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Anforderungen an Tiergehege unter tierschutzrechtlichen Gesichtspunkten
Jörg Pfeiffer
Derzeit werden in Deutschland zwei Arten genehmigungspflichtiger Wildtierhaltungen unterschieden. Zum
einen handelt es sich um Zoos im Sinne der Richtlinie über die Haltung von Wildtieren in Zoos („Zoorichtlinie" - RL 1 999/22/EG vom 29. März 1999) und zum anderen um Tiergehege mit Wildtierhaltung,
die nicht als Zoos im Sinne der Zoorichtlinie eingeordnet werden.
1. Zur Abgrenzung von Zoo und Tiergehege
In Niedersachsen ist die Entscheidung, ob es sich um einen Zoo im Sinne des § 45 Niedersächsisches
Naturschutzgesetz (NNatG) i.V. mit der Zoorichtlinie oder um ein Tiergehege im Sinne des § 45 c NNatG handelt
danach zu treffen, welche Arten und wie viele Tiere in der Einrichtung gehalten werden (RdErl. des ML vom
09.04.2003).
Danach sind Einrichtungen, in denen Tiere wild lebender Arten zwecks Zurschaustellung während eines
Zeitraumes von mindestens sieben Tagen im Jahr gehalten werden als Zoos einzustufen. Nicht unter den
Zoobegriff fallen:
1. Zirkusbetriebe (Ausnahme: wenn sie im Winterquartier dauerhafte Tierschauen mit wildlebenden
Tieren einrichten)
2. Tierhandlungen
3. Gehege zur Haltung von nicht mehr als fünf Arten von heimischem Schalenwild entsprechend
Bundesjagdgesetz
4. Einrichtungen, in denen nicht mehr als fünf Tiere anderer wild lebender Arten gehalten werden
2. Verfahrensweise zur Erlaubniserteilung von Tiergehegen in Niedersachsen nach § 45 NNatG und/oder
§ 11 Tierschutzgesetz (TierSchG)
Aus tier- und artenschutzrechtlichen Gründen benötigt derjenige, der in Niedersachsen einen Zoo bzw. ein
Tiergehege betreiben will:


eine tierschutzrechtliche Erlaubnis nach § 11 Abs. 1. Nr. 2a bzw. 3a, 3b und 3d TierSchG und/oder
eine artenschutzrechtliche Genehmigung (sog. Zoo- bzw. Tiergehegegenehmigung) nach § 45 bzw. §
45c Nds. Naturschutzgesetz.
Um den Verwaltungsaufwand für die Genehmigungsverfahren sowohl für den Antragsteller als auch für die
zuständige Artenund Tierschutzbehörde möglichst gering zu halten, wurde in Niedersachsen in einem
gemeinsamen Erlass von Landwirtschafts und Umweltministerium folgende Verfahrensweise zur
Erlaubniserteilung festgelegt (gemeinsamer Nds. RdErl. vom 03.11.2000):
1.
Erlaubniserteilung für Tiergehege nach 11 Abs. 1 Nr. 2c, 3a, 3b oder 3d TierSchG, die keine
Genehmigung nach § 45 NNatG benötigen
Die Erlaubnis wird durch Tierschutzbehörden (Veterinärämter) erteilt. Die Naturschutzbehörden sind bei
tierschutzrechtlichen Überprüfungen, bei denen naturschutzrechtlich besonders geschützte Arten betroffen
sind, zu beteiligen.
2.
Erlaubniserteilung für Tiergehege nach 11 Abs. 1 Nr. 2a, 3a, 3b oder 3d TierSchG die auch eine
Genehmigung nach § 45 NNatG benötigen
Die Genehmigung wird durch die Naturschutzbehörde erteilt. Die naturschutzrechtliche
Gehegegenehmigung schließt die tierschutzrechtliche Erlaubnis mit ein. Die Veterinärämter
(Tierschutzbehörden) müssen eine tierschutzfachliche Stellungnahme zum Gehegeantrag abgeben.
3.
Genehmigung für Tiergehege nach § 45 NNatG, die keine Erlaubnis nach § 11 TierSchG benötigen
Die Genehmigung wird durch die Naturschutzbehörde erteilt. Eine tierschutzfachliche Beurteilung durch
die Veterinärämter (Tierschutzbehörde) ist jedoch einzuholen.
3. Tierschutzrechtliche Beurteilung von Tiergehegen nach § 11 TierSchG
Bei der tierschutzfachlichen Beurteilung eines Tiergehegeantrages nach § 11 TierSchG sind folgende
tierschutzrechtliche Vorgaben zu prüfen bzw. tierschutzrelevante Belange zu berücksichtigen:
1.
Ist der Antragsteller zurverlässig im Sinne des Tierschutzgesetzes,
2.
Verfügt der Antragstell,rer eine mit der Versorgung der Tiere oder ein von ihm beauftragte Person über
die erforderlichen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse, die beantragten Tierarten emäß § 2
TierSchG ihren Bedürfnissen entsprechend angemessen zu ernähren, zu pflegen und
verhaltensgerecht unterzubringen (Sachkundenachweis)?
3.
Erfüllt das beantragte Tiergehege die Vorraussetzungen, um die darin gehaltenen Tierarten
verhaltensgerecht unterzubringen und versorgen zu können?
Dabei müssen folgende tierschutzrelevante Beurteilungskriterien berücksichtigt werden:
 Standortfrage: Lage, Witterungs- und Bodenverhältnisse
 Aktivitätsphase (handelt es sich um tag-,dämmerungs-, oder nachtaktive Tiere)
 Gruppenzusammensetzung (handelt es sich um Einzelgänger oder sozial lebende Tiere) bzw. ist eine
\'ergesellschaftung mit anderen Arten möglich
 Größe und funktionelle Ausstattung von Außen- und Innengehege, Stall und Unterstand (aber kein
reiner „Zollstocktierschutz", s.u.)
 Elemente des „Behavioural-Enrichment", Beschäftigungsprogramme
 Höhe und Art der Umfriedung des Geheges
 Ernährung, Futterversorgung der Tiere
 Kennzeichnung der Tiere
 Gesundheitsprophylaxe (Impfprogramm, Entwurmungsprogramm u. ä.)
 Entsorgung toter Tiere (Tierseuchen!)
Die tierschutzfachliche Beurteilung der Größe von Innen- und Außengehegen sollte nicht nur nach reinen
Zollstockmassen (Zollstocktierschutz) betrieben werden, da in der Fachliteratur weitestgehend
Übereinstimmung darin besteht, dass die Größe eines Haltungssystems nur ein wesentlicher Faktor für die
Qualität des Lebensraums Käfig oder Gehege ist. Vielmehr sollte auf die funktionelle Ausgestaltung der
Gehege entsprechend der Bedürfnisse der darin gehaltenen Tierarten sowie auf ausreichende Elemente des
„Behavioural-Enrichment" (Beschäftigungsprogramme) geachtet werden. Mindestgrößen sollten jedoch nicht
unterschritten werden. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf folgende Fachliteratur hingewiesen:
1. „Kostengünstige Möglichkeiten zur Verbesserung von Gehegen für Säugetiere", Vorschläge der Universities
Federation forAnimal Welfare; veröffentlicht von der Landestierschutzbeauftragten von Hessen (1997)
2. „Aspekte der Weiterentwicklung der Tierhaltung in Tierparks", Beiträge des Fachgespräches 1997 im
Jagdschloss Nienover/Bodenfelde, herausgegeben \om Landestierschutzbeauftragten für Niedersachsen
(1997)
Die tierschutzrechtliche Erlaubnis bzw. die tierschutzfachliche Stellungnahme kann Nebenbestimmungen,
Auflagen sowie Befristungen enthalten,
3.
Rechtliche und fachliche Grundlagen zur tierschutzrechtlichen Beurteilung von Haltungsbedingungen
einzelner Tierarten
Zur Beurteilung der Haltungsbedingungen der einzelnen Tierarten sollten die nachfolendentierschutzrelevanten
EU-Richtlinien, Gutachten und Leitlinien unter Berücksichtigung des gemeinsamen Runderlasses vom Nds.
Landwirtschafts- und Umweltministerium (Nds. RdErl. vom 03.11.2000) herangezogen werden.
A. Allgemeine Rechtsgrundlagen/ Verwaltungsvorschriften
1. Tierschutzgesetz
2. Allgemeine Verwaltungsvorschriften zur Durchführung des Tierschutzgesetzes (AVV)
B. Spezielle Regelungen
Säugetiere - allgemein
 Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Säugetieren des Bundesministeriums
für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) (10.06.1996)

Gutachten der Länderarbeitsgemeinschaft für Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung - LANAGutachten - (09.01.1997) Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen des
BMVEL (27.05.1995)
Bei Neubauten oder genehmigungspflichtigen Änderungen von Gehegen sind die Gehegeabmessungen
des LANA-Gutachtens heranzuziehen.
Werden in genehmigten Gehegen die Größen des LANA-Gutachtens nicht nur geringfügig (bis zu 10 %,)
unterschritten, ist unter Beurteilung des Einzelfalls nach angemessener Fristsetzung eine Vergrößerung des
Geheges entsprechend LANA-Gutachten zu fordern.
Handelt es sich um Gehege, die von Besuchern betreten werden können, sind die Vorgaben der Leitlinien
für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen des BMVEL (27.05.1995) einzuhalten, wenn diese
über die Anforderungen des LANAGutachtens hinausgehen.
Der Autor möchte in diesem Zusammenhang auch auf das Gutachten des Bayerischen Landesamtes für
Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 21.08.2003 hinweisen, wonach bei der Haltung von Luchsen durch
Privatpersonen die Vorgaben der Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen des BMVEL
(27.05.1995) einzuhalten sind.
Damwild, Sikawild
Nds. Leitlinien für die Haltung von Dam und Sikawild (2000).
Die Vorgaben gelten sowohl für gewerbsmäßige wie nicht gewerbsmäßige Dam- und
Sikawildhaltungen.
Vögel - allgemein

• Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Kleinvögeln - Teil l: Körnerfresser
- des BMVEL (10.06.1996)

Gutachten über tierschutzgerechte Haltung sonst freilebender Vögel in Käfigen, Volieren oder
sonstigen Einrichtungen (Nicolai-Gutachten) von 1986
Bei Neubauten oder genehmigungspflichtigen Änderungen sind Volieren entsprechend des BMVELGutachtens über die Mindestanforderungen an die Haltung von Kleinvögeln - Körnerfresser - (10.06.1996) zu
fordern. Für die Grundabmessungen der Volieren sind die Vorgaben des „NicolaiGutachtens" anzuwenden.
Werden in bestehenden Anlagen, die nach Naturschutzrecht nicht genehmigungspflichtig sind, noch
Körnerfresser in Käfigen gehalten, die nicht den Anforderungen des BMVEL-Gutachtens entsprechen, ist
unter Beurteilung des Einzelfalls nach angemessener Fristsetzung der Einbau von Volieren entsprechend des
„NicolaiGutachtens" zu fordern.
Anlagen, in denen Körnerfresser in Käfigen gehalten werden, die dem BMVEL-Gutachten entsprechen, können
weiterhin genutzt werden. Es sollte jedoch im Wege der Beratung der Volierenbau empfohlen werden.
Papageien

•Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Papageien des BMVEL
(10.01.1995) in der Fassung des Erlasses des Nds. ML vom 05.04.1995 (Vorgaben auf der
Grundlage des OVG-Urteils 3 G 1259/914A 103/89)

Greifvögel / Eulen

Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögel und Eulen des BMVEL
(10.01. 1995)

Gutachten über artgemäße Haltung von Greifvögeln und Eulen von HAVELKA und MEBS (1989)

Empfehlungen zur tierschutzgerechten Haltung von Greifvögeln und Eulen von TROMMER et al.
(1989)

Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT)-Gutachten: Mindestanforderungen an die Haltung von
Greifvögeln
Für alle Haltungsformen von Greifvögeln und Eulen sind die allgemeinen Vorgaben des BMVEL-Gutachtens
einzuhalten. Für die Volierenabmessungen gelten jedoch die Vorgaben des Gutachtens von HAVELKA und
MEBS bzw. von TROMMER et al. (1989)
Strauße / Nandus / Emus

Empfehlungen für die Haltung von Straußenvögeln, Nandus und Emus des Europarates vom
22.04.1997 (in Kraft getreten am 22.10.97)

Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Straußenvögeln, außer Kiwis des
BMVEL (10.06.1994), in der ergänzten Fassung vom 10.09.1996


TVT- Merkblatt: Artgemäße nutztierartige Straußenhaltung von 2004
Gutachten von Prof. Lücker: Straußenhaltung in Deutschland von 2004 (wurde im Auftrag des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales erstellt)

aErlass des Nds. ML „Anforderungen an die Straußenhaltung" vom 18.02.2005
Vogelarten, die sonst nirgends erwähnt sind


Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen des BMVEL (27.05.1995)
•Anhang 2 des Schweizer Tierschutzgesetzes
Reptilien
 Gutachten über die Mindestanforderungen an die Reptilienhaltung des BML vom 10.01.1997
5. Rechtliche Einordnung der Gutachten und Leitlinien
Bei den oben genannten Gutachten und Leitlinien handelt es sich uni Sachverständigen-Gutachten zur
Konkretisierung des § 2 Tierschutzgesetzes. Die generelle Anwendbarkeit ist in den Allgemeinen
Verwaltungsvorschriften (AVV) zur Durchführung des Tierschutzgesetzes geregelt. Die Anwendbarkeit für die
einzelnen Tierarten in Nds. ergibt sich aus dem Nds. RdErl. vom 03.11.2000. Wie sich aus den Urteilen
unterschiedlicher Gerichte entnehmen lässt, sind die oben genannten Gutachten und Leitlinien
gerichtsrelevant anwendbar.
Anschrift des Verfassers:
Dr. Jörg Pfeiffer
Vorsitzender des Arbeitskreises Zoo und Zirkus der TVT Landkreis Uelzen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt Auf dem Rahlande 15 29525 Uelzen
Telefon: 0581/82469 Telefax: 0581/82433
E-Mail: [email protected]
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