60. JAHRESTAG DER EUROPÄISCHEN BEWEGUNG GEMEINSAM DAS EUROPA VON MORGEN AUFBAUEN 23./24. Mai 2008 - Den Haag, Niederlande FORUM DER EUROPÄISCHEN ZIVILGESELLSCHAFT VOLLVERSAMMLUNG REDE von Dimitris DIMITRIADIS Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses DE -1Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Generalsekretär, meine Damen und Herren! Es ist mir eine große Ehre und Freude, heute hier zu sein. Ich möchte der Europäischen Bewegung und insbesondere ihrem Vorsitzenden Pat Cox und ihrem Generalsekretär Henrik Kröner für diese Einladung danken. Die Feier des Jahrestages des Haager Kongresses ist nicht nur eine Beschäftigung mit der Vergangenheit, sondern genauso sehr ein Nachdenken darüber, wie wir das Europa von morgen aufbauen können und wie es aussehen sollte. Wir brauchen eine Europäische Union, die demokratischer, effizienter und dynamischer ist und eine solide Grundlage für das Wohlergehen der künftigen Generationen bildet. Europa hat in den letzten 60 Jahren an allen Fronten enorme Fortschritte gemacht, doch es gibt immer noch Raum für Verbesserungen. Ich hoffe aufrichtig, dass der Lissabon-Vertrag von allen Mitgliedstaaten ratifiziert wird und im Januar nächsten Jahres wie geplant in Kraft treten wird. Dieser Vertrag ist von entscheidender Bedeutung, um die EU heute und morgen in die richtige Richtung zu führen. Auch wenn er vielleicht keine abschließende Antwort auf die institutionellen Fragen der Europäischen Union gibt, so ist er doch ein wichtiger Schritt hin zur Gewährleistung effizienterer und demokratischerer Institutionen in einer erweiterten Europäische Union und zur Stärkung der Rechte der Bürger. Wir wollen eine Europäische Union, die demokratischer ist. Ich begrüße ausdrücklich die Bestimmungen des Lissabon-Vertrags, die die repräsentative Demokratie stärken, indem sie dem Europäischen Parlament mehr Befugnisse zuerkennen und den nationalen Parlamenten ein Mitsprachrechte beim Subsidiaritätsprinzip einräumen. Der repräsentativen Demokratie kommt in einer modernen demokratischen Gesellschaft zwar eine Schlüsselrolle zu, doch es gibt auch außerhalb des parlamentarischen Bereichs Strukturen, die gestärkt werden müssen, um ein wirkliches "Europa der Bürger" zu schaffen. Ich bin der festen Überzeugung, dass große demokratische Fortschritte erzielt werden können, wenn die Zivilgesellschaft enger in den Beschlussfassungs- und Politikgestaltungsprozess einbezogen wird. Ich stelle daher mit großer Genugtuung fest, dass der Artikel über partizipative Demokratie im Verfassungsvertrag unverändert in den Lissabon-Vertrag übernommen wurde. Dieser Artikel - Artikel 8b des Vertrags über die Europäische Union in seiner geänderten Fassung - ist eine wesentliche Neuerung: Durch ihn werden nämlich der zivile Dialog und das Initiativrecht der Bürger anerkannt und auf eine Rechtsgrundlage gestellt. .../... -2In einer demokratischen Gesellschaft ist die Kommunikation mit den Bürgern von ausschlaggebender Bedeutung. Ebenso entscheidend ist auch, dass diese Kommunikation nicht nur die Form gelegentlicher Informationskampagnen annimmt, sondern ein wirklicher Dialog, eine echte zweiseitige Kommunikation, stattfindet. Ohne einen solchen Dialog werden wir die Unterstützung unserer Bürger nicht gewinnen. Doch ohne den Rückhalt aktiver und engagierter Bürger und Organisationen, über die die Bürger ihrem Willen Ausdruck verleihen und handeln, können wir die Bestrebungen Europas, ein wirklicher Raum von Wirtschaftswachstum und sozialem Fortschritt, von Demokratie, Gerechtigkeit und Freiheit zu sein, nicht verwirklichen. Die Teilhabe der Bürger und ihrer Vertretungsorganisationen an der Politikgestaltung und Beschlussfassung ist der Schlüssel zur Stärkung der demokratischen Legitimität der öffentlichen Einrichtungen, ihrer Arbeiten und Tätigkeiten. Um eine wirklich demokratische Europäische Union aufzubauen, sollten wir mit den Bürgern und der Zivilgesellschaft nicht nur sporadisch in Dialog treten, wenn wir ihre Unterstützung bei den Wahlen brauchen. Das ist nicht genug. Wir müssen einen fortwährenden zivilen Dialog führen - über konkrete Maßnahmen, die aktuelle Politik und die Zielvorstellungen von morgen, so wie wir dies heute hier tun. Indem wir alle Beteiligten einbeziehen, können wir eine bessere Qualität und größere Glaubwürdigkeit der politischen Beschlussfassung, die Akzeptanz der Interessenträger und letztendlich eine wirksame Umsetzung der Entscheidungen gewährleisten. Als die Teilnehmer vor 60 Jahren auf dem Haager Kongress zusammenkamen, hatten sie die Vision und das Verlangen, nach der tragischen Erfahrung des Krieges lang anhaltenden Frieden in Europa zu schaffen. Diese Vision ist von den Vätern der europäischen Integration und ihren Nachfolgern in die Wirklichkeit umgesetzt worden. Die heutige Situation sieht ganz anders aus, und Europa gilt als Modell und Beispiel für Länder und Menschen in der ganzen Welt. Der Kontext hat sich gewandelt; die Herausforderungen sind neu: Sie sind global und können nicht von einem Staat im Alleingang bewältigt werden. Es findet ein rascher und tief greifender Wandel des globalen Gleichgewichts statt, und wir fragen uns, wie wir in dieser Zeit der Globalisierung die Wettbewerbsfähigkeit Europas und den sozialen Zusammenhalt gewährleisten können. Die Lösung besteht nicht darin, unsere Grenzen zu schließen und uns abzuschotten. Wir müssen die Globalisierung aktiv angehen und die Führungsrolle übernehmen, anstatt nur zu beobachten und den Entwicklungen zu folgen, die andere eingeleitet haben. Inzwischen würde niemand mehr der Aussage widersprechen, dass die Bedürfnisse der heutigen Generation auf eine Weise erfüllt werden sollten, die die Fähigkeit künftiger Generationen zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse unbeeinträchtigt lässt. Um das Wohlergehen künftiger Generationen zu garantieren, dürfen wir unser Augenmerk nicht auf die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen beschränken: Wir müssen die Folgen des demografischen Wandels angehen, uns dem Klimawandel und der globalen Erwärmung stellen, die Energieversorgung sichern und so eine nachhaltige Entwicklung gewährleisten. .../... -3Als ich im Oktober 2006 zum Präsidenten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gewählt wurde, erklärte ich dieses Thema gleich zu einer der wichtigsten Prioritäten meiner Präsidentschaft. Beim Klimaschutz geht es auch um die Energiepolitik. Meiner Meinung nach ist das Problem des Klimawandels nicht unmittelbar mit dem Anstieg unseres Energiebedarfs verknüpft, sondern eher mit der Art und Weise, wie wir die verfügbare Energie nutzen und die vorhandenen Ressourcen unserer Lebensweise entsprechend bewirtschaften. Um diese Thematik anzugehen, brauchen wir einen langfristigen, bis mindestens 2030 reichenden politischen Rahmen, der sowohl den Bürgern als auch den Investoren das nötige Vertrauen für ihr tagtägliches Handeln bzw. ihre Langzeitinvestitionen gibt. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass nur eine EU, die auf eine echte politische Union mit einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgerichtet ist, eine Union, die in eine Währungsunion mit einer echten Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik eingebettet ist und die im Rahmen gemeinschaftlicher demokratischer Institutionen handelt -, dass nur eine solche Union in der Lage sein wird, den Hoffnungen und Ängsten der Menschen angesichts einer sich rasch wandelnden Welt gerecht zu werden. Da ich selbst Unternehmer bin, möchte ich mit den Worten des amerikanischen Unternehmers Henry Ford schließen, der sagte: "Zusammenkommen ist ein Beginn, zusammenbleiben ist ein Fortschritt, zusammenarbeiten ist ein Erfolg." Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. _____________