Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Themenwelt Kommunalpolitik (01 Grundsätzliches) Schwerpunkt 1: Grundlagen der Kommunalen Selbstverwaltung Demokratie "Demokratie ist nicht die einfachste Staatsform, weil sie täglich des eigenen Engagements bedarf" (Prof. Bernhard Vogel) Die kommunale Politik ist die Keimzelle und Schule der Demokratie. Direkt vor Ort eröffnet sich für politisch engagierte Bürgerinnen und Bürgern ein besonders umfassender Raum zur aktiven und verantwortlichen Mitgestaltung. Kommunalpolitik ist also keine "kleine" Politik. Die bürgernahe Ausführung öffentlicher Angelegenheiten kennzeichnet unser demokratisches Staatswesen und ergänzt neben dem Föderalismus die vertikale Gewaltenteilung. Für eine Demokratie stellen die politischen Ziele der Dezentralisierung, der Stärkung lokaler Einheiten und der Stärkung der lokalen Demokratie die wichtigsten Grundlagen dar. Diesen Zielen hat sich auch 1996 die Vollversammlung der Vereinten Nationen verschrieben, um eine „Globalisierung der Demokratie“ zu beschleunigen. Die erste Stufe unseres Staatsaufbaus ist die öffentliche bzw. kommunale Verwaltung einer jeden Gemeinde oder Stadt. Hier werden nach demokratischen Mehrheitsverhältnissen Entscheidungen getroffen und Volksvertreter gewählt. Der Begriff der Kommunen ist dabei ein Oberbegriff für die Gemeinden (kreisfreie sowie kreisangehörige Städte und Gemeinden) und die Gemeindeverbände (beispielsweise Landkreise, Verbandsgemeinden und Samtgemeinden. (Samtgemeinden sind in Niedersachsen Gemeindeverbände, die bestimmte öffentliche Aufgaben anstelle der Mitgliedsgemeinde ausführen.) Gemeinde und kommunale Selbstverwaltung Kommunale Selbstverwaltung ist Grundlage des deutschen Staatsaufbaus und in Art. 28 des Grundgesetzes (GG) verankert. Die zentrale Aussage für die Kommunen findet sich im zweiten Absatz: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Auch die Gemeindeverbände haben im Rahmen ihres gesetzlichen Aufgabenbereiches nach Maßgabe der Gesetze das Recht der Selbstverwaltung." Durch diese Selbstverwaltungsgarantie, die auch in den Landesverfassungen zusätzlich gestützt wird, sowie die Selbstverwaltungshoheit, erhalten die Gemeinden und Gemeindeverbände das Recht, die örtlichen Angelegenheiten selbstverantwortlich und mit politischem Gestaltungsspielraum zu erledigen. Die Kommunalverfassungen der Länder, also die Gemeinde- bzw. Kreisordnungen sowie das Kommunalwahlrecht, setzen wesentliche Rahmenbedingungen für die Kommunalpolitik. In Gemeinden und Kreisen muss die Bevölkerung eine gewählte Vertretung haben. Über die Wahlen wirken die Parteien an der politischen Willensbildung in den Kommunen mit, indem sie Vertreter aufstellen. Ihr politisches Steuerungszentrum sind die Fraktionen im Rats- bzw. Kreistag (Siehe hierzu auch die Stichworte Kommunalpolitik und Kommunale Selbstverwaltung der Website "Geschichte der CDU") Allzuständigkeit der Gemeinden (oder der Kommunen?) Die Zuständigkeiten, auch Hoheiten genannt, gehen aus der im GG verankerten Selbstverwaltungsgarantie hervor. Die Gemeinden sind für die örtlichen Angelegenheiten "allzuständig". Das heißt, dass sich die Gemeinden örtlichen Aufgaben, die innerhalb der Gemeindegrenzen liegen (Örtlichkeitsprinzip), ohne besonderen Kompetenztitel annehmen können. Eingeschränkt wird dies, soweit die Aufgaben nicht durch sonstige Gesetze zugewiesen sind (Gesetzesvorbehalt). Die Gemeinden haben das Recht, die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Im Hinblick auf die Rechtsprechung besitzt die kommunale Selbstverwaltung folgende Hoheitsrechte (siehe Infografik Hoheitsrechte online). Durch die Hoheitsrechte der Gemeinden werden diese vor substantiellen Eingriffen des Bundes oder des Landes in ihrer Eigenverantwortlichkeit geschützt. Die Länder haben darüber zu wachen, dass alle gemeindlichen Tätigkeiten rechtmäßig sind: Bezeichnet wird dies als Rechtsaufsicht oder Kommunalaufsicht. 1 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Gestaltungsfelder Konkrete kommunale Aufgaben sind beispielsweise die gemeinsame Einrichtung einer örtlichen Infrastruktur (z. B. Gemeindestraßen) oder die Schaffung sowie Unterhaltung von Betrieben (z. B. Betriebe für die Wasserversorgung und Abwasserbehandlung). Ebenfalls gehört zu den Aufgaben die Aufrechterhaltung einer Ordnung, bei der die Entfaltung der Freiheit des Einzelnen nicht auf Kosten anderer oder der Allgemeinheit gehen darf. Allgemein sind alle Aufgaben subsummiert, die durch das Zusammenleben und Wirtschaften von Menschen auf begrenztem Raum entstehen und von der Gemeinschaft bewältigt werden können. Hieraus ergeben sich mehrere Handlungs- und Gestaltungsfelder, z. B. Wirtschaft und Arbeit; Bildung, Kultur und Freizeit; Planen, Bauen, Umwelt und Verkehr; Jugend, Familie und Soziales; Personal, Organisation und Finanzen. Die Kommunale Selbstverwaltung befindet sich oftmals in einem Spannungsverhältnis. Einerseits hat sie alle Verwaltungsaufgaben der Gemeinden zu erledigen, andererseits hat sie die politischen Geschicke des Gemeinwesens zu gestalten. Dies kann sich auf mehrere oder auch auf alle Handlungsfelder des örtlichen Wirkungskreises auswirken. Kommunalpolitik ist dabei von bedarfs- und interessenbezogenen Handlungsalternativen geprägt und muss Schwerpunkte setzen. Subsidiarität Das Subsidiaritätsprinzip (lat. subsidium = Hilfe, Beistand) ist ein Ordnungsprinzip des politischen und gesellschaftlichen Handelns. Im Kontext der Kommunalpolitik findet es auf unterschiedlichen Ebenen seine Anwendung. Öffentliche Aufgaben sollen möglichst bürgernah organisiert und auf der niedrigsten politischen Ebene gelöst werden. In Deutschland sind das die Kommunen. Erst wenn eine bestimmte Aufgabe dort nicht gelöst werden kann, wird die Kompetenz nach "oben", also an die Bundesländer, abgegeben. Hilfe zur Selbsthilfe sollte immer vorangehen. Wird die Subsidiarität als "Messlatte" für die Zuordnung öffentlicher Aufgaben beachtet, gehört eine Aufgabe, die die Gemeinde erledigen kann, nicht in den staatlichen Aufgabenkatalog. Dieses Prinzip gilt auch für das Verhältnis zwischen Gemeinde und Bürger. Erst wenn letzterer seine Probleme nicht bewältigen kann, sind diese möglicherweise von der Kommune zu lösen. Das Aufgabenverteilungsprinzip der Subsidiarität verringert zudem die Bürokratie und verdeutlicht den Vorrang einer dezentralen, zunächst in der Gemeinde, vor einer zentralen Aufgabenwahrnehmung. Info-Box Subsidiarität im KAS-Lexikon Stichwort Subsidiarität auf der Helmut Kohl Website der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. Subsidiarität im Rahmen des Themenschwerpunktes Sozialen Marktwirtschaft Aufgabenbereiche Die zwei großen Aufgabenbereiche der Kommunen lassen sich hinsichtlich ihrer Art in Selbstverwaltungsaufgaben und übertragene Aufgaben aufteilen. Dementsprechend wird in diesem Zusammenhang auch von dem eigenen und dem übertragenen Wirkungskreis gesprochen. Im eigenen Wirkungskreis erledigen die Kommunen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Im übertragenen Wirkungskreis stehen Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, also Angelegenheiten der staatlichen Gemeinschaft im Mittelpunkt. Hier werden die Kommunen als untere Verwaltungsbehörde tätig. Folgende Animation (online) erläutert die Wirkungskreise hinsichtlich der Merkmale Aufgabenart, Entscheidungsspielraum und Kontrolle. Eine Zunahme der pflichtigen Selbstverwaltungsaufgaben und der Pflichtaufgaben nach Weisung führt dazu, dass ein Großteil der Gemeindefinanzen auf diese beiden Aufgabentypen entfällt. Für die freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben – als Ausdruck kommunaler Politikgestaltung – verbleiben dann meist nur noch geringe Finanzmittel. Hieraus ergibt sich ein schmaler Handlungs- und Gestaltungsspielraum für die Gemeinden bei der Übernahme und Durchführung der Aufgaben. 2 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Bestandsgarantie und Aushöhlungstendenz Auch in der politischen Debatte zur Konsolidierung des Haushalts werden die freiwilligen und pflichtigen Aufgaben oftmals ungleich behandelt. Starke Kürzungen oder Abschaffungen im Bereich der freiwilligen Aufgaben führen nicht zu einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung. Die Gefahr der Aushöhlung der kommunalen Selbstverwaltung resultiert auch aus folgenden Punkten: einer zunehmenden Fremdbestimmung inhaltlicher (z. B. Landesentwicklungspläne im Rahmen eines Planungsverbundes) und finanzieller Art (z. B. Zweckzuweisungen im Rahmen eines Finanzierungsverbundes); einem staatlichen Regelungsmechanismus, der sich in ausufernden Verordnungen, Richtlinien und Erlassen äußert (z. B. Zentralisierungstendenzen durch vermehrte Pflichtaufgaben nach Weisung) und einer Aufgabenüberfrachtung der Kommunen ohne entsprechende Mittelzuweisung. Resümee: Die kommunale Selbstverwaltung ist die Übertragung von (Verwaltungs-)Aufgaben, um den Kommunen die eigenverantwortliche Gestaltung zu ermöglichen. Die gemeinsame Erledigung von Aufgaben steht am Anfang und immer im Vordergrund der Kommunalpolitik. Sie ist der Bereich, in dem die Chance der Selbstverwirklichung des politisch interessierten Menschen besteht und bildet die primäre Aktionsbasis der politischen Parteien. Die kommunale Selbstverwaltung … beteiligt den Bürger an der Erfüllung örtlicher Aufgaben, verbreitert die Basis für die politische Beteiligung, ermöglicht eine orts-, problemnahe Lösung von Verwaltungsaufgaben und verstärkt die vertikale Gewaltenteilung durch die Verteilung der Staatsmacht auf Bund, Länder und Gemeinden. Schwerpunkt 2: Staatliche und kommunale Verwaltung und Strukturen Staatsaufbau Das Grundgesetz ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland und bildet damit die Grundlage der staatlichen Ordnung. Die Bundesrepublik Deutschland ist verfassungsrechtlich ein Bundesstaat mit 16 Ländern als Gliedstaaten (auch Bundesländer genannt). Sowohl die Gliedstaaten wie auch der Gesamtstaat besitzen eine eigene Staatsgewalt. Die Länder sind Staaten mit eigenen Landesverfassungen, Parlamenten und Verwaltungsstrukturen. Beim Verwaltungsaufbau sind drei voneinander unabhängige Hauptebenen zu unterscheiden: a. die Verwaltung des Bundes, b. die Verwaltung der Länder und c. die Kommunalverwaltung. Jeder dieser Verwaltungsbereiche hat laut Grundsatz seinen eigenen abgegrenzten Aufgabenkreis. Es gibt keinen allgemeinen Instanzenzug (Rechtsmittelzug) Gemeinde – Land – Bund. Die im Grundgesetz geregelte Garantie der Kommunalen Selbstverwaltung gibt den Kommunen dabei einen eigenen Handlungsspielraum, gemeindebezogene Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln. In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1988 (siehe Zeitstrahl „Rastede-Urteil“ [Testen hinsichtlich Artikel oder Link zur Zeitmaschine]) wurden die Subsidiarität und die Kommunale Selbstverwaltung nochmals eindeutig hervorgehoben. Die Kommunen, also die rund 11.161 Gemeinden, 476 Kreise und kreisfreien Städte (Stichtag: 31.12.2013, www.regionalstatistik.de), gelten jedoch staatsrechtlich nicht als eigene bundesstaatliche Ebene, sondern werden im zweistufigen, aus Bund und Ländern bestehenden Föderalsystem der Exekutive der Länder zugerechnet. D. h. Im Rahmen des föderalen Staatsaufbaus sind die Kommunen verfassungsrechtlich als Bestandteile der Bundesländer definiert. 3 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Für den Staats- und Verwaltungsaufbau der Bundesrepublik Deutschland sind drei im Grundgesetz festgeschriebene Prinzipien von besonderer Bedeutung: die Gewaltenteilung, das Bundesstaatsprinzip und die kommunale Selbstverwaltungsgarantie. Zudem gibt es laut Grundgesetz zwei zentrale Mechanismen der Gewaltenteilung: die horizontale Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Rechtsprechung die vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern durch das Bundesstaatsprinzip. Die nachstehende Infografik (online) verdeutlicht den Staatsaufbau sowie die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland. Verhältnis Kommunen und Staat Das Verhältnis zwischen Kommunen und Staat kann allgemein unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden: "Unter Aspekten der Aufgabenzuweisung geht es um Funktionalität der Aufgabenwahrnehmung und die sachgerechte Ebene der Bereitstellung öffentlicher Leistungen. Damit eng verbunden ist stets der territoriale Zuschnitt der Gebietskörperschaften, um funktionale Mindestgrößen realisieren zu können. Unter Aspekten der Finanzierung geht es um die Befähigung der Kommunen, die Leistungen in gebotenem Umfang anbieten zu können, die unterschiedlichen sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen angemessen zu berücksichtigen, aber auch Fehlanreize zu vermeiden. Grob kann hier zwischen der Erschließung eigener Finanzquellen insbesondere durch lokale Steuern einerseits und staatlichen Zuweisungen andererseits unterschieden werden. Unter Aspekten der Aufsicht geht es um die Handlungsspielräume der Kommunen und das Spannungsverhältnis zwischen einer einheitlichen (oder ‚gleichwertigen‘) Leistungsgestaltung einerseits und einer Anpassung der Leistungen an lokale Gegebenheiten und das Zulassen kommunalen ‚Eigensinns‘ andererseits. Unter Aspekten der Demokratie geht es schließlich um Beteiligungsrechte vor Ort, aber auch um Mitspracherechte der Kommunen auf den übergeordneten Ebenen." (Quelle: Hartmut Bauer, Christiane Büchner, Jochen Franzke, Hrsg.: "Starke Kommunen in leistungsfähigen Ländern", Universitätsverlag Potsdam 2013, Seite 138) Lokale Ebenen Die politisch durchdachte vertikale und horizontale Aufgabenverteilung zwischen Land, Landkreisen und Gemeinden stellt somit die Grundlage für zukunftsfähige, effiziente und kostengünstige kommunale Strukturen. Ergänzend hierzu müssen die zur Verfügung stehenden Personal- und Finanzmittel auf die verschiedenen kommunalen Ebenen verteilt werden. Gebietsreformen sind somit auch Funktionalreformen, also die Übertragung von Aufgaben auf einen anderen Verwaltungsträger, der nicht derselben Verwaltungsebene angehört. Gemeindeverbände Öffentliche Aufgaben, die die verwaltungstechnische oder finanzielle Leistungsfähigkeit der einzelnen Gemeinde übersteigen oder wirksamer auf übergemeindlicher Ebene zu bewältigen sind, werden von sogenannten Gemeindeverbänden erledigt. Am bedeutsamsten sind die (Land-)Kreise. Alle Gemeinden - auch die kreisangehörigen Städte - eines Gebietes gehören aufgrund entsprechender Landesgesetze zu einem bestimmten Landkreis. Die unterhalb der Kreise angesiedelten engeren Gemeindeverbände helfen den in ihnen zusammengeschlossenen kreisangehörigen Gemeinden, ihre Verwaltungsaufgaben zu erfüllen. Kennzeichnend für die höheren Gemeindeverbände - die es nur in den alten Bundesländern gibt - ist, dass sie mehrere Stadt- und Landkreise umfassen und vor allem Aufgaben im sozialen Bereich, der Landschaftspflege und der regionalen Planung wahrnehmen. Eine immer größere Bedeutung erfährt dabei auch die Stärkung der lokalen Demokratie und der bürgerschaftlichen Teilhabe, so dass lokale Möglichkeiten der Mitentscheidung auf allen kommunalen Ebenen gefördert werden sollten. Insbesondere bei kommunalen Gebietsreformen sollte dieser Aspekt stärker berücksichtigt werden, um die Zukunftssicherung der Kommunen zu gewährleisten. 4 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Gemeindeverbände II Kreise sind öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaften und als Träger der öffentlichen Verwaltung zwischen dem Land und den Gemeinden angesiedelt. Entsprechend ist deren Aufgabenspektrum doppelgesichtig: zum einen sind die Kreise untere staatliche Verwaltungsbehörde und zum anderen haben sie nach Art. 28 Abs. 2 GG für die auf ihr Gebiet begrenzten übergemeindlichen Angelegenheiten ein - abgeschwächtes - Selbstverwaltungsrecht. Die nach Ländern sehr unterschiedlichen Aufgabenbereiche und Kompetenzen der Kreise sind jeweils in Kreisordnungen detailliert festgelegt. Ihre Ausgleichsfunktion besteht darin, - dem Sozialstaatsprinzip folgend - gleichwertige Lebensverhältnisse im regionalen Vergleich herzustellen. Gestaltungsfreiheit und Selbstbestimmung Die kommunale Selbstverwaltung stellt innerhalb der öffentlichen Verwaltung den größten Bereich dar und ist Hauptansprechpartner für den Bürger und die Wirtschaft in Behördendingen. Sie führt etwa 80% aller Bundes- und Landesgesetze aus, tätigt etwa zwei Drittel aller öffentlichen Investitionen und erledigt etwa 25% aller öffentlichen Aufgaben. Das ständig ausgeweitete Leistungsangebot der sozial-staatlichen Daseinsvorsorge begründete den kommunalen Finanzausgleich und einen durchgängigen Planungsverbund. Daraus resultierten zunehmend Verflechtungen zwischen der staatlichen und der gemeindlichen Ebene. Diese mündeten regelmäßig in einer Zentralisierung von Regelungs-, Entscheidungs- und Finanzkompetenzen. Öffentliche Verwaltung In der Bundesrepublik Deutschland ist die öffentliche Verwaltung vorwiegend in die verschiedenen Trägerschaften (Bund, Länder und Kommunen) aufgeteilt. Der Aufbau der öffentlichen Verwaltung folgt einer funktionalen Struktur, die auf der Aufbau- und Ablauforganisation basiert. Unter öffentlicher Verwaltung kann allgemein die Summe der Einrichtungen verstanden werden, die vom Staat, den Gemeinden und den von ihnen geschaffenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Erledigung der öffentlichen Aufgaben vorhanden sind. Die öffentliche Verwaltung ist vielfältig sowie vielgliedrig und lässt sich wie folgt unterteilen: Organisationseinheiten (z. B. Kommunal-, Landes- und Bundesverwaltungen, EU-Verwaltungen und Anstalten öffentlichen Rechts) Organisationsaufbau (z. B. formelle und informelle Strukturen, Innen- und Außenbeziehungen) Organisationsfunktionen (z. B. Aufgaben und Leistungen, Verfahrensregeln und Verfahrensweisen) Dabei richten sich die Organisations- und Prozessstrukturen der öffentlichen Verwaltungen nach folgenden Prinzipien Regelgebundenheit (Rechtsstaatsprinzip), Hierarchieprinzip (vertikale Orientierung der Abläufe an Hierarchien) und Spezialisierung (spezialisierte Arbeitsteilung/Rechtsgebiete und Aufgabenorientierung). Darüber hinaus sind die zentralen Anforderungen an das Verwaltungshandeln: Zweckmäßigkeit, Rechtmäßigkeit, Transparenz, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Mit Hilfe der Kriterien der Auftragserfüllung, Kundenzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit und Mitarbeiterzufriedenheit kann ermittelt werden, wie gut die Arbeit einer kommunalen Verwaltung funktioniert. Weitere Informationen zur öffentlichen Verwaltung bietet Ihnen die Publikation "Der öffentliche Dienst in Deutschland" des Bundesministerium des Inneren (PDF-Datei). 5 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Schwerpunkt 3: Bürger, Mandatsträger, Parteien, Ehrenamt Kommunalverfassungen Die Verfassung einer Kommune (Kommunalverfassung) legt die rechtlichen Regelungen zur Organisation fest. Die konkrete Art, die Zusammensetzung und das Zustandekommen des Gemeindeorgans ergeben sich aus den Regelungen der jeweiligen Landesverfassungen und Gemeindeordnungen. Es bestehen dementsprechend unterschiedliche Arten von Kommunalverfassungen. Alle Kommunalverfassungen beinhalten die Existenz eines Gemeinderates, dem zentrale kommunale Entscheidungen obliegen. Gemeinsam ist auch die Absicht, die Position des Bürgermeisters zu stärken und direktdemokratische Elemente einzuführen. Unterschiede gibt es vor allem bei dem Hauptverwaltungsbeamten, also dem Leiter der Verwaltung einer Gemeinde, eines Kreises oder einer kreisfreien Stadt (Bürgermeister). In der Praxis gab es vier Arten von Kommunalverfassung: Süddeutsche Ratsverfassung (auch Bürgermeisterverfassung oder monistische Kommunalverfassung genannt) (Alle Beschluss- und Ausführungskompetenzen liegen beim Gemeinderat. Der Bürgermeister wird direkt vom Volk gewählt und ist stimmberechtigter Vorsitzender des Gemeinderats.) Norddeutsche Ratsverfassung (Der Bürgermeister wird vom Gemeinderat aus seiner Mitte gewählt. Es gibt als weiteres Organ den Gemeinde- bzw. Stadtdirektor, der die Beschlüsse des Gemeinderats vorbereitet und ausführt.) Bürgermeisterverfassung (Der Bürgermeister steht der Gemeindeversammlung gemeinsam mit den Beigeordneten als Gemeindevorstand gegenüber. Der Bürgermeister ist dabei gegenüber den Beigeordneten weisungsbefugt.) Magistratsverfassung (Nur noch in Bremerhaven und in abgewandelter Form in Hessen Dem Gemeindevorstand als zur Beschlussfassung berufenes Organ steht dem Magistrat mit dem Bürgermeister gegenüber. Der Bürgermeister ist den anderen Magistratsmitgliedern nicht weisungsbefugt. Er ist der Erste von mehreren im Rang die auf der gleichen Stufe stehen. Bei Stimmgleichheit entscheidet allerdings seine Stimme. Die Aufgaben des Magistrats liegen in der Umsetzung der Beschlüsse.) Seit den 1990er Jahren hat sich jedoch fast flächendeckend eine allgemeine Konvergenz der Verfassungstypen hin zum süddeutschen Modell durchgesetzt. Ausnahmen stellen lediglich die Stadt Bremerhaven und die hessischen Kommunen dar, wo (in leicht abgewandelter Form) weiterhin die Magistratsverfassung besteht. (Online: Infografik: Die zwei Grundtypen der Kommunalverfassung: Süddeutsche Ratsverfassung und Magistratsverfassung.) Bürger Je nach Staatsangehörigkeit, rechtlicher Einbindung in die Kommune und dem Lebensalter hat der Einzelne unterschiedliche Rechte und Pflichten in der Gemeinde. Es wird zwischen Einwohner (Einwohner ist, wer in der Gemeinde wohnt) und Bürger (Bürger ist, wer zu den Gemeindewahlen wahlberechtigt ist) unterschieden. Ergänzend hierzu gibt es noch Ortsfremde (sogenannte Forensen) die auch Rechte und Pflichten haben, sofern diese einen Grundbesitz oder Gewerbebetrieb in der Gemeinde besitzen. Einwohner einer Gemeinde haben folgende Rechte und Pflichten: Rechte Nutzung aller öffentlichen Einrichtungen Teilnahme an Bürgerbeteiligung, Bürger- bzw. Einwohnerversammlung eingeschränkt öffentliche Ehrenämter Pflichten allgemeine Steuer-/Gebühren-/Beitragspflicht Leistung von Hand- und Spanndiensten (öffentliche Dienstleistungspflichten) Übernahme bestimmter ehrenamtlicher Tätigkeiten 6 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Die einzelnen Regelungen werden in den jeweiligen Gemeindeverordnungen entsprechend aufgeführt. Den Bürger treffen die gleichen Rechte und Pflichten wie den Einwohner. Allein in seinen Mitwirkungsrechten stehen dem Bürger zusätzlich das Wahlrecht und die Wählbarkeit in den Rat und/oder Kreistag zu; er kann an Bürgerbegehren und am Bürgerentscheid mitwirken. Ihn trifft aber ggf. auch die Pflicht, ein Ehrenamt anzutreten. Bürgerengagement In vielen Bereichen des kommunalen Zusammenlebens übernehmen Ehrenamtliche spezielle Aufgaben. Dieses bürgerschaftliche Engagement – ob als Ehrenamt im Verein, freiwilliges Engagement in einer Initiative oder auch das gemeinsame Eintreten für ein bestimmtes Anliegen – ist unverzichtbar für eine Kommune. Bürgerschaftliches Engagement braucht Ermutigung, Förderung und Unterstützung. Kommunen entwickeln deshalb Aktivitäten und Strategien, um das bürgerschaftliche Engagement vor Ort zu stärken und zu fördern, beispielsweise durch Anlaufstellen zur Koordination in der Kommunalverwaltung. Wenn möglichst viele Bürgerinnen und Bürger dazu bereit sind, sich in die Angelegenheiten ihres direkten Lebensumfeldes aktiv einzubringen und Mitverantwortung zu übernehmen, wird Demokratie lebendig. Der Weg vom bürgerschaftlichem Engagement führt oftmals direkt zur politischen Mitbestimmung. Mandatsträger: Ehrenamt Das kommunale Mandat ist eine besondere Form des gesellschaftlichen Engagements. Das Mandat des Gemeindevertreters wird grundsätzlich ehrenamtlich ausgeübt. Es geht um eine verantwortliche Funktion innerhalb des Staatsaufbaus. Die Mitglieder des Gemeinderates sind als Volksvertreter nur an die Verfassungen und Gesetze gebunden. Die Herausforderung eines kommunalen Mandats ist anspruchsvoll. Wer eine politische Entscheidung treffen will, muss sich vorher informieren, z. B. über die genauen lokalen Umstände, über die fachlichen Probleme und über die zu beachtenden Rechtsregeln. Entsprechend dieser Verantwortung kann der Mandatsträger von der Verwaltung verlangen, über alle wichtigen Fakten, Vorgänge und Bestimmungen informiert zu werden: Die Verwaltungsspitze muss den Gemeinderat unterrichten und mit ihm zusammenarbeiten. Info-Box Die Kommunale Selbstverwaltung ist auf Mandatsträger und engagierte Bürger angewiesen, die durch qualifizierte Mitwirkung zur Weiterentwicklung ihrer Gemeinde beitragen. Übernehmen Sie Verantwortung und gestalten Sie mit. Kommunalpolitische Schulungen und Beratung bieten die Konrad-Adenauer-Stiftung und die KommunalAkademie an. Weitere Informationen finden Sie auf folgenden Websites: Zur Abteilung KommunalAkademie der Hauptabteilung Politische Bildung Zur Themenseite Kommunalpolitik Zum Fachprogramm 2015 Kommunalpolitik Sehen Sie hierzu auch unser Erklärvideo Ehrenamt. Mandatsträger: Rechte und Pflichten Kommunalpolitikerinnen und -politiker stehen vor großen Herausforderungen. Immer komplexere gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Entwicklungen verlangen nach politischen Lösungsansätzen, die von den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur akzeptiert, sondern vor Ort aktiv mitgestaltet werden. In Zeiten abnehmenden kommunalpolitischen Engagements und vor dem Hintergrund von neuen Protestformen ist die örtliche Demokratie mehr denn je auf qualifizierte Mandatsträgerinnen und Mandatsträger angewiesen. Ihre sachkundige und qualifizierte Arbeit trägt maßgeblich zum Erfolg der Kommunen bei. Gemeinsam mit vielen engagierten Bürgerinnen und Bürgern, ehrenamtlichen Initiativen, Vereinen und mit den Parteien sichern sie die Zukunft der Kommunalen Selbstverwaltung, der Keimzelle unserer Demokratie. 7 Themenwelt Kommunalpolitik (Grundsätzliches) Parteien Als politische Partei wird der Zusammenschluss einer größeren Anzahl von Personen bezeichnet, die sich längerfristig zur Durchsetzung politischer Ziele organisieren und mehr als Gruppeninteressen verfolgen. Nach Art. 21 Abs. 1 GG wirken die Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Sie repräsentieren die verschiedenen geistigen Strömungen und bieten unterschiedliche Lösungsstrategien für die vorherrschenden gesellschaftlichen Herausforderungen. Für die politische Gestaltung unserer pluralistischen Gesellschaft sind Parteien unabdingbar. Sie bündeln Interessen, fassen Ziele zusammen, entwickeln Handlungsprogramme und suchen Wählermehrheiten. Damit sind sie in der repräsentativen Demokratie Mittler zwischen den Staatsbürgern und der Exekutive. Das Parteiengesetz von 1967 konkretisiert die Aussagen des Grundgesetzes über die politischen Parteien. Es schreibt vor, dass die Parteien eine Satzung mit Regelungen über die innere Ordnung (u.a. Gliederung, Organe, Rechte und Pflichten der Mitglieder) und ein schriftliches Programm mit ihren Zielen haben müssen. Als verfassungsrechtlich verankerter Bestandteil unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung werden ihnen - unabhängig von der Aktivitätsebene - bestimmte Aufgaben bei der Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes aufgetragen. Fraktionen Zu einer Fraktion schließen sich gleichgesinnte Vertretungsmitglieder zusammen. Dabei sind mindestens zwei - nach Ländern unterschiedlich - gewählte Vertretungsmitglieder nötig, die keiner anderen Fraktion angehören dürfen. Eine Fraktion hat nur für die jeweilige Wahlperiode Bestand. Rechte und Pflichten einer Fraktion ergeben sich aus der Kommunalverfassung und der Hauptsatzung/Geschäftsordnung der einzelnen Kommune. In der Ratsarbeit nehmen die Fraktionen eine Schlüsselrolle ein. Sie bündeln die Interessen der Mandatsträger und wirken einer Zersplitterung des politischen Willensbildungsprozesses entgegen. In der kommunalpolitischen Praxis gehören sie neben den Ausschüssen, dem informellen Kreis der Vorentscheider und der Verwaltung zu den entscheidungsrelevanten Instanzen. Mit Hilfe von Fraktionen werden die Meinungen der Mandatsträger gebündelt und die Mehrheitsbildung erleichtert. Des Weiteren organisieren sie das Informationsmanagement sowie die arbeitsteilige Zusammenarbeit und Weiterbildung ihrer Mitglieder. Arbeitsteilung zwischen Partei und Fraktion Die vielfältigen Aufgaben im kommunalen Bereich lassen sich besser bewältigen, wenn eine lokale Parteiorganisation bzw. eine Wählergemeinschaft und deren Fraktion im Rat die Arbeit gemeinsam tun: Die lokale Partei formuliert die strategischen Ziele der politischen Arbeit und setzt die Schwerpunkte (Zielfindung/Prioritätensetzung); Die Ratsfraktion operationalisiert sie in Aktionsprogramme und Maßnahmen (Programm-/Maßnahmenplanung) und kontrolliert die Verwaltung. 8