Mein Leben Ich heiße Julia Olemskaya, bin am 3. September 1942 in Cipikan geboren. Dies ist ein Goldgräberdorf im Bezirk der autonomen Burjatskaja Mongolskaja Republik, welche später als Burjatskaja ASSR (Autonome Sozialistische Sowjetrepublik) bekannt wurde (1929-1992) und heutzutage als Republik Burjatien in Russland bekannt ist. Cipikan war die Hauptgrube für Gold in der UdSSR. Grube in Cipikan am Maifest 1940 Mein Heimatdorf Mein Heimatdorf liegt tief in Sibirien in der Taiga und ist 3 Stunden von Ulan Ode mit dem Flugzeug entfernt, wobei man dann noch zusätzlich 90km mit den Pferden nach Cipikan zurücklegen musste. Gold wurde damals mit den Händen aus der Grube geholt oder durch Goldwäsche mithilfe eines Schwammbaggers herausgeholt. Manchmal fand man sogar Goldstücke von 2-5g. Als wir dann das Gold abgaben, erhielten wir Bons mit denen wir Güter wie Lebensmittel oder Kleidung erhielten. Die Grube lag beim Fluss Cipikan, von der sie auch ihren Namen bekam. Diese lag in einer Senke zwischen vielen Gebirgen auf denen viele Pflanzen wuchsen. So sprießte im Frühling der Sumpfforst auf den Bergen, was diese in ein schönes rosa tauchte und im Sommer erblühte der Weiße Klee und es sah aus, als würde auf den Bergen Schnee liegen. Im Wald wuchsen viele Preiselbeeren, Moosbeeren und Blaubeeren, welche wir gerne als Kinder pflückten. Im Winter, als der erste Frost schon vorbei war, sammelten wir Hagebutten, welche dann wegen der Vereisung besonders süß waren. Im Sommer fischten wir Barsche im Fluss und holten dann daraus auch das Wasser für den Haushalt, welches wir auf zwei Eimern auf dem Tragejoch transportierten. Wenn der Fluss eingefroren war, mussten wir Eisblöcke herausbrechen und diese mit dem Schlitten nach Hause transportieren. Im Winter war es grundsätzlich immer –40°C, was wir als Kinder nutzten um mit selbstgebauten Schlittschuhen, die aus einer festgebundenen Schneide an unseren Filzschuhen bestanden, auf dem Fluss zu laufen. Unser Haus wurde mit einem Ofen beheizt und wir mussten das Holz aus dem Wald holen. Es gab keinen Fernseher, aber ein Gemeinschaftsradio, welches draußen für alle hörbar durch Lautsprecher erklang. Nur wichtige Nachrichten wurden dabei weitergegeben. Strom gab es nur zu bestimmten begrenzten Uhrzeiten am Tag und deswegen benutzten wir immer Petroleumkocher und Petroleumlampen. Neben unserem Haus gab es einen kleinen Garten, wo wir Gemüse wie Kartoffeln, Gurken und Tomaten im Sommer anpflanzten. Im Herbst marinierten wir Weißkohl und Runkelrüben in einem großen Fass und alle Beeren, die wir gepflückt haben, konservierten wir in Zucker um Vorräte für den Winter zu haben. Im Winter konnte nämlich nur über den gefrorenen Fluss Lebensmittel nach Cipikan gebracht werden. Solange dieser nicht zugefroren war, kamen keine Lebensmittel ins Dort. Obst galt dabei bei uns als Delikatesse, weil wir dieses nur selten ins Dorf bekamen. Meine Schule Es gab nur eine Schule bestehend aus 10 Klassen. Es war die einzige Schule die bis zur 10ten klasse ging, deswegen kamen viele Kinder aus kleineren Dörfern zu uns um hier zu lernen. Entweder lebten diese dann in einem Internat in Cipikan oder sie kamen jeden Tag mit dem Pferd zur Schule beziehungsweise legten dann 3-5km zu Fuß zurück. Die Schule besuchten viele Kinder unterschiedlichster Nationalitäten da, wie beispielsweise Russen, Burjaten, Evenken, Deutsche, Juden und Chinesen. Als Kinder haben wir diese Unterschiede nicht bemerkt, wir waren alle miteinander befreundet. Oft veranstalteten wir Wettkämpfe mit anderen Schulen in Tanzen, Volleyball, Schlittschuh laufen, etc. Ich beteiligte mich gerne daran und wurde auch immer erste unter den Mädchen. Insgesamt kann ich behaupten, dass ich eine glückliche Kindheit gehabt habe. Meine Familie Meine Mutter, Tatiana Inokentjewna Olemskaya arbeitete als Lehrerin in der Grundschule und mein Vater Boris Georgijewitsch Olemski arbeitete als Schulinspektor. Er diente auch im 2.Weltkrieg und wurde dort am Kopf verletzt. Ich hatte zwei Geschwister, meine ältere Schwester Engelsina, 1936 geboren, und meinen Bruder Igor, 1941 geboren. Weihnachten 1952 in unserer Familie, v.l. mein Vater, ich, Engelsina, Igor und meine Mutter Wir absolvierten alle die mittlere Reife in Cipikan und reisten alle nachher in drei unterschiedliche Städte aus. Engelsina ging nach Chita und studierte Medizin. Mein Bruder ging nach Angarsk und besuchte dort die Ingenieurhochschule und ich fuhr nach Irkutsk im Jahre 1959 und wollte auch Ingenieurwesen studieren, bestand allerdings zunächst die Aufnahmeprüfung nicht und musste arbeiten gehen. Ich arbeitete zuerst in einer Schuhfabrik, aber konnte 1961 mit meinem Studium in Angarsk bei meinem Bruder beginnen. Ich studierte abends und arbeitete während dem Tag als Chemietechnologin in einer Heiz- und Erdölfabrik. Ich während der Arbeit in der Fabrik im Jahre 1967 An meiner Arbeitsstelle waren alle freundlich und sehr sportlich. Dort lernte ich auch eine Frau kennen, die mich zum Alpinismus brachte. Alpinismus Am Wochenende und an den Feiertagen unternahmen wir Ausflüge zum Baikalsee. 1966 auf dem Baikalsee, ich bin die mit der gestreiften Mütze Oft aber auch gingen wir in die Sayany, einem Gebirge dessen höchster Punkt bei 3400m liegt. Dort lernte ich, wie man mit dem Seil auf den Berg kletterte, wie man richtig auf dem Schnee ging, wie man sich in den Felsen korrekt bewegt, wenn diese mit Eis bedeckt sind und wie man richtig Ski fährt. Beginn des Aufstieges in die Sayany im Jahre 1967 Im Sommer ging ich dann in ein Alpinismus-Camp im Kaukasus und im Tian Shan Gebirge, dessen Spitze über 7000m hoch ist und in Zentralasien, genauer im heutigen Turkmenistan und Kyrgystan liegt. 1966: mich sieht man in der Ecke rechts auf dem Tian Shan Hier der Tian Shan in seinem kompletten Ausmaß Einige Male habe ich an Alpinismus-Wettkämpfen teilgenommen. Ich nahm immer an der zweiten Division dieser teil und erklomm unter anderem folgende Berge: Dombai (4000m), Sulajad (3400m), Amangeldi (4000m) und Kasbek (5000m). Mein Umzug nach Togliatti Im Jahr 1967 absolvierte ich dann die Universität mit einem Diplom als "Ingenieur Technologin". Ich arbeitete noch weitere zwei Jahre in der Fabrik in Angarsk bevor ich mich entschied wegzufahren. Ich fuhr an eine internationale Baustelle eines Autowerkes für Lada an die Wolga. Ganz viele Menschen aus der ganzen Sowjetunion zog es dorthin. Das Autowerk haben wir ans Ufer der Wolga zwischen den Shiguli-Gebirgen gebaut. Die damalige Stadt dort war größtenteils komplett versunken und in der heutigen Zeit befindet sich das Shiguli-Meer über ihr. Somit begangen wir mit dem Neuaufbau und tauften den verbliebenen Teil Togliatti. Ich erhielt eine Wohnung in einem Arbeiterwohnheim, wobei wir uns immer zu dritt eine Wohnung teilten und alle Bewohner eines Wohnheims eine Küche. Die Stadt war sehr klein und bestand damals nur aus ungefähr 20 Gebäuden und einem winzigen Einkaufshaus. Ich war in der Ingenieurabteilung des Autowerkes eingestellt. Dieses lag 20km von meiner Wohnung entfernt. Besonders schwer war es dabei im Winter pünktlich zur Arbeit zu kommen, da es sehr viel Eis und Schnee gab, wie es hier so üblich ist, und der Bus oft im Schnee stecken blieb oder gar ganz ausfiel. Die Frauen mit denen ich meine Wohnung teilte waren alle sehr nett und kamen aus den unterschiedlichsten Ecken der UdSSR. Wir waren alle gut miteinander befreundet und organisierten gern mit den Männern aus den anderen Wohnheimen Partys. Dort sangen, tanzten und unterhielten wir uns gern und hatten eine tolle Zeit. Im Sommer gingen wir dann oft gemeinsam zur Disko und zu unterschiedlichsten Festen und Veranstaltungen in der Nähe. Schließlich wurden wir junge Leute alle vom Autowerk zur Baustelle geschickt um Häuser und Wohnungen in Togliatti zu errichten. Hiernach erhielt dann jeder seine eigene Wohnung und nach zwei Jahren auf der Warteliste erhielt ich dann auch schließlich eine 1-Zimmer-Wohnung im Jahre 1973. So wurde Togliatti schnell erbaut und es entstanden Schulen, Einkaufszentren, Kulturhäuser, eine Universität,… Als ich wieder im Autowerk arbeitete, wuchs die Zahl der Angestellten in meiner Abteilung auf über 300 und so bauten wir neben dem ehemaligen Gebäude ein neues, welches elf Stockwerke hoch war. Jeder sollte nach der Reihe nach einen Monat auf der Baustelle dieses Gebäudes arbeiten. Auch ich tat dies und betätigte mich als Stuckateurin und spachtelte die Wände. Somit konnte dieses Gebäude im Jahre 1980 fertiggestellt werden. Abteilung aller Ingenieure Manchmal wurde ich beruflich auf Dienstreisen geschickt und kontrollierte in anderen Autowerken die maschinelle Ausrüstung. Ich legte deren Normen fest, erstellte technische Zeichnungen und übergab diese dann den dortigen Werken. Besonders schwer empfand ich die Verlegung der Leitungen um chemische giftige austretende Gase zu vermeiden, jedoch gelang mir auch dies. Weitere Verdienste Im Jahr 1984 erhielt ich den Titel als Arbeitsveteran der UdSSR, da ich schon 27 Jahre arbeitete. 1990 erhielt ich dann auch eine Medaille von Lada als Veteran. Das erste Auto wurde am 1.April 1970 fertiggestellt und während meiner Zeit bei Lada wurden ungefähr 20 Millionen Autos fertiggestellt. Im Jahre 1997 wurde ich 55 Jahre alt und wurde somit zur Rentnerin. Mein 55.Geburtstag im Jahre 1997 Und so sehe ich heute aus: