Gespräch vom

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Gespräch vom 21. Oktober 1999 mit Architekt Max Rieder, zum
Thema „Museum am Mönchsberg“
Thiel: Wir sind sehr dankbar, dass Herr Architekt Rieder heute
Zeit gefunden hat, uns über sein Projekt Auskunft zu geben, das
er zum Thema „Museum des 20. Jahrhunderts am Mönchsberg“
eingereicht hat und für das er auch den 3. Preis bekommen hat.
Wir haben zufällig auch die Pläne des 1. und 2. Preises da,
darüber können wir dann auch kurz reden. Wichtig ist aber, dass
wir mit ihm ganz intensiv vor allem über sein Projekt reden,
weil er natürlich darüber am besten Auskunft geben kann, über
all die Absichten, die Hintergründe, die Abläufe, die
Intentionen, also all das, was eben hinter so einem Projekt
steckt. Wir haben uns also folgendes vorgestellt: Da Ihr
bereits intensiv 2 Doppelstunden an einer eigenen Lösung
gebastelt habt, würde ich jetzt diejenigen bitten, deren
Objekte ich herausgestellt habe, darüber kurz zu sprechen. Das
ist insofern ganz interessant, weil so Herr Architekt Rieder
merkt, mit welchen Vorstellungen ihr an die Sache herangegangen
seid. Das können wir dann im Spannungsfeld mit dem, was
momentan ein Experte an Lösungen vorzulegen hat, diskutieren.
Wer ist denn so nett und fängt gleich an? Da gleich links,
dieses schöne rot - blaue Objekt - ganz kurz zu den Absichten
und um was es dir gegangen ist.
Daniela: Das ist erst einmal der Turm.
Thiel: Ganz kurz sollte man dazu sagen: jeweils als
Orientierungssymbolik haben wir diesen Turm aufgestellt.
Daniela: Also, hier vorne soll ein Glasvorbau sein, da kann man
dann auch schön auf Salzburg sehen. Oben soll dann so eine Art
Kuppel sein, mit einem Höhenunterschied, für einen besseren
Lichteinfall.
Thiel: Das bedeutet, daß ein Teil deines Museums im Berg
drinnen ist.
Daniela: Man kommt eben auch durch den Berg, von hinten durch
einen Lift hinauf.
Thiel: Das heißt also, das einzige, was man von deinem Museum
sieht, ist die Kuppel und dieser Aussichtserker. Dein Museum
wölbt sich also nach vorne. Das nächste...
Rieder: Darf ich noch kurz etwas sagen: Die Idee habe ich bis
jetzt noch nicht verbalisiert gehört - außer dem, was ich sehe.
Daniela: Idee? Es ist ein Museum...
Rieder: Das schon, aber das ist ja keine Idee, das ist eine
Funktion.
Daniela: Dass das Museum eben mit Salzburg noch stärker in
Verbindung steht, damit die Stadt durch diesen Aussichtsplatz
noch mehr hervorgehoben wird.
Rieder: Das würde also, übertrieben gesagt, bedeuten, dass Sie
eine besondere Beziehung zur Stadt aufbauen möchten. Warum ist
die Idee - Beziehung zur Stadt - so wichtig für Sie?
Daniela: Ich habe mir gedacht, da oben hat man so einen schönen
Ausblick über die Stadt, das sollte man doch irgendwie nützen.
Rieder: Das heißt, weil der Ort für Sie so besonders ist!
Glauben Sie, dass ein Museum immer eine Beziehung zur Stadt
haben muß?
Daniela: Nein.
Rieder: Ist es ein Widerspruch, dass das Museum eine Beziehung
zu Salzburg hat?
Daniela: Nein, aber ich habe mir überlegt, dass man es so lösen
kann, wenn der Standort oben auf dem Berg ist.
Rieder: Ich will damit nur sagen, dass es aus Funktion oder aus
politischem Wunsch, etwas auszustellen, nicht nötig ist, dass
ein Museum eine Beziehung zur Stadt aufbaut. Das Museum
beschäftigt sich doch, herkömmlicher Natur, mit den
Kunstwerken, nach innen bzw. ist es natürlich so, dass ein
Museum ein Gebäude ist, das in einer Stadt steht und eine
Beziehung dazu hat. Hier ist es jedoch durch die besondere Lage
ein anderes Thema, meiner Meinung nach. Warum ist die
Colaflasche (Teil des Modells - stellt einen transparenten
Baukörper dar) leer?
Daniela: Damit man hineingehen kann?
Rieder: Aber ein Museum hat doch einen Inhalt, da muß doch Cola
drinnen sein! Warum frage ich? Sie benutzen ein Symbol, das in
unserer Gesellschaft des 20. Jahrhunderts gar nicht extremer
existiert.
Daniela: Ich habe ehrlich gesagt kein anderes Material zur
Verfügung gehabt.
Rieder: Ja, aber Sie sehen, wenn Sie Ideen transportieren,
benützen Sie Symbole, in diesem Fall die Colaflasche! Sie
müssen sich überlegen, ob Sie eine Stiegl - Bierflasche, eine
Colaflasche oder einen Plastikbecher verwenden. Das ist immer
etwas anderes, denn Sie können diesen symbolischen Gehalt
irgendwann, wenn jemand lange darüber nachdenkt, entschlüsseln.
Colaflasche verbindet man mit Pop-Art, man denkt also an ein
60er Jahre -Museum. Dann würde man in einer ganz bestimmten
Zeitepoche der 80er oder auch 60er Jahre sagen: Das ist eine
Konstruktion der 60er/80er, weil sich hier auch Pop-Art
Elemente nach außen hin mitteilen - die Colaflasche. Sehen Sie,
wenn Sie aus großen Komponenten etwas zusammensetzen, hat das
immer mehr Bedeutung als nur eine Sache.
Die Frage ist, warum eine Sichtweise oder eine Beziehung zur
Stadt bei Ihnen eine Fernglassymbolik hat, von innen? Sie waren
doch auch da oben?
Daniela: Ja.
Rieder: Was ist denn jetzt da oben? Was für eine „Idee“, um
eine Beziehung zur Stadt herzustellen? Jetzt existiert da oben
ein Panorama. Ihr „Panorama“ ist jedoch ganz fokussiert, wie
ein Fernrohr, nur auf einen Punkt.
Thiel: Ich sehe da eine Parallele, vielleicht nur unterbewusst,
denn da oben steht ja momentan auch ein Fernrohr. Es gibt jetzt
auch ein Projekt eines Künstlers, der auf dem Berg gegenüber
ebenfalls ein Fernrohr aufgestellt hat, damit man sich
sozusagen in die Augen schauen kann! Damit haben wir hier das
Fernrohr, das man normalerweise nicht beachtet, das aber
eigentlich sehr symbolisch ist!
Rieder: Möglicherweise ziehe ich jetzt ein paar Sachen vor, die
alle betreffen, Sie sollen sich deswegen nicht besonders
kritisiert vorkommen. Wenn man eine Beziehung zur Stadt
herstellt, kann man, so wie Sie es ausgewählt haben, ganz genau
auf einen Punkt und auf sehr spezifische Form, die den großen
Kontrast zur Felswand stellt, im Sinn eines Rohrs, oder wie es
üblicherweise dort oben ist, in Form eines horizontalen
Panoramafensters ausführen. Gut, noch eine letzte Frage habe
ich: Warum ist das Dach sozusagen aus dem Berg heraus, mit so
einer besonderen Form?
Daniela: Damit man es besonders gut sieht!
Rieder: Gibt es da irgendeine Beziehung?
Daniela: Es ist rund...
Rieder: Das ist eine formale Beziehung!
Thiel: Zu welchen Gebäuden in der Stadt steht es in Beziehung?
Katharina: Zu den Kuppeln der vielen Kirchen!
Rieder: War das Ihr Gedanke?
Daniela: Wir haben im Unterricht darüber gesprochen.
Rieder: Hier sehen Sie, Sie machen das und jemand anderer
assoziiert. Das ist das große Problem meines Entwurfes und
eines künstlerischen Entwurfes - will ich, dass die Leute so
assoziieren, wie ich gedacht habe, dann nennt man das meistens
konsequent - das kann natürlich nicht alle Meinungen der Welt
einfassen - aber es gibt Interpretationen, die außerhalb meiner
Gedankenwelt sind, die aber trotzdem sehr schöne und
interessante Aspekte bieten. Jetzt geh ich einmal weiter, ich
komme dann am Schluß darauf zurück. Bitte!
Eva-Maria: Also, hier steht wiederum der Turm. Im Großen und
Ganzen handelt es sich hier vorne um eine Wasserfassade, die
sollte durch diese blauen Streifen symbolisiert werden, das ist
leider schon etwas kaputt. Das Museum selbst befindet sich zum
größten Teil im Berg, kommt dann hervor und man sieht dann von
unten nur diese Fassade. Da habe ich mir vorgestellt, dass das
Wasser überall herunter rinnt, so dass es eine geschlossene
Wasserfront bildet. Der Gedanke dahinter war die Kombination
zwischen dem fließenden Wasser und dem Felsen, so dass man die
Natürlichkeit bewahrt und nicht einen umweltfremden Betonklotz
hinstellt. Seitlich gibt es mehrere Eingänge und da oben könnte
man auch eine Aussichtsterrasse anlegen.
Reingard: Geht man dann durch Wasser durch.
Eva-Maria: Nein, der Eingang befindet sich auf der Seite,
durchs Wasser sollte man nicht gehen.
Rieder: Es war zwar als witzig geplant, aber durchs Wasser zu
gehen ist etwas Elementares. Warum geht man dann nicht durch?
Eva-Maria: Das habe ich mir gar nicht überlegt, aber man könnte
das Eröffnungsevent durchaus so gestalten. Trotzdem, ehrlich
gesagt: Wer geht gern durchs Wasser, wenn er nachher ins Museum
geht, da ist man dann ganz nass.
Reingard: Wenn man hinter dem Wasser durchgehen kann, ist das
ja ebenso symbolträchtig.
Rieder: Sie spielen also mit einem Wasservorhang vor dem Berg,
etwas Fließendem, wie ein großer bewegter Vorhang könnte man
sagen. Der Berg ist auch bewachsen und gibt sehr vielen
Lebewesen Schutz, auf der anderen Seite ist auch etwas
Allegorisches dabei, sozusagen eine Wanderung von der Realität
zur Imagination. Das ist meiner Meinung nach, eine sehr schöne
Situation für ein Museum, sozusagen eine andere Welt, könnte
man klassisch sagen.
Eva-Maria: Ja, das könnte man so sehen!
Rieder: Ihre Idee könnte man also mit „Es war einmal“
formulieren. Es gibt dann natürlich für einen Künstler viele
Möglichkeiten den Leuten diesen Weg symbolisch immer wieder
aufzuzeigen, ohne dass sie wirklich nass werden.
Eva-Maria: Man könnte vielleicht einen durchsichtigen
Plastikdurchgang machen, so dass man das Wasser sieht, aber
selbst nicht nass wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die
Museumsbesucher unbedingt nass werden wollen, selbst wenn es
symbolische Bedeutung hätte.
Rieder: Das glaube ich auch nicht, aber Sie sehen, dass
zwischen einer Idee und der Nutzung Ihrer Idee ein Problem
liegt. Man könnte die Idee konsequent weiter verfolgen oder die
Handhabung der Idee überflüssig machen, indem sie z.b. eine
Pelerine oder etwas ähnliches zum Durchschreiten verwenden, nur
damit Sie diesen Vorgang gemacht haben. Die nächste Frage wäre
dann, warum Sie doch sehr weit vom Felsen zurückgehen? Warum
rinnt das Wasser nicht ganz vorne die 60 Meter bis auf den
Anton Weimarer Platz hinunter?
Eva-Maria: Ich muß sagen, diesen Aspekt habe ich nicht bedacht.
Aber ich glaube, auch wenn ich ihn bedacht hätte, hätte ich es
auch nicht getan, weil mir die Vorstellung nicht gefällt. Ich
möchte die Wasserfront lieber abgeschlossen halten.
Rieder: Ist sie jetzt abgeschlossen?
Eva-Maria: Ja, da unten soll ein Auffangbecken sein.
Rieder: Ach so, das ist ein Wasserbecken.
Eva-Maria: Ja, da wäre ein Wasserbecken direkt an den Säulen
und davor eine Parkgestaltung.
Rieder: Ist da vorne ein schwacher Halbkreis oder einfach eine
freie Wiese?
Eva-Maria: Es ist wellenförmig angeordnet, um eben auch den
weichen Aspekt hervorzuheben, im Gegensatz zum Gestein.
Rieder: Ein Architekt, wenn er einer ist, denkt immer in
Räumen. Sie (Daniela) machen hier eine Fuge, ein Loch, dahinter
geben sie den großen, basilikalischen Raum, auch hier im Modell
sichtbar. Er steht in einer metaphorischen Spannung zu anderen
großen Räumen der Stadt, wie z.b. Kirchen. Zu diesem Raum gibt
es eben jedoch nur eine kleine Öffnung. Hier (Eva - Maria) muss
ich als Architekt fragen, was entsteht davor für ein Raum? Wir
werden dann in der Begründung der anderen Projekte und auch des
Preisträgers immer den Gedanken wiederfinden, daß das Gebäude
nicht ganz vorne sein darf. Das wäre ein Skandal, denn lange
Zeit durfte kein Gebäude so nahe am Abgrund stehen. Genau das
ist meine Sorge, dass Sie auch diesen Gedanken gehabt haben.
Durch den Brechungswinkel sieht man das Gebäude fast nicht,
bzw. nur aus sehr weiter Entfernung. Das ist sozusagen die
Zurücknahme des Raumvolumens oder auch eines Zeichens und damit
auch ein kleiner Widerspruch, indem dass Sie sehr stark die
Idee oder ein Element vom Berg nehmen, es dann aber doch als
Gebäude begreifen und nicht als Berg. Wenn es ganz vorne wäre,
wäre sozusagen der ganze Berg ein Museum.
Eva-Maria: Wenn man aber jetzt zum Beispiel die Leute da vorne
hineinschickt, das Museum aber ganz vorne ist, können sie auch
nicht mehr ordentlich durchgehen. Das wäre ein Problem, wenn
man das so weiterdenkt.
Rieder: Ja, das stimmt. Im künstlerischen Entwurf geht es immer
darum, dass keine Probleme auftreten, beziehungsweise, dass man
diese Probleme löst! Man muss dann eben solche Raumbedingungen
schaffen, dass diese Probleme weg sind, oder dass sie so
schwach sind, dass alles andere viel faszinierender ist. Jetzt
noch eine kleine Sache, das ist schon ein Detail: Wenn Sie hier
eine freie Linie machen, muss man sich immer überlegen, mit
welchen Mitteln man sie ausgestaltet. Die Frage ist jetzt, Sie
haben Pfeiler gemacht?
Eva-Maria: Ja, Säulen sollten das eigentlich sein.
Rieder: Da kommen wir dann noch zur Modellfrage, da es
natürlich keine Säulen sind, sondern Pfeiler.
Eva-Maria: Wieso?
Rieder: Weil sie nicht rund sind.
Eva-Maria: Aber mit dem Ton kann man das nicht besonders gut
machen!
Rieder: Aber es ist ein fundamentaler Unterschied. Ein Modell
hat immer Abstraktionen, aber ein Pfeiler hat immer eine
scharfe Kante zum Raum. Auch wenn Sie das hier nicht
beabsichtigt haben, ist es noch keine Säule. Eine Säule kann
ich mir für ihre Gedankenwelt logisch vorstellen, es ist auch
etwas barock.
Eva-Maria: Ja, vielleicht.
Thiel: Ist es nicht in dem Sinn barock, dass die Stadt eine
ganze Menge von solchen symbolischen Wasserspielen hat, die
ganzen Brunnen, Pferdeschwemmen, bis hinaus nach Hellbrunn, wo
dieser Gedanke des Wassers und der Kultur eine große Rolle
spielt.
Rieder: Es ist bei beiden Objekten ein Unterbewußtsein mit der
Stadt, auch wenn Sie das nicht ausgesprochen haben, mit dem
großen Raum beim ersten Modell und hier mit dem Wasser. Falls
Sie noch etwas anderes Fragen wollen, oder auch wenn ich etwas
falsch verstanden habe, Sie müssen es mir sagen! Ist alles klar
für Sie?
Eva-Maria: Ja, alles klar.
Rieder: Dann gehen wir weiter zum dritten Modell.
Johanna: Meine Idee war, dass sich mein Museum eher schlicht,
im Berginnern, befindet, auch damit es nicht so auffällt und
von den anderen Sachen ablenkt. Hier von der Seite kann man mit
einem Lift hinauffahren.
Rieder: Man geht also in den Berg hinein, ist das die Idee?
Johanna: Nein, ich wollte das Museum eben nicht auf dem Berg,
damit es nicht so auffällt. Ich wollte es eher verstecken.
Rieder: Glauben Sie das ist eine künstlerische Idee?
Johanna: Nein.
Rieder: Aber was bedeutet das, in ein Material hineinzugehen?
Der Berg ist ja ein Material.
Johanna: Vielleicht ist es spannender?
Rieder: Wenn man das Museum einfach darauf setzt, könnte man
sagen, es thront. Was ist aber jetzt, wenn man hineingeht? Wenn
jemand in Sie hineingeht, was ist denn das? Das ist im Grund
genommen das Gleiche. Bei der Architektur, oder auch bei diesem
Material, wenn man den Berg simpel und als etwas real
existierendes begreift, könnte man auch sagen, es ist ein Leib.
Ein Gebäude kann theoretisch auch einen Leib besitzen, es lebt
ja auch. Auf diesem Berg leben viele Tiere und auch das Wasser
macht ihn lebendig. Dieser Einschnitt ist somit auch eine
Verletzung, man geht hinein. Sie haben es so begründet, dass
sie es an der Oberfläche nicht ausformulieren wollen, aber
genau das, dass Sie es nicht ausformulieren wollen, das steht
auch für etwas. Vielleicht, weil Sie glauben, dass Kunst nicht
ausgestellt werden sollte, oder halten Sie die Lage da oben für
so außergewöhnlich, dass da nichts stehen darf?
Johanna: Nein, ich wollte nur nicht, dass es auffällt und dass
es ablenkt von den anderen Dingen da oben, dass es nicht zu
sehr im Vordergrund steht.
Rieder: Das heißt Sie hatten so eine Idee wie Luigi Fontana,
den ihr vielleicht kennt. Er hat ungefähr von 1940 bis 1960,
vielleicht auch ein wenig früher, versucht, Kunst oder Malerei
wieder in das Räumliche zu übersetzen. Das heißt, er hat zum
Beispiel weiße Leinwände mit einem Schlitz versehen, dadurch
hat das Ganze Tiefe bekommen, da ist ein Raum entstanden. Es
war jetzt nicht mehr 2-, sondern durch diesen Schlitz 3dimensional und natürlich ist so ein Riß ein äußerst spannendes
Raummittel. Es ist ein künstlerischer Eingriff um Spannung zu
erzeugen, das Besondere zu erzeugen. Sie machen hier einen
Schlitz und zusätzlich gehen Sie nicht heraus. Sie machen
sozusagen eine Fuge und gehen aber nicht heraus, sondern
betonen diese Fuge noch einmal mit einem vertikalen Element.
Ist das gescheit, wenn man so oft das Selbe wiederholt? Ist es
gut, wenn man einen Schlitz macht und ein vertikales Element
noch zusätzlich dazu? Wenn jemand gelb angezogen ist und dazu
noch gelbe Haare, gelbe Augen, gelbe Brille und gelbe Schuh
trägt, und dann redet er auch noch gelb, das wird doch zuviel!
Ihr Aspekt war zuerst, besonders zu reagieren, deshalb rede ich
jetzt so lange darüber. Eine andere Frage wäre noch, wie wird
das dann oben im Terrain bewältigt und was passiert dann an der
wichtigen Kante? Bei ihnen könnte man sagen, dass die Kante da
entscheidend ist! Sie (Eva-Maria) haben die Kante gar nicht
ausgeführt, indem, dass Sie das Museum zurückgesetzt haben. Sie
haben die Kante sozusagen neu gebaut. Sie (Johanna) dagegen
rutschen zuerst etwas zurück, dann kommen Sie wieder hervor und
machen da vorne so eine weiche Sache. Gibt es da irgendwelche
Gedanken dazu, warum das jetzt so ist?
Johanna: Nein, eigentlich nicht.
Rieder: Und dass Sie so einen Deckel darauf legen?
Johanna: Ich wollte, dass es flach ist, dass es nicht
herausragt. Ich wollte es ganz verstecken.
Rieder: Warum haben Sie überhaupt ein Dach gemacht?
Johanna: Weil es sonst hineinregnen würde.
Rieder: Ich wollte bei ihnen nur einmal illustrieren, dass,
wenn man mit einer Idee beginnt, diese Idee, fast wie ein
mathematischer Satz, immer wieder neue Indizien und Beweise
braucht, dass sie ständig neu begründet werden muss. Eine Idee
habe ich ganz einfach. Oft ist es so bei Architekten, sie haben
eine gute Idee, können sie aber nicht verwirklichen, weil es zu
teuer oder zu verrückt ist oder auch, weil die Idee nicht
weiter geht, es gibt keine Begründung für sie, weder eine
Logik, die den Gebrauch, noch die die Kostenfrage beinhaltet.
Man muss diese Sachen sammeln und dann kann es natürlich
passieren, dass sich die Idee verändert. Bei der Architektur
sieht man das besonders, weil sie immer eine Sache zwischen
einer normalen Dienstleistung, das heißt, jemand bestellt ein
Haus und will dann auch darin wohnen, und Kunst ist, da
Architektur auch etwas mehr sein sollte. Ansonsten könnte ich
auch einen Baumeister beschäftigen, dem sagt man, wie man es
haben will und der baut es dann so. Der Architekt steht in
einem sozialen und kulturellem Umfeld und reflektiert, wenn er
halbwegs geschickt ist, die Gesellschaft, ihre Ideen und den
Ort. Wenn er es nicht in einzigartiger Weise macht, dann ist er
eben ein Baumeister und baut nur ein Museum. Ein Baumeister hat
meistens eine Idee für zum Beispiel ein Erlebnisbad, oder eine
Kugel. Der Stronach hat als Idee eine Kugel, die schiebt er
dauernd hin und her und es gibt außer dieser Kugel keine
zusätzlichen Ideen. Diese Idee hat es aber theoretisch schon in
der Französischen Revolution gegeben. Die Idee steht dann, wie
Sie sehen, weil es nicht mehr weiter geht.
Teresa: Warum muß eigentlich eine Idee immer begründet werden?
Rieder: Wenn die Idee so stark ist, dass man selbst eine
Begründung dazu findet, dann braucht man keine Begründung, aber
die Idee muss diskutabel sein, für einen Kunstkritiker, einen
Galeristen, für Sie selbst muss sie für etwas stehen, denn
Ideen haben wir alle!
Phillippe: Die Idee steht ja in einem Kontext.
Rieder: Ja, in welchem steht sie, wie ist sie zu prüfen? Es
gibt schließlich verschiedene Vorgänge, wie man zu einer Idee
kommt. Manche machen Analysen, sammeln, interpretieren,
bewerten sie und dann synthetisieren sie eine künstliche Idee.
Andere machen sie aus dem Bauch, intuitiv, spontan. Andere
machen sie aus einer Gruppenarbeit, wieder andere schauen nur,
was schon für Ideen da waren, formalisieren sie auf die Zeit,
thematisieren sie neu, kleiden sie in eine neue Form. Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, aber für eine künstlerische Idee,
die gesellschaftlich relevant und bedeutend wird, ist es
Voraussetzung, dass sie eben entweder noch nie da war, denn das
ist das Image des Künstlers, oder einfach ganz einzigartig.
Thiel: Da würde ich direkt einen Vergleich versuchen: Die
Sprache artikuliert sich ja auch nicht in einzelnen Begriffen,
sondern semantisch in einem Bezugssystem, dass die einzelnen
Worte sich miteinander begründen und das produziert dann Sinn.
Genauso steht das, was ein Architekt baut oder ein Künstler
macht in einem bestimmten Zusammenhang. Dadurch, dass die
Zusammenhänge sich so artikulieren, dass einer intuitiv oder
auch analytisch nachvollziehen kann, wird eine Idee plötzlich
so überzeugend. Genauso, wie wir kulturell eine hoch
artifizierte Sprache haben, haben wir sie auf anderen Gebieten
ja genauso. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund, warum
sich eine Idee begründet, in einem Zusammenhang.
Rieder: Man könnte auch sagen: Was ist das toll am Michael
Jackson? Die Idee, dass er sich andauernd körperlich verändert
und sozusagen kaum noch maskulin oder feminin ist, ist in
seiner Musik nicht zu finden. Es ist das phantastische und das
transportiert er in seine Musik. Deswegen verstehe ich ihn
auch, sonst wäre er als Musiker eigentlich nicht wichtig. Sehen
Sie, da stimmt alles zusammen. Er ist eben ein Trendsetter,
während Prince oder ein Jazzmusiker wieder eine völlig andere
Haltung haben. Da stimmt sozusagen alles in seiner
Einzigartigkeit.
Thiel: Darf ich zu den Objekten noch etwas sagen?
Rieder: Bitte.
Thiel: Mir kam es so vor, als wäre es die Idee, dass eine Form
sich in einer zweiten artikuliert, so wie der Körper sich in
einem Gewand verbirgt und gleichzeitig zeigt. Wenn man dann um
die runde Form herumgehen kann, sieht man neben sich den Felsen
und vor sich das Gebäude. Das Gebäude ist aber nicht für die
ganze Stadt sichtbar, sondern nur erahnbar durch diesen
Schlitz.
Rieder: Richtig, ich habe das zu sehr aus dem Vorgang des
Schaffens des Schlitzes gesehen. Man könnte natürlich auch
sagen, das hier oben ist eine Warze, ein Appendix von dem hier
und zeigt sich deshalb auch außen. Es ist eine Art Subraum und
verweist dadurch, dass da ein ähnlicher Raum dahinter ist, eine
Möglichkeit. Insofern bei dem Projekt noch schlüssiger, weil
sie des Öfteren das selbe Wellpappmaterial verwendet hat, das
heißt, es gibt hier auch eine Wahl des Materials in diesem
Modell, das ist sehr wichtig. Wir haben von den Pfeilern
gesprochen, die eigentlich Säulen sind und wir haben von der
Pappe gesprochen. In dem Fall ist sie immer wieder perforiert,
insofern ist das hier künstlerisch nicht konsequent, weil sonst
das hier drauf liegen müsste, wenn es miteinander zu tun hat.
Sie verstehen schon wieder, was ich meine.
Johanna: Ja, aber das hat man irgendwie nicht ankleben können.
Rieder: Aber Sie haben zumindest artverwandtes Material
verwendet und damit auch von der Textur etwas ähnliches
gesehen. Sie haben darüber geredet, deswegen habe ich gedacht,
dass diese beiden Sachen etwas miteinander zu tun haben?
Johanna: Ja, das ist eben der Aufzug.
Rieder: Dann ist es gut. Der Lift benötigt Raum, das habe ich
auch gedacht. Beim Lift kommen wir auch noch auf diese
besondere Problematik, dass es natürlich sehr faszinierend ist,
an einer langen Wand entlang nach oben zu gleiten und den Blick
über die Stadt Salzburg zu erleben. Natürlich ist es auch
schöner, den Lift außen zu haben, als innen. Sie kennen
wahrscheinlich nur aus der Geschichte den Beruf des Liftboys.
Bis 1986 gab es einen Liftboy, bei einem Portugiesen, das wurde
damals von den Salzburger Nachrichten und den konservativeren
Kreisen nicht befürwortet und stark kritisiert. Das hat dann
auch zum Fall dieses Projektes geführt. Der Herr hat damals
Albero Sisa geheißen, war in Salzburg bekannt, war in Salzburg
einer der berühmtesten Architekten. Gut, drei Objekte haben wir
hier noch.
Thiel: Das müsste sich bis zum Läuten noch ausgehen.
Phillippe: Ich habe es relativ verwinkelt gestaltet, weil man
von da oben auch die ganzen Dächer der Häuser der Stadt sieht.
Die sind eben auch eher verwinkelt, außerdem habe ich auch noch
versucht, die kleinen Gassen widerzuspiegeln.
Rieder: Bei Ihnen wird es sicher augenscheinlich, dass Sie
versucht haben, das Material, aus dem der Berg gemacht ist,
abstrahiert auch in eine neue Topographie zu übersetzen. Diese
Topographie, also Terrassen und Wände werden entweder zu einem
Innenraum, der dahinter liegt, oder zu einem Außenraum, der
davor ist und damit auch seinen Teil zum Volumen beiträgt. Es
ist eine extreme Symbiose zwischen Natur und Technik oder auch
Bauwerk und Ort. Ihre Argumente, Stadtlandschaft, ist so weit
nachvollziehbar. Es hat einen gewissen
Gesamtkunstwerksanspruch. Was, meiner Meinung nach, die
uninteressanteste Lösung ist, das kriegen wir dann noch einmal
als ersten Preis, nämlich eine Konglomeratfassade. Da ist die
Fassade noch einmal das gleiche Material, wie das Museum, der
Berg, wenn auch nur verkleidet, denn Ihr künstlerischer Vorgang
ist ja herausstemmen und drüberbauen. Damit ist es wieder ein
sehr typisches Programm Salzburgs, das den Berg als Kulisse
begreift und die Kulisse gestaltet, wo immer alle Bergwände
Theaterbühnen der Stadt sind.
Thiel: Wisst Ihr, worauf da jetzt angespielt wird?
Teresa: Auf den ersten Preis?
Katharina: Nein, auf das Felsentheater, die Felsenreitschule.
Rieder: Also, das symmetrische hier, würde ich bestätigen. In
der freien Naturform, die der Berg dort gibt, ist sicher etwas,
das den Blick einengt, etwas zentrales, das sich möglicherweise
in ihrem Fall noch stärker darstellen kann, wenn es aus dem
selben Material ist. Es kommt aus dem Material, ist aber etwas
Anderes, weil es von Menschen erdacht und erbaut worden ist.
Eine andere Frage ist, ob es wirklich, in ihrer besonderen
Sensibilität, notwendig gewesen wäre, das Gestaltungselement
der Symmetrie einzubringen. Was bringt Ihnen das für Vorteile?
Hier haben Sie sozusagen eine sympathische Symmetrie und jetzt
wird das Ganze sozusagen noch einmal mit einer Kuppelhalle
gekrönt. Was ist denn das hier? Es ist etwas asymmetrisch, ist
das bereits vorhanden?
Phillippe: Nein, ich fand es einfach interessant. In der Stadt
ist es nirgends vorhanden, aber es soll das Verwinkelte noch
einmal unterstreichen.
Thiel: Wenn du schlau bist, sagst du, das sind Platten von
Richard Sera, also Ausstellungsobjekte.
Rieder: Ist das hier auch ein Ausstellungsstück oder ist das
eine Halle?
Phillippe: Es ist eher eine große Halle. Ich habe mir gedacht,
dass man von hier aus die Stadt betrachten kann und indem, dass
es rund ist und man so von allen Seiten hinaussehen kann, soll
die Stadt noch mehr in das Museum hineintransferiert werden.
Rieder: Da kommt natürlich, wenn Sie so etwas machen, auch Bauund Kulturgeschichte mit hinein. Man könnte zwar sagen, dass es
passt, aber es gibt einen Punkt unserer Zeit, an dem man sagt,
man kann nicht wieder mit Symmetrie und Achse überhöhen, wie es
früher gebräuchlich war. Man kann nicht mehr die Pallas Athenae
auf den Mönchsberg stellen, die Kunst ist längst nicht mehr so
sacro sancti. Ein weiterer Punkt wäre auch die politische
Anschauung. Im Nationalsozialismus hat man auch immer wieder
den Berg benutzt, ihm Symmetrie, ein krönendes Haupt gegeben,
die „Erleuchtung“. Das wisst Ihr vermutlich nicht, aber es hat
auch am Kapuzinerberg, in der Achse von Schloss Kleßheim eine
Gauburg gegeben, genauso wie in Nürnberg, in Linz usw. Also das
ist ein Punkt, wo man aufpassen müsste, obwohl es sich
natürlich vom Geist her eindeutig unterscheidet, es gibt eben
baugeschichtliche Vor- und Nachteile. Ich sehe das eher als
psychologische Antwort, dass Sie solche Sachen hineingelegt
haben, weil es Ihnen zu starr geworden ist.
Phillippe: Ja, vielleicht um das hier zu brechen.
Rieder: Weil, Sie tun da etwas, ... das ist erst am Schluss
entstanden, oder?
Phillippe: Ja.
Rieder: Das wäre dann für mich aber noch nicht aus. Ich hätte
es noch verschoben, es wieder zusammen gedrückt, ihm einen
neuen Impuls gegeben. Sie sehen ja, das ändert wieder alles. Es
kommt immer etwas dazu und dann muss man wieder
zurückreflektieren, bis es einen harmonischen Stillstand hat.
So ist es ein repräsentativer Stillstand, Symmetrie ist von der
Antike herauf bis heute immer noch, wenn man nicht lange über
Form nachdenken muss, bewahrend, stabilisierend, repräsentativ.
Wir haben allerdings unterdessen andere Möglichkeiten der
Repräsentation.
Thiel: Die Ästhetik der Erhabenheit.
Rieder: Ja genau und da kommen wir dann zum Programm der Museen
und dadurch natürlich zur Geschichte der Museen. Die sind
natürlich immer um 1820 herum entstanden – aber Sie sehen, man
kramt ein bisschen in der Ideengeschichte der Kultur herum und
kommt von einem Gedanken zum Anderen.
Thiel: Besprechen wir da das letzte Objekt noch, das Hinterste
ist, glaube ich, noch nicht fertig.
Rieder: Ja gerne.
Andi: Man kommt mit dem Aufzug hinauf, bleibt dann aber im
Berg drinnen, geht hier durch und kommt dann da in das Museum
hinein. Das Museum selbst ist mit dem Berg verwachsen, es ist
zur Hälft im Berg drinnen und das wird auch durch dieses
felsähnliche Material unterstützt, so dass es keine klaren
Grenzen gibt.
Rieder: Sie arbeiten Formen oder Räume heraus, die fast
elementar sind. Es gibt Kreislinien und Geraden, es gibt aber
keine Schrägen. Es gibt in dem Sinne auch keine Symmetrie. Sie
bauen etwas auf, dann legen Sie etwas quer dazu in der Achse,
Sie brechen es allerdings wieder, weil Sie es doch nicht
parallel machen, Sie machen keinen Kuppelraum, sondern dehnen
nach hinten aus. Sie fangen eigentlich an, verschiedene Räume
zueinander zu stellen. Hier bricht etwas besonderes heraus, wie
eine Art Juwel. Sie haben das als Einziger so besonders
integriert, durch Ihre Breitlagerung jedoch wieder zentriert.
Soweit ich das jetzt sehe, sollten Sie mir noch etwas über den
Innenraum erzählen. Die erste Interpretation als Künstler ist
immer, dass jeder versuchen sollte, seine Empfindungen
wahrzunehmen. Es ist wichtig, da man ja auch als Unbeteiligter
etwas empfindet, das wahrzunehmen und dann immer mehr
Informationen zu bekommen, entweder durch längere Betrachtung
oder, in dem Falle, durch Sprache und Erklärung, damit man den
Hintergrund auch richtig versteht. Wenn man dann etwas
verstanden oder auch nicht verstanden hat, kann man es
assoziieren, interpretieren, kritisieren. Etwas, was man nicht
kennt, zu interpretieren, könnte man als intoleranten Vorgang
hinnehmen und sagen, dass man sich damit nicht
auseinandersetzen will.
Andi: Durch das Glas hat man die Möglichkeit in den Berg zu
schauen.
Rieder: Haben sie sich nie vor dem Problem gesehen, mehr Glas
zu verwenden oder vielleicht weniger und es dafür mit einem
anderen Material zu mischen?
Andi: Mir standen eigentlich keine anderen Materialien zur
Verfügung, außer Metall, dass ich noch mit einbeziehen hätte
können.
Rieder: Das Problem, dass ich hier sehe ist, dass ihre
Raumübergänge nur außen definiert sind. Sie gehen zwar auf den
Reiz des Materials ein, blocken aber die Innenraumproblematik
ab und vermitteln die Idee der Röhre. Da könnten Sie jetzt mit
ihrer Kollegin diskutieren warum sie die Röhre vertikal
verwendet und Sie horizontal. Da können Sie vielleicht erkennen
was für ein Dilemma entsteht, wenn man vor einer Jury
argumentieren muss und wenig Material über eigene Überlegungen
vorzeigen kann. Jeder Betrachter von Kunst hat andere
Assoziationen dazu, aus diesem Grund ist es wichtig Pläne,
Zeichnungen, Modelle, Texte und eventuell auch Videos zu
verwenden.
Thiel: Wenn ich noch etwas zu diesem Modell sagen darf: Es ist
mir beim ersten Anblick aufgefallen, dass es sich sehr stark
von allen anderen unterscheidet, und zwar durch die Idee, den
Raum nicht aus einer musealen Überlegung, sondern aus einer
technischen Philosophie heraus zu entwickeln. Der Bau macht auf
mich den Eindruck einer Maschine, einer Drehbank, die ins
Großplastische umgesetzt wurde und etwas von der Ästhetik des
sozialen Realismus an sich hat. Es beinhaltet auch in diesem
Sinn die historisierenden Tendenzen überhaupt nicht, ich
assoziiere damit viel stärker die industrielle Revolution.
Rieder: Es ist richtig, dass dieses Modell die autonomste Form
ist, die wir bis jetzt diskutiert haben. Insofern könnte man
ihren Entwurf auch positiv unterlegen, indem man sagt, das Glas
ist von sich aus so stark, dass es keinen anderen Raum braucht.
In diesem Sinne hätte man sogar noch eine Spur radikaler werden
sollen und sich mit der Frage beschäftigen : Wie trifft die
Lehmfuge auf den starken Raum?
Gehe ich richtig in der Annahme, dass dieses Projekt noch nicht
ganz fertig ist?
Kati: Ja
Rieder: Ich glaube, dass von allen bisherigen Projekten dieses
das am weitesten fortgeschrittenste und fertigste ist, da es
sich am stärksten mit dem Ziegelblockmaterial auseinandersetzt.
Es ist sehr wichtig mit welchem Material man seine Gedanken
transportiert. Sie gehen am stärksten darauf ein, entfernen
sich dadurch auch am weitesten vom Thema Museum, haben aber in
diesem Sinne die größte künstlerische Freiheit.
Es gibt viele Aspekte, die man der Architektur zuschreibt, von
der reinen Funktion bis zur Möglichkeit ein Statement zur
Gesellschaft abzugeben, das für mich eine sehr große Rolle
spielt. Da stellt sich für Sie oft die Frage warum ich nicht
Künstler sein kann ohne mir etwas dabei zu denken. Ob alles
wirklich Sinn haben muss hängt mit ihrem Selbstverständnis
zusammen und ob sie sagen alles das ich mache, macht für mich
Sinn. Eines der wesentlichen Dinge ist, dass Sie durch ihre
Kunst oder Architektur mit jemandem in Kommunikation treten,
das sich natürlich auch in Kritik definieren kann.
Besprechung der Museumspläne für das Museum am Mönchsberg
(1.,2., und 3. Preis des Wettbewerbes)
Der erste Preis des Wettbewerbs hat versucht, die bereits
bestehende Struktur in ein sich stark mitteilendes Bild und den
passenden Rahmen, zu verwandeln – das ideale Ikonogramm eines
Bildermuseums, indem das Gebäude der Rahmen und die Stadt das
Bild darstellt. Sie sehen, man könnte sagen, entweder war die
Jury so politisch und sorgenvoll besetzt, dass es keinen
Skandal gibt, oder man geht heute davon aus, dass die Kunst
nicht Bestandteil des ganzen Lebens ist, sondern nur diesen
Rahmen füllt. Das ist natürlich schon eine Interpretation der
Aufgabe. Ich bin der Meinung, dass man mehr braucht um Bilder
aufzuhängen, während dieser Entwurf das Thema Bild zum Zeichen
der Stadt und des Hauses macht.
Der zweite Preis ist von Laurenz Orca, einem sehr sachlichen
und ästhetischen Architekten, der auch das Museumsquartier in
Wien baut. Er hält das in einer ähnlichen Weise wie der erste
Preis, nur etwas abstrakter, indem er das Glas nicht als
Produkt in seiner Zartheit zu etablieren versucht. Seine
Geradlinigkeit, die eine Zäsur bildet, stellt die Felswand
nicht in Frage und lässt durch das Zurückrücken von der Kante
den Turm als stärkstes und historisierendes Element wirken.
Phillippe: Gibt es ein Projekt, das versucht auf die Felsform
einzugehen?
Rieder: Es gibt ein Modell, das mit einem Schlitz arbeitet, der
dann sozusagen zu einem großen Raum im Berg wird. Man arbeitet
hier sehr stark mit Oberlicht und einem versunkenen Raum.
Phillippe: Gibt es einen Architekten, der zum Beispiel das
Wechselspiel von Wald und Fels in sein Konzept mit einbezieht?
Rieder: Das, das Sie hier ansprechen ist eine Interpretation
des Ortes. Wir sehen hier beim zweiten Preis eine extreme
Abstraktion im Sinne der Interpretation des Ortes. Ich
beseitige die weißen Stahlträger und das kalte Glas, setzte es
um eine Spur zurück, verschönere und ästhetisiere es, ansonsten
lasse ich alles wie gehabt und mache es innen funktional. Das
ist diese Position. Das Modell des ersten Preises erscheint wie
ein aufgesetztes Implantat. In diesem Fall ist ein Museum
erstens ein Gebäude, zweitens teilt es sich als solches in Form
eines Bilderrahmens mit und drittens hat es etwas völlig
absurdes – einen Ausblick. Als ob die Stadt selbst das größte
Museum ist, was vielleicht war ist, aber dennoch bleibt die
Frage wie es der Kunst Referenz erweist offen. Dieses Projekt
arbeitet noch mit einigen Images. Es wird zum Beispiel die Idee
des Grabendachs aufgenommen, wodurch das Gebäude vorgaukelt
sich in der Altstadt zu befinden.
Der Grundriss des Projekts ist definiert, bereinigt und
ausgeräumt er hat nur einen räumlichen Anspruch – die Treppe,
sozusagen als Orientierungspunkt, die genau auf den alten
Wasserturm ausgerichtet ist. Die räumliche Auseinandersetzung
besteht hier aus großen Räumen, die durch eine Treppe
strukturiert werden, im Erdgeschoss, im ersten Stock und im
Dachgeschoss. Sie sehen Architektur hat sehr viel mit Ordnung
zu tun, die kann aber auch, wenn sie zu oft verwendet wird,
eingrenzend sein und eine gewisse Unsicherheit vermitteln.
Meine Gedanken waren folgende: Ich wollte eigentlich kein
Gebäude machen, das war auch der Ansatzpunkt an dem einige
klassische Jurymitglieder sagten, es muss schon als Haus
identifizierbar sein. Dennoch war ich der Meinung, dass dort
oben kein Gebäude mehr stehen sollte, da es bis jetzt immer
Probleme mit Häusern am Mönchsberg gab. Folge dessen suchte ich
raumbildendes und strukturierendes Element, dass im
Zusammenhang mit einem Museum ein Gebäude entstehen lässt und
fand die „Wand“. Diese Wände kann man schaffen wie Sie, indem
man mit der Flex in das Gestein arbeitet. Dann hat man eine
inverse, also eine nicht existierende, Wand – einen Schlitz,
den man ausgießen kann um eine reale Wand zu erhalten oder man
baut die Wand einfach auf. Diese beiden Elemente, positiv –
negativ, habe ich immer wieder eingesetzt und gleichzeitig
versucht die Grenzen des Gebäudes und des Bauplatzes
aufzulösen. Sie sehen hier, dass es Elemente gibt, die weiter
hinaus gehen als die engen Begrenzer, das Gebäude dehnt sich an
diesen Stellen aus. Die Wände laufen unterschiedlich weit
hinaus und vernetzten sich sozusagen mit dem Ort. Sie sind mit
vertikalen Jalousien ausgebildet, die je nach Anforderung
geschlossen, halb geöffnet oder offen sein können. Der Blick
nach draußen bleibt fast immer erhalten, die Kunst hat keinen
Innenraum mehr. Ein weiterer Gedanke war, dass es in diesem
Sinne auch kein geometrisch, geschlossenes Dach mehr gibt. Es
gibt Teilflächen aus verschiedenen Materialien, die wie Blätter
auf dem „Wandgeäst“ liegen. Die unterschiedlichen Materialien
fungieren als Lichtfilter, wodurch sich in den Räumen
verschiedenste Lichtverhältnisse manifestieren. Durch das
Fehlen einer durchgehenden Decke ist der Raum weder gedanklich
noch gefühlsmäßig begrenzt. Gleichzeitig erscheint es mir
wichtig so viele Wände wie möglich zu haben um dementsprechend
viel Kunst aufhängen zu können. Diese Wände sind nie frontal,
lenken jedoch nicht von der Kunst ab indem man bewusst ein
Stiegenhaus betritt. Die Konsequenz meines Denkens war, dass
sie Treppe nicht als eigenes Element im Raum steht, sie ist
Teil einer doppelschaligen Wand. Dadurch können sie alle von
mir angebotenen Räume koppeln oder abtrennen und dennoch „frei“
gehen. Natürlich können sie auch den klassischen
Museumsrundgang in einem Einbahnsystem machen.
Thiel: Gab es in der Ausschreibung irgendwelche Vorgaben?
Rieder: Gerade was das Licht betrifft, gibt es große
Unterschiede zwischen Museen, die nur Gemälde, Skulpturen oder
in etwa Druckgraphiken ausstellen. Hier handelt es sich um eine
Gemäldeausstellung, die einige Plastiken beinhaltet, die im
Freien ausgestellt werden sollen. Es war keine bestimmte
Raumordnung vorgegeben außer einer, vom Museumskomplex
abtrennbaren, großen Halle, die für Wechselausstellungen
verwendbar ist. Später hat sich dann die Tendenz
herausgestellt, dass man doch einen Bau möchte, indem man
Zimmer für Zimmer durchschreiten kann. Durch die extreme
Anordnung meines Museums ist der durchführende Weg stark
definiert, fast eine Konditionierung für den Besucher, während
man im Objekt des ersten Preises, fast alltäglich, im Kreis
gehen kann. Grundsätzlich ist das auch bei mir möglich, aber
die Zuschnitte der Räume verweisen eben nach außen. Der
perspektivische Fluchtpunkt liegt immer Außen, wodurch mein
Bau, im Gegensatz zum ersten Preis, vertikal offen ist. Der
Vorwurf, der in der letzten Phase aufkam, war die Platzfrage,
bis man dann nach einigen Diskussionen einsah, dass doch mein
Bau die meisten Hängeflächen bietet, wenn auch etwas unüblich.
Diese Wandkonstruktionen werden, durch die steuerbaren
Jalousien, mit jeder weiterer Etage komplizierter. Folge dessen
kann man die Beleuchtung stark variieren, zum Beispiel je nach
Epoche oder Stilrichtung.
Phillippe: Wie ist bei Ihnen der Dialog mit der Stadt zu sehen?
Rieder: Eines meiner wesentlichen Dinge ist, dass es keine
einmalige Kante gibt, sondern viele fallende Linien, sozusagen
wie die verschiedenen Vegetationsstufen oder Felsformationen,
die sich zurückstaffeln, sich wie Kulissen auftürmen. Vorne
gibt es einen kleinen Sichtschlitz mit einer minimalen
Glasfront.
Thiel: Ich habe den Vorwurf gelesen, dass Sie sich so der Stadt
verweigern.
Rieder: Wenn der Besucher mit dem Lift herauf fährt und
heraustritt hat er einen Panoramablick auf die ganze Stadt,
ebenso wenn er das Museum wieder verlässt. Also, warum ein
Panoramakaffe bauen, wenn ein Museumskaffe ausgeschrieben
wurde?
Thiel: Ist nicht gleichzeitig der Gedanke vorhanden, dass die
eitle Selbstinszenierung der Altstadt, Rechtfertigung für das
Museum ist?
Rieder: Vom dem her repräsentiert das Projekt, dass den ersten
Preis gewonnen hat, Salzburg sicher am Besten. Es klärt nicht
ob es ein Panoramakaffe, ein Kasino oder ein Museum ist,
arbeitet mit dem selben Material zur Beruhigung, verwendet im
Vergleich das wenigste Glas und ist sicherlich ein ordentlicher
und stabiler Rahmen.
Thiel: Gibt es andere Museen, die Sie vom Konzept her kennen?
Rieder: Vorher möchte ich noch kurz etwas sagen: Ich glaube,
daß mein Konzept, so eigenwillig die Räume auch gestaltet sind,
für jede Art von Kunst zugänglich ist. Durch den Verzicht von
sichtbaren Stiegen und Nischen behält der Bau eine bestimmte
Neutralität, die sich durch die bloßen Elemente Wand und Licht
bestärkt. Es gibt natürlich auch Museen, die von einem
bestimmten Kunstwerk ausgehen, weil sie schon wissen was
ausgestellt werden soll. Zum Beispiel von Hans Hollein, in
Frankfurt oder Mönchengladbach. Das andere Extrem wäre ein
Museum, das vom Kunstwerk völlig weg geht und sich selbst als
solchen darstellt. Eines der besten Beispiele dafür ist das
jüdische Museum in Berlin von Daniel Liebeskind, das eigentlich
nur noch über Räume existiert, die als Denkmal der jüdischen
Vertreibung und des Holocausts inszeniert sind, egal was darin
hängt. Da verlässt man die Gebrauchsarchitektur und nimmt sich
das Recht auch als Architekt eine Mitteilung zu machen. Dadurch
entstand die momentane Debatte ob das Museum selbst ein
Raumkunstwerk ist, und was es als dieses den Bildern bringt,
weil es Spannung erzeugt, oder ob es auch eine neutrale
Industrieschachtel sein kann.
Thiel: Welches Beispiel würden Sie momentan in dem
Wechselverhältnis Selbstdarstellung des Baues und
Funktionalität des Museums sehen?
Rieder: Das eine Extrem ist, wenn sie zum Beispiel das
Guggenheim Museum in Venedig besuchen, wo die
Ausstellungsstücke wunderschön sind und das Gebäude – ein alter
Palazzo– einfach halbwegs vorbereitet wurde. Im Gegensatz dazu
steht das Guggenheim Museum in Bilbao, wo das Gebäude im Sinne
der freien Architektur errichtet wurde und für sich spricht.
Hier bin ich ein bisschen von der Land Art ausgegangen, weil
der Ort so stark ist, dass ich mich mit ihm und der
außergewöhnlichen Lage zur Stadt auseinandersetzen wollte –
nach dem Motto: Alles, was ich dort finde mache ich zu einem
Museum. Der Gedanke war, dass, wenn schon eine Idee im Ort
vorhanden ist, sozusagen brach liegt, diese nie im Gegensatz zu
der Kunst stehen kann, die dort später einmal aufgehängt wird.
Denn sie versucht sich nicht als Front oder Gebäude zu
etablieren, sondern als das was sie ist, Mauern auf denen
Bilder ausgestellt sind.
Wolfi: Wie lange haben Sie gebraucht um diese Pläne
anzufertigen?
Rieder: Wir zeichnen für diese Art von Plänen circa drei
Wochen, geistig beschäftigt man sich ungefähr zwei bis drei
Monate damit. Durch langjährige Erfahrung entwickelt man dann
schon eine bestimmte Raumauffassung, die man immer wieder
anwendet.
Thiel: Wir müssen jetzt leider aufhören, da es zur Pause
geläutet hat. Vielen herzlichen Dank für ihr Kommen!
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