Neuromodulation und Verhalten Hans-Joachim Pflüger Institut für Biologie, Neurobiologie [email protected] „Klassischer“ Neurotransmitter (Botenstoff) Motoneuron Muskel Synaptische Vesikel * an chemischen Synapsen vom präsynaptischen Neuron frei gesetzt * öffnet Ionenkanal auf der postsynaptischen Seite (ionotroper Rezeptor) * sehr rasche Antwort der postsynaptischen Zelle (innerhalb von Millisekunden) * Beispiele: Acetylcholin, Glutamat, GABA, Glycin, Serotonin (oder 5-HT) Synaptischer Spalt Modulierendes Neuron (Neuromodulator) Präsynapse Das synaptische Neuromodulatoren Netzwerk Retrograde Transmitter (z.B. NO, CO) Präsynapse Postsynapse Klassische Neurotransmitter Astroglia Neuromodulator * vom präsynaptischen Neuron frei gesetzt, wirkt in einem größeren Bereich auf mehrere postsynaptische Zellen („volume space“) * bindet an metabotrope Rezeptoren (G-Proteine), welche in den postsynapischen Zellen eine Signalkaskade auslösen unter Bildung eines sekundären (intrazellulären) Botenstoffs (secondary messenger), auch Genexpression * langsame Antwort in den postsynaptischen Zellen mit anhaltender Wirkung (Sekunden bis Stunden) Neurohormon * In die Blutbahn freigesetzt, wirkt global im Körper * bindet an metabotrope Rezeptoren (G-Proteine), welche in den postsynaptischen Zellen eine Signalkaskade auslösen unter Bildung eines sekundären (intrazellulären) Botenstoffs (secondary transmitter) * Steuerung der Genexpression * langsame Antwort in den postsynaptischen Zelle mit sehr anhaltender Wirkung (Tage bis Jahre) Ionotroper Rezeptor Metabotroper Rezeptor ATP cAMP intrazellulärer Botenstoff (secondary messenger) z.B. nikotinischer ACh-rezeptor z.B. muskarinischer ACh-rezeptor Extrinsische Neuromodulation postsynaptische Neurone präsynaptisches Neuron Kompartiment der Freisetzung (volume space) neuromodulatorisches Neuron Eine Art der intrinsischen Neuromodulation: Co-Transmission postsynaptisches Neuron präsynaptisches Neuron Synapse Neuromodulatoren sind verantwortlich für das plastische Verhalten des zentralen Nervensystems Aktionsebenen der Neuromodulatoren VERHALTEN: Wahl und Auslösung (Neuronen-Ensembles, Netzwerksysteme) Neuromodulatoren, Neurohormone BIOMECHANIK/MUSKULATUR: Ausführung von Verhalten (Effektororgane) Neuromodulatoren, Neurohormone NEURONALE NETZWERKE: Rhythmuserzeugung, Rekonfiguration von Netzwerken (Periode, Amplitude, Phase), Neuromodulatoren (Veränderung synaptischer Verstärkung und der elektrischen Eigenschaften) EINZELNEURONE (elektrische Eigenschaften) Neuromodulatoren (Ionenströme) SIGNALKASKADEN (Regulation der elektrischen und biochemischen Eigenschaften incl. EnergiestoffWechsel), Neuromodulatoren, Neurohormone GENE UND PROTEINBIOSYNTHESE (Lanzeitveränderungen), Neuromodulatoren Neurohormone Neuromodulatorische Systeme des menschlichen Gehirns Neuromodulatorische Systeme Noradrenerges System/Noradrenalin/Locus coeruleus: Aktivierung, Erregung, unspezifische Aufmerksamkeit Serotonerges System/Serotonin (5-HT)/Raphé-Kerne: Dämpfung, Beruhigung, Wohlbefinden Dopaminerges System/Dopamin/VTA und Nucleus accumbens: Antreibend, belohnend, Neuigkeit Cholinerges System/Acetylcholin/basales Vorderhirn: Gezielte Aufmerksamkeit, Gedächtnissteuerung NH2 CH HO COOH TH TYROSIN DOPAdecarboxylase NH2 CH2 OCTOPAMIN PNMT PhenylethanolaminN-methyltransferase OH HO CH2 DOPAMIN HO HO SYNEPHRIN NORADRENALIN PhenylethanolaminN-methyltransferase HO HO NH2 CH2 OH CH3 DBH OH NH CH2 DD NH2 Dopaminß-hydroxylase DBH COOH DOPA HO TYRAMIN OH HO HO HO CH 2 Dopaminß-hydroxylase CH DOPAdecarboxylase DD NH2 HO NH2 Tyrosinhydroxylase HO PNMT NH CH2 ADRENALIN CH3 Neuromodulatorische Systeme des menschlichen Gehirns Lophotrochozoa: Mollusken (Weichtiere) Anneliden (Ringelwürmer) Plattwürmer Ecdysozoa: Nematoden Fadenwürmer Limulus Pfeilschwanzkrebs Cheliceraten, Spinnen Crustaceen, Krebse Insekten Silberfische Schmetterlinge Heuschrecken Schaben Käfer Warum sind Untersuchungen an Wirbellosen wichtig ? * Mindestens 95% aller Tierarten gehören zu den INVERTEBRATEN approx. 25% approx. 70% Invertebraten - sind die erfolgreichsten Organismen der EVOLUTION - sind an ihre Umwelt sehr gut angepaßt - besitzen Besonderheiten, die es ihnen erlauben, in einer bestimmten ökologischen Nische zu leben ? Beispiele für die Wirkung von Neuromodulatoren Das stomatogastrische Ganglion der Krebse (Dank an PD Dr. Petra Skiebe-Corrette) Cherax destructor (australischer Flußkrebs) Das stomatogastrische Nervensystem STG STG Augenstiele Kopfarterie gastri sche gastrische Mühle Mühle Gehirn Cardia Cardia Pericardialorgan Pylorus coc poc OG Ösophagus Herz CoG SOG Modified from Skiebe (1999) J Comp Neurol 403: 85-105 A CoG Das STNS und seine Ganglien ivn OG B ln ion stn on son STG dpon stn aln aln STG mvn dgn dvn lvn lgn mvn mgn pyn dvn pdn D C ion D CoG OG ion Picture of the OG ivn son Marder E, Skiebe P (2002) Progress Neurobiol, in Vorbereitung on ion Ableitmethoden, die es erlauben, die synaptischen Verschaltungen der Neurone zu untersuchen ion CoG ivn OG son PD stn LP aln STG Pylorisches Netzwerk mvn dvn PY PD LP PY dvn PD2 LP PY5 IC VD pdn pdn AB LPG2 Marder E, Skiebe P (2002) Progress Neurobiol. Das STNS generiert 4 motorische Muster STG eyestalk brain coc ophthalmic artery heart gastric mill cardiac sac pylorus poc OG esophagus pericardial organ CoG SOG son ion ivn 1) 2) 3) 4) schlucken kneten zerkleinern (kauen) sortieren GM DG Und 5) CD2 erbrechen (auch Hummer „kotzen“ !) LP pdn mvn 10s Marder E, Skiebe P (2002) Encyclopedia of Neuroscience, akzeptiert. Das pylorische Muster * Periode 0.5 to 2 s dilators constrictors extracellular recordings from nerves anterior burster Das gastrische Muster * Period 30 s Nezwerk (Verschaltungen) der gastrischen Mühle median tooth lateral teeth Picture Dirk Bucher Wie wirkt alles zusammen ? Transmitter und Modulatoren im stomatogastrischen Ganglion Neuroactive mediators ACh Glu GABA stn dvn amines DA HA Oct 5-HT gas NO peptides AST β-PDH Buc CCAP CCK Cor FMRF Myo Orco Proc RPCH TRP Modified from Skiebe (2001) J Exp Biol 204:2035-2048 * Die verschiedenen Rhythmen des stomatogastrischen Ganglions werden durch Neuromodulatoren erzeugt. * Die Zellen, welche diese Neuromodulatoren frei setzen, befinden sich in Ganglien des Zentralen Nervensystems und senden ihre Axone in das stomatogastrische Ganglion. * Die Neuromodulatoren dienen also dazu, ein anatomisch vorstrukturiertes Netzwerk in ein funktionelles Netzwerk zu konfigurieren. Beispiele für die Wirkung von Neuromodulatoren Die Schwimmbewegungen der Meeresschnecke Tritonia Meeresschnecke TRITONIA* * Ein Hinterkiemer Tritonia gleitet mit dem Fußmuskel Fluchtschwimmen von Tritonia Trifft Tritonia auf einen ihrer Feinde, einen Seestern, kommt es zur Flucht ! http://www.unc.edu/depts/geomag/John/Pictures/TritoniaCNS.jpg Home page John H. Wang, Univers. of Hawaii Zwei mit Fluoreszenzfarbstoff gefüllte Motoneurone im Gehirn von Tritonia Zwei mit Fluoreszenzfarbstoff gefüllte sensorische Neurone im Gehirn von Tritonia 5-HT (Serotonin) – immunoreaktive Neurone im Gehirn von Tritonia, einer Meeresschnecke (Homepage von Paul S. Katz, Georgia State Univ., Atlanta, USA Entladung von Neuronen im ZNS Stellung des Körpers Ventrale Beugerneurone Dorsale Beugerneurone Interneurone, wichtig Schwimminterneuron, für das Ende vom wichtig für das Ende schwimmen Dorsale Schwimminterneurone Ventrale Schwimminterneurone Ventrale Schwimminterneurone Sinneszellen Tr1, Triggerneuron 1, feuert einmal zum Schwimmbeginn Kommandoneuron DRI Swim initiating neurons Neurone, die Schwimmen auslösen Central patern generator Zentraler Rhythmusgenerator Beuger Neurone Diese besitzen 5-HT, 5-Hydroxytryptamin, oder Serotonin, als Transmitter 1) Schneller Transmitter „klassischer Neurotransmitter“ 2) Langsamer Transmitter „Neuromodulator“ Moduliert Neuron C2 - Terminierung von Schwimmen - Habituation - Sensitisierung Biogene Amine (Serotonin oder Octopamin) sind an aggressivem Verhalten beteiligt Beispiele für die Wirkung von Neuromodulatoren Octopamin und die Modulation motorischer Netzwerke Zentrales Nervensystem eines Insekts Octopamin beteiligt an: - motorischem Verhalten von Invertebraten incl. Fluchtverhalten (aktiviert zentrale Rhythmusgeneratoren, Flugmotor in Wanderheuschrecken, Fressverhalten von Weichtieren, Mollusken - anderem lang anhaltendem Verhalten, - „Arousal“ , Aufmerksamkeit bei neuen Reizen - Aggression (Grillen, Drosophila) - Assoziativem Lernen (Belohnungstransmitter, Honigbiene) - Prozessen der Stoffwechselregulation (Glykolyse, O2) Octopamin - wirkt in der Peripherie und im ZNS als (i) Neurotransmitter (Lumineszenz der Glühwürmchen), (ii) Neuromodulator (freigesetzt an bestimmten Zielgeweben), (iii) Neurohormon (freigesetzt in die Hämolymphe). Atlas of locust brain, courtesy Angela Kurylas, University of Marburg Optic lobes Mushroom bodies Protocerebrum Deutocerebrum 200 µm Central body Antennal lobes Tritocerebrum Kononenko, Wolfenberg and Pflüger, in preparation Octopaminerge Neurone im Unterschlundganglion von Insekten honey bee (VUMmx-neurone, Hammer 1993) (Bräunig, P. (1991). Philos. Trans. R. Soc. Lond. [B] 322, 221-240) Locusta migratoria I Immunocytochemie Ein Antikörper gegen Octopamin markiert alle Zellen, die Octopamin enthalten Meso SEG Meta DUM 3,4 in Meta dorsal Pflüger & Stevenson (2005), Arthropod Structure & Development 34: 279-296 Meta post Sagittal section through Meta Stevenson, P. et al., J. Comp. Neurol. 315, 382-397, 1992 courtesy of H.Cruse and J. Schmitz, Uni Bielefeld Octopaminerge Neurone Stabheuschrecke (Carausius morosus) From: Mentel, Weiler, Büschges and Pflüger, submitted Ein Vorteil der Insekten: * Intrazelluläre Ableitungen von octopaminergen Neuronen während „stationärem“ motorischem Verhalten (mit einigen sensorischen Rückkopplungen intakt) oder vom isolierten zentralen Nervensystem, bei dem motorische Rhythmen pharmakologisch ausgelöst werden (fiktives Verhalten) meso meta Stabheuschrecke Einbeinpräparat *octopaminerge Neurone werden bei Beginn der Bewegung depolarisiert * Phasische Aktivierung bei jedem Schritt Modulation der neuromuskulären Übertragung * durch Stimulation der octopaminergen Neurone * durch Applikation von Octopamin im Bad (Außenmedium) * Erhöhte Zuckungsamplitude und Relaxationsgeschwindigkeit * Weniger Grundspannung bei hohen Reizfrequenzen * Verhinderung von Catch-Effekten (Stevenson and Meuser, JEB 202: 633-642, 1997) Review: Bräunig and Pflüger, Adv Insect Physiol, 2001, after Evans, O’Shea and others Erhöhung der Glykolyse durch Octopamin (dadurch vermehrte Bildung von ATP) OCTOPAMINE octopamine receptor OCTOPAMINE Adenylate-Cyclase octopamine receptor Fructose-2,6bisphosphate 6-Phosphofructokinase Glycolysis from PhD-thesis T. Mentel Mentel, T. et al., J. Neurosci. 23: 1109-1113, 2003 Flug der Wanderheuschrecke Stationärer Flug Octopaminerge Neurone der Flugmuskeln werden GEHEMMT Ocopaminerge Neurone der Bein- und Thoraxmuskeln werden AKTIVIERT Inhibition (Hemmung) 1 x pro Flügelschlag) Starke Aktivierung während der Flugperiode Duch and Pflueger, J Comp Physiol A 184: 489-499, 1999 Octopaminerge Neurone werden auch beim fiktiven Flug (isoliertes Bauchmark), der pharmakologisch ausgelöst wird, entsprechend gehemmt oder aktiviert. Octopaminerge Neurone der Flugmuskeln Octopaminerge Neurone der Bein- und Thoraxmuskeln Duch and Pflueger, J Comp Physiol A 184: 489-499, 1999 Modell: Freie Lipide HÄMOLYMPHE AKH Octopamin MUSKEL Muskel Glykogen ATP AMP PFK ZNS * F2,6P 2 DUM Neurone zu Flugmuskeln Neuromodulatoren - ändern die Wirksamkeit (Verstärkung) der synaptischen Übertragung - konfigurieren zentralnervöse Netzwerke (durch Wirkung auf einzelne Neurone oder synaptische Verbindungen) - wirken auf den Metabolismus von Neuronen (z.B. Energiebedarf) und auf andere Prozesse des Stoffwechsels - wirken auf allen Ebenen (systemisch, zellulär) im Nervensystem - sind die wichtigsten chemischen Mediatoren der Plastizität im Nervensystem