Kommunalpolitische Leitlinien der SPD Hessen Vorbemerkung: Der nachfolgende Text ist das Ergebnis der Beratungen der AG Kommunalpolitik und des Landesvorstands der SPD Hessen im Mai und Juni 2005. Aufgaben dieser Leitlinien sind: Darstellung des Zusammenhangs zwischen pragmatischem Handeln sozialdemokratischer Kommunalpolitik vor Ort und den sozialdemokratischen Grundwerten, landespolitische Positionierung zu den kommunal relevanten Themenfeldern, Formulierungshilfe für die sozialdemokratischen Gliederungen vor Ort bei der Erarbeitung ihrer jeweils örtlichen Programme zur Kommunalwahl 2006. In dieser Aufgabenstellung hat der Landesvorstand der SPD Hessen dieses Papier am 22. Juni 2006 zur weiteren Diskussion in den Gliederungen der SPD freigegeben. Abschluss der Diskussion bildet ein kommunalpolitischer Landesparteitag der SPD Hessen, der für den 26. November 2005 vorgesehen ist. UNSER LEITBILD: DIE DEMOKRATISCHE UND SOZIALE KOMMUNE Die hessische SPD will die demokratische und soziale Kommune. Sie ist Notwendigkeit, Ziel und Möglichkeit zugleich. Sie ist unser kommunalpolitisches Leitbild, an dessen Verwirklichung wir mit all unseren Kräften zu arbeiten. Alle diejenigen, die dieses unser Leitbild teilen, laden wir zur aktiven, kritischen Zusammenarbeit ein. Die demokratische und soziale Kommune, das sind Landkreise, Städte und Gemeinden, in denen die Bürgerinnen und Bürger ihre Persönlichkeit in freier Selbstbestimmung entfalten können; 1 die für die Selbstentfaltung und Selbstbestimmung des Individuums gleiche Chancen bieten; in denen die einzelnen Menschen und die sozialen und kulturellen Gruppen gleichberechtigt und deswegen friedlich und solidarisch zusammen leben können und in denen die Bürgerinnen und Bürger aktiv an der Gestaltung des Gemeinwesens mitwirken. In diesen Städten, Gemeinden und Landkreisen werden die Prinzipien der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit konkret verwirklicht. Demokratische Teilhabe und soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Selbstentfaltung und Selbstbestimmung, das Angebot der Integration müssen in der Lebenswirklichkeit der Menschen verankert sein. Die Politik muss nahe bei den Menschen sein, um ihre Probleme schärfer erfassen zu können und um ihre eigenen Wünsche und Bedürfnisse, ihre eigenen Lösungsvorschläge und ihre eigene Lösungskompetenz einbeziehen zu können. Stadtteil- und Gemeinwesenbezogenheit, Lebensweltorientierung, Vernetzung der Akteure und Beteiligung der Betroffenen sind deswegen für uns nicht bloße Schlagworte, sondern unverzichtbare Strategien, die gleichzeitig mit unseren politischen Grundüberzeugungen übereinstimmen. Die Kommunen, die Landkreise, Städte und Gemeinden stehen vor großen ökonomischen und sozialen Problemen. Deshalb ist die soziale Kommune eine Notwendigkeit. Die Kommunen haben aber auch eine großartige Tradition und Gegenwart des bürgerschaftlichen Engagements, der Selbst- und Nachbarschaftshilfe, der gelebten Demokratie und Solidarität. Deshalb ist die demokratische und soziale Kommune keine Utopie, sondern eine reale Möglichkeit, die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten gestalten wollen. Ziele und Grundprinzipien unserer Politik Demokratie: Das Gemeinwesen der Bürgerinnen und Bürgern 2 Die unmittelbare Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Entscheidungen ist für uns seit langem ein wesentliches Ziel und Mittel von Politik. Wir haben gelernt, die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Gestaltung ihrer eigenen Lebenswelt als selbstverständliches Gebot der Demokratie und ihre Einmischung in ihre eigenen Angelegenheiten als kritische Begleitung, Hilfe und Unterstützung zu verstehen. Deshalb wollen wir – wo immer wir können – zur Einmischung ermutigen und Beteiligung ermöglichen: in den Ortsbeiräten, den Initiativen in Stadtteilen und Wohnquartieren; in den Ausländerbeiräten, den Interessenvertretungen von Frauen, von älteren Menschen und von Kindern und Jugendlichen; in Schule und Kindergarten, bei Stadtplanung, -Stadtgestaltung, Verkehrs- und Umweltpolitik. Aus diesen Beteiligungsformen haben wir gelernt, dass die umfassende Einbeziehung von Betroffenen zwei wesentliche Vorteile hat: Bürgerinnen und Bürger werden von Beobachtern zu Akteuren, aus Betroffenen werden Beteiligte. Entscheidungen, die mit Beteiligung der betroffenen Menschen getroffen werden, sind lebensnäher und deshalb effektiver und nachhaltiger, sie sind transparenter und besser legitimiert und werden daher auch eher von den betroffenen Menschen akzeptiert. Aus all diesen Gründen wollen wir die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern ausweiten. Wir wollen die demokratische Legitimation und Funktion all dieser Formen der Beteiligung und der direkten Demokratie verbessern und stärken. Dabei wissen wir, dass gelingende Beteiligung oft der professionelle Unterstützung bedarf, damit die Betroffenen gegenüber Politik und Verwaltung als gleichberechtigte Partner auftreten können. Chancengleichheit: Gleiche Rechte, gleiche Chancen, gleiche Verantwortung Chancengleichheit bedeutet Abbau materieller Benachteiligung, sozialer Ungleichheit und kultureller Diskriminierung. Der gleiche Zugang zu materieller Sicherheit, Bildung, Arbeit und gesellschaftlicher Teilhabe unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Alter und Staatsangehörigkeit ist die zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration. Damit wir dieses Ziel erreichen, müssen wir an der 3 konkreten Lebenssituation ansetzen. Dabei bietet sich den Kommunen ein breites Handlungsfeld von der Kinderbetreuung über die Schul- und Bildungspolitik, die Wirtschafts-, Ausbildungs- und Beschäftigungspolitik bis hin zur Altenpolitik. Unabdingbare Voraussetzung für Chancengleichheit ist und bleibt, dass die öffentlichen Güter weiterhin für jedermann zugänglich und erschwinglich bleiben und dass die Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, die vor allem von und in den Kommunen vorgehalten werden, weiter bestehen bleiben und bedarfsgerecht ausgebaut werden können. Gleichheit der Lebenschancen bedeutet nicht Gleichheit der Lebensentwürfe und Lebenswege. Integration bedeutet nicht das unterschieds- und gesichtslose Aufgehen in der sozialen und kulturellen Umgebung. Selbstentfaltung und Selbstbestimmung machen das Miteinander erst möglich, Eigensinn und Solidarität gehören zusammen. Nur gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger nehmen ihre Rechte bei der Gestaltung des Gemeinwesens wahr und nur sie begreifen dieses Recht zugleich auch als Verantwortung und Verpflichtung dem Gemeinwesen gegenüber. Integration: Zusammenleben gestalten statt Gesellschaft spalten Integration kann nur gelingen, wenn möglichst große Chancengleichheit hergestellt ist. Die Integration der vielen Einzelnen und der vielen gesellschaftlichen Gruppen ist eine zunehmend schwierigere und deshalb bedeutsamere Frage. Sie umfasst nicht nur das Zusammenleben von Deutschen und Nichtdeutschen, sondern auch unterschiedlicher kultureller, sozialer und politischer Gruppen. Für die Ausgestaltung einer fortschrittlichen Integrationspolitik muss die gesellschaftliche und die individuelle Perspektive berücksichtigt werden: Jeder muss sich in die Gesellschaft integrieren, die Gesellschaft muss es aber auch zulassen und die Voraussetzungen dafür schaffen. Integrationsprozesse können dabei problematisch verlaufen, insbesondere für Kinder und Jugendliche aus anderen Kulturkreisen spielen sie sich in einem familiären, sozialen und kulturellen Spannungsfeld ab. Diese Spannungen resultieren u.a. aus unterschiedlichen Werteorientierungen, die nicht einfach durch einen individuellen Willensakt aufgegeben werden können. Wir wollen nicht Gleichheit der Lebensentwürfe 4 und Lebenswege. Integration bedeutet nicht das unterschieds- und gesichtlose Aufgehen in der sozialen und kulturellen Umgebung. Selbstentfaltung und Selbstbestimmung machen das Miteinander erst möglich, Eigensinn und Solidarität gehören zusammen. Damit ist auch die gesellschaftliche Dimension von Integration benannt. Die Selbstentfaltung des Einzelnen findet ihre Grenzen bei der Verletzung der Rechte eines anderen. Sie hat deshalb nichts mit uneingeschränkter Selbstverwirklichung zu tun. Das gesellschaftliche Miteinander wird mit der Akzeptanz gegenüber kulturellen und sozialen Minderheiten wachsen. Unsere Strategien zur Umsetzung der Ziele Unsere Strategien stehen im Einklang mit unseren Zielen. Je näher wir an den Lebens-, Wohn- und Arbeitsverhältnissen der Menschen in den Kommunen ansetzen, umso stärker, umso realistischer wird die Chance, demokratische Teilhabe- und Mitbestimmungsprozesse anzustoßen und aufrecht zu erhalten. Stadtteil- und Gemeinwesenorientierung sind daher durchgängige Prinzipien, nach denen wir unsere politische Arbeit und unsere Projekte organisieren. Deshalb setzt die Soziale Kommune bei der Arbeit in den Stadtteilen an, deshalb organisieren wir Beteiligungsprozesse, ob in Orts- und Stadtteilbeiräten, ob in Jugendforen oder Seniorenbeiräten zunächst und vor allem auf dieser Ebene. Je konkreter wir an den Lebensverhältnissen, der Lebenswelt von Menschen ansetzen, je präziser wir die sozialen Problemlagen in unseren Kommunen beschreiben können, umso einfacher wird es, die verschiedenen Akteure in konkreten Projekten zusammen zu bringen und ihre unterschiedliche Lösungskompetenz zu bündeln. Erst vor dem Hintergrund der Stadtteil-, Gemeinwesen- und Lebensweltorientierung wird eine so verstandene Vernetzung zur realistischen Strategie. Solche Lösungen müssen häufig über Gemarkungsgrenzen hinaus entwickelt werden. Sozialdemokratische Kommunalpolitik ist deshalb der Motor für vernetzte Lösungen in der und für die Region. Sie setzt dabei auch auf die Modernisierung der kommunalen Verwaltung und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den Kommunen, um möglichst 5 effektiv und kostengünstig zu arbeiten und dadurch Ressourcen für andere wichtige Aufgaben zu gewinnen. Stadtteil- und Gemeinwesenorientierung und Vernetzung erfordern praktizierte Subsidiarität. Keine Ebene politischen Handelns – gerade die kommunale nicht – kann auf die Mitwirkung der zahllosen Verbände, Vereine und Initiativen verzichten, in denen sich bürgerschaftliches Engagement organisiert. Integrierte Lösungen sind ein weiteres Mittel unserer Politik. Wo immer möglich müssen Projekte und Maßnahmen so angelegt sein, dass sie für Menschen aus allen möglichen gesellschaftlichen Gruppen zugänglich sind und auf diese Weise selbst integrierend wirken. Deshalb achten wir u.a. besonders auf geschlechtsspezifische und interkulturelle Kompetenz in allen Projekten, Maßnahmen und Einrichtungen. Daneben wird es aber im Interesse der Integration einzelner Gruppen mit besonderen Problemlagen auch weiterhin nötig sein, besondere Projekte weiterzuführen bzw. zu initiieren. Schließlich dienen all diese Strategien und Prinzipien der Prävention. Gerade auf diesem Feld haben wir - gemeinsam mit den vielen engagierten Institutionen und Organisationen in der Vergangenheit vorbildliches geleistet, in den Feldern der Drogen- und Suchtprävention, der Kriminalitätsprävention, der Prävention von Gewalt und sexuellem Missbrauch. Sozialdemokratische Kommunalpolitik ist dem Prinzip der Nachhaltigkeit verpflichtet. Dies gilt sowohl für den Erhalt und die Erneuerung der Infrastruktur und den notwendigen wirtschaftlichen Strukturwandel als auch für die Schaffung tragfähiger sozialer Strukturen angesichts beschleunigten gesellschaftlichen Wandels und natürlich vor allem auch für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen. Diesen Weg wollen wir weiter gehen. Es ist nicht der einfachste, schnellste, kürzeste Weg, aber es ist unser Weg zum Bau der Sozialen Kommune. Dieses Leitbild, diese Ziele und Grundprinzipien sozialdemokratischer Kommunalpolitik müssen je nach den regionalen und örtlichen konkretisiert und mit Inhalt gefüllt werden. Die kommunalpolitischen Leitsätze können hierzu keine Patentrezepte liefern. 6 Die konkreten Handlungsmöglichkeiten sind unterschiedlich, deshalb muss auch die Wahl der jeweiligen Mittel an Ort und Stelle entschieden werden. Grundsätzlich gilt aber: Die Kommunen müssen gestärkt werden, um flexible, an den jeweiligen lokalen und regionalen Bedürfnissen orientierte Lösungen zu finden. Ohne die Unterstützung durch Bund, Land und EU kann die kommunale Ebene die Herausforderungen, vor denen sie steht, nicht oder nur unzureichend bewältigen Deshalb muss die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt werden. Die finanzielle Schwächung der Kommunen durch die Landesregierung ist genau der falsche Weg. Eine Schwächung der Kommunen ist eine Schwächung unserer Demokratie. Die soziale Gestaltung und die erfolgreiche Modernisierung von Gesellschaft und Staat hängen entscheidend davon ab, dass die dezentralen, lebensweltnahen Ebenen und Einheiten funktionsfähig und flexibel bleiben, damit sie möglichst selbständig, rasch und effektiv auf die gesellschaftlichen Probleme reagieren und Gesellschaft gestalten können. Herausforderungen für kommunale Politik Kommunalpolitik steht überall vor den zentralen Herausforderungen, durch aktive Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik die Leistungsfähigkeit der Kommunen zu sichern und zu verbessern und für zukunftsfähige Arbeits- und Ausbildungsplätze zu sorgen; den Zugang zu öffentlichen Güter und zu den Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge auch weiterhin für jedermann offen zu erhalten; in modernen Schulen alle Kinder und Jugendlichen zu fördern und ihnen die bestmögliche Bildung und Ausbildung für die gewachsenen Anforderungen zu ermöglichen; Familien gezielt durch eine familienfreundliche Infrastruktur zu unterstützen; durch ein ausreichendes, verlässliches, qualitativ hochwertiges und bezahlbares Kinderbetreuungsangebot Familien zu entlasten und unsere Kinder möglichst früh und umfassend zu fördern; durch eine integrative, aktivierende und präventive Sozial-, Jugend- und Wohnungspolitik den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken; die Gleichberechtigung der Geschlechter und das Zusammenleben der Generationen, der Lebensformen und Kulturen zu fördern; 7 durch Förderung der Kultur in all ihren Erscheinungsformen die gesellschaftliche Kommunikation zu verbessern und damit die Zivilgesellschaft weiter zu entwickeln; Mobilität umweltverträglich und preiswert zu sichern und dadurch die Teilhabe aller an der Fülle des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen; die natürlichen Lebensgrundlagen auch im unmittelbaren Lebensumfeld der Menschen zu schützen und dadurch die Wohn- und Lebensqualität zu verbessern. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stellen sich diesen Herausforderungen. Unsere Grundwerte, unser Leitbild der demokratischen und sozialen Kommune, unsere Prinzipien und Strategien befähigen uns, diese Herausforderungen zu bewältigen und das Gemeinwohl - als zentraler Bezugspunkt unserer Politik - zu garantieren. Was wir wollen 1. Mehr lokale Demokratie aktiviert die Zivilgesellschaft, schafft Engagement und Zusammenhalt Sozialdemokratische Kommunalpolitik will die lokale Demokratie durch drei Ansätze fördern: Bürgerschaftliches Engagement ist ein wesentliches Element der Politik in den Kommunen. Politik und Verwaltung können und dürfen nicht alle Probleme alleine lösen, sie sind auf die Eigeninitiative der Betroffenen genauso angewiesen wie auf das vielfältige private Engagement in der Bevölkerung. Parallel zum ‚klassischen’ Ehrenamt ist die Bereitschaft zum Engagement in nicht vereinsmäßig organisierten Gruppen, Projekten und Initiativen gewachsen. Auch dieses nicht traditionelle Engagement ist Zeichen einer demokratischen Gesellschaft und muss gefördert werden. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden sich dafür einsetzen, die Bürgermitwirkung an der Entscheidungsfindung zu nutzen. Wir wollen den permanenten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern. 8 Wir setzen uns für mehr Transparenz in Politik und Verwaltung ein. Das betrifft insbesondere die Transparenz der Kosten politischer Entscheidungen. Mit der Anwendung der kaufmännischen Buchhaltung ist ein wichtiger Schritt getan. Das kommt sowohl sachgerechten Entscheidungen als auch der Qualität kommunaler Dienstleistungen zugute. 2. Nur die Kommune sichert die leistungsfähige Daseinsvorsorge für Alle Öffentliche Daseinsvorsorge muss den flächendeckenden, gleichberechtigten und bezahlbaren Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen und Gütern (Wasser, Energie, Abfallbeseitigung, öffentliche Einrichtungen) in ausreichender Qualität und Umfang gewährleisten. Die öffentliche Infrastruktur muss die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Lebens und die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft gewährleisten und die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen sichern. Die Rechtsform, der sich die Kommunen bei der Garantierung dieses Auftrags bedienen, ist dabei nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass die Dienstleistungen, die das Gemeinwohl betreffen, für die Bürgerinnen und Bürger effizient und kostengünstig erbracht werden und die öffentliche Kontrolle stets gesichert ist. Die Unterordnung der öffentlichen Daseinsvorsorge unter privatwirtschaftliches Gewinnstreben lehnen wir ab. Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, das dies mittel- und langfristig zu Leistungseinschränkungen und erneuten Preissteigerungen führt. 3. Die Kommune der Zukunft ist familien- und kinderfreundlich In der Familienpolitik ist ein Kulturwandel erforderlich: In allen kommunalen Politikbereichen - ob in der Arbeitswelt oder im Freizeitbereich, ob in der Verkehrsoder der Stadtplanung - sollen die Bedürfnisse der Familien verstärkt und vorrangig Berücksichtigung finden. Wir wollen, dass Elternrolle und Berufstätigkeit zukünftig besser zu vereinbaren sind. Durch gezielte Hilfsangebote für Familien und Kinder verhindern wir frühzeitig Fehlentwicklungen und soziale Ausgrenzungen sowohl bei den Müttern und Vätern als auch bei den Kindern. 9 Differenzierte und qualitativ hochwertige Betreuungsangebote helfen Kindern von Anfang an, ihre Lernfähigkeit und Kreativität zu entfalten und zu entwickeln. Der Umfang der Kinderbetreuung muss ausgeweitet werden und sich stärker an den Bedürfnissen der Kinder und Eltern orientieren. Der Bildungsauftrag muss im Rahmen der Kinderbetreuung verstärkt wahrgenommen werden, ohne dass dadurch einer Verschulung eintritt. Kindertagesstätten und Schulen sollen stärker beim Übergang vom einen in das andere System zusammenarbeiten und ihre jeweiligen Kompetenzen gegenseitig nutzbar machen. Andere Bildungsträger wie Vereine, Musikschulen, Volkshochschulen können und sollen bei der Erfüllung dieses Auftrags durch direkte Angebote für die Kinder und durch Fort- und Weiterbildungsangebote für die Fachkräfte unterstützen. Zwei wichtige Ziele wollen wir in den kommenden Jahren erreichen: Erstens muss der Anteil der Ganztagsplätze von derzeit durchschnittlich 32% auf mindestens 50% ausgeweitet werde. Zweitens müssen mehr Betreuungsplätze für Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren geschaffen werden, wir wollen die Zahl der Betreuungsplätze für diese Altersgruppe auf 20% jedes Jahrgangs bis 2010 zu steigern. Dieses Ziel soll – je nach Lage der Dinge in den einzelnen Regionen und Kommunen – durch Krippen, Krabbelgruppen, altersgemischte und sogenannte „Familiengruppen“ sowie durch Tagespflegestellen, zu deren Einrichtung, Qualifizierung und Vermittlung die Kommunen beizutragen haben, erreicht werden. Wir wollen, dass die Kinderbetreuung in den Kommunen kostenfrei erfolgt. Ein erster Schritt auf diesem Weg kann das beitragsfreie letzte Kindergartenjahr als Vorbereitung auf die Schule sein. Aber auch andere Denkansätze wie kostenfreies erstes Kindergartenjahr oder kostenfreie Mindestbetreuungszeiten sind überlegenswert. Kindertagesstätten müssen als wichtiger Bestandteil des Bildungswesens begriffen werden. Betreuung, Erziehung und Bildung stehen für uns gleichrangig nebeneinander. Deshalb setzen wir uns für die Einführung landesweit geltender Bildungsinhalte zur Frühförderung unserer Kinder, insbesondere in den Kindergärten, ein. 10 Bildungspolitik ist Landespolitik. Deshalb darf das Land die Kommunen bei der Umsetzung dieser Ziele nicht allein lassen. Die Kommunen brauchen hierfür eine ausreichende und vor allem verlässliche finanzielle und beratende Unterstützung des Landes. Die Interessen von Familien und Kindern müssen bei allen kommunalen Planungen schon frühzeitig besonders berücksichtigt werden. Die Lebensräume für Familien müssen ihren Bedürfnissen entsprechend optimiert werden. Wie erfolgreiche Beispiele zeigen können Kommunen hierbei eine Vorreiter- und eine Moderatorenrolle übernehmen, z.B. für familiengerechte Serviceangebote und -zeiten privater und öffentlicher Dienstleister, für die Gewinnung freiwilligen Engagements von Seniorinnen und Senioren bei der stundenweisen Betreuung von Kindern und Entlastung für Pflegende von Familienangehörigen. 4. Gute Bildung sichert Zukunftschancen Gute Bildung für alle von Anfang an und lebenslang sichert die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft insgesamt und für jedes einzelne Mitglied der Gesellschaft. Gleiche Chancen zur demokratischen Teilhabe, zur Selbstbestimmung und Selbstentfaltung und zur Integration in das gesamte gesellschaftliche Leben sind nur dann möglich, wenn alle Menschen in jeder Lebenssituation und in jedem Lebensalter Zugang zu einem vielfältigen und qualifizierten Bildungs- und Kulturangebot haben. Bildung und Bildungsangebote, Kultur und kulturelle Institutionen müssen dabei mehr beinhalten und anbieten als die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten. Bildung darf nicht auf ihre im Erwerbsleben verwertbaren Aspekte reduziert werden, sondern sie muss Werte, Maßstäbe und Kompetenzen für alle Aspekte des persönlichen und gesellschaftlichen Lebens vermitteln. Kultur und kulturelle Einrichtungen und Projekte sind mehr als ein „weicher Standortfaktor“, sie dienen in erster Linie der Erweiterung von Erfahrung, dem Lernen und dem gegenseitigen Verstehen und damit dem Zusammenleben der Menschen und der verschiedenen sozialen und kulturellen Gruppen. Ziel sozialdemokratischer Bildungspolitik ist die demokratische, humane, zukunftsfähige und für die Zukunft befähigende Schule, 11 in der alle Schülerinnen und Schüler ihren Fähigkeiten und Interessen gemäß lernen können und in der unterschiedliche soziale und kulturelle Lebensbedingungen sowie geschlechtsspezifische Sozialisationserfahrungen das pädagogische und didaktische Konzept von Schule und Unterricht bestimmen; in der Schülerinnen und Schüler sich mit gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen und den damit verbundenen Chancen und Risiken auseinandersetzen sowie deren historische und gestaltbare Dimensionen begreifen; in der Schülerinnen und Schüler die Grundwerte Demokratie, Gerechtigkeit und Solidarität einüben und erleben können; in der Schülerinnen und Schüler mit ausreichend Wissen, Methoden und Sozialkompetenzen ausgestattet werden, um in einer sich rapide verändernden Arbeitswelt ihren Platz zu finden; die von der gesamten Schulgemeinde, also von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern, gestaltet wird; die sich als Schule in der Stadt und im Stadtteil versteht, indem sie außerschulische Expertinnen und Experten in die Schule holt und außerschulische Lernorte nutzt; in der Schülerinnen und Schüler gefordert und gefördert werden, an ihren Stärken und Schwächen wachsen können, angstfrei lernen können und eine Leistungsbewertung erfahren, die den weiteren Lernprozess fördert; in der Schülerinnen und Schüler lernen, sich auf andere zu beziehen, Auseinandersetzungen gewaltfrei und fair auszutragen und die Fähigkeit erwerben, mit anderen zusammen zu arbeiten; in der Schülerinnen und Schüler andere Kulturen verstehen und respektieren lernen, Freundschaften unabhängig von Herkunft, Nationalität und ethnischer oder sozialer Gruppenzugehörigkeit knüpfen, Wissen über die Herkunftsländer der zugewanderten Mitschülerinnen und Mitschüler erwerben und die Freiräume für unterschiedliche kulturelle Entwicklungen ermöglicht. Eine möglichst frühe Förderung entscheidet dabei maßgeblich über den späteren Bildungserfolg und ist deshalb für Chancengleichheit unverzichtbar. Darüber besteht – insbesondere auf der Grundlage der neueren pädagogischen, entwicklungspsychologischen und neurobiologischen Forschung – Einigkeit. Zentrales Ziel sozialdemokratischer Bildungspolitik bleiben Chancengleichheit und individuelle 12 Förderung für alle Schülerinnen und Schüler. Die Bildungschancen und damit Chancengleichheit für junge Menschen dürfen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Sozialdemokratische Schulträger werden sich dafür einsetzen, den bisherigen abrupten Übergang vom Kindergarten in die Schule fließender und flexibler zu gestalten. Wir wollen feste Kooperationen und Partnerschaften von Kindertagesstätten und Grundschulen. Die Grundschule bleibt wohnortnah. Sie öffnet sich der Aufgabe der Integration und Kompensation in der Eingangsstufe, gewöhnt die Kinder möglichst frühzeitig an Gruppenarbeit und selbständiges Lernen und fordert und fördert Schülerinnen und Schüler nach ihren Fähigkeiten. Auch im weiterführenden Schulsystem hält die SPD aus Gründen der Chancengleichheit ein wohnortnahes Schulangebot für unverzichtbar. Ebenso lehnt die SPD die von der CDU-Landtagsmehrheit ermöglichte Beteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten ab. Sozialdemokratische Schulträger werden sich für den Ausbau echter Ganztagsschulen einsetzen. Auch hier sind die Maßnahmen der Landesregierung völlig unzureichend. Sozialdemokratische Kommunalpolitik wird die Schulen als zentralen Ort von Bildung und sozialer Integration ausbauen und als Schule im Gemeinwesen zur Schnittstelle zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen von der Wirtschaft über den Sportverein bis zur Theatergruppe aufwerten. Wir werden die integrative Wirkung der Schulen zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen, zwischen Eltern, Lehrern und Kindern stärken. Sozialdemokratische Kommunalpolitik will deshalb die Entwicklung der Schule zum selbständigen Kooperationspartner, zum kommunalen Interaktionszentrum der Bildung und Kultur, zum Impulsgeber kommunaler Initiativen für die Bildung befördern. Bislang gibt es eine zweigeteilte Zuständigkeit für die Schulen. Die Kommune finanziert in erster Linie Gebäude, Ausstattung, Lehrmittel und nicht unterrichtendes Personal. Das Land stellt vor allem die Lern- und Arbeitsmittel und die Personalkosten für die 13 Lehrerinnen und Lehrer. Diese Aufteilung der Zuständigkeiten ist in weiten Bereichen überholt und unproduktiv. Die SPD setzt sich daher für eine Zusammenführung der Zuständigkeiten auf der Ebene des Schulträgers ein und plädiert für die Bildung eines Gesamtbudgets, aus dem die Schulen in weit reichender Selbstständigkeit ihre sächlichen und personellen Aufwendungen decken. Grundlage für die Mittelverwendung der Schule sind Zielvereinbarungen des Landes mit den kommunalen Schulträgern sowie das Schulprogramm, in dem das pädagogische Konzept der Schule niedergelegt ist. Die Schule wählt ihre Lehrkräfte selbst aus. Sie entwickelt ihr eigenes Schulprofil. Dafür bedarf es nicht nur im administrativen sondern auch im pädagogischen Bereich weit reichender Selbstständigkeit. Denn die Schulen können am besten selbst entscheiden, welcher Weg ihre Schülerinnen und Schüler zu Lernerfolgen, die in Bildungsstandards niedergelegt werden müssen, führen. Die Schule ist dem Schulträger und gegenüber der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig und wird in ihrer Leistungsfähigkeit ständig evaluiert. Dies setzt allerdings einen umfassenden Verständigungsprozess über Ziele, Inhalte, Methoden und Projekte für Bildung und Erziehung in den Schulen in der Region und einen darauf basierenden Grundkonsens voraus und ersetzt nicht die fachliche Verantwortung von Schulträger bzw. Schulaufsicht und die politische Verantwortung der kommunalen und der staatlichen Ebene. Unser Ziel ist dabei aber, mit allen Akteuren (Kommune, Land Hessen und Schulen) zu einer gemeinsamen Verantwortung für Bildung und Erziehung in den Schulen in der Region zu kommen und den Prozess der Schulentwicklung von der Zielfindung bis hin zu den Umsetzungsschritten zukünftig in diesem Sinne als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu organisieren. 5. Sozialpolitik fördert Selbstbestimmung, schafft Lebenschancen und stärkt gesellschaftlichen Zusammenhalt, Wir wollen, dass alle Menschen selbstbestimmt leben können. Wir wollen den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken. Wir wollen, dass alle Menschen an allen Bereichen des Lebens in der Gemeinschaft gleichberechtigt teilhaben. Sozialdemokratische Sozialpolitik versteht sich deshalb nicht nur als Hilfe für Menschen in besonderer Not, sondern als Politik der Gestaltung der Gesellschaft. Wir wenden uns gegen soziale Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen und gegen die soziale 14 Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppen untereinander. Wir wollen den Zusammenhalt durch gegenseitiges Lernen und Verstehen stärken. Wir fordern hierzu soziale Verantwortung ein und treten jenen entgegen, die meinen, sie könnten ihre Freiheit auf Kosten der Freiheit anderer ausleben. Die Vielzahl sozialer Probleme, wie Arbeitslosigkeit, Armut, Obdachlosigkeit, Verschuldung, Kriminalität, Vandalismus, Drogenmissbrauch, gesundheitliche Risiken, Behinderung, Erziehungs- und Qualifikationsprobleme werden in den Kommunen zuallererst sichtbar und begründen die Notwendigkeit einer umfassenden kommunalen Sozialpolitik jenseits bzw. in Ergänzung zu den großen sozialen Sicherungssysteme deutlich. Diese kommunale Sozialpolitik wird von drei Säulen getragen: den eigenen Einrichtungen und Maßnahmen der Kommunen, den Trägern der freien Wohlfahrtspflege und der Jugendhilfe und von den organisierten wie unorganisierten ehrenamtlichen und nachbarschaftlichen Netzwerken der Selbst- und der gegenseitigen Hilfe. Alle drei Säulen sind gleich wichtig und verdienen gleiches Augenmerk und Unterstützung. Das Netz der Beratungs- und Hilfeangebote ist in den Kommunen – trotz der harten Einschnitte im Gefolge der „Operation Düstere Zukunft“ der Landesregierung – nach wie vor gut ausgebaut, eng verknüpft und auf hohem professionellen Niveau. Dabei wirken die öffentlichen Träger eng mit den freien Trägern der Sozial- und Jugendhilfe zusammen. Zunehmend verbessert worden ist auch die überörtliche und regionale Zusammenarbeit. Neben dem an manchen Stellen noch erforderlichen quantitativen Ausbau steht im Mittelpunkt unserer Bemühungen für die Zukunft die Sicherung der bestehenden Strukturen, die Verbesserung der Effizienz und Effektivität der Arbeit durch klarere Strukturen der Arbeitsteilung und Kooperation, die bessere Erreichbarkeit für Rat- und Hilfesuchende durch stärkere Transparenz und gemeinwesenorientiertes Arbeiten sowie die noch stärkere präventive Ausrichtung der Arbeit die schon aktiv wird, bevor Menschen zu "Fällen" geworden sind und als Anspruchsberechtigte Geld- oder Dienstleistungen nach den verschiedenen sozialen Leistungsgesetzen des SGB erhalten. Unser Ziel ist eine präventive Sozialpolitik, die sich individuellen Problemlagen schon dann öffnet, bevor diese zu nur noch schwer lösbaren Dauerproblemen geworden sind. Für die Gewährung von Hilfen selbst gilt der klare Grundsatz "ambulant vor stationär". Beides ist auch ein wesentlicher 15 Beitrag dazu, finanziell knappe Ressourcen zielgerichtet und Erfolg versprechend einzusetzen. Vorausschauende Sozialberichterstattung, Sozialplanung und Sozialpolitik muss Frühwarnsysteme entwickeln, damit sowohl im Einzelfall als auch bezogen auf Zielgruppen und Stadtteile rechtzeitig eingegriffen werden kann. Die präventiven Potentiale der Arbeit in den Kindertagesstätten und in den Schulen müssen verstärkt in die Strategien kommunaler Sozialpolitik einbezogen werden, die Kooperation zwischen Schule und Jugendhilfe bedarf dringend der Verbesserung und institutionellen Absicherung. Familien, Nachbarschaft, Selbsthilfeinitiativen und örtliche Gemeinschaften müssen motiviert und in die Lage versetzt werden, als soziales Netz zu wirken. Kommunale Sozialpolitik muss helfen, konkrete Notlagen zu überwinden. Dabei müssen die Selbsthilfekräfte durch konkrete Beratung aktiviert und unterstützt werden. Soziale Arbeit sollte auch aktive Stadtteilentwicklungspolitik sein, die sich quer zu den Politikfeldern einmischt und mit den anderen Ressorts kooperiert. Es geht darum, Fragen der Beschäftigung, des Wohnens, der Qualifizierung, des Lebensstils und der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zusammen zu führen. Deshalb müssen die „Soziale Stadt“-Projekte fortgeführt und die dort gemachten Erfahrungen systematisch auf andere Stadtteile und Wohngebiete übertragen werden. Wir werden verstärkt die Solidarität der Stärkeren mit den Schwächeren einfordern. Solidarität kann Eigenverantwortung allerdings nicht ersetzen. Deshalb müssen die Eigenkräfte der Betroffenen gestärkt werden, bürgerschaftliches Engagement gefördert werden, neue soziale Netzwerke geknüpft werden, das Zusammenspiel der Angebote privater und freier Träger, der Selbsthilfe und öffentlicher Leistungen besser organisiert werden, die Effektivität sozialer Einrichtungen und Dienste erhöht werden, und die sozialen Leistungen zielgenauer eingesetzt werden. 6. Gleichberechtigung heißt Gleichstellung der Geschlechter 16 Im SPD-Grundsatzprogramm von 1989 heißt es: „Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden.“ Damit ist gemeint, dass Politik von und für Frauen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen nicht als Selbstzweck ansieht, sondern die Veränderung der immer noch männlich geprägten Gesellschaft im Blick hat. Frauenpolitik ist keine Nischenpolitik für eine benachteiligte Bevölkerungsgruppe, sondern hat das Ziel, Lebensentwürfe, Interessen und Sichtweisen von Frauen als gleichwertig in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens anzuerkennen und einzubeziehen und damit zu einer Veränderung des immer noch an männlichen Sichtweisen orientierten gesellschaftlichen Zusammenlebens beizutragen. Auf diesem Weg sind wir in den letzten Jahren ein gutes Stück weitergekommen, aber noch immer gibt es Ungleichheiten, die wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten bekämpfen und ändern wollen. Immer noch werden viele Frauen in Ausbildung und Beruf benachteiligt und bei gleicher Arbeit oft nicht gleich bezahlt; ist der Anteil von Frauen an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern höher als bei den Männern; ist Altersarmut überwiegend weiblich; werden Zeitabläufe und Organisationsformen von Erwerbsarbeit durch männliche Lebensentwürfe bestimmt, weil Frauen immer noch überwiegend der private Bereich der Hausarbeit und Kindererziehung zugewiesen wird; haben Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst und Politik geringere Chancen; werden Frauen Opfer männlicher Gewalt. Wir wollen die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern auf allen gesellschaftlichen Feldern. Sozialdemokratische Kommunalpolitik setzt sich für die Rechte der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten ein. Unterschiedliche Betroffenheiten und Perspektiven der Geschlechter müssen gleichberechtigt in alle Entscheidungsprozesse eingehen (Gender Mainstreaming). Sozialdemokratische Kommunalpolitik setzt sich für eine gerechtere Verteilung der Rollen und Aufgaben zwischen Frauen und Männern ein. Entscheidend ist, dass durch eine gleichberechtigte Besetzung der Entscheidungsgremien auch Frauen ihre Erfahrungen einbringen können und die Gleichstellung der Geschlechter alltägliche Praxis wird. 17 7. Perspektiven für die Jugend sind Zukunftsperspektiven Oberstes Ziel unserer Politik für Kinder und Jugendliche und mit Kindern und Jugendlichen ist es, allen jungen Menschen ein selbstbestimmtes Leben in der solidarischen Gemeinschaft mit Menschen jeden Alters, jeden Geschlechts und jeder sozialen und kulturellen Herkunft zu ermöglichen und sie für die aktive Mitgestaltung der Gemeinschaft zu gewinnen. Individuelle Selbstentfaltung und Selbstbestimmung ermöglichen demokratische Teilhabe, beide aber können nur gedeihen, wenn Chancengleichheit und die Möglichkeit der Integration, sowohl für das einzelne Kind und den einzelnen Jugendlichen als auch für die verschiedenen sozialen und kulturellen Gruppen, gegeben sind. Politik für Kinder und Jugendliche zielt also auf die Verhinderung und den Abbau materieller Benachteiligung, sozialer Ungleichheit und kultureller Diskriminierung. Die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen und ihren Erziehungsberechtigten in alle sie betreffenden Fragen und Entscheidungsprozesse ist zugleich Mittel und Ziel dieser Politik. Gleichheit der Lebenschancen bedeutet nicht Gleichheit der Lebensentwürfe und Lebenswege. Integration bedeutet nicht das unterschieds- und gesichtslose Aufgehen in der sozialen und kulturellen Umgebung. Selbstentfaltung und Selbstbestimmung machen das Miteinander erst möglich, Eigensinn und Solidarität gehören zusammen. Wir wollen Kindern und Jugendlichen nicht vorschreiben, wie sie zu leben haben, sondern wir wollen gemeinsam mit ihnen eine Gesellschaft entwickeln, in der ihnen möglichst lange möglichst viele Möglichkeiten offen stehen und in der sie aus diesen Möglichkeiten die ihnen gemäße auswählen können. Damit diese Ziele erreicht werden, wollen und müssen wir möglichst eng an der Lebensrealität von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ansetzen. Gemeinwesen-, Stadtteil- und Lebensweltorientierung sind notwendig, um Defizite und Benachteiligungen möglichst präzise zu erkennen und möglichst rasch und nachhaltig beseitigen zu können, aber auch, um realistische Perspektiven und Formen der Einmischung und Beteiligung eröffnen zu können. Daneben bedarf es aber auch übergreifender Politikansätze, z.B. im Bereich der Schaffung von Qualifizierungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsangeboten. Zunehmend bedeutsam bzw. weitgehend 18 unverzichtbar für eine auf Integration gerichtete Politik ist zudem das Entwickeln integrierter, vernetzter Arbeitsansätze. Sozialdemokratisch geführte Kommunen unterbreiten deshalb Angebote, damit sich Mädchen und Jungen in das gesellschaftliche Leben einmischen und mitwirken können. Kommunale Jugendpolitik muss darauf ausgerichtet sein, den heranwachsenden Jugendlichen Orientierung zu geben und die Mitwirkung an politischen Entscheidungen zu ermöglichen. Kommunale Jugendpolitik darf den Jugendlichen nicht im Sinne administrativer Fürsorge gegenübertreten, sondern muss Eigeninitiative wecken. Das geht nur, wenn sie hierfür ausreichend Freiräume lässt. Die verschiedenen Angebote von Bildungsträgern, Schulen, Sportvereinen, Jugend- und Freizeitstätten sollen verstärkt miteinander verbunden werden. Dort wo kommunale Jugendämter und Schule zusammenwirken, können gute Erfolge in der Jugendarbeit festgestellt werden. Diese erfolgreichen Modelle wollen wir ausweiten. Wir wollen den Jugendlichen Perspektiven für ihr künftiges Berufsleben aufzeigen. Wir müssen sicherstellen, dass sowohl Mädchen als auch Jungen die Chance auf eine gute Ausbildung erhalten und die Fähigkeit erwerben, sich in der Welt der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien selbständig zu bewegen. Das bedeutet, dass Kommunen als Arbeitgeber ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen und Schulen sowie Jugendpflegeeinrichtungen entsprechend modern ausgestattet sind. 8. Aktive Senioren stehen in der Mitte der Gesellschaft Ziel der kommunalen Seniorenpolitik ist es, die menschliche Würde und Persönlichkeit im Alter zu erhalten. Die meisten Älteren sind aktiver Teil der städtischen oder dörflichen Gemeinschaft. Sie nehmen teil und wirken mit. Wir werden ältere Menschen ermutigen, sich bürgerschaftlich zu engagieren, sich neue Tätigkeits- und Wissensfelder zu erschließen und ihr Wissen und ihre Erfahrung in das gemeinschaftliche Leben einzubringen. Ein Mittel hierzu können Seniorenräte bzw. Seniorenvertretungen in den Kommunen sein. 19 Politik mit und für ältere Menschen ist gute sozialdemokratische Tradition. Sozialdemokratisch geführte Kommunen haben als erste in Hessen eigenständige Ansätze kommunaler Altenpolitik entwickelt hat. Diese sind seither unter sozialdemokratischer Verantwortung ausgebaut und weiter entwickelt worden. Altenclubs in den Stadtteilen, Beschäftigungsangebote für ältere Menschen zur Einkommensverbesserung wie zur sozialen Integration, Freizeit- und Bildungsangebote sind hier seit langem eine Selbstverständlichkeit. Dies wollen wir fortführen und verbessern. Einen immer größeren Stellenwert müssen dabei generationenübergreifende Angebote bekommen. Eine längere Lebensdauer und ein zunehmend aktives Alter erhöht die Bereitschaft und die Notwendigkeit, Wissen zu erweitern, zu ergänzen und auch an andere weiter zu geben. Bei den Bildungsangeboten gewinnt der Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologien auch für ältere Menschen immer mehr an Bedeutung. Dem wollen wir durch ein verstärkte Angebote der Volkshochschulen und durch generationenübergreifende Projekte wie Internet-Cafés begegnen. Ein großes Thema ist und bleibt das Wohnen im Alter. Viele ältere Menschen wollen dauerhaft selbstständig in ihren bisherigen Wohnungen leben. Das wollen wir unterstützen. Dabei werden wir gemeinsam mit den Wohnungsbaugesellschaften und den freien Wohlfahrtsverbänden vor allem auf ein stärker in die Stadtteile integriertes Wohnungsangebot für ältere Menschen und auf die intensivere Verknüpfung von Wohnen und Betreuungsangeboten achten. Wo erforderlich, müssen Netzwerke, ambulante Dienste und besondere Wohnangebote geschaffen und ausgebaut werden Bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen und der Hilfe für die Angehörigen wollen wir den ambulanten wie auch den teilstationären Bereich (Tages- und Kurzzeitpflege) weiter ausbauen. Integrierte Beratungs- und Koordinierungsstellen für ältere und pflegebedürftige Menschen als gemeinsame Einrichtung der Kommunen und der Wohlfahrtsverbände erleichtern älteren Menschen und vor allem ihren Angehörigen ganz wesentlich den Zugang zu Hilfeangeboten. Wir ermutigen und unterstützen die vielfältigen und kreativen Ansätze der Selbsthilfe und der gegenseitigen Hilfe von Älteren für Ältere sowie die Entwicklung generationsübergreifender Angebote. Wir wirken aktiv im neu gebildeten und in seinen 20 Funktionen gestärkten Seniorenbeirat mit und werden dessen Rat bei der Weiterentwicklung der Politik für ältere Menschen beachten. 9. Kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik schafft Arbeitsplätze Kommunale Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik kann und muss die staatliche Politik unterstützen und ergänzen. Das setzt ein örtliches Klima gemeinsamer Verantwortung für eine positive Arbeitsmarktpolitik voraus. Dazu gehören die Erkenntnis, dass Strukturwandel ein permanenter Prozess ist, der sozialverträglich gestaltet werden kann und muss, das Bekenntnis, dass Arbeit und Umwelt keine Gegensätze sind, sondern gemeinsam das Fundament einer zukunftsfähigen Politik bilden, die Erkenntnis, dass lokal und regional vorhandene Kernkompetenzen die Basis jeder Erfolg versprechenden Wirtschaftsentwicklung sind, das Bekenntnis zu einer Kultur der Selbständigkeit, die sich nicht auf die Unternehmertätigkeit beschränkt, sondern das Prinzip "Aktivieren statt Alimentieren" favorisiert und Eigeninitiative belohnt. Verantwortungsbewusste Kommunalpolitik muss das ihr mögliche tun bei allen politischen Entscheidungen das Beschäftigungsziel zu berücksichtigen, dem drohenden Abbau von Arbeitsplätzen frühzeitig entgegen zu wirken und die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch aktive Wirtschaftsförderung zu unterstützen, die Möglichkeiten der Ausbildung und Weiterqualifikation für Arbeit Suchende zu verbessern, die Mitverantwortung der Betroffenen im Einzelfall zu fordern, sozial notwendige und gesellschaftlich sinnvolle Beschäftigungsmaßnahmen und -projekte zu initiieren und durchzuführen, Frauen und Männern die gleichen Chancen beim Arbeitsmarktzugang zu schaffen bzw. den Benachteiligten eine besondere Unterstützung zuteil werden zu lassen. 21 Im Mittelpunkt sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik auf kommunaler Ebene stehen die kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie die Unterstützung von Existenzgründungen. Die Erschließung und Pflege der lokalen Potentiale und der regionalen Wirtschaftsbeziehungen bieten dabei besondere Chancen. Der Ausbau regional orientierter Wertschöpfungsketten vom Erzeuger von Vorprodukten bis zum Endverbraucher bietet einen Ansatz, die lokale Wirtschaft zu stärken. Dies setzt aber voraus, dass sowohl einzelbetriebliche als auch kommunale Egoismen überwunden werden. Viele kleine und mittelständische Unternehmen leiden an einem unzureichenden Zugang sowohl zu technologischen Innovationen als auch zu Finanzmitteln für Investitionen. Bei der Beschaffung ausreichender Finanzmittel sind die öffentlichen Sparkassen besonders wichtige Partner für die kleinen und mittelständische Unternehmen. Sozialdemokraten setzen sich deshalb für eine starke Rolle der Sparkassen und in den Aufsichtsgremien der Sparkassen für eine bewusst mittelstandsfreundliche Geschäftspolitik ein. Darüber hinaus unterstützt sozialdemokratische Kommunalpolitik die Bildung von Netzwerken zwischen mittelständischer Wirtschaft und den nächstgelegenen Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen. Im Rahmen eines Stadt- und Regionalmarketings werden wir die Stärken der Wirtschaftsstandorte hervorheben. Gerade die so genannten weichen Standortfaktoren - wie lokale Kultur- und Bildungsangebote aber auch die Familienfreundlichkeit einer Kommune - wurden in der Vergangenheit oft unterschätzt. Sozialdemokraten setzen sich für die Förderung „weicher Standortfaktoren“ ein. Der angekündigte Truppenabzug der Bundeswehr und der amerikanischen Streitkräfte aus Hessen birgt nach unserer Überzeugung mehr Chancen als Risiken. Entschlossenes politisches Handeln vorausgesetzt gilt dies für eine aktive Wirtschaftsförderung, die auf Strukturwandel setzt, ebenso wie für eine verantwortungsbewusste Wohnungsbaupolitik. 10. Menschen brauchen auch in Zukunft guten und bezahlbaren Wohnraum 22 Sozialdemokratische Kommunalpolitik wird die Wohnungspolitik der Zukunft stärker als bisher mit der gesamten Stadtentwicklungspolitik verbinden. Auch künftig wird Bauland gebraucht. Der Bedarf wird sich allerdings nicht zuletzt aufgrund des demographischen Wandels und der Wanderungsbewegungen in den Regionen unterschiedlich entwickeln. Bei der Entwicklung von Bauland sind Modelle der sozial gerechten Bodennutzung zur Abschöpfung privater Planungswertsteigerungen zu nutzen. Mit den Ressourcen muss sparsam umgegangen und der Landschafts- und Naturschutz beachtet werden. Sozialdemokratische Kommunalpolitik wird alle Möglichkeiten prüfen, brach liegende Flächen zu nutzen. Angesichts des immer noch wachsenden Wohnflächenbedarfs pro Kopf sind Flächen sparende Bauweisen verstärkt anzustreben. Wir werden eine an den Problemen der Stadtteile anknüpfende Stadterneuerungspolitik verstärken. Es geht uns neben der Beseitigung von Funktionsschwächen und baulichen Mängeln auch um die Umnutzung und Wiedernutzbarmachung von Brachen, um nachhaltige Beiträge zur Arbeitsplatzsicherung und Qualifizierung und um die Integration sozial-, bildungs- und kulturpolitischer Maßnahmen zu einem Gesamtkonzept. Dieses dient der Stabilisierung und Verbesserung der Lebensbedingungen in benachteiligten Stadtteilen. 11. Nachhaltige Mobilität erforderte integrierte Verkehrspolitik und Verkehrsmanagement Schwerpunkte kommunaler sozialdemokratischer Verkehrspolitik sind Konzepte der Verkehrsvermeidung durch verkehrsreduzierende Siedlungsstrukturen, der Verlagerung von mehr Verkehr auf den Umweltverbund (zu Fuß, per Fahrrad und öffentliche Verkehrsmittel), der Förderung von umweltfreundlichen Fahrzeugen (z.B. bei den kommunalen oder kommunal verbundenen Verkehrsbetrieben), der Verkehrsvernetzung und des Integrierten Verkehrsmanagements über die kommunalen Gebietskörperschaften hinaus. Kein Verkehrsträger kann die vorhersehbaren Steigerungen des Verkehrsaufkommens allein bewältigen. Mobilität lässt sich nur durch ein enges Zusammenspiel unterschiedlicher Verkehrsträger sichern, wobei einer flächendeckenden Versorgung mit bezahlbaren Dienstleistungen des ÖPNV eine 23 ökologische und soziale Schlüsselfunktion zukommt. Wir Sozialdemokraten bekennen uns ferner zur kostenfreien Schülerbeförderung. 12. Vorsorgender Umweltschutz ist eine Investition in die Zukunft Sozialdemokratische Kommunalpolitik ist nachhaltig, das heißt wir konzentrieren uns darauf vorzubeugen und nicht nur zu reparieren. Es bedarf einer integrierten Umweltpolitik, die als ressortübergreifende Aufgabe verstanden wird. Sie ist Bestandteil einer umfassenden Konzeption für die künftige Entwicklung der Kommunen, die sich daran messen lassen muss, inwieweit es ihr gelingt, die verschiedenen Anforderungen aus ökologischer, sozialer und wirtschaftlicher Sicht miteinander zu verknüpfen. Sozialdemokratische Kommunalpolitik wird mit dem Ausbau der dezentralen erneuerbaren Energien und der Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung mehr Wertschöpfung in die Region holen und neue Beschäftigungsmöglichkeiten im Handwerk und in mittelständischen Unternehmen schaffen. Mit der Verminderung der Ausgaben für Erdöl und Erdgas schützen wir das Klima und steigern die Investitionen in heimische Energieanlagen. So schafft die Investition in Solarstrom- und Solarwärmeanlagen nicht nur im Handwerk, sondern auch in hessischen Unternehmen Arbeitsplätze, wie z.B. bei SMA im Kreis Kassel und Wagner Solartechnik im Kreis Marburg-Biedenkopf. Die Städte und Gemeinden haben in vielfältiger Weise Einfluss auf die Energiepolitik, auch wenn ihre Stadt- bzw. Gemeindewerke nicht mehr Eigentümer der Strom- und Gasnetze sind. Mit der Energieversorgung kommunaler Liegenschaften und der Bauleitplanung stellen sie die Weichen für den Energieverbrauch ihrer eigenen und der privaten Gebäude. So hat die Stadt Vellmar unter sozialdemokratischer Verantwortung mit ihrem Städtebaulichen Solarvertrag Sonnenkollektoren zum Standard in Neubaugebieten gemacht und dafür den Deutschen Solarpreis 2004 gewonnen. Ebenso zeigt das in der Universitätsstadt Marburg erfolgreich angelaufene und von den Kasseler Sozialdemokraten geplante „Butzbacher-Bürgerbeteiligungsmodell für Solarstromanlagen“, dass Kommunen den Einstieg ins Solarzeitalter vorantreiben können. Das rot-grüne Erneuerbare-Energien-Gesetz des Bundes hat die Städte und Gemeinden in die Lage versetzt, die verhängnisvolle Abhängigkeit von fossilen Energien zu verringern. Wir Sozialdemokraten wollen die Bürgerinnen und Bürger darin 24 unterstützen, sich von den Preisgefahren auf dem Energiemarkt unabhängiger zu machen und gleichzeitig das Klima zu schützen. Sozialdemokratische Kommunalpolitik hat zum Ziel, den Einfluss auf die Energieversorgung in allen Bereichen zu erhalten. Energiepolitik hat eine wichtige Gemeinwohlfunktion, weil mit ihr regionale Wertschöpfung und der Umweltschutz gefördert werden kann. Die CDU-geführte Landesregierung hat in den vergangenen Jahren immer neue Hürden für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen aufgebaut und verfolgt eine zügellose Politik der Privatisierungen. Damit schadet sie dem Gemeinwohlauftrag der Kommunen und schränkt ihren Spielraum für aktive Beschäftigungspolitik ein. Ein starkes Ergebnis der Sozialdemokraten bei der Kommunalwahl ist auch ein Signal gegen die kommunalfeindliche Politik der CDULandesregierung. Im Gegensatz zu CDU und FDP möchten wir die Rahmenbedingungen für leistungsfähige Stadt- bzw. Gemeindewerke im Energiesektor erhalten. 13. Kulturpolitik stiftet Kommunikation und Identität Das kulturelle Leben und das kulturelle Angebot in den Kommunen leistet einen maßgeblichen Beitrag zur Lebensqualität der Bevölkerung und zur Attraktivität der Städte, Gemeinden und Regionen. Hier ist Vielfalt des kulturellen Lebens, das von Bürgerinnen und Bürgern getragen und gestaltet wird. Dabei sollen sich kritische, utopische, provozierende und unterhaltsame Elemente ergänzen. Eine freie, vielfältige und unabhängige Kunst- und Kulturszene hat eine wichtige soziale und gesellschaftspolitische Funktion und eine notwendige identitätsstiftende und integrative Aufgabe. Sich wandelnde politische und gesellschaftliche Faktoren stellen stets neue Anforderungen und erfordern neue Akzente durch eine der sozialen Gemeinschaft gegenüber verpflichtete, aktivierende, kreativitätsfördernde und identitätsstiftende Kulturpolitik. Kommunale Kulturpolitik hat die Aufgabe 25 die Herausbildung eines traditionsbewussten und zugleich zukunftsorientierten Profils einer Kommune zu ermöglichen und Rahmenbedingungen für die breite Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger zu schaffen; die wesentlichen Bestimmungsfaktoren wie die Möglichkeit zur Kommunikation, die Herausbildung von Kreativität sowie die Entwicklung kultureller Kompetenz und eigener Identität zu ermöglichen; vorhandene Einrichtungen und Träger und freie, selbstorganisierte Ansätze zu fördern, zusammenzuführen und zu vernetzen; Querschnittsaufgaben wahrzunehmen, z. B. zwischen Kultur-, Sozial- und Bildungspolitik, Kulturentwicklung und Stadtplanung; zielgruppen- und stadtteilorientierte Angebote im Sinne von Breitenkultur gerade auch für diejenigen zu machen, denen der Zugang zum kulturellen Angebot aus unterschiedlichen Gründen erschwert wird; Drittmittel/Sponsorengelder für die Kultur einzuwerben, wobei privates Sponsorentum bestenfalls Ergänzung nicht aber Ersatz für öffentliche Förderung sein kann; Rahmenbedingungen für den besseren Austausch von Kulturproduzenten und konsumenten zu schaffen, die Produktionsbedingungen von Künstlerinnen und Künstlern zu verbessern und die Bevölkerung zu kultureller Eigeninitiative zu aktivieren; sich unabhängig von finanziellen Förder- und Steuerungsmöglichkeiten in einen ständigen kreativen Dialog mit Kulturschaffenden, freien und institutionalisierten Initiativen und Trägern zu begeben; interkommunale Kooperation zu intensivieren. Kommunale Kulturpolitik muss und kann Felder und Räume zu aktivem Erleben von Kunst in all ihren Formen, zum gemeinsamen kreativen Schaffen, zu direkter Kommunikation frei von ökonomischen Zwängen bieten. Die kommunalen Kulturinstitutionen spielen hierbei eine wichtige Rolle. Theater, Opern, Konzerte und Ausstellungen ermöglichen die Begegnung mit der Kunst und Kultur in ihren historischen und aktuellen Erscheinungsformen. Kulturämter, Volkshochschulen und Stadtteilzentren machen Angebote zu eigenem kreativen Schaffen. Neben den Angeboten der "Hochkultur", die für breite Bevölkerungsschichten attraktiv gestaltet sein müssen, setzt sich die SPD für ein vielfältiges Angebot der „Breitenkultur“ in allen Regionen Hessens ein, die zur aktiven Beteiligung einlädt. Kultur für alle ist ein 26 wichtiger Baustein sozialer Gerechtigkeit. Sozialdemokraten fühlen sich dabei auch verpflichtet, Inhalten und Formen von Kultur eine Chance zu geben, die in der sich ausdehnenden Medienwelt an den Rand gedrängt werden. Darüber hinaus ist Kultur ein Instrument, die Identifikation der Menschen mit ihrer Gemeinde zu stärken wie auch sich in die Kommunalpolitik mit den Mitteln der Kunst einzumischen. 14. Sport hält fit für das 21. Jahrhundert Sport ist ein zentraler Bestandteil lokaler Kultur. Er bedeutet Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben und praktische Integrationspolitik. Insbesondere bei der sozialen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen spielt der Sport eine bedeutende Rolle. Dies weiter zu unterstützen muss ein Schwerpunkt der Sportförderung sein. Ein ausgewogenes Sportangebot, das die unterschiedlichen Interessen von Mädchen und Jungen besser berücksichtigt, wird angestrebt. Sport ist auch ein Feld, auf dem sich seit langem Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich für die Gemeinschaft engagieren. Eine gute Kooperation zwischen den Vereinen und der Kommune führt zu einer besseren Ausnutzung vorhandener Strukturen. Wo nötig, wollen wir mit den Vereinen zusammen moderne Formen der Zielgruppenansprache entwickeln. 15. Durch Prävention zu mehr öffentlicher Sicherheit Die Sicherheit in den Städten und Gemeinden, auf den Straßen und Plätzen und das Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger sind Themen, denen sich auch sozialdemokratische Kommunalpolitik stellen muss und stellt. Dies muss jedoch in einer dem Problem und den kommunalen Handlungsmöglichkeiten und Kompetenzen angemessenen Weise geschehen. Aus beiden Gründen kann daher Repression nicht im Zentrum einer kommunalen Strategie stehen. Unsere Antwort im Hinblick auf die tatsächlichen Sicherheitsprobleme und auf die Ängste mancher Bürgerinnen und Bürger ist daher ein entschieden präventiver Ansatz kommunaler Sicherheitspolitik. Dabei setzen wir auch auf die aktive Mitarbeit der Menschen. Um die tatsächlichen Probleme im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung anzupacken bedarf es sozial mitdenkender Augen und Hände in unseren Stadtteilen und Wohnquartieren. Sie zu fördern, ist unser zentrales Anliegen. Es geht deshalb aus unserer Sicht primär um 27 gesellschaftliches Miteinander. Jeder einzelne ist beim Aufbau dieses Miteinan-ders direkt und unmittelbar gefordert. Dabei steht die Prävention im Zentrum. Um die vielfältigen Ansätze der Präventionsarbeit staatlicher und kommunaler Instanzen und der freien Träger und das gesellschaftliche Engagement der Bürgerinnen und Bürger zu fördern, zu bündeln und zu vernetzen, sind Kommunale Präventionsräte unverzichtbare Instrumente geworden. Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden sich dafür einsetzen, dass sie auch weiterhin Motoren der gesellschaftlichen Präventionsarbeit bleiben. Wir werden die bestehenden erfolgreichen Projekte der Drogen- und Suchtprävention, der Prävention von Gewalt und sexuellem Missbrauch und von Kriminalität allgemein weiter unterstützen und ausbauen und dabei vor allem die Zusammenarbeit zwischen Schulen und außerschulischen Institutionen verbessern. Gerade in diesem Bereich streben wir eine Verbesserung der regionalen Zusammenarbeit durch gemeinsam geplante und finanzierte Projekte an. Vielerorts sind Projekte der Mobilen Jugendsozialarbeit Instrumente der vorausschauenden Bearbeitung von Konflikten mit Jugendclicquen und -gangs geworden. Insgesamt ist vorausschauende Sozial- und Jugendpolitik, die auch finanzielle Ressourcen bindet und sich stärker in Stadtentwicklung und -planung einmischt, ist eine wesentliche Säule, um das Gemeinwesen zu stärken. Gleichzeitig muss zur Kenntnis genommen werden, dass es vor allem in den Groß- und Sonderstatusstädten Gruppen gibt, die woanders keinen Platz finden. Wir lehnen eine Verdrängungspolitik solcher Gruppen strikt ab. Stadtpolitik muss darauf ausgerichtet sein, dass diese Menschen ebenfalls einen Raum erhalten. Wir wissen, dass das subjektive Sicherheitsgefühl auch durch das Erscheinungsbild der öffentlichen Straßen und Plätze geprägt wird. Ein Beitrag hierzu ist bereits die ausreichende Beleuchtung dunkler Wege, Straßen und Plätze mit Verkehrsbedarf auch in der Abend- und Nachtzeit. Durch die Einführung von Stadthelfern und Stadthelferinnen, die in den Innenstädten und den Stadtteilen ansprechbar sind, kann die städtische Präsenz in den Zentren und den Stadtteilen erhöht und gleichzeitig das unmittelbar auf die einzelnen Bürgerinnen 28 und Bürger bezogene Dienstleistungsangebot verbessert werden. Diese Stadthelfer sollen auch frühzeitig auf Missstände, z.B. durch Verschmutzung oder Zerstörungen in öffentlichen Räumen und Plätzen, hinweisen und die zuständigen Stellen wegen der Beseitigung informieren. Wir halten gerade auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit die Einrichtung von Frauennachttaxi-Projekten, ggf. erweitert für Senioren, für sinnvoll. Für viele Frauen viel stärker als für Männer - sind Mobilität und Sicherheit nicht voneinander zu trennen. Auch Handy-Notruf-Projekte nach dem Beispiel Heidelbergs können eine Beitrag zur Verbesserung der tatsächlichen Sicherheit leisten. 16. Kommunen finanziell besser ausstatten und interkommunale Zusammenarbeit verstärken Viele Kommunen haben erhebliche finanzielle Probleme. Eine Gemeindefinanzreform wie von vielen erhofft kam leider nicht zu Stande. Dennoch an einer besseren Finanzausstattung der kommunalen Ebene geht kein Weg vorbei. Der erhebliche Rückgang bei den kommunalen Investitionen muss endlich ausgeglichen werden können und die wichtigen Aufgaben, die für unser Gemeinwesen durch die Kommunen zu erbringen sind, müssen durch eine ausreichende Finanzausstattung gesichert werden. Deshalb halten wir an unserer Forderung nach einer Gemeindefinanzreform fest, in deren Mittelpunkt eine kommunale wirtschaftsbezogene Steuer steht, die folgenden Anforderungen erfüllen soll: Verstetigung der kommunalen Einnahmen Stärkung der kommunalen Finanzautonomie (Hebesatzrecht) Stärkung des Bandes zwischen Gemeinde und örtlicher Wirtschaft (Äquivalenzprinzip) Erhöhung der Steuergerechtigkeit Keine Verschärfung der regionalen Verwerfungen Keine Verschiebung der Kommunalfinanzierung zu Lasten der Arbeitnehmer. Gerade das Land Hessen hat in den letzten Jahren den Kommunen zusätzliche Lasten aufgebürdet und erhebliche Finanzmittel entzogen. Sozialdemokraten setzen sich für 29 ein Ende dieser kommunalfeindlichen Landespolitik und für eine langfristig verlässliche Gestaltung des Kommunalen Finanzausgleichs und der Zuschüsse des Landes ein. Viele, insbesondere kleinere Kommunen, können heute nicht mehr allein allen neuen Anforderungen gerecht werden. Viele Fragen im Bereich der technischen und sozialen Infrastruktur werden sich zukünftig nur durch interkommunale Zusammenarbeit beantworten lassen. Sozialdemokratische Kommunalpolitik wendet sich gegen Kirchturmdenken und will entwicklungshemmende Rivalitäten unter den Kommunen verhindern. Diese Politik folgt bestimmten Kriterien: Interkommunale Zusammenarbeit gründet auf eindeutigen Vereinbarungen, die Ziele präzise definiert und Vor- und Nachteile sachgerecht verteilt. Die Organisationsform der Zusammenarbeit wird von der gemeinsamen Aufgabe bestimmt. Aber auch interkommunale Zusammenarbeit benötigt eine demokratische Legitimation. An informellen oder institutionalisierten Kooperationen sollten deshalb ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen und –politiker beteiligt werden. Kommunalpolitik – Gute Tradition und neue Aufgabe Unser politischer Erfolg – übrigens immer auch die Stärke der SPD als Volkspartei – gründet in unserer Arbeit in der Kommune. Kommunalpolitik ist für Sozialdemokraten eine Herzensangelegenheit, sie ist die Wurzel unserer politischen Praxis. Als sich vor mehr als 140 Jahren die ersten Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen zusammengefunden haben, war die pragmatische Gestaltung des unmittelbaren Lebensraumes aus dem Geist der gemeinsamen Werte und Überzeugungen heraus eines der wichtigsten politischen Ziele. An dieser guten demokratischen Tradition der Sozialdemokratie und an unseren kommunalpolitischen Grundsätzen wollen wir uns auch in Zukunft messen lassen. 30