Handout zum Vortrag von Peter Köster: „Achtung Pubertät! Was ist bloß mit unseren Kindern los? Einblicke und Antworten aus der Hirnforschung und Neurobiologie „Auf die Wurzeln kommt es an!“ - (Früh-)Kindliche Entwicklungspotentiale als Basis gesunden Lernens Ab der 9. Schwangerschaftswoche beginnt die embryonale und fetale Bildung und Reifung neuronaler Strukturen. Diese erlauben dem Fetus im weiteren Entwicklungsverlauf Sinneseindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten, beispielsweise die Klangfarbe von Mutter und Vater oder die körperliche ‚Wahrnehmung’. Bereits vorgeburtlich finden also Lernprozesse statt. Auch wenn noch keine bewusste Ich-Abgrenzung möglich ist, lernt das ungeborene Kind bereits die wichtigsten Grunderfahrungen, nämlich Nähe und Geborgenheit. Aus dieser Sicherheit heraus können sich postnatal grundlegende Kompetenzen wie etwa Kreativität, Empathie, exekutive Kontrolle und Resilienz als eine Art ‚Lebensfundament’ bzw. ‚Wurzeln der Persönlichkeit’ ausbilden. Je stärker diese ‚Wurzeln’ ausgeprägt sind, desto offener, neugieriger und lernwilliger entwickelt sich das Kleinkind: Aus der Sicherheit und Geborgenheit der eigenen Umwelt heraus geht es auf ‚Entdeckungsreise’. Achtung Umbauarbeiten! - Der ‚Hausmeister’ macht Urlaub! Bei unserem Hausmeister handelt es sich – na, wissen Sie es noch? – um den präfrontalen Cortex, jenen Teil unseres Gehirns, der Konsequenzen abwägt, Planungen durchführt, Prioritäten setzt, Entscheidungen fällt und u.a. für die moralische Bewertung verantwortlich ist. Die ‚Reifung des Gehirns’ erreicht bei Jugendlichen im Bereich des präfrontalen Cortex sozusagen seinen Höhepunkt. Damit einher geht ein massiver Ab- und Umbau von Nervenverbindungen. Andere Bereiche des Gehirns sind dafür stärker aktiv – richtig! – die ‚Mandelkerne’ (Amygdala). Die Folgen: Entscheidungen sind weniger vernunftorientiert dafür viel stärker impulsiv, Konsequenzen werden weniger reflektiert und die Fähigkeit, die Gefühle von Mitmenschen zu erkennen geht ebenfalls in dieser Phase zurück. Zickenterror! – Pubertät bei Mädchen Mädchen erleben in bestimmten Phasen der Pubertät regelrechte Achterbahnfahrten der Gefühle. Dies hängt vor allem an der Umstellung des Hormonhaushaltes. Hormone sind Botenstoffe, die bereits in kleinsten Mengen hoch wirksam sind. Mit dem Einsetzen der Pubertät werden diese Hormone aber zunächst eher mit dem ‚Eimer ausgeschüttet’ als fein dosiert abgegeben zu werden. Erst nach und nach pegeln sich die richtigen Hormonkonzentrationen ein. Östrogen und Progesteron wirken besonders stark auf ‚Seepferdchen’ (Hippocampus) und ‚Mandelkern’ (Amygdala). Während das Östrogen neuronale Kommunikationsfelder aktiviert, bewirkt es ferner eine Erhöhung der Nervenverbindungen am ‚Seepferdchen’ (Hippocampus) um bis zu 25%! Mädchen sind in dieser Zyklusphase nachgewiesenermaßen scharfsinniger, schneller und flexibler im Denken und Lernen. Gleichzeitig haben sie aufgrund ihres hohen Mitteilungsdranges auch ein extrem hohes Bedürfnis nach Vertrautheit und sozialen Beziehungen. Durch das Progesteron kommt es zum Abbau der Nervenverbindungen, zur Ausschüttung von Cortisol, was zu erhöhter Reizbarkeit und zu generellen Stimmungsschwankungen führt. Gesprächsmuffelalarm – Pubertät bei Jungen Während das Östrogen bei Mädchen zu einer Aktivierung neuronaler Kommunikationsfelder führt, sorgt das Testosteron bei Jungen genau für das Gegenteil. Freuen Sie sich also, wenn Ihr Sohn zwei Sätze mit jeweils mehr als drei Wörtern mit Ihnen redet. Jungs reden weniger. Und wenn sie es doch tun, dann vor allem innerhalb ihrer Peergroup, sprich den Freunden und Kumpels. Insbesondere bei den Jungen zeigt der neuronale Umbau des präfrontalen Cortex seine Folgen: Das Risikoverhalten der 13 bis 16jährigen Jugendlichen steigt mitunter um den Faktor drei an! Dies hängt unmittelbar mit dem Belohnungssystem im Gehirn zusammen. ‚Belohnung’ entsteht hier v.a. dann, wenn sie in der eigenen Gruppe Anerkennung bekommen. Dabei geht es nicht nur um die Rangordnung, sondern auch darum, von den übrigen Gruppenmitgliedern nicht in der eigenen Autorität angezweifelt zu werden. Dies würde in einem gesteigerten Stressempfinden münden, was Jungs nur noch mehr dazu bewegen würde, die Konsequenzen des eigenen Handelns auszublenden. Folgehandlungen wären also noch viel impulsiver (Amygdala!). Null Bock! – das Belohnungssystem ist ‚out of error’ Ein bestimmter Bereich unseres Gehirns – der Nucleus accumbens – versorgt uns mit einer körpereigenen Droge, dem Dopamin. Gelingt uns etwas besonders gut, dann fühlen wir uns gut, weil u.a. Dopamin ausgeschüttet wird. Bei Jugendlichen spielt dieser Teil des Belohnungssystems verrückt – es kommt zu einer Art ‚Neujustierung’ des Belohnungssystems. Die Folge: mal arbeitet es zu schnell – die Belohnung (das gute Gefühl) setzt bereits zu einem Zeitpunkt ein, wenn kaum Aufwand betrieben wurde), mal zu langsam. Es verwundert daher nicht, dass Jugendliche sich immer stärkere Kicks suchen, damit das Belohnungszentrum ihnen ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Dagegen strebt ihre Motivation für andere Dinge, in denen sie keinen Sinn sehen – Hausaufgaben etwa, oder generell in Schule – gegen null. Erwachsene interpretieren dies dann – nicht zu unrecht – als ‚null-BockHaltung’. „Boah, ich bin so müüüüde!“ Veränderungen im Schlafverhalten Unsere Zirbeldrüse ist dafür verantwortlich, ein Hormon auszuschütten, das uns müde macht – das Melatonin. Bei Jugendlichen arbeitet diese Drüse nicht richtig, sodass das Melatonin bei ihnen um ca. 2 Stunden verspätet ausgeschüttet wird. Das hat zur Folge, dass Jugendliche – insbesondere Jungen – abends viel später müde werden. Doch der Wecker klingelt für sie morgens nach wie vor zur selben Zeit. Das Problem: weniger Tiefschlaf in der Nacht und ein noch viel zu hoher Melatonispiegel am Morgen. Die Folge: In der Nacht kann das ‚Seepferdchen’ (Hippocampus) kaum mehr alle Informationen, die es tagsüber aufgenommen hat an die ‚Walnuss’ (Großhirnrinde) weitergeben. Außerdem verspüren Jugendliche morgens dieses Schlafdefizit und sind aufgrund des hohen Melatoninspiegels immer noch müde. Schwierig wird es besonders, wenn Jugendliche kurz vor dem Schlafengehen noch mit dem Handy oder Computer ‚daddeln’. Die ‚Blaustrahlung’ dieser Geräte wird von Experten als sogenannte ‚Blaudusche’ bezeichnet. Die Folge: das müde machende Melatonin wird über den Blaulicht-Impuls zerstört. Und das war’s dann mit der Müdigkeit. Die Folge: die Jugendlichen bleiben noch länger auf. Ein wahrer Teufelskreis. Hier helfen nur klare Regeln, Vorgaben und gemeinsame Absprachen. Studiendirektor Peter Köster ist Fach- und Kernseminarleiter am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) in Köln, war lange Jahre Lehrbeauftragter an der Universität zu Köln und ist mit seinen Vorträgen mittlerweile in ganz Deutschland unterwegs. Dabei referiert er nicht nur vor einer interessierten Zuhörerschaft, sondern berät sowohl Pädagogen als auch Eltern in Workshops. Bei An-/Rückfragen: Mail: [email protected] und/oder Homepage: www.peterkoester.de