3 Vollständige Induktion

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3 Vollständige Induktion
3.1 Natürliche Zahlen
In den vorherigen Kapiteln haben wir die Menge der natürlichen Zahlen schon
mehrfach als Beispiel benutzt. Das Konzept der natürlichen Zahlen erscheint uns
einfach, da wir es schon lange kennen. Der Mathematiker L. Kronecker (18231881) sagte einst
Die natürlichen Zahlen hat der liebe Gott gemacht, alles andere
ist Menschenwerk. In der tat werden wir die Existenz der natürlichen Zahlen
zusammen mit einigen wenigen grundlegenden Eigenschaften einfach fordern.
Danach werden wir aus den natürlichen Zahlen die ganzen Zahlen, und die rationalen Zahlen konstruieren. Wie man von den rationalen Zahlen zu den reellen
Zahlen kommt ist nicht so leicht (und wird auch erst in Analysis I behandelt).
Von den reellen Zahlen zu den komplexen Zahlen ist es wieder sehr einfach.
Nun aber zu den natürlichen Zahlen. Diese führen wir axiomatisch ein. D.h.
wir fordern gewisse Eigenschaften, die eine Menge, die wir dann
natürlichen
Zahlen nennen, erfüllen sollte.
Denition 3.1 (Peano Axiome)
M
Ein Paar
p:M →M
und einer Abbildung
(M, p) bestehend aus einer Menge
nennen wir
natürliche Zahlen , wenn die
folgenden drei Bedingungen erfüllt sind:
1) Es gibt ein
alle
2)
p
Anfangselement, d.h. ein Element
p(n) = p(m)
3) Für jede Teilmenge
T ⊂M
t∈T
folgt
für
impliziert
n = m.
mit
p(t) ∈ T
T = M.
Sind alle Bedingungen für
Element
p(n) 6= e
e∈T
(ii) Aus
gilt
so dass
n ∈ M.
ist injektiv, d.h.,
(i)
e ∈ M,
p(n)
nennen wir
deniert was man unter
(M, p)
1 := e und N := M .
n + 1 := p(n) (hier wird
erfüllt schreiben wir
Nachfolger von
n,
oder
Das
also
plus eins versteht).
Diese Denition deckt sich mit dem, was wir von den
natürlichen Zahlen,
so wie wir sie gewohnt sind, kennen. In Zukunft werden wir einfach von der
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3 Vollständige Induktion
Menge der natürlichen Zahlen sprechen. Jede natürliche Zahl
deutig bestimmten Nachfolger (nämlich
n + 1).
n
hat einen ein-
Beginnt man mit der
1
so kann
man durch fortgesetztes Bilden eines Nachfolgers jede andere natürliche Zahl
erreichen (diesen Vorgang nennt man zählen).
Auf den natürlichen Zahlen denieren wir uns eine Abbildung
+ : N×N → N
die wir Addition nennen werden. Das Paar (a, b) ∈ N × N wird hierbei auf die
b
Zahl p (a) = p ◦ p . . . p(a). Statt +(a, b) schreiben wir einfach a + b.
|
{z
b−mal
}
Multiplikation · : N × N → N wird durch die Abbildung p deniert.
(a, b) ∈ N×N wird hier auf die Zahl abgebildet, welche durch b-maliges
Anwenden der Abbildung sa : N → N, n 7→ n + a entsteht.
Verschiedene natürliche Zahlen a, b kann man vergleichen. Wir sagen, dass a
gröÿer als b ist falls es ein c ∈ N gibt, so dass a + c = b ist. Wir schreiben a < b.
Andernfalls sagen wir a ist kleiner als b (a < b).
Auch die
Das Paar
3.2 Das Prinzip der vollständigen Induktion
Vollständige Induktion ist eine sehr wichtige Beweismethode welche wir in allen
mathematischen Disziplinen benutzen werden. Betrachten Sie die Aussagen
A := Für
alle
n∈N
22 + 1
n
ist die Zahl
eine Primzahl
und
B := Für
alle
n∈N
ist die Zahl
22n − 1
durch drei teilbar
Sind die Aussagen wahr? Man könnte vermuten, dass A wahr ist, denn man rech2n
net leicht nach, dass 2 + 1 für n = 1, 2, 3 eine Primzahl ist. Mit etwas Aufwand
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25
sieht man auch das 2 + 1 eine Primzahl ist. Es gilt aber 2 + 1 = 4294967297
und das ist durch
Die Aussage
B
641
teilbar. Die Aussage
ist allerdings
A
ist hiermit also widerlegt.
wahr. Wieder könnte man anfangen, die Aussage
für möglichst viele natürliche Zahlen
n zu testen. Im Gegensatz zu oben werden
Sie kein Gegenbeispiel nden. Die Aussage ist damit aber noch nicht beweisen,
da Sie ja, egal wie schnell Ihr Computer ist, nur endlich oft testen können. Die
Vollständige Induktion ist nun eine Methode, die es ermöglicht Aussagen wie
B
zu beweisen.
Satz 3.2 (Prinzip der vollständigen Induktion)
n∈N
(A)
(S)
sei eine Aussage
B(1)
B(n)
gegeben. Es gelte:
gilt, d.h. die Aussage stimmt für
B(n) ⇒ B(n + 1) gilt, d.h. gilt die
n + 1 (Induktionsschluÿ).
n = 1 (Induktionsanfang).
Aussage für eine Zahl
für
Dann stimmt die Aussage
Für jede natürliche Zahl
B(n)
für alle
n ∈ N.
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n ∈ N,
so auch
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Beweis: Betrachte die Menge
M := {n ∈ N | B(n)
N
ist eine Teilmenge von
und erfüllt
(i)
ist erfüllt
und
(ii)
}.
in obiger Denition. Also ist
M = N.
Ein Induktionsschluÿ funktioniert nach dem
(S)
(S)
(S)
Dominoprinzip
(S)
(S)
(S)
(A) =⇒ B(1) =⇒ B(2) =⇒ . . . =⇒ B(n) =⇒ B(n + 1) =⇒ . . .
B(1) gilt wegen (A)
B(2) gilt wegen (S) und
B(3) gilt wegen (S) und
n=1
n=2
Induktionsschritt (S)
immer wieder anwenden
Bemerkung: Aus dem Prinzip der vollständigen Induktion lassen sich leicht
verallgemeinerte Induktionsprinzipien ableiten: Z.B. gilt:
Korollar 3.3
B(n)
(A)
für alle
B(n0 )
Sei n0 ∈ Z = {0, ±1, ±2, . . . } fest gewählt. Um
n ∈ Z mit n ≥ n0 zu beweisen, reicht es zu zeigen:
eine Aussage
gilt (Induktionsanfang)
(S) Für beliebiges
B(n + 1)
n ∈ Z
mit
n ≥ n0
gilt: Falls
B(n)
richtig ist, so auch
(Induktionsschritt).
Beweis: Setze C(n) := B(n0 − n + 1) und wende das Prinzip der vollständigen
Induktion auf
C(n)
an.
Anwendung 1: Mit Hilfe des Induktionsprinzips, können wir rekursiv denieren.
Summe:
n
X
ak
deniert durch
k=1
1
X
ak := a1
und
k=1
n+1
X
ak :=
n
X
k=1
k=1
n+1
Y
n
Y
ak + an+1
Produkt:
n
Y
ak
deniert durch
k=1
1
Y
ak := a1
k=1
und
k=1
ak :=
ak · an+1
k=1
Fakultät:
n!
deniert durch
0! := 1
und
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(n + 1)! := n! · (n + 1)
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Anwendung 2: Viele wichtige Sätze, lassen sich durch vollständige Induktion
beweisen. Wir zeigen nun drei Beispiele dafür.
Satz 3.4
Für alle natürlichen Zahlen
n
X
k=
k=1
n∈N
gilt
n(n + 1)
.
2
Beweis: Wir betrachten also die Aussage A(n) =
(A) Zunächst müssen wir zeigen, dass die Aussage
P1
1·2
denn
k=1 k = 1 = 2 .
Pn
k=1
k=
n(n+1)
.
2
A(1) wahr ist. Das ist leicht,
Pn
(S) Nun müssen wir zeigen, dass A(n) ⇒ A(n+1) wahr ist, d.h., falls
k=1 k =
Pn+1
n(n+1)
n+1(n+2)
gilt muss auch
gelten. Sei also A(n) wahr, dann
k=1 k =
2
2
gilt
n+1
X
k =
=
Seien
ist
A und B
n!.
n(n + 1)
+n+1
2
(n + 1)(n + 2)
n(n + 1) + 2(n + 1)
=
2
2
A(n) ⇒ A(n + 1)
Die Aussage
f :A→B
k+n+1=
k=1
k=1
Satz 3.5
n
X
Mengen mit
n Elementen. Die Anzahl der Bijektionen
Beweis: Wir wollen zeigen, dass die Aussage C(n) =
nen
f :A→B
Der
ist
n!
für alle
Induktionsanfang
A → B
falls
A
n∈N
Die Anzahl der Bijektio-
wahr ist.
ist wieder leicht. Es gibt genau eine Abbildung
B nur
also C(1).
und
Insbesondere gilt
ist also wahr.
f :
ein Element haben. Diese Abbildung ist bijektiv.
C(n) wahr ist. Induktionsschluÿ (n → n + 1):
Seien A = {a1 , . . . , an+1 }, B = {b1 , . . . , bn+1 } Mengen mit n + 1 Elementen. Ist
f : A → B Bijektion, so nimmt f (an+1 ) genau einen der n + 1 möglichen Werte
b1 , . . . , bn+1 an. Ferner ist f |A\{an+1 } : A \ {an+1 } → B \ {f (an+1 )} Bijektion
zwischen nelementigen Mengen. Hier benutzen wir nun, dass C(n) wahr ist.
Nach Induktionsvoraussetzung gibt es genau n! Bijektionen
Nun nehmen wir an dass
A \ {an+1 } → B \ {bi },
Daher gibt es zu jedem
an+1 7→ bi .
A → B.
i = 1, . . . , n + 1
Also gibt es insgesamt genau
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i = 1, . . . , n + 1.
n! Bijektionen A → B mit
(n + 1)n! = (n + 1)! Bijektionen
genau
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Satz 3.6 (Bernoullische Ungleichung.)
Für
x ≥ −1
und
n∈N
gilt stets
(1 + x)n ≥ 1 + nx.
Diesmal schreiben wir die vollständige Induktion etwas schneller auf:
Beweis:
Induktionsanfang: Für n = 1 stimmt die Behauptung (1 + x)1 ≥ 1 + x.
Induktionsschluÿ:
(1 + x)n+1 = (1 + x) (1 + x)n ≥ (1 + x)(1 + nx)
| {z } | {z }
≥0
≥1+nx
= 1 + (n + 1)x + |{z}
nx2 ≥ 1 + (n + 1)x.
≥0
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