Anpassungs- und Belastungsstörungen Anpassungs Belastungsstörungen, PTSD, Misshandlung Prof. Dr. med. Michael Günter Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie g p y und Psychotherapie Sommersemester 2016 Definition Kindesmisshandlung stellt eine nicht zufällige, gewaltsame psychische und / oder physische Beeinträchtigung oder Vernachlässigung des Kindes durch Eltern/ Erziehungsberechtigte oder Dritte dar, die das Kind schädigt, verletzt, in seiner E Entwicklung i kl h hemmt oder d zu T Tode d b bringt. i (D (Deutscher h Ki Kinderschutzbund d h b d 1975) - Körperliche Gewalt - Sexuelle Gewalt (sexueller Missbrauch) - psychische Gewalt, Gewalt Deprivation, Deprivation Vernachlässigung - Miterleben häuslicher Gewalt Prof. Dr. Michael Günter 2016 Prävalenz Aus: Häuser W, Schmutzer G, Brähler E, Glaesmer H: Maltreatment in childhood and adolescence—results from a survey of a representative sample of the German population. Dtsch Arztebl Int 2011; 108(17): 287 Prof. Dr. Michael Günter 2016 Sexuelle Gewalt und Misshandlung g in der Kindheit Frauen Sexueller Missbrauch Männer Sex Missbrauch + Sex. körperliche Misshandlung Körperliche Misshandlung 61% Keine 84% 11% 16% 12% 12% 2% 2% Eigenangaben von Studenten, nach Richter-Appelt 1997 Prof. Dr. Michael Günter 2016 Erfahrung g sexueller Gewalt bei verschiedenen Populationen Autoren N retrospektiv Population % Flügel 1921 103 Prostituierte 51 Metcalfe et al. 1990 100 Männliche psychiatrische Patienten 23 Palmer et al. 1992 115 Weibliche psychiatrische Patienten 50 Herman ett al. H l 1989 (Metastudie) Borderline-Persönlichkeitsstörung B d li P ö li hk it tö (sexueller ( ll Missbrauch und/oder körperliche Misshandlung) verschiedene Anorexie ? verschiedene Multiple Persönlichkeitsstörung 90 Giaretto 1976 Weibliche Drogenabhängige 44 Kempe et al. 1978 Run-away-Verhalten bei Mädchen Glasser 2003 747 Sexualstraftäter Dagegen bei anderen Straftätern Prof. Dr. Michael Günter 2016 ca. 75 30-50 35 11 Dimensionen der Traumatisierung intrafamiliär Persönlichkeit, P ö li hk it individuelle Ressourcen Alter des Kindes Familiäre + gesellschaftliche Einflüsse Frequenz, Dauer, Schweregrad extrafamiliär, in der Gesellschaft Prof. Dr. Michael Günter 2016 Symptome nach sexueller Gewalt I Symptome Altersschwerpunkt, % Vorschule Posttraumatische Belastungsstörung Sexualisiertes Verhalten/Promiskuität Schule 50 35 40 Depression 30 Neurotische Erkrankung 30 L Lernprobleme bl 20 Angst 60 Allgemeine Verhaltensprobleme 60 Regression/Unreife Adoles -zenz 40 gg Aggression 45 (nach Kendall-Tackett et al. 1997) Prof. Dr. Michael Günter 2016 Symptome nach sexueller Gewalt II Symptome Altersschwerpunkt, % Vorschule Schule Adoleszenz Selbstverletzendes Verhalten 70 Substanzmissbrauch 50 Weglaufen 45 Suizidalität 40 Selbstwertprobleme 35 Somatische Beschwerden 35 Keine spezifische Symptomatik Alt Altersabhängigkeit bhä i k it der d Symptomatik S t tik (nach Kendall-Tackett et al. 1997) Prof. Dr. Michael Günter 2016 Exkurs: Traumatypen Typ-I-Trauma = Schocktrauma Einmaliges traumatisches Ereignis Symptome: y p 1. intrusives (aufdringliches) Wiedererleben, 2. Vermeidung traumarelevanter Reize bzw. reduzierte emotionale Reagibilität, 3. Übererregtheit (körperlich, emotional, kognitiv). Typ-II-Trauma = Komplexes längeres traumatisches GeschehenGeschehen Zusätzliche Folgen u.a.: 1. Verleugnung g g der Realität 2. Wut, Aggression, dissoziale Entwicklung in der späteren Kindheit und Adoleszenz, Autoaggression manchm. i. Wechsel mit extremer Passivität 3 Dissoziation, 3. Dissoziation emotionale Anästhesie Anästhesie, Depersonalisation Prof. Dr. Michael Günter 2016 Exkurs: Übersicht über traumareaktive Entwicklungen Quelle: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051010k_S3_Posttraumatische_Belastungsstoerung_2012-03.pdf Prof. Dr. Michael Günter 2016 Akute Belastungsreaktion (F43.0) (T 1 T (Typ-1-Trauma) ) = Psychischer P hi h Schock, S h k D Definitionen fi iti nach h ICD 10) Eine vorübergehende Störung, die sich bei einem psychisch nicht manifest gestörten Menschen als Reaktion auf eine außergewöhnliche physische oder psychische Belastung entwickelt, und die im allgemeinen innerhalb von Stunden oder Tagen abklingt. Symptomatik: typischerweise gemischtes und wechselndes Bild, beginnend mit einer Art von "Betäubung", mit einer gewissen Bewusstseinseinengung und eingeschränkten Aufmerksamkeit, einer Unfähigkeit, Reize zu verarbeiten und Desorientiertheit. Diesem Zustand kann ein weiteres Sichzurückziehen aus der Umweltsituation folgen (bis hin zu dissoziativem Stupor, siehe F44.2) oder aber ein Unruhezustand und Überaktivität Ü (wie Fluchtreaktion oder Fugue). Vegetative Zeichen panischer Angst wie Tachykardie, Schwitzen und Erröten treten zumeist auf. Symptome erscheinen innerhalb von Minuten nach dem belastenden Ereignis und gehen innerhalb von zwei oder drei Tagen, oft innerhalb von Stunden zurück. Prof. Dr. Michael Günter 2016 Posttraumatische Belastungsstörung (F43.1) = PTBS, PTBS PTSD (Posttraumatic (P tt ti Stress St Di d ) Def. Disorder) D f n. ICD 10) verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Typische Symptome sind - wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen Flashbacks) (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), - Albträume und Schlafstörung - Gefühl von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit,Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber gegenüber, Freudlosigkeit - Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. g Übererregtheit g mit Vigilanzsteigerung, g g g, einer übermäßigen g - vegetativer Schreckhaftigkeit - Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken g sind nicht selten. Prof. Dr. Michael Günter 2016 Anpassungsstörung (F43.0) (hä fi Typ-2-Trauma) (häufig T 2T ) Definitionen D fi i i nach h ICD 10 Zustände von subjektiver Bedrängnis und emotionaler Beeinträchtigung, die im allgemeinen soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten. Die Belastung kann das soziale Netz des Betroffenen beschädigt haben (wie bei einem Trauerfall oder Trennungserlebnissen) oder das weitere Umfeld sozialer Unterstützung oder soziale Werte (wie bei E i ti oder Emigration d nach h Fl Flucht). ht) Si Sie kkann auch h iin einem i größeren öß E Entwicklungsschritt t i kl h itt oder einer Krise bestehen (wie Schulbesuch, Elternschaft, Misserfolg, Erreichen eines ersehnten Zieles und Ruhestand). Die Symptome sind unterschiedlich und umfassen depressive Stimmung, Angst oder Sorge (oder eine Mischung von diesen). Außerdem kann ein Gefühl bestehen, mit den alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen, diese nicht vorausplanen l oder d ffortsetzen t t zu können. kö Störungen Stö des d Sozialverhaltens S i l h lt kö können insbesondere bei Jugendlichen ein zusätzliches Symptom sein. Prof. Dr. Michael Günter 2016 Prof. Dr. Michael Günter 2014 Konsequenzen I Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben aus mehreren! Gründen ein statistisch erhöhtes Risiko für Misshandlung/Vernachlässigung/sexuelle Gewalttraumatisierung, unter anderem - familiäre Belastungen, enge Wohnverhältnisse, Armut teilweise Multiproblemfamilien, soziale Randständigkeit verringerte i t erzieherische i h i h K Kompetenz t Psychische Erkrankung der Eltern - Behinderung als Risikofaktor - Verhaltensauffälligkeiten der Kinder Prof. Dr. Michael Günter 2016 Konsequenzen II - Identifikation belasteter Kinder - Ansprechen möglicher Belastungen - Vertrauensverhältnis - Problematik der eigenen Betroffenheit und wenig rational durchdachter Reaktionen, „Zuwarten und Wegschauen“, „Schnellschüsse“ - Interdisziplinäre Kooperation, Supervision - Reaktion der Familie - Weiterführende Hilfen: Beratungsstelle, Jugendamt, Kinderarzt, Kinder- und g p y y p Jugendpsychiatrie/-Psychotherapeuten Prof. Dr. Michael Günter 2016 Prof. Dr. med. Michael Günter Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Klinikum Stuttgart Zentrum Z t für fü Seelische S li h G Gesundheit dh it Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin – Olgahospital (kooptiert) Prießnitzweg 24 70374 Stuttgart E-Mail: [email protected] www.klinikum-stuttgart.de Prof. Dr. Michael Günter