Folien 2 - Universität Heidelberg

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Neue Politische Ökonomie: Die Diskussion
um soziale Wohlfahrtsfunktionen
Vorlesung an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
SS 2007
Prof. Dr. Lars P. Feld
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg,
ZEW Mannheim, Universität St. Gallen
(SIAW-HSG), CREMA Basel und CESifo
München
Pol. Ökonomie
1
Die Diskussion um soziale
Wohlfahrtsfunktionen
Aufbau der Vorlesung
•
•
•
•
•
•
Das Pareto Optimum als allokative Idee
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
Arrows Unmöglichkeitstheorem
Das Medianwählertheorem
‚Probabilistic Voting‘
Pol. Ökonomie
2
Das Pareto Optimum als allokative Idee I
• Pareto-Kriterium als weit akzeptiertes
Werturteil für die Beurteilung von
Politikmaßnahmen
– Eine Allokation wird nicht geändert, wenn durch
sie niemand besser gestellt wird, ohne dass
jemand anderes schlechter gestellt wird.
• Problem
– Zu jeder Produktionstechnologie existiert eine
Nutzenmöglichkeitskurve …
– mit unendlich vielen Möglichkeiten, Wohlfahrt
auf die beteiligten Individuen umzuverteilen.
Pol. Ökonomie
3
Das Pareto Optimum als allokative Idee II
• Problem
– Kein interpersoneller Nutzenvergleich.
– Verteilung bleibt unberücksichtigt.
– Nutzen hängt nur vom eigenen
Konsumniveau ab.
• Politische Fragestellung
– Welchen der unendlich vielen Paretoeffizienten Verteilungszustände wählt
man?
Pol. Ökonomie
4
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion I
• Politikberatung erfordert die Festlegung
auf ein eindeutiges gesellschaftliches
Optimum.
– Bergson (1938) und Samuelson (1947)
entwickeln dazu das Konzept einer sozialen
Wohlfahrtsfunktion.
– Symbole:
• W = der reale Wert aller möglichen sozialen
Zustände.
• zi = mögliche soziale Zustände.
W = W ( z 1, z 2,...zn ),
Pol. Ökonomie
5
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion II
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– zi und W sollen so gewählt werden, dass sie die
ethischen Werte in einer Gesellschaft bzw. der
darin lebenden Individuen reflektieren.
– Ziel: Definiere zi und W und die Restriktionen
so, das sinnvolle Bedingungen erster und
zweiter Ordnung im Maximierungsproblem
resultieren.
– Grundsätzlich können alle Gesellschaftszustände unter zi gefasst werden
Pol. Ökonomie
6
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion III
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Das Pareto-Optimum liefert nur eine Anzahl
notwendiger Bedingungen für ein
gesellschaftliches Optimum
(Marginalbedingungen).
– Sie stellen sicher, dass auf der Transformationskurve produziert wird, dass alle Tauschmöglichkeiten ausgeschöpft sind usw.
– Mit Pauschalsteuern und -subventionen lässt
sich ein Pareto-Optimum sicherstellen.
Pol. Ökonomie
7
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion IV
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Bergson und Samuelson lösen dieses Problem
mit einer Variante der sozialen Wohlfahrtsfunktion, bei der die Nutzenindizes aller Individuen als Argumente eingehen.
W = W (U 1, U 2,..., Us ),
Pol. Ökonomie
8
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion V
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Problem: Wie sieht diese Funktion aus und wie
sind die Eigenschaften der darin enthaltenen
Nutzenfunktionen?
– Interpersonelle Nutzenvergleiche sind
notwendig.
– Ausnahme: lexikographische Präferenzen
• der Nutzen eines Individuums wird allen anderen
vorgezogen
Pol. Ökonomie
9
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion VI
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Eine soziale Wohlfahrtsfunktion auf Basis
ordinaler Nutzenfunktion führt nur dann zu
eindeutigen Lösungen, wenn eine diktatorische
Lösung bevorzugt wird.
– Wohlwollender Diktator.
– Beweis: Samuelson zitiert nach Mueller (2003)
Pol. Ökonomie
10
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion VII
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
U1
A
U2
Abbildung 1: Das ‘Optimum Optimorum’
Pol. Ökonomie
11
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion VIII
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Die Form der sozialen Wohlfahrtsfunktion
wird durch ethische Regeln bestimmt.
– Beispiele:
W = (U 1 + U 2 + ... + Us ),
W = (U 1 *U 2 * ... *Us ),
Pol. Ökonomie
12
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion IX
• Wie kommt die soziale Wohlfahrtsfunktion zustande?
– Additive soziale Wohlfahrtsfunktion als
utilitaristische (Jeremy Bentham).
– Multiplikative soziale Wohlfahrtsfunktion nach
John Nash (1950).
– Unterscheidung: Sollten absolute oder anteilige
Nutzendifferenzen betrachtet werden?
– Rawls‘sche SWF: das am schlechtesten gestellte
Individuum soll besser gestellt werden.
– Alternative: Wahl der sozialen Wohlfahrtsfunktion als Verfassungsregel.
Pol. Ökonomie
13
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion X
• Beurteilung sozialer Wohlfahrtsfunktionen
– Allen bisher besprochenen SWF liegt ein kardinales
Nutzenkonzept zugrunde.
– SWF sind immer Formalisierungen von
Werturteilen; es gibt keine „wissenschaftlich
korrekte“ SWF.
– SWF können geeignet sein, ein optimum optimorum
u.d.B. gegebener fixierter Werturteile zu
identifizieren.
– Aber: Besteht das politische Problem nicht gerade
im Streit über Werturteile?
Pol. Ökonomie
14
Die klassische soziale Wohlfahrtsfunktion XI
• Beurteilung sozialer Wohlfahrtsfunktionen
– „Die Verwendung der Exaktheit suggerierenden
Schreibweise einer mathematischen Funktion erweckt bei
manchen Beobachtern allzu leicht die Vorstellung, dass
das, was mit diesen Symbolen angedeutet wird, in der
realen Welt wissenschaftlich nachweisbar sein muss.
Auch an dieser Stelle sei nochmals mit allem Nachdruck
betont, dass es sich bei der Manipulation mit Wohlfahrtsfunktionen […] nur um Gedankenexperimente eines
bestimmten Betrachters handeln kann, von denen man
kaum mehr erwarten darf als eine gewisse Hilfe bei der
Ordnung und Disziplinierung der eigenen Gedanken.“
(Egon Sohmen, Allokationstheorie und Wirtschaftspolitik,
Tübingen 1976, S. 336f.)
15
Pol. Ökonomie
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen I
• Alternative Vorgehensweise zur Bestimmung
einer sozialen Wohlfahrtsfunktion
– Wie kommt man von vielen individuellen
Präferenzordnungen zu einer gesellschaftlichen
Präferenzordnung?
– Annahme bestimmter Voraussetzungen individueller
Rationalität, die hinreichend zur Definition einer
individuellen Präferenzordnung sind.
– Übertragung dieser Postulate auf eine soziale
Präferenzordnung.
– Bei diesem Schritt werden gewisse ethische Normen
einer Gesellschaft ausgedrückt, die aber auf
Entscheidungsverfahren und nicht auf Verteilungen
bezogen sind.
Pol. Ökonomie
16
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
II
• Der Ansatz von Arrow (1951)
– Welche ethischen Normen sollten wir einem
kollektiven Entscheidungsprozess auferlegen?
– Welche Entscheidungsprozesse verletzen diese
Axiome nicht?
– Enttäuschende Antwort: Es gibt keinen
Entscheidungsprozess, der selbst schwache und
ethisch wenig ehrgeizige Axiome erfüllt.
Pol. Ökonomie
17
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
III
• Die Axiome von Arrow (1951)
–
–
–
–
–
Einstimmigkeit
Nicht-diktatorische Lösungen
Transitivität
Unbeschränkter Politikbereich
Unabhängigkeit von irrelevanten Alternativen
Pol. Ökonomie
18
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
IV
• Einstimmigkeit
– Pareto Kriterium: Wenn eine individuelle
Wertvorstellung über gesellschaftliche
Lösungen von keiner anderen gegenteiligen
Wertvorstellung eines Individuums in Frage
gestellt wird, dann wird diese Wertvorstellung
in die gesellschaftliche Präferenzordnung
aufgenommen.
Pol. Ökonomie
19
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
V
• Nicht-diktatorische Lösung
– Kein Individuum befindet sich in der Position,
seine Präferenzen gegenüber den anderen
Mitgliedern der Gesellschaft durchzusetzen.
– Wenn ein Individuum seine Wertvorstellungen
äußert und alle anderen Individuen sind
gegenteiliger Ansicht, dann wird die
Wertvorstellung des einen Individuums nicht in
die gesellschaftliche Präferenzordnung
aufgenommen.
Pol. Ökonomie
20
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
VI
• Transitivität
– Die soziale Wohlfahrtsfunktion bildet eine
konsistente Ordnung aller möglichen
alternativen Gesellschaftszustände ab.
– Wenn Zustand a einem Zustand b und dieser
einem Zustand c vorgezogen wird, dann wird
auch a dem Zustand c vorgezogen.
– Wenn die Individuen in einer Gesellschaft
zwischen a und b und zwischen b und c
indifferent sind, dann sind sie auch zwischen a
und c indifferent.
Pol. Ökonomie
21
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
VII
• Unbeschränkter Politikbereich
– Es existiert eine universale Alternative, so dass
für jeden paarweisen Vergleich von
Alternativen durch alle Individuen, jede dieser
möglichen Alternativen in einer individuellen
Rangordnung enthalten ist.
– Man darf mit anderen Worten den Individuen
nicht die Möglichkeit entziehen, auf eine
(relevante) Alternative zurückzugreifen.
– Jede Politik muss gewählt werden können.
Pol. Ökonomie
22
Axiomatische soziale Wohlfahrtsfunktionen
VIII
• Unabhängigkeit von irrelevanten
Alternativen
– Die individuelle Wahl zwischen zwei
Gesellschaftszuständen darf nur von diesen
beiden Alternativen und nicht von anderen
Alternativen abhängen.
– Vermeidung interpersoneller Nutzenvergleiche
– Keine Information, die den kardinalen
Nutzenvergleich erlaubt, wird zugelassen.
Pol. Ökonomie
23
Arrows Unmöglichkeitstheorem I
• Beweis der Unmöglichkeit
– Auf Basis der Axiome lässt sich mathematisch
zeigen, dass keine gesellschaftliche Alternative
existiert, die alle fünf Axiome erfüllt (Mueller
(2003; S. 582ff.)
• Arrow-Theorem
– Wenn mindestens zwei Individuen beteiligt sind und
mindestens drei Alternativen in einer
gesellschaftlichen Präferenzordnung erfasst werden
müssen, dann ist jede gesellschaftliche
Präferenzordnung, die die Axiome (i), (iii), (iv) und
(v) gleichzeitig erfüllt, eine diktatorische Lösung,
Pol. Ökonomie
24
Arrows Unmöglichkeitstheorem II
• Beispiel aus Blankart
– Drei Stimmbürger A, B und C stimmen über
die Häufigkeit der Müllabfuhr in einer
Gemeinde ab.
– Es gibt drei Varianten:
• Häufig: H = 2 mal wöchentlich
• Mittel: M = 1 mal wöchentlich
• Wenig: W = 1 mal alle 14 Tage.
Pol. Ökonomie
25
Arrows Unmöglichkeitstheorem III
• Beispiel aus Blankart
– Die Stimmbürger A, B und C haben
unterschiedliche Präferenzen, die sich in
unterschiedlichen Rangfolgen ausdrücken.
• A ist reinlich und präferiert H > M > W.
• B ist mittelmäßig interessiert und will M > W > H.
• C möchte möglichst wenig Müllabfuhr: W > H > M.
Pol. Ökonomie
26
Arrows Unmöglichkeitstheorem IV
• Beispiel aus Blankart
– Lässt man über diese Alternativen paarweise
mit einfacher Mehrheit abstimmen, so ergibt
sind ein Abstimmungszyklus (cycling).
•
•
•
•
(1) H gegen M
2:1; H > M.
(2) M gegen W
2:1; M > W.
(3) W gegen H
2:1; W > H
damit: H > M > W > H.
Pol. Ökonomie
27
Arrows Unmöglichkeitstheorem V
Wähler
A
B
C
C*
I
H
M
W
W
II
M
W
H
M
III
W
H
M
H
Rangfolge
Pol. Ökonomie
28
Arrows Unmöglichkeitstheorem VI
• Beispiel aus Blankart
H
M
W
I
II
III
Abbildung 2: Zyklische Mehrheiten bei mehrgipfligen
Präferenzen
Pol. Ökonomie
29
Arrows Unmöglichkeitstheorem VII
• Beispiel aus Blankart
– In der Praxis wird das Arrow Paradox nicht
immer gleich sichtbar, da meist nur zweimal
(im Beispiel) abgestimmt wird.
– Der letzte Konsistenz-Test auf Transitivität der
gewählten Gesellschaftszustände wird nicht
mehr durchgeführt.
– Dadurch resultiert ein scheinbar eindeutiges
Ergebnis.
Pol. Ökonomie
30
Arrows Unmöglichkeitstheorem VIII
• Beispiel aus Blankart
– Diese Eindeutigkeit hängt jedoch von der
Reihenfolge der Abstimmungen ab.
• H gegen M und M gegen W: H > M > W.
• M gegen W und W gegen H: M > W > H.
• W gegen H und H gegen W: W > H > M.
– Je nachdem, welche Vorlage der Vorsitzende
(agenda setter) zuerst abstimmen lässt,
resultiert ein anderes Ergebnis.
– Der Zyklus wird erzeugt, wenn Präferenzen
mehrgipflig sind.
Pol. Ökonomie
31
Das Medianwählertheorem I
• Eingipfligkeit der Präferenzen
– Bei Präferenzverteilung C* statt C, d.h. W > M
> H statt W > H > M:
•
•
•
•
M gegen W: 2:1; M > W.
W gegen H: 2:1; W > H.
H gegen M:
2:1; M > W.
M > W > H, d.h. M > H.
– Es setzt sich der sog. Medianwähler bei der
Abstimmung durch.
Pol. Ökonomie
32
Das Medianwählertheorem II
• Graphische Darstellung des
Medianwählermodells
W
C*
B
A
H
Abbildung 3: Das Medianwählermodell bei eindimensionalen Entscheidungen
Pol. Ökonomie
33
Das Medianwählertheorem III
• Das Medianwählermodell gilt unter
folgenden Annahmen
– Stimmbürger sind gleichzeitig Konsumenten
der öffentlichen Güter und Steuerzahler.
– Alle Wahlberechtigten stimmen ab.
– Der Kostenaufteilungsschlüssel zur
Finanzierung der öffentlichen Güter ist
unabhängig vom konkreten Projekt festgelegt.
– Budgetdeckung ist vorgeschrieben.
– Es wird über jede Vorlage separat abgestimmt.
Pol. Ökonomie
34
Das Medianwählertheorem IV
• Das Medianwählermodell gilt unter
folgenden Annahmen
– Die Präferenzordnungen sind eingipflig. Diese
Annahme bedeutet eine Einschränkung in den
überhaupt zugelassenen Präferenzen.
– Angenommen wird ein Projekt nach der
einfachen Mehrheitsregel.
– Koalitionen unter den Wählern werden
aufgrund von Verhandlungskosten als
unmöglich erachtet.
Pol. Ökonomie
35
Das Medianwählertheorem V
• Besonderheiten
– Das Medianwählergleichgewicht ist im
allgemeinen kein Pareto-Optimum.
– Stabile Mehrheiten ergeben sich auch
unter anderen Mehrheitsregeln
(qualifiziertes Mehr).
– Die Ergebnisse des
Medianwählermodells ergeben sich nur
in der direkten Demokratie.
Pol. Ökonomie
36
Das Medianwählertheorem VI
• Bei Mehrgipfligkeit der Präferenzen gilt
das Medianwählermodell nicht.
– Mit zyklischen Mehrheiten ist um so eher zu
rechnen, je vielgestaltiger die Präferenzordnungen der Individuen sind.
– Zyklen können nur dann ausgeschlossen
werden, wenn die Präferenzordnungen völlig
homogen sind.
– Schleicht sich ein Verteilungselement in den
kollektiven Entscheidungsprozess ein, so sind
Zyklen wahrscheinlich.
Pol. Ökonomie
37
Das Medianwählertheorem VII
• Warum so viel Stabilität?
– Häufig fehlt der letzte Konsistenztest
paarweiser Abstimmungen in der Realität.
– Agenda Setting
– Prinzip der Einheit der Materie: Heterogene
Fragen dürfen nicht miteinander verknüpft
werden.
– Struktur im politischen Prozess: In der Regel
existieren direkte Demokratien nicht mehr.
• In repräsentativen Demokratien wird ein Geflecht
von Entscheidungsstrukturen genutzt (‚checks and
balances‘)
Pol. Ökonomie
38
Das Medianwählertheorem VIII
• Das Medianwählermodell in
repräsentativen Demokratien
– Anthony Downs (1957): Unter bestimmten
Bedingungen setzt sich der Medianwähler auch
in repräsentativen Demokratien durch.
– Der Inhalt der Wahlprogramme lässt sich auf
eine Dimension reduzieren. Die Wähler haben
diesbezüglich eingipflige Präferenzen.
– Restriktion auf ein Zwei-Parteien-System
– Politiker sind Stimmenmaximierer.
Pol. Ökonomie
39
Das Medianwählertheorem IX
• Das Medianwählermodell in
repräsentativen Demokratien
– Die Wähler entscheiden sich für die Partei, die
ihren Präferenzen am nächsten liegt.
– Die Wähler und die Politiker sind vollständig
informiert.
– Wahlen finden permanent statt (permanente
Wiederwahlrestriktion).
– Die Wahlbeteiligung beträgt 100 %.
Pol. Ökonomie
40
Das Medianwählertheorem X
• Das Medianwählermodell bei
mehrdimensionalen Entscheidungen
Abbildung 4: Das Medianwählermodell bei mehrdimensionalen Entscheidungen
41
Das Medianwählertheorem XI
• Das Medianwählermodell bei
mehrdimensionalen Entscheidungen
– Zwei politische Fragen: x1 und x2 (Schulen und
Krankenhäuser).
– Fünf Wählergruppen mit Nutzenfunktionen Ui,
die durch Indifferenzkreise abgebildet sind.
– Der Punkt in der Mitte jedes Kreises repräsentiert den Idealpunkt jeder Wählergruppe (‚bliss
points‘): Bezeichnung mit Ziffern.
– Auf den Geraden zwischen den Punkten lassen
sich Kontraktkurven bilden.
Pol. Ökonomie
42
Das Medianwählertheorem XII
• Das Medianwählermodell bei
mehrdimensionalen Entscheidungen
– Alle Punkte außerhalb des durch
Kontraktkurven gebildeten Vielecks sind
Pareto-inferior.
– Das Pareto-Set befindet sich innerhalb des
Vielecks.
– Punkt P als status quo.
– Bei einer Präferenzverteilung wie in
Abbildung 4 kann der status quo aufgrund
zyklischer Mehrheiten nicht verändert werden.
Pol. Ökonomie
43
Probabilistisches Wählerverhalten I
• Bisher: Pessimistische Sicht in der
politischen Ökonomie
– Mehrheitsentscheidungen sind inhärent
instabil.
– „Political economy is a dismal science.“
(Thomas Carlyle).
– Optimistischerer Standpunkt findet sich in der
Theorie des probabilistischen
Wählerverhaltens.
Pol. Ökonomie
44
Probabilistisches Wählerverhalten II
• Deterministisches Wählermodell ist
unrealistisch
– Nutzenunterschiede politischer Programme
sind nur ungenau bekannt.
– Wähler kennen die Inhalte der
Parteiprogramme nur unvollständig.
– Parteien kennen den Wählerwillen nur
unvollständig.
– Parteien richten sich daher an der Wahrscheinlichkeit des Stimmengewinns in Wahlen aus.
Pol. Ökonomie
45
Probabilistisches Wählerverhalten III
• Das Modell
– Der Generalsekretär der Partei 1, Herr Heil,
maximiert über alle Wähler i die Summe der
Wahrscheinlichkeiten π1i, dass die Wähler für
die SPD stimmen.
– Herr Pofalla von der CDU maximiert die
Wahrscheinlichkeit π2i.
– Beide verfolgen eine Strategie der erwarteten
Wählerstimmenmaximierung.
Pol. Ökonomie
46
Probabilistisches Wählerverhalten IV
• Das Modell
– Die Wahrscheinlichkeiten erklären sich aus
den Reaktionen der Wähler auf
Nutzenunterschiede in den Wahlprogrammen.
– Graphisch ergeben sich anstelle von
Nutzengebirgen Wahrscheinlichkeitsgebirge,
deren oberster Punkt erreicht wird, wenn eine
Partei gerade den Idealpunkt des Wählers
einnimmt.
– Der Wettbewerb drängt die Parteien zur
Verwirklichung der Wählerpräferenzen.
Pol. Ökonomie
47
Probabilistisches Wählerverhalten V
• Das Modell
– Im Gleichgewicht bieten beide Parteien das
gleiche Wahlprogramm an.
– Es entscheidet aber nicht mehr
notwendigerweise der Medianwähler.
– Die Parteien gleichen den Grenznutzen der
Wähler gewichtet mit ihren politischen
Reaktionen aus.
• Größere Reaktionen rufen stärkere Veränderungen
auf Seiten der Parteien hervor.
• Präferenzintensitäten werden berücksichtigt.
Pol. Ökonomie
48
Probabilistisches Wählerverhalten VI
• Das Modell
– Sind die marginalen Reaktionen gleich, so
entspricht die Lösung im Modell
probabilistischen Wahlverhaltens derjenigen
einer Bentham‘schen Wohlfahrtsfunktion.
– Die neoklassische Welt ist wieder in Ordnung.
• Problem
– Annahme konkaver Wahrscheinlichkeitsfunktionen (Kirchgässner, 2000).
– Bewegt sich eine Partei weg vom Optimum
verliert sie viel und gewinnt wenig.
Pol. Ökonomie
49
Probabilistisches Wählerverhalten VII
• Problem
– Vernünftig, wenn die Wählerpräferenzen nicht
zu weit auseinander liegen.
• Bsp.: allgemeine Fragen wie in der Steuerpolitik.
– Liegen die Wählerpräferenzen weit auseinander (Minderheitenprobleme, moralisch befrachtete Entscheidungen), oder werden sie
von Abgeordneten mit klaren Instruktionen
vertreten, so resultiert erneut Instabilität.
– Annahme konkaver W‘keitsfunktionen
entspricht damit einer Restriktion der
zugelassenen Präferenzen (wie bei Arrow).
Pol. Ökonomie
50
Zusammenfassung I
• Ausgangspunkt der politischen
Ökonomie ist die Diskussion um soziale
Wohlfahrtsfunktionen
• Arrow zeigt, dass sich individuelle
Präferenzen nicht widerspruchsfrei
unter allgemeinen Bedingungen
aggregieren lassen.
Pol. Ökonomie
51
Zusammenfassung II
• Die Rolle der Medianwählermodells
– zyklische Mehrheiten ergeben sich bei
mehrgipfligen Präferenzen und
mehrdimensionalen Entscheidungen.
– Nur anwendbar in direkten Demokratien.
– Aber: Why so much stability?
• Probabilistisches Wählerverhalten
– Arbeiten mit einem ‚Trick‘, um Stabilität zu
erhalten.
– Präferenzrestriktion wie bei Arrow.
Pol. Ökonomie
52
Literatur
– Arrow, K. J. (1951), Social Choice and Individual Values, New York: John
Wiley and Sons, rev. ed.
– Bergson, A. (1938), “A Reformulation of Certain Aspects of Welfare
Economics,“ Quarterly Journal of Economics 52, pp. 314-44.
– Downs, A. (1967), An Economic Theory of Democracy, New York: Harper
and Row.
– Kirchgässner, G. (2000), “Probabilistic Voting and Equilibrium: An
Impossibility Result,“ Public Choice 103 (1-2), pp. 35-48.
– Mueller, D.C. (2003), Public Choice III, Cambridge University Press,
Cambridge.
– Nash, J. F. (1950), “The Bargaining Problem,” Econometrica 18, pp. 155-62.
– Samuelson, P. A. (1947), Foundations of Economic Analysis, Cambridge:
Harvard University Press.
Literatur
53
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