Interview mit Stefan Wolf vom Ingenieurbüro Müller-BBM Klimaschutz ist in aller Munde. „Die Welt hat Fieber“, so und ähnlich lauten die Schlagzeilen, die die globale Erwärmung betreffen. Das Thema Energieeinsparung ist damit untrennbar verbunden, es gilt, das umweltschädliche CO2 so stark wie möglich zu reduzieren. Stefan Wolf vom Ingenieurbüro Müller-BBM aus dem Bereich Bauphysik / Bauklimatik in Dresden nimmt in einem Interview mit Evamaria Nickel, Produktmanagerin Sonnenschutzglas bei SAINT-GOBAIN GLASS Deutschland, Stellung zu energieeinsparenden Maßnahmen bei Gebäuden. Evamaria Nickel: Welche energieeinsparende Maßnahmen müssen bei Neu- und Bestandsgebäuden ergriffen werden? Stefan Wolf: Es ist sowohl eine energetisch günstige Gebäudehülle als auch eine energiesparende Anlagentechnik notwendig. Dabei empfiehlt sich immer eine integrale Betrachtung aller Einflussfaktoren. Bei gekühlten Bürogebäuden zum Beispiel spielt neben dem Heizenergiebedarf insbesondere der Stromverbrauch für Kühlung und Beleuchtung eine große Rolle. Berücksichtigt man dabei, dass im Vergleich zur Wärmeerzeugung die Erzeugung von Strom einen höheren Einsatz an Primärenergie erfordert, wird deutlich, dass geringe Energieverbräuche bei Kühlung und Beleuchtung ein hohes Potenzial zur Einsparung von Primärenergie und CO2-Ausstoß bieten. Häufig wird beim Gebäudeentwurf versucht, die solaren Wärmegewinne durch Glasflächen zu erhöhen, um Heizenergie einzusparen. Ohne effiziente Sonnenschutzmaßnahmen führt dies aber auch zu einer stärkeren Raumaufheizung im Sommer. Dem Gewinn an Wärme im Winter steht dann der Energieverbrauch für Kühlung im Sommer gegenüber. Im Vergleich zur Heizenergie ist maschinell erzeugte Kühlenergie aber um ein Vielfaches teurer und erfordert einen höheren Primärenergieeinsatz. Der sommerliche Wärmeschutz bietet daher ein hohes Einsparpotential und ist für energetisch günstige Gebäude äußerst wichtig. Ein effizienter Sonnenschutz sollte daher auch im Interesse des Bauherren sein, denn dadurch wird die Behaglichkeit und Energieeinsparung nachhaltig beeinflusst. Es zeigt sich, dass dies häufig übersehen wird und Gebäude dann kostenintensiv nachgebessert werden müssen. Die neue Energieeinsparverordnung, die am 1. Oktober 2007 in Kraft tritt, greift diesen Ansatz auf. Während die bisherigen Verordnungen nur den Energieeinsatz für Heizung berücksichtigen, ist zukünftig auch der energetische Aufwand für Kühlung und Beleuchtung zu beachten. Evamaria Nickel: Bleiben die Maßnahmen dann noch bezahlbar? Stefan Wolf: Ich denke ja. Die Vorschriften für den baulichen Wärmeschutz gehen i.d.R. davon aus, dass sich die Mehrinvestitionen amortisieren. Zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes gibt es heute ein Vielzahl von Möglichkeiten. Die Auswahl kann dann immer unter Beachtung der Nutzeranforderungen und natürlich auch der finanziellen Rahmenbedingungen erfolgen. Nichtwohngebäude müssen meines Erachtens in erster Linie eine produktive Arbeitsumgebung für die Mitarbeiter bieten. Der thermischen Behaglichkeit kommt dabei eine hohe Bedeutung zu. Bei der Bewertung der Kosten für Sonnenschutzmaßnahmen ist daher auch die höhere Produktivität der Mitarbeiter zu beachten. Dieser Kostengewinn lässt sich schwer in Zahlen fassen, aber ich gehe davon aus, dass bessere thermische Behaglichkeit und in deren Folge höhere Produktivität die Mehrkosten durchaus rechtfertigen. Evamaria Nickel: Wie beurteilen Sie die anhaltende Diskussion, den Energieeintrag im Gebäude möglichst hoch zu halten? Wird das mit Sonnenschutzglas nicht problematisch? Stefan Wolf: Wie bereits erwähnt, ist im Vergleich zur Heizenergie maschinell erzeugte Kühlenergie um ein Vielfaches teurer und erfordert einen höheren Primärenergieeinsatz. Bei gekühlten Gebäuden ist es daher in der Regel ökologisch und ökonomisch günstiger, eine kWh Heizenergie mehr zu verbrauchen, dafür aber eine kWh Kühlenergie einzusparen. Evamaria Nickel: Kann bei Ausrichtung des Gebäudes in nördlicher oder östlicher Richtung auf Sonnenschutz verzichtet werden? Stefan Wolf: Zusätzliche Sonnenschutzvorrichtungen werden in der Regel bei direkter Besonnung geschlossen bzw. wenn bestimmte Strahlungsintensitäten an der Fassade vorliegen. Dieser Zustand wird bei nördlicher Orientierung selten erreicht, weshalb zusätzliche Sonnenschutzvorrichtungen kaum in Betrieb sind. Trotzdem gibt es einen Wärmeeintrag durch diffuse Strahlung. Dieser Sachverhalt wird häufig übersehen, obwohl jeder schon einmal damit konfrontiert wurde, der trotz bewölkten Himmels in ein überhitztes Auto eingestiegen ist. Dass die diffuse Strahlung einen hohen Einfluss hat, zeigen entsprechende thermische Simulationsberechnungen. Ein nach Norden orientiertes Büro mit konventioneller Verglasung schneidet dabei schlechter ab als ein nach Süden orientierter Raum mit gleicher Verglasung und Außensonnenschutz. Zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes des Nordbüros ist dann eine Sonnenschutzverglasung eine wirkungsvolle Verbesserungsmöglichkeit. Bei östlich orientierten Räumen ist zu bedenken, dass die in den Morgenstunden eingetragene Wärme den Temperaturverlauf im ganzen weiteren Tagesverlauf bestimmt. Evamaria Nickel: Was sind aus bauphysikalischer Sicht die größten Herausforderungen an die Planer und Architekten? Stefan Wolf: Die große Herausforderung wird sein, eine wirklich integrale Planung zu betreiben, die allen Anforderungen gerecht wird. Das betrifft Nutzeranforderungen, Baukosten, Architektur, spätere Betriebs- und Wartungskosten und natürlich die Behaglichkeit. Dem Architekten fällt hier die große Aufgabe zu, diese vielschichtigen Anforderungen zu koordinieren und hinsichtlich der Prioritäten zu bewerten. Bestimmte bauphysikalische Vorgaben, wie z. B. Wärmebrückenfreiheit, effektive Sonnenschutzmaßnahmen oder akustische Anforderungen sind mit der gewünschten Architektur zu vereinen. Evamaria Nickel: Was können Bauherren / Nutzer von Gebäuden tun? Stefan Wolf: Wenn Eigentümer oder Bauherren beim Kauf oder Bau einer Immobilie regelmäßig Wert auf Energieeinsparung und thermische Behaglichkeit legen, dann wird dieses Thema auch zusehends in Planerkreisen berücksichtigt. Das fördert die Entwicklung auf diesen Gebieten. Es zeigt sich aber auch, dass das Nutzerverhalten großen Einfluss auf den Energieverbrauch und die Behaglichkeit hat. Dies betrifft Fehlbedienung von Sonnenschutzanlagen, falsch eingestellte Thermostatventile oder auch falsches Lüftungsverhalten.