Marinus Schoeman: Generositeit en Lewenskuns. Grondtrekke van ’n postNietzscheaanse etiek. Fragmente Uitgewers. Pretoria. 2004. Dissertation Radboud Universität Nijmegen 2004. 222 S. Thema Lebenskunst und Tugendethik Die in Africaans geschriebene Untersuchung des südafrikanischen Autors versteht sich als Beitrag zu den heute wieder aktuellen Bemühungen, die traditionelle Moral durch eine Ethik der Lebenskunst, eine ‘aussermoralische Tugendethik’ zu ersetzen. Ein solches Vorhaben findet ohne Zweifel in Nietzsches Vorschlägen zu einer ‘Umwerthung aller Werthe’, die ebenfalls in diese Richtung weisen, einen geeigneten Ausgangspunkt. Wenn der Autor daneben auch zusätzlich das Werk Hannah Arendts mit einbezieht, so geschieht dies in der Überzeugung, dass nicht wenige wichtige Themen und Überlegungen Nietzsches in ihrem Denken einen Niederschlag und eine Fortführung gefunden haben, ungeachtet des Umstandes, dass Hannah Arendt ihre Gedanken in einem ganz anderen und neuen Kontext und angesichts der Erfahrungen des Totalitarismus des 20. Jahrhunderts entwickelt hat. Letzteres kann aber nach Auffassung des Autors verständlich machen, dass bei Arendt die Politik und die politische Theorie einen viel grösseren Raum einnehmen als bei Nietzsche. Schoeman sieht im Werk von Arendt eine ‘wertvolle und unentbehrliche Perspektive, die Nietzsches Denken in wesentlichen Hinsichten ergänzen und erweitern’ kann (S.206). Aufbau der Untersuchung Nach einem einleitenden Kapitel, das die Bedeutung und Relevanz der heute (wieder) aktuellen Frage nach einer ‘aussermoralischen Tugendethik’ bzw. nach einer (neuen) ‘Lebenskunst’ expliziert, werden in je drei Kapiteln einerseits Nietzsches Vorschläge zu dieser Frage (Kap. 2-4), und andererseits Hannah Arendts Gedanken dazu (Kap. 57) ausführlich und auf der Grundlage zahlreicher Texte und Interpretationen, sowie unter umfassender Heranziehung der einschlägigen Forschungsliteratur, dargestellt und diskutiert. In einem abschliessenden Kapitel (Kap. 8) werden Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen Nietzsche und Hannah Arendt etwas eingehender herausgearbeitet und erörtert, so dass ein detaillierteres Bild der Vorschläge der beiden Philosophen zu den Grundlagen und Umrissen einer ‘aussermoralischen Tugendethik’ entsteht. Zentrale Punkte und Ergebnisse 1. Plädoyer für eine aussermoralische Ethik / Tugendethik Nach Auffassung von Nietzsche und Hannah Arendt muss die Ethik erneuert und d.h. transformiert werden. Beide Denker gehen hierbei von einem Krisenbewusstsein aus. Die durch Werteverlust und Nihilismus entstandene Krise der neuen und neusten Zeit droht alles zu überrumpeln. Als Heilmittel kommt nicht eine soziale Revolution oder eine Wiederherstellung der traditionellen Moralvorstellungen in Frage; technische, soziale oder moralische Lösungsversuche müssen fehlschlagen, denn sie sind selber Symptome dieser Krise. Nötig ist ein Nachdenken über die Krise sowie ein Abschied von oberflächlichen moralischen Illusionen. Der Glaube an eine vorgegebene universelle moralische Weltordnung ist verloren gegangen. Der Totalitarismus und Terror des 20. Jahrhunderts war nicht zuletzt eine Folge dieser moralischen Weltkonzeption, deren Grundlage das Ressentiment bildete. Eine solche Moral, zumal wenn sie einen universellen Anspruch erhebt, führte zu einer Erkrankung und schliesslich in die angedeutete Katastrophe. Der Weg zu einer Heilung ist in einer ethischen Haltung jenseits der traditionellen moralischen Grundhaltung und ihres Ressentiments zu suchen. Ein wahrhaft ethisches Leben ist nur möglich, wenn es auf einem aussermoralischen Ethos basiert. Nietzsche und Hannah Arendt wollen ein solches Ethos in Gestalt einer Tugendethik bzw. (neuen) Lebenskunst entwickeln. 2. Eine Ethik der Lebenskunst bzw. Tugendethik (a) Beide Denker entwerfen einen neuen Tugendbegriff, indem sie – in Anlehung an Macchiavelli - Tugend in einem aristokratischen Sinn als Vortrefflichkeit, als virtù konzipieren. Diese Tugend zeigt und offenbart sich als Handeln, im Unterschied zu sozialem Verhalten, innerer Gesinnung, inneren Motiven. Tugendhaftes Handeln ist ‘gross’, sofern es einmalig bzw. aussergewöhnlich ist. Die ethische Relevanz der tugendhaften Handlung ist performativ und ateleologisch aufzufassen: sie liegt in der Ausführung der Handlung selbst, und nicht in ihren Motiven oder Folgen. Tugendhaftes Handeln hat seinen Wert in sich selbst und kann nicht an bzw. mit externen Maßstäben (Moral, Nützlichkeit) gemessen werden. Die Tugend besteht in der Virtuosität, mit der eine Handlung ausgeführt wird, und diese kann nur in der Öffentlichkeit und in agonistischen Situationen in Erscheinung treten. Es darf und kann keine uniformen oder universellen Vorschriften für diese neue Tugend geben, denn diese verwirklicht sich durch aussergewöhnliche Individuen, auf unike Weise und in ständig wechselnden Handlungskontexten. (b) Daraus geht hervor, dass tugendhaftes Handeln aufs Engste mit Freiheit, Pluralität und Weltbezug verbunden ist. Freiheit wird hierbei nicht voluntaristisch als innerliche Einstellung oder souveräner Wille verstanden, sondern als ein Vermögen des Menschen zur Selbstverwirklichung bzw. Selbstdarstellung. Diese Selbstverwirklichung richtet sich in erster Linie auf die kulturellen und politischen Kontexte, in denen das einzelne Individuum und die Anderen sich gemeinsam befinden, und konstituiert sich zugleich durch die und in der Beziehung des Selbst zur Welt. Man kann demnach eine subjektive (auf das Selbst gerichtete) Seite und eine transsubjektive (das Selbst transzendierende) Seite unterscheiden. Diese beiden Seiten sind aber nicht trennbar, sondern bilden eine Einheit. Auf der Seite des Individuums geht es um eine Disziplinierung der Triebe: das Individuum bemüht sich, die Triebe für ein bestimmtes Ziel, für eine tugendhafte, d.h. vortreffliche, d.h. aussergewöhnliche Handlung einzusetzen. Tugend bedeutet hier eine gute Formung und Orchestrierung der Triebe und Affekte. Andererseits aber geschieht diese Gestaltung nie in der Isolation von (den) Anderen: das Individuum stilisiert sich nach einem Vorbild dessen, was als exemplarisch für vortreffliches Menschsein gelten kann, wobei es sich aber nicht um blinde Nachahmung und Selbstverleugnung handeln kann. Eher geht es um eine ‘emulation in a non-imitative fashion’, und zwar in einer agonistischen Beziehung. Hier treffen sich Nietzsche und Hannah Arendt: ethisches Leben, d.h. Vortrefflichkeit und Tugend sind nur möglich in einer Situation des Wetteifers im öffentlichen Raum. Ein tugendhaftes Leben erweist sich als ein Leben in fortdauernder Spannung auf mehreren Ebenen: Spannung zwischen dem Selbst und dem ‘Anderen’ (anderen Menschen, anderen Perspektiven, der gesamte historische Kontext), sowie die Spannungen im Selbst (die verschiedenen Triebe, schon erworbene Tugenden, die Eigenschaft der Persönlichkeit und die Identität, die man schon hat). Und das bedeutet: was Tugend genau beinhaltet, ist nie und nicht für immer festlegbar. Tugenden und Werte sind mehrdeutig: sie werden ständig aufs Neue durch aussergewöhnliche Individuen hervorgebracht. (c) Der skizzierte aussermoralische Tugendbegriff schliesst bestimmte traditionelle Tugenden aus, so insbesondere Mitgefühl und Mitleid, da diese zu stark mit der moralischen Auffassung von Tugend verknüpft sind. Das Gleiche gilt z.B. auch für Liebe, Wohlwollen, und Brüderlichkeit. Gemäß Nietzsche und Hannah Arendt gab es keine grössere Tyrannei als das ‘moralistische’ Ethos aufgezwungener Brüderlichkeit auf der Basis von Mitleid und Nächstenliebe. Als abschreckendes Beispiel wird auf Robespierre verwiesen, wo größte Grausamkeit und Terror im Namen ‘absoluter Tugend’ herrschten. ‘Absolute Tugend’ vernichtet die öffentliche Sphäre, die die Voraussetzung für Agon, Freiheit und Pluralität und damit die Basis eines wirklich tugendhaften und ethischen Lebens ist. (d) Nietzsche und Hannah Arendt ziehen keine scharfe Trennungslinie zwischen der ethischen und der ästhetischen Dimension, sondern befürworten eine Ethik als Ästhetik der menschlichen Existenz, nahe der griechisch-römischen Tradition und der Renaissance. Die ethische Gestaltung und Stilisierung, d.h. Selbstverwirklichung und Selbstranszendenz des Selbst zielen darauf ab, aus dem Leben ein Kunstwerk zu machen: ein Leben, das exemplarisch und stellvertretend für das ist, was die Menschheit an Tugend und Schönheit hervorbringen kann, nicht als Nachahmung, sondern als einmalige Leistung. Gemäß Hannah Arendt übertrifft das, was ein Künstler in seinem Kunstwerk von sich enthüllt, seine eigenen Intentionen und Erwartungen: in diesem Moment der Unvorhersagbarkeit liegt seine Grösse und Vortrefflichkeit: die des Künstlers und des Kunstwerks. (Ähnliches sagt Nietzsche z.B. von den vorsokratischen Philosophen: vgl. NL 14[28] 7.387; NL 14[128] 13.310). Auch nach Machiavellis Auffassung gibt es ohne ‘fortuna’ keine Tugend. Das echte Kunstwerk verdankt sich der kreativen Kraft des Genius. Die Vortrefflichkeit in Kunst, Handeln und Politik kann nicht mit den Begriffen einer produktionistischen Logik begriffen werden. (e) Der Tugend der Generosität (der Megalopsychia, Magnaninimtas), die mit Großmut, Weitsichtigkeit und Freigebigkeit verwandt ist, kommt gemäß Schoeman die zentrale Rolle in Nietzsches Philosophie zu. Als Gegensatz zum Ressentiment kann die Generosität als Basis-Tugend (s)einer aussermoralischen Ethik gelten. Dies gelte auch für Hannah Arendt, obwohl sie diesen Begriff als solchen nicht verwendet. Eine solche Annahme sei aber im Kontext ihres Begriffs der Vergebung zulässig, der bei ihr das oberste Prinzip des Handelns bildet. Das Vermögen des Versprechens und Vergebens gibt dem Handeln nicht nur Dauer und Stabilität, sondern gibt uns an erster Stelle überhaupt die Freiheit zu handeln. Die Kultivierung dieser Vermögen kann daher auch als höchster Ausdruck von und als Vorbedingung für Tugend gelten. Für Hannah Arendt, und wohl auch für Nietzsche, kann nichts ethischer sein, als die Schaffung von Umständen, die es dem Menschen ermöglichen, sein Leben ‘anzufangen’ (mit dem Risiko von Fehlern), in Freiheit wieder ggf. aufs Neue zu beginnen (nach Vergebung der Fehler) und seine Pläne zu ändern, und dies alles ohne die drückende Last eines Schuldgefühls. Für Hannah Arendt ist Rachsucht der Gegensatz zu Vergebung und daher die schlimmste Untugend. Rachsucht, damit stimmt sie mit Nietzsche überein, schafft nichts Neues, sie ist bloß reaktiv. Bei Nietzsche und Hannah Arendt haben Versprechen und Vergeben (so versteht Honig [Honig, B. (1993): Political Theory and the Deplacement of Politics, Ithaca, S. 86] Nietzsches ‘dismissing, the great natural capacity of the lords’) einen zentralen Stellenwert für eine aussermoralische Ethik. Jedoch gibt es hier Unterschiede zwischen Nietzsche und Hannah Arendt. Bei Nietzsche sind Versprechen und Vergeben (noch) eher ein individuelles Unternehmen: das Versprechen eher auf eine zukünftige Handlung und weniger auf die andere Person gerichtet; die Vergebung (dismissal) eher aus Indifferenz und nicht aufgrund einer durchgehenden Beziehung zu dem Anderen, die eher vermieden werden soll. Hingegen sind bei Hannah Arendt Versprechen und Vergeben konstitutiv für dauerhafte politische Gemeinschaften: Versprechen bindet die Betroffenen auf Zeit und über die Zeit hinaus aneinander; Vergeben ermöglicht die Aufrechterhaltung und Festigung dieser Beziehungen, auch bei Fehlern der Teilnehmer. Beides soll gemeinschaftliches Handeln ermöglichen, d.h. ein politisches Leben, in dem die Politik selbst im Mittelpunkt steht. Das führt zur Frage nach der Rolle der Politik, bei der Nietzsche und Hannah Arendt in wichtigen Punkten differieren, aber – nach Meinung von Schoeman – letzten Endes doch wieder aneinander anknüpfen. 3. Die Rolle der Politik und die Elitismusfrage Bei Hannah Arendt kommt der Politik eine zentrale Rolle zu: für sie gehen Tugend und politisches Handeln Hand in Hand: politisches Handeln als Leben und Handeln in der öffentlichen Sphäre, die für sie die Sphäre der Politik ist und die ihrer Auffassung nach überhaupt erst den Raum für den Agon vortrefflicher Personen in Freiheit und unter Ausklammerung persönlicher Belange konstituiert und so den Raum für eine aussermoralische Tugend und Ethik schafft. Hier zeigt sich ihre starke Anknüpfung an die republikanische Tradition und an Machiavelli. Zwar ist auch Nietzsche durch Machiavelli und dessen virtù-bestimmte Auffassung des tugendhaften Handelns inspiriert, jedoch verbindet er virtù nicht unmittelbar mit politischem Handeln und entwirft auch keine politische Theorie. Auch teilt er Machiavellis und Hannah Arendts Begeisterung für die republikanische Politik nicht und steht der Politik – genauer gesagt: der Politikauffassung der Neuzeit - skeptisch und abweisend gegenüber. Nach Nietzsches Auffassung waren die Zeitumstände nicht günstig für eine ‘große Politik’, wie er sie konzipierte. Vielmehr müssten für diese erst die Voraussetzungen auf der Basis einer aussermoralischen Ethik, also auf der Grundlage der Stilisierung des Selbst, geschaffen werden. Nach Auffassung des Autors ist Nietzsches ‘unpolitische’, bzw. ‘antipolitische’ Haltung daher kein Prinzip oder Ziel an sich, sondern eher eine Strategie auf Zeit und Teil einer umfassenden Zielsetzung: der Beseitigung des Ethos des Moralismus und des Ressentiments und der Schaffung einer Basis für eine echte Tugend. Trotz dieser Differenzen stimmen beide Denker aber darin überein, dass sie den Verlust echter Politik und öffentlicher Institutionen, wie sie für die antike Gesellschaft kennzeichnend waren, bedauern, und darin, dass sie beide überzeugt sind, dass die moderne Voreingenommenheit hinsichtlich des Freiheits- und Gleichheitsbegriffs zu der kurzsichtigen Konsequenz führte, Herrschaft mit Tyrannei und schliesslich Unterdrückung gleichzusetzen, so dass kein Raum mehr für Experimente und neue Alternativen blieb. Nach Meinung des Autors handelt es sich bei diesen Differenzen aber eher um eine Differenz der Strategie, nicht der Prinzipien: beide Wege könnten komplementär eingesetzt werden. Vor allem die Akzente sind unterschiedlich: beide befürworten den Agon im öffentlichen Raum, Hannah Arendt im politischen Raum, Nietzsche jedoch im kulturellen Raum. Nietzsches Aristokratismus ist daher ein Aristokratismus der Kultur, nicht ein Plädoyer für eine politische Aristokratie mit Ablehnung der Demokratie. Nietzsche bekämpft den Moralismus primär, weil er mit kulturellem Spiessertum und Barbarei einhergeht, was beides einen Mangel an Kultur und echter Bildung darstellt und für Personen typisch ist, die unfähig sind, sich mit ihrem höheren Selbst zu verbinden. Der Elitismusvorwurf, der darin besteht, die Vertreter der Selbstperfektionierung kümmerten sich nur um sich selbst und vernachlässigten die Pflichten gegenüber den Anderen, ist unhaltbar. Vielmehr ist Vervollkommnung des eigenen, höheren Selbst notwendig, um besser den Ansprüchen der Anderen gerecht werden zu können: nur der Mensch, der wirklich selbständig ist, kann den Mitmenschen eine wirkliche Hilfe sein. Gerade indem einer sich um die eigene Selbstverwirklichung, Selbsttransformation und Selbsttranszendenz bemüht, kann er damit zugleich den Anderen zu einer gleichen Anstrengung provozieren. Indem man sich an den ‘werthvollsten Exemplaren’ orientiert, stellt man sich in den Kreis der Kultur (UB III 6 1.384). Nietzsche will also ‘zur Kultur’ aufrufen. Die Ethik der Selbstvervollkommnung passt in eine Demokratie, falls diese nicht als Tyrannei der Mehrheit aufgefasst wird. Vielmehr kann Demokratie nur funktionieren, wenn die Bürger jene Tugenden kultivieren, die ehemals aristokratische Tugenden waren (Selbständigkeit, Unabhängigkeit etc.). Auch Hannah Arendt wurde aufgrund ihres Vorschlags der Trennung von privater und öffentlicher Sphäre sowie der Trennung von politischem Handeln und sozialem Verhalten, der Vorwurf des Elitismus gemacht. Ihr geht es dabei jedoch in erster Linie darum, jene Gefahren auszuschliessen, die der öffentlichen Sphäre von seiten bestimmter Mentalitäten drohen. Wo z.B. krasse Unterdrückung oder materielle Not herrscht, kann keine Rede mehr sein von der notwendigen Freiheit und Unpersönlichkeit, die für politisches Handeln in ihrem Sinn kennzeichnend sind. Es geht ihr also um die Bewahrung der öffentlichen Sphäre und der öffentlichen Welt, in denen allein Agon, Pluralität und damit Freiheit möglich sind, die die Basis eines tugendhaften Lebens bilden. Wer dieser öffentliche Sphäre angehören will, muss bestimmte Qualitäten aufweisen: Zuverlässigkeit, Integrität, Urteilsvermögen, ‘physical courage’, Hingabe an die ‘res publica’ sowie Streben nach Vortrefflichkeit. Aus diesem Grund hat die Teilnahme an der Politik notwendigerweise eine aristokratische Dimension. ‘Ausserpolitische’ Faktoren, wie z.B. Rachsucht, dürfen keinen Einfluss auf die Politik haben. 4. Der tugendhafte Mensch ist der generöse Mensch Gemäß Nietzsche ist der vollkommene Mensch gekennzeichnet durch Selbstbejahung, durch ein Leben jenseits des Ressentiments und durch Freigebigkeit (Generosität) und Großmut. Er ist generös (freigebig), bejaht die Fülle seiner Leidenschaften und Affekte, ist uneigennützig und bereit zum Vergeben. Erst Selbstbejahung und Selbstgenügsamkeit machen wahre Generosität möglich. Das setzt ein Leben oberhalb der moralischen Unterscheidung von Gut/Böse und den damit verbundenen Schuldgefühlen voraus. Der wirklich generöse Mensch kennt Reue, Schuldgefühle und Selbstvorwürfe nicht. Er ist stolz auf sein Handeln, aber nicht scham- oder gewissenlos. Er richtet sich auf (s)ein höheres Selbst, das er erreichen will: aus Selbsterkenntnis und einer gewissen Unzufriedenheit mit seinem gegenwärtigen Selbst, das vervollkommnet werden muss. Abschliessende Bemerkung Anstelle der beiden stark monographischen Schwerpunkte über Nietzsche (Kap. 2-4) und Hannah Arendt (Kap. 5-7), die nur gelegentlich Verbindungslinien zwischen den beiden Denkern ziehen, hätte man sich auch eine Darstellung vorstellen können, die primär von den relevanten philosophischen Themen und Schwerpunkten ausgeht und in diesem Rahmen jeweils die beiden Denker zu Wort kommen lässt; jedoch wäre dann vielleicht die Profilierung der beiden philosophischen Ansätze weniger deutlich ausgefallen. Für dieses Dilemma, falls es eins ist, gibt es wohl keine allein richtige Lösung. Die Kontrastierung der beiden Denker ermöglicht jedoch eine sehr gute Erhellung des schwierigen Begriffs des ‘Aussermoralischen’, der durch Hannah Arendts Begriff des ‘politischen Handelns in der Sphäre des öffentlichen Raumes’ noch deutlicher als bei Nietzsche herausgearbeitet werden kann. Hierin ist, neben der gründlichen Darstellung und Erörterung zentraler Begriffe und Gedanken der beiden Denker durch den Autor, ein wichtiger philosophischer Beitrag der Untersuchung von M. Schoeman zu sehen. Offen bleibt jedoch die Frage, inwiefern Nietzsches ‚freie Geister’ und der damit verwandte, ‚einsame’ ‚Gesetzgeber’ Nietzsches in Schoemans Interpretation eingebaut werden könnten, die letzten Endes, trotz gründlicher Erörterung der Differenzen der beiden Denker, doch in erster Linie die Gemeinsamkeiten zwischen Nietzsche und Hannah Arendt herausarbeitet und unterstreicht.Gerd Schank, RU Nijmegen.