessen weitere Textgeschichte verlief dramatisch. Es gab
Interventionen arabischer Staaten aufgrund des Nahostkonflikts, Kritik am „Schweigen“ von Papst
Pius XII. in den Jahren der Schoa und einen Wechsel im Pontifikat. Paul VI. bekundete jedoch
seinen Willen zur Beibehaltung des Themas der Beziehung zum Judentum, nicht zuletzt durch eine
Pilgerfahrt ins Heilige Land. In die Konzilserklärung wurden Islam, Buddhismus, Hinduismus und
weitere Religionen einbezogen, und sie wurde als „Erklärung über die Haltung der Kirche zu den
nichtchristlichen Religionen“ am 28. Oktober 1965 angenommen.
Der Text von „Nostra Aetate“ und seine Wirkung
„Der Text ‚Nostra Aetate’ ist“, so Prof. Henrix, „in der Geschichte der Kirche, ihrer Konzilien und ihrer
Theologie ein einmaliges Novum. Er stellt mit seinem Artikel 4 einen fundamentalen Wendepunkt in
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der Beziehung und Haltung der Kirche zum jüdischen Volk und Judentum dar. (…) Der
Einleitungssatz zum vierten Artikel (…) hält der langen Tradition der Judenfeindschaft die Position
entgegen, dass das Judentum bereits bei der kirchlichen Selbstvergewisserung begegnet: ‚Bei ihrer
Besinnung auf das Geheimnis der Kirche gedenkt die Heilige Synode des Bandes, wodurch das Volk
des Neuen Bundes mit dem Stamme Abrahams geistlich verbunden ist.’“
Jüdische Stimmen äußerten ihre Freude über das Konzil und sein Dokument. In der Katholischen
Kirche selbst gab und gibt es beträchtliche Anstrengungen, „Nostra Aetate“ zur bleibenden Wirkung
zu verhelfen. Johannes Paul II. betonte, dass der mit Mose geschlossene Alte Bund von Gott nie
gekündigt wurde und die Menschwerdung des Sohnes Gottes ihren spezifischen Ort in der
Geschichte Israels hat. Er besuchte 1986 die römische Synagoge und 2000 Israel und Jerusalem
und drückte damit Respekt und Wertschätzung gegenüber dem jüdischen Volk aus. Im Pontifikat
Benedikts XVI. sorgten zunächst die Debatten um die Karfreitagsfürbitte und die Pius-Bruderschaft
für Irritationen. Doch bei seinen Besuchen in Israel, in der römischen Synagoge und in Deutschland
hielt der Papst stets fest, dass Israel das „Volk des Bundes“ und sein Glaube Fundament des
christlichen Glaubens sei und der Weg des Dialogs, der Brüderlichkeit und Freundschaft seit dem
Zweiten Vatikanischen Konzil unwiderruflich seien.
Eine aktuelle Herausforderung
Prof. Henrix’ Resümee ist positiv: „Nostra Aetate“ „stieß also eine Dynamik im Verhältnis der Kirche
zum jüdischen Volk und Judentum an, welche so nicht zu erwarten war.“ Dies gelte auch für die
christliche Theologie „im Angesicht des Judentums“. Und: „Die gewachsene ökumenische
Kollegialität bietet die Chance, aufbrechende Kontroversen und Störungen in der Beziehung von
Christentum und Judentum (…) zu thematisieren.“
Eine solche Kontroverse war im Jahr 2012 die öffentliche Diskussion über die Beschneidung in
Deutschland. Die katholische Kirche ergriff für die Ausübung der Religionsfreiheit das Wort, wofür die
jüdischen Gemeinden Deutschlands dankbar waren. Mittlerweile hat der Bundestag eine gesetzliche
Regelung verabschiedet, mit der die religiös motivierte Beschneidung minderjähriger Jungen erlaubt
bleibt. Die deutsche Gesellschaft freilich steht vor der Aufgabe, „Respekt für einander in einer
multikulturellen Gesellschaft und besonders an der Einstellung zur Beschneidung zu arbeiten.“
Dies findet eine kirchliche Pointierung: Es gibt die Forderung nach der Wiedereinführung des Festes
der Beschneidung Jesu am 1. Jänner als Zeichen der Hochachtung der jüdischen Identität Jesu: „Im
Geheimnis der Beschneidung Jesu finde das „Verhältnis zwischen Altem und Neuem Bund … sein
konkretestes Zeichen, in den Leib des Herrn eingeschrieben.“
Zur Person von Prof. Dr. h.c. Hans Hermann Henrix
geb. 1941, Studium der Wirtschaftswissenschaft und der Theologie in Frankfurt, Innsbruck und
Münster, 1969-2005 an der Bischöflichen Akademie des Bistums Aachen als Dozent für Theologie
und Ökumene und ab 1988 als Direktor. Der Schwerpunkt seiner theologischen Arbeit liegt im
Bereich der Ökumene und hier besonders zu Fragen des Verhältnisses von Kirche und Christentum
zum jüdischen Volk bzw. Judentum. Mitglied zahlreicher Gremien zum jüdisch-christlichen Dialog.
Ehrendoktor der Universität Osnabrück, Honorarprofessor der Universität Salzburg, Vortragstätigkeit
an Universitäten, Hochschulen und Akademien, Autor zahlreicher Bücher, vgl.
http://www.henrixhh.de/de/biographie
Foto: Josef Wallner/KirchenZeitung (honorarfrei)
Prof. Dr. h.c. Hans Hermann Henrix (Aachen) bei seinem Vortrag zum Tag des Judentums an der
Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz.
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