Das Wertequadrat und seine Darstellung

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Das Wertequadrat und seine Darstellung
Geschichte und mögliche Weiterentwicklung
Das Wertequadrat ist ein Denkwerkzeug, das Paul Helwig 1967 „erfunden“ hat, zu
dem Aristoteles „Vorarbeit“ geleistet hat und das Friedemann Schulz von Thun in
seinem zweiten Band von „Miteinander reden“ bekannt gemacht hat.1 In diesem
Artikel soll die Geschichte des Wertequadrats und vor allem die seiner Darstellung
nachgezeichnet werden und es soll die Botschaft des Quadrats hervorgehoben
werden.
von Bernhard Possert
Aristoteles und das rechte Maß
„Bei jedem ausgedehnten und teilbaren Dinge kann man ein Zuviel oder Zuwenig und ein rechtes Maß
unterscheiden, und dies entweder in Hinsicht der Sache selbst oder in der Beziehung auf uns. Das
rechte Maß liegt in der Mitte zwischen dem Zuviel und Zuwenig. Unter der Mitte eines Gegenstandes
verstehe ich das, was von jedem der beiden Enden gleichen Abstand hat, und das gilt für alle
Gegenstände als eines und dasselbe. In bezug auf uns aber bedeutet die rechte Mitte das, was weder
zuviel noch zuwenig ist: das aber ist keineswegs bei allen eines und auch nicht dasselbe. So, wenn
zehn viel, zwei aber wenig ist, so nimmt man in Hinsicht auf die Sache als die Mitte sechs an, weil es
um ebensoviel das eine übertrifft, wie es vom anderen übertroffen wird; das aber bedeutet die Mitte im
Sinne der arithmetischen Proportion. Dagegen darf man es nicht so fassen, wo es sich um die
Beziehung auf uns handelt. Wenn für jemand zehn Pfund zu essen zuviel, zwei aber zuwenig sind, so
wird ihm der Leiter in der Ringschule nicht gerade sechs Pfund vorschreiben; denn möglicherweise ist
auch dies noch für denjenigen, der es bekommen soll, zuviel oder zuwenig. Für einen Milo 2 wäre es
zuwenig, für einen, der mit den Übungen erst beginnt, aber zuviel. Ebenso ist es mit Lauf und
Ringkampf. Und so meidet denn jeder vernünftige Mensch das Zuviel und das Zuwenig und sucht
dagegen die Mitte herauszufinden, und für diese entscheidet er sich; die Mitte aber, das heißt hier
nicht die der Sache, sondern das Mittlere in bezug auf uns.“3
Aristoteles spricht also vom rechten Maß, der rechten Mitte zwischen zu viel und zu wenig. Das
könnte man so darstellen.
das rechte Maß
zu viel
zu wenig
Vergleichen wir diesen antiken Text mit einem „modernen“: Gregory Bateson, Kybernetiker der ersten
Stunde, bietet in seinem Artikel „Jeder Schuljunge weiß“ verschiedene 16 Denkwerkzeuge an. Nr. 11:
„In der Biologie gibt es keine monotonen ‚Werte’“
„Ein monotoner Wert ist ein solcher, der entweder nur zu- oder nur abnimmt. Seine Kurve hat keine
Schleifen; das heißt, seine Kurve verändert sich nie von Zunahme zu Abnahme oder umgekehrt.
Begehrte Substanzen, Dinge, Muster oder Erfahrungssequenzen, die in gewissem Sinne „gut“ für den
1
Kurzeinführungen finden Sie auch im Internet: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/Wertequadrat.shtml
http://www.kca.ch/unternehmen/philosophie/management-by-values/werte-quadrat.htm
2
Milo von Kroton, berühmter Ringer des Altertums
3
Aristoteles, Nikomachische Ethik, Buch 2, 5. Kapitel, Deutsch: Adolf Lasson, Jena 1909, http://www.aristotelesheute.de/SeinBewegtBelebtBewusst/Ethik/Ethik0205.htm
Organismus sind – Nahrungsmittel, Lebensbedingungen, Temperatur, Unterhaltung, Sex und so fort -,
sind niemals so beschaffen, dass mehr von der Sache stets besser ist als weniger davon. Vielmehr
gibt es für alle Objekte und Erfahrungen eine Quantität, die einen optimalen Wert hat. Jenseits dieser
Quantität wird die Variable toxisch. Unter diesen Wert zu fallen bedeutet Entbehrung.
Dieses Charakteristikum des biologischen Werts ist nicht auf Geld übertragbar. Geld wird immer
transitiv bewertet. Mehr Geld ist vermeintlich immer besser als weniger Geld. Beispielsweise sind
1001 Mark 1000 Mark vorzuziehen. Das gilt aber nicht für biologische Werte. Mehr Kalzium ist nicht
immer besser als weniger Kalzium. Es gibt eine optimale Kalziummenge, die ein gegebener
Organismus in seiner Ernährung benötigen mag. Darüber hinaus wird Kalzium toxisch. Ähnlich gilt für
den Sauerstoff, den wir einatmen, für Speise oder für Komponenten der Nahrung und wahrscheinlich
für alle Bestandteile von Beziehungen, dass genug besser ist als ein Gelage. Wir können sogar zu viel
Psychotherapie bekommen. Eine Beziehung ohne Kampf ist langweilig, und eine Beziehung mit zu
viel Kampf ist toxisch. Wünschenswert ist eine Beziehung mit einem gewissen Optimum an Konflikten.
Wir können sogar zu der Auffassung kommen, dass Geld, nicht an sich selbst, sondern in seiner
Wirkung auf Menschen, die es besitzen, jenseits eines bestimmten Punktes toxisch wird. Jedenfalls ist
die Philosophie des Geldes, die Menge von Voraussetzungen, nach denen man nie genug Geld
haben kann, vollkommen antibiologisch. Nichtsdestoweniger scheint es so, als könne man Lebewesen
zu dieser Philosophie erziehen.“4
Das eigentliche „Wertequadrat“:
1967 erscheint Helwigs Buch „Charaktereologie“. Neben vielem anderen Wissenswerten findet man
auf 3einhalb Seiten das Wertequadrat.5
„Die Charaktereigenschaften sind immer zugleich Charakter-Werte (bzw. Unwerte). Es gibt keine
Charaktereigenschaft, die nicht einen Wert oder Unwert darstellte.
Die Vieldeutigkeit jedes dieser Charakterwerte bildet ein ständiges Ärgernis in der Diskussion:
A sagt etwa, dass er die „kleinliche“ Art des X nicht mag. B erwidert, dass er dann offenbar „schludrigoberflächliche“ Charaktere mehr liebe. A erwidert, er liebe die „Großzügigkeit“. B antwortet, ihm sei
„Gründlichkeit“ und „Genauigkeit“ wichtig.
Im folgenden soll nun ein, wie mir scheint, recht praktischer „Kunstgriff“ beschrieben werden, der eine
schnelle und radikale Präzisierung dieser Begriffe und zugleich eine Präzisierung des in ihnen
liegenden Problems ermöglicht.
Alle diese werthaften Begriffe (ich nenne sie im folgenden abgekürzt „Werte“ schlechthin) ordnen sich
zu einer „Vierheit“ von Werten bzw. Unwerten. In jedem Wert liegt eine „Quaternität von Werten“
eingeschlossen. An einem Beispiel ist das am einfachsten klarzumachen.
In diesem Wertequadrat steht zunächst die
„Großzügigkeit“ als positiver Wert (Nr.1) der
„Kleinlichkeit“ (Nr. 4) als ihrem negativen Gegenpol in
der Diagonale gegenüber. Außerdem steht sie (in der
Vertikale) der „Entartungsform“ der Großzügigkeit
gegenüber: das ist die „Oberflächlichkeit“
(„Schludrigkeit“, „Ungenauigkeit“). Diese steht als
Unwert zugleich in konträrem Gegensatz (diagonal)
zu Nr. 2, der „Gründlichkeit“, und die wieder in steht
im Gegensatz (vertikal) zu Nr. 4, der „Kleinlichkeit“,
die ihre Entartungsform darstellt. (Von den positiven Werten aus gesehen bezielen also die Vertikalen
die Entartungsformen, die Diagonalen die konträren Gegen-Unwerte.)“
Und später: „Die „Großzügigkeit“ (Nr. 1) bedarf, um bei ihrer Steigerung nicht in ihre Entartungsform
(Nr. 3) vertikal abzugleiten, der Gegenspannung zur „Gründlichkeit“ (Nr. 2). Die „Gründlichkeit“ bedarf,
um nicht in ihre Entartungsform (Nr.4: „Kleinlichkeit“) vertikal abzugleiten, des Gegendrucks der
„Großzügigkeit“. ...
4
5
Gregory Bateson, Geist und Natur. Eine notwendige Einheit. Frankfurt 1997 5, 72f.
Paul Helwig, Charaktereologie, Freiburg 19692, 65ff
Und das Wertegesetz, das sich dabei zeigt, lautet: Jeder Wert ist nur in ausgehaltener Spannung zu
seinem positiven Gegenwert ein wirklicher Wert. Vor allem lässt er sich in sich selbst nur steigern,
wenn zugleich die Spannung zu diesem Gegenwert gesteigert wird, also wenn der positive Gegenwert
entsprechend mitwächst. – Die „Großzügigkeit“ bedarf, um in gesteigerter Form auch an Wert zu
wachsen, der Steigerung der „Gründlichkeit“ und umgekehrt. Mit anderen Worten: Kein Wert ist an
sich allein schon, was er sein soll – er wird es erst durch Einbeziehung des positiven Gegenwertes.“
Miteinander Reden
Friedemann Schulz von Thun hat durch sein Buch „Miteinander Reden 2:
Stile, Werte, Persönlichkeitsentwicklung“ das Wertequadrat einem breiterem
Publikum angeboten. Er zieht die Verbindung zu Aristoteles und auch zum
Yin-Yang-Verhältnis: „Sie durchdringen sich gegenseitig und enthalten doch
jeweils schon selbst ein Spurenelement des Gegenpoles.“
Schulz v. Thun adaptiert das Wertequadrat insofern, als er daraus auch ein Entwicklungsquadrat
macht:
Das Beispiel zeigt ein mögliches Entwicklungsquadrat für den Umgang mit Konflikten: Menschen, die
dazu neigen „friedhöflich“ zu allem Ja und Amen zu sagen und alles zu schlucken, haben als
Entwicklungsrichtung die „Konfrontation“, Personen, die dazu neigen, andere aggressiv zu entwerten,
„sollen“ in Richtung „Akzeptierung“ an sich arbeiten.
Die Darstellung des Wertequadrats
Die Darstellung der Begriffe als Quadrat ist an sich schon ein riesiger Fortschritt. Wer je versucht hat,
Leuten das Wertequadrat zu erklären (besonders wenn es ein Thema ist, das die Leute persönlich
betrifft!), weiß, dass ein paar Begriffe verbunden mit Strichen auf einem Blatt Papier oder einem
Flipchart wahre Wunder vollbringen können.
Und doch war ich (nach der Lektüre von Miteinander Reden 2) immer auf der Suche nach
Möglichkeiten, wie man darstellen kann, dass die oberen „Schwesterntugenden“ zueinander gehören.
Ich behalf mir mit einem dicken waagrechten Strich zwischen den oberen beiden und den unteren
beiden Werten und fügte die Botschaft hinzu: Wichtig ist nicht so sehr, ob wir links oder rechts liegen,
sondern dass wir oberhalb dieser Linie liegen!
anders sein
ist ok
genau hinschauen, sich
eine Meinung bilden
die anderen sind mir
wurscht
alles, was anders ist,
ist schlecht
In „Miteinander Reden 3: ‚Das Innere Team’ und situationsgerechte Kommunikation“ habe ich dann,
zugegebenermaßen leider erst im Zuge der Recherchen für den Artikel, folgende zumindest für mich
wirklich brauchbaren Darstellungen gefunden: 6
Hier wird durch den liegenden 8er
und die Gewitter-Pfeile klar, wie die
Werte zueinander stehen.
Das Wertequadrat am Hügel
Ich könnte mir noch eine
andere Darstellung vorstellen:
Das Wertequadrat auf einem
Hügel.
Hilfe für die,
die Hilfe
brauchen
Leistung
belohnen
Die Idee: durch den Hügel wird
Kein Anreiz für
Schwache bleiben auf
sichtbar, dass es gilt, nicht aus
dem Gleichgewicht zu
Eigeninitiative
der Strecke, Kampf
kommen: Wenn man nur auf
jeder gegen jeden
eine Seite setzt (zb Leistung
belohnen), rutscht man
unweigerlich ins Extrem (Kampf
jeder gegen jeden ...). Durch
das Kästchen wird der Zusammenhang der beiden positiven Werte noch deutlicher.
Im Miteinander Reden 3 finden sich aber auch noch ganz
andere Zeichnungen von Verena Hars. Schulz von Thun
schreibt, dass er mit ihr wohl über 50x zusammen
gesessen ist, bis die über 100 Zeichnungen (nicht nur
Wertequadrate ...) fertig entwickelt waren! So wie oben der
Hügel, steht hinter dem nächsten Wertequadrat eine
Balancemetapher: Die Waage.
Wertequadrat am Beispiel des
Topdog-Underdog-Dialogs einer Studentin:7
Durch die Zeichnungen werden wir ganzheitlicher
angesprochen: Es macht einen Unterschied, ob ihr nur
lese „Tagträumerei“, oder ob ich jemand in der
Hängemätte sehe!
6
7
Friedemann Schulz von Thun, Miteinander Reden 3, 2003, 198.
Miteinander Reden 3, 152.
Rechts sieht man eine etwas einfachere Form aus
Miteinander Reden 3:8 Hier gibt es keine BalanceMetapher, dafür klare Zeichnungen für die 4 Begriffe.
Was meines Erachtens in der Darstellung noch ein
wenig zu kurz kommt: Was ist die Frage, zu der das
Wertequadrat Stellung bezieht? Was ist der Kontext?
Als Überschrift zb für das Quadrat mit den Begriffen
„Großzügigkeit“ und „Abgrenzungsfähigkeit“ könnte
dienen: „Wenn meine Großzügigkeit ausgenützt wird“.
Das klärt den Kontext und erleichtert meines Erachtens
den Transfer in den Alltag.
Statt einer Frage könnte natürlich auch ein Begriff über dem Quadrat stehen, der die Synthese der
positiven Werte darstellt und den umgekehrt das Wertequadrat erläutert. Die Synthese-Wert zum
Wertequadrat mit dem waagrechten Strich könnte also lauten
TOLERANZ
anders sein
ist ok
genau hinschauen, sich
eine Meinung bilden
die anderen sind mir
wurscht
alles, was anders ist,
ist schlecht
Es gibt aber auch die Möglichkeit, einen Überbegriff zu finden, der bereits die beiden Pole beinhaltet.
Zum Beispiel könnte der Titel des Hügel-Quadrats lauten „Soziale Marktwirtschaft“, der Titel des
Waagen-Quadrats „gelassene Zielstrebigkeit“. Zugegeben: Das klingt jetzt ein wenig billig: Einfach
aus einem Wert ein Adjektiv machen und damit den anderen bezeichnen? Aber wenn ich in einer
Klausur moderiere und die Leute ringen nach einer Formel, mit der alle leben können und die
trotzdem noch Substanz hat, dann kann mir nichts Besseres passieren als so ein Überbegriff mit
einem Wertequadrat darunter.
Metaphern und Wertequadrate
Über meine Arbeit mit Metaphern kam ich auf die Idee, Wertequadrate in Metaphern zu übersetzen
und die vier Werte in dieser Metapher nur bildlich auszudrücken. Johannes Zollner hat nach meinen
Vorstellungen folgendes Wertequadrat zum Thema Führung gezeichnet:
8
Miteinander Reden 3, 220.
Das Wertequadrat der Führung: Wie gehe ich mit meinen Mitarbeitern um?
Legende:
li oben: Der Pferdeflüsterer: Bedürfnisse hören, individuell auf Menschen eingehen
re oben: Es geht dahin: Mit (losen) Zügeln
li unten: den Pferden immer hinten nach sein und den Dreck wegputzen ...
re unten: Der Karren steckt im Dreck, die Pferde bekommen die Peitsche
Meines Erachtens sind diese Bilder geeignet, um mit Führungskräften und Mitarbeitern über Führung
ins Gespräch zu kommen und verschiedene Vorstellungen abzugleichen.
Komplexe Darstellungsformen
Eine weitere (auf den ersten Blick für mich
verwirrende) Variante des Wertequadrats findet
sich auf der Website der Firma „Parcon“ in der
Schweiz.9
„PARCON verwendet seit einiger Zeit auf der
Basis des Wertequadrates einen einfachen,
wissenschaftlich zwar nicht erhärteten, jedoch
trotzdem sehr aussagefähigen Fragebogen, der
als Resultat jeweils eine Grafik nach
nebenstehendem Beispiel ergibt. Dabei
verknüpft wurden die beiden Eigenschaften
«Personen-orientiertes Verhalten» (waagrechte
Linie) mit den beiden Schwestertugenden Nähe
(C.G.Jung: fühlen) und Distanz (C.G.Jung:
9
http://www.parcon.ch/i_wertequadrat.htm (29.9.05)
denken) sowie «Aufgaben-orientiertes Verhalten» (senkrechte Linie) mit den Schwestertugenden
Dauer (C.G.Jung: introvertiert) und Wechsel (C.G.Jung: extrovertiert), zu einer einzigen Darstellung.
Der Hintergrund ist aus der untenstehenden Darstellung ersichtlich. Daraus ergibt sich, dass die
beiden Werte Dauer und Distanz zusammengefasst werden können zum neuen Wert Strukturiertheit.
Der Unwert dazu (negative Übertreibung) wäre [Eiskalte Verdinglichung].
Dies bedeutet, dass eine Person mit einer sehr hohen Ausprägung in Distanz und Dauer grundsätzlich
dazu tendiert, dass sie zu sehr auf sich selbst bezogen ist, damit das personale Umfeld und die
zwischenmenschlichen Beziehungen unberücksichtigt lässt und von der Arbeitserledigung her als
übertrieben pedantisch wahrgenommen wird.
Als Entwicklungsempfehlung kann dann dieser Persönlichkeit geraten werden, dass sie sich und den
andern mehr Raum gewähren und damit von einer Ziel- vermehrt zu einer [Prozessorientierung]
(sowohl aufgaben- wie auch personenorientiert) verändern muss.
Das gleiche Verhalten, jedoch mit anderer Wirkung, gilt für Personen mit hoher Ausprägung im
Bereich Kohärenz (Zusammenhang), was sich im Unwert [Verschmelzung und Abschottung gegen
Außen] darstellt. Diesen ist als Entwicklungsempfehlung zu raten, dass sie ihren Blick, ihre Ohren und
Ihre Zunge schärfen müssen.
Der Wert Individualität bedeutet analog in der negativen Übertreibung (Unwert) [Kontaktverlust und
Zerfall] und kann mit der bewusst angegangenen Entwicklung in Richtung [Verbindlichkeit schaffen]
aktiv kompensiert werden. Lebendigkeit als letzter Wert im Quadrat verkommt zu
[Beziehungsverstrickungen] und endlosem Gelaber, welche in sich aufgefangen werden können mit
[konsequentem Strukturieren] (Aufbau- und Ablauforganisation, Sitzungsorganisation, ...). „
Im Gegensatz zum „normalen“ Wertequadrat mit 2 positiven Werten und 2 Unwerten finden sich hier 4
positive Werte und dazu jeweils 4 Unwerte. Was es noch kompliziert aussehen lässt: Die 4 positiven
Werte werden jeweils generiert aus der Zusammenfassung von 2 Begriffen der Polaritäten „NäheDistanz“ und „Dauer-Wechsel“. Ich halte das konkrete Blatt für großartig, wenn man es für sich selbst
durchgearbeitet hat, aber leider für ziemlich ungeeignet, wenn man es zur Vermittlung in Gruppen
verwenden möchte – zu groß wäre meine Sorge, dass einige Leute „aussteigen“.
Die Struktur selbst finde ich faszinierend: Theoretisch braucht man nur 2 grundsätzliche PolaritätenAchsen – und der Rest ergibt sich (fast) von selbst! Es fehlen nur noch die Zeichnungen, und das Blatt
ist mit Leben erfüllt!
Das Wertequadrat hat immer recht?
Bei der Internet-Recherche für den Artikel bin ich auf folgendes Wertequadrat gestoßen. 10
Aus dem Begleittext:
„In unserem Kulturkreis sind vor allem
die Werte "oben rechts", aber auch
teilweise noch die Unwerte "unten
rechts" jeweils hoch im Kurs. Vor
diesem Hintergrund wird es
verständlich und für die
10
http://www.timowendling.de/fl/ (30.9.2005)
Humanisierung des Menschen erstrebenswert, wenn die Entwicklungslinie von unten rechts
("Zwangs"-Monogamie) nach oben links verläuft ("Freie Liebe") - auch um die Gefahr, daß das
Gegenpendel gelegentlich zu weit schlägt ("narzistische Beziehunglosigkeit"). Deshalb ist darauf zu
achten, daß die neuen Werte bezüglich der Idee der "freien Liebe" nicht zu einer Art Pflichtprogramm
werden. ...“
Ich will mit diesem Beispiel zeigen:
Man kann mit Wertequadraten alles argumentieren. Nur weil man eine Balance darstellt, heißt das
nicht, dass es für den Menschen, um den es geht, auch eine ist (vgl. Aristoteles oben: „die Mitte aber,
das heißt hier nicht die der Sache, sondern das Mittlere in bezug auf uns.“) Ich könnte zb auch ein
Wertequadrat zum Thema Erziehung machen mit den positiven Begriffen „leichte Prügel“ und
„psychischer Druck“, und den Übertreibungen „Schlagen, das Spuren hinterlässt“ und „psychische
Folter“; Auch das ist eine Art von Balance ...
Dialektik – zur Lösung oder Polemik
Das ist wohl auch der Grund, warum die Dialektik immer wieder in Verruf gekommen ist: Ich kann das
Wertequadrat durchaus auch verwenden, um jemand schlecht zu machen, anstatt gemeinsam
Fortschritt zu erzielen: Wenn A sagt: „Wir müssen mehr sparen“, könnte B sagen: „Ja, schon, aber
eben nicht Kaputt-Sparen, sondern auch großzügig sein bei Bereichen wo es notwendig ist und wo es
etwas bringt. Gleichzeitig bin auch ich gegen Verschwendung. Wo können wir die Linie ziehen: Wo ist
es zuviel Sparen, und wo ist es zu viel Großzügigkeit?“ Aber B könnte auch sagen: „Sie sagen immer,
Sie wollen sparen: In Wahrheit wollen Sie alles Kaputt-Sparen! Sie wollen Dinge kaputt machen, die
notwendig sind und die etwas bringen! Man muss großzügig sein, schon mit Augenmaß, aber
großzügig!“ Je nach Stimmung und je nach Ziel und je nach Kultur ...
Zusammenfassend:
Das Wertequadrat ist großartig, um aus polarisierten Situationen herauszukommen.
Zu beachten ist:

grafische Darstellung

Begriffe, mit denen die Zielgruppe etwas anfangen kann

Das Wertequadrat ist kein wasserdichter Qualitäts-Check für eine gute Balance: Wenn man
will, kann man alles argumentieren; es gibt keine richtigen Wertequadrate

Werte-Quadrate malen will geübt sein!
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