Anorganische Chemie I A. Mezzetti 1. Obligatorische Übung Fragenkatalog IV 1. Aufgabe Der Komplex [Co(L)4]2+ (A) ist rot und hat ein magnetisches Moment µeff von 2.4 BM (etwa 25% davon stammt aus einem Bahn-Beitrag und kann nicht durch die Spin-Only-Formula erklärt werden). Der einzähnige Ligand L ist ein sehr starker σ-Donor (seine π-Eigenschaften können vernachlässigt werden). Er bindet mit dem eingezeichneten Elektronenpaar: Me Me Et N N Et (a) Bestimmen Sie Oxidationszahl und Elektronenkonfiguration in A! 2+ (1 Punkt) 7 [Co(L)4] (A) ist dikationisch und enthält nur neutrale Liganden → Co(II), d (b) Welche Struktur hat A? Diskutieren Sie die Bindungsverhältnisse und magnetische Eigenschaften mittels VB und KFT. (3 Punkte) Aus dem magnetischen Moment: (2.4 × 0.75) BM = 1.8 BM erkennt man, dass der Komplex nur ein ungepaartes Elektron besitzt. Für einen vierfach-koordinierten Komplex gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder tetraedrisch oder quadratisch planar. In der Valence-Bond-Theorie werden diese Strukturen für die d7-Elektronenkonfiguration folgendermassen dargestellt: L L L L L 2+ 4L high-spin d7 sp3, tetraedrisch Co L Co L L d 2+ low-spin d7 d s px py pz 4L s px py pz dsp2, quadratisch planar Die quadratisch planare Struktur ist im Einklang mit dem magnetischen Moment (1 ungepaartes Elektron). Für einen tetraedrischen d7-Komplex erwartet man drei ungepaarte Elektronen. Quadratische planare Komplexe haben IN DER REGEL die d8-Elektronenkonfiguration. Es handelt sich hier um eine AUSNAHME. (c) Stellen Sie das Energieniveauschema auf (mit Elektronen) und diskutieren Sie die magnetischen Eigenschaften! (2 Punkte) Bemerkung: In den Energie-Schemata soll ersichtlich sein, welche Orbitale besetzt sind! Die Herleitung der Energieniveauschemata für die planar quadratischen und tetraedrischen Geometrien ist in der Vorlesung besprochen worden: Td C4v Oh L L M L M L L L L high-spin d7 L L L L L M L L low-spin d7 b1 x2–y2 !o eg t2 !t !o e b2 xy a1 z2 t2g e xz, yz Die meisten tetraedrischen Komplexe sind high-spin, weil: 4 !t = !o 9 Somit würde man 3 ungepaarte Elektronen für einen tetraedrischen d7-Komplex, was nicht zutrifft. In planar quadratischen Komplexen hingegen ist die Energiedifferenz zwischen den d(xy)und d(x2–y2)-Orbitalen gross (mit Δo vergleichbar). Hier ist die (selten) low-spin-d7-Elektronenkonfiguration (mit einem ungepaarten Elektron) möglich. Gemäss Text der Aufgabe ist der einzähnige Ligand L ein sehr starker σ-Donor. Strarke σDonoren, wie z. B. Hydrid, Phosphin, oder Alkyl sind auch stark-Feld-Liganden (siehe spektrochemische Reihe). Demzufolge ist es nicht überraschend, dass L offensichtlich in der Lage ist, die -d7-Elektronenkonfiguration zu erzeugen. 2. Aufgabe [Fe(CO)5] (C), ein diamagnetischer Komplex, reagiert mit OH– unter Bildung von [Fe(CO)4]2– (D). [Fe(CO)5] (C) !CO 2 OH – – # !!!" [Fe(COOH)(CO)4] """" [FeH(CO)4]– 2– OH – !!!! " [Fe(CO)4] –H 2O (D) – Oxidationszahl, Elektronenkonfiguration und gesamte Elektronenzahl in C und D? (2 Punkte): Komplex C: Fe(0) d8 18 Elektronen Komplex D: Fe(–2) d10 18 Elektronen – Diskutieren Sie die Struktur von C und D anhand des VB-Modells! (2 Punkte) CO ist ein stark-Feld-Ligand. Deshalb erwarten wir low-spin-Komplexe. Somit bleibt in der d8-Elektronenkonfiguration ein d-Orbital unbesetzt: 5L low-spin d8 Komplex C: dsp3 d s d10 px py pz 4L Komplex D: d s px py pz sp3, tetraedrisch Das VB-Modell sagt nichts darüber aus, ob Komplex C quadratisch-pyramidal oder trigonalbipyramidal ist. Wir werden in einer späteren Übung sehen, dass π-Akzeptor-Liganden die trigonale-bipyramidale Struktur stabilisieren. Wegen seiner d10- Elektronenkonfiguration kann Komplex D nur tetraedrisch sein. – Diskutieren Sie die Struktur von D anhand des KFT-Modells! Ist dieser Ansatz in diesem Fall nützlich? (1 Punkt) Das VB-Modell besagt, dass Komplex D als d10-System tetraedrisch und diamagnetisch ist (siehe oben). Hingegen ist der KFT-Ansatz für solche Komplexe nicht hilfreich, da die gesamte LFSE = 0 ist: t2 (xy, xz, yz) !t e (z2, x2–y2) 3. Aufgabe Der Hexaaquakomplex F wird aus [Cr(OH2)6]3+ (E) in Wasser mit Zn/Hg unter Inertgas hergestellt: Zn/Hg [Cr(OH2)6]3+ (E) ! !!!" F Inertgas (a) Der isolierte Komplex F hat µeff = 4.9 BM. Formulieren Sie F und erklären Sie seine magnetischen Eigenschaften! (Hinweis: Zur Formulierung von F sollen Sie die Eigenschaften vom Aqualiganden berücksichtigen!) (3 Punkte) Da Zn/Hg ein Reduktionsmittel ist, hat F eine kleinere Oxidationszahl als E. Das magnetische Moment von 4.9 BM zeigt, dass Komplex F 4 ungepaarte Elektronen besitzt, was auf eine high-spin-d4- oder high-spin-d6-Elektronenkonfiguration hindeutet. Letztere ist chemisch nicht sinnvoll, weil starke π-Akzeptor-Liganden (z.B. CO) nötig sind, um Cr(0) zu stabilisieren. Als Alternative bleibt Cr(II) in der high-spin-d4-Elektronenkonfiguration. Dies ist aus folgenden Gründen chemisch sinnvoll: (a) Chrom ist ein 3d-Metall (b) in einem relativ niedrigen Oxidationszustand (II) und (c) der Aqualigand ist ein schwachfeld-Ligand. Alle diese Beobachtungen deuten auf ein kleines Δo hin. Somit: Oh 2+ L L L Cr2+ L L L L L L Cr0 L L L eg eg t2g t2g Somit ist F der Hexaaquachrom(II)-Komplex [Cr(OH2)6]2+. (b) Saure Lösungen von [Cr(OH2)6]3+ (E) enthalten einen Aquakomplex, dessen pKa1 4.0 beträgt. Für F ist pKa1 = 9. Erklären Sie diese Differenz! (1 Punkt) Die Beobachtung ist mit dem Elektroneutralitätsprinzip im Einklang. Dies besagt, dass die Kovalenz der Cr–O-Bindung mit der Oxidationszahl zunimmt. Dadurch wird die O–HBindung geschwächt → die Azidität des Aquakomplexes nimmt zu: [CrII(OH2)6]2+ + H2O [Cr(OH)(OH2)5]+ + H3O+ pKa1 = 9 [CrIII(OH2)6]3+ + H2O [Cr(OH)(OH2)5]2+ + H3O+ pKa1 = 4