„Eine unabhängige Presse ist Grundlage jeder Freiheit überhaupt

Werbung
19. Sitzung des Landtags von Baden-Württemberg
Mitwoch, 30. November 2016, 09:00 Uhr
Top 2
„Eine unabhängige Presse ist Grundlage jeder Freiheit
überhaupt! Demokraten müssen Kritik aushalten können!“
Prof. Dr. Wolfgang Reinhart MdL
Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion
Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Soll der Bürger politische
Entscheidungen treffen, muss er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen
kennen und gegeneinander abwägen können, die sich andere gebildet haben.
Die Presse hält diese ständige Diskussion in Gang. In ihr artikuliert sich die öffentliche
Meinung; die Argumente trennen sich in Rede und Gegenrede und erleichtern so dem Bürger
Urteil und Entscheidung.
Diese Worte stammen nicht von mir, sondern vom Bundesverfassungsgericht aus seinem
„Spiegel“-Urteil, seiner Entscheidung zur Rolle der Presse im demokratischen Geschehen.
Ich will hinzufügen: Deutschland ist ein Land der Freiheit, auch der Pressefreiheiten. Das
muss in Zukunft so bleiben.
Eine unabhängige Presse, die Vielfalt der Perspektiven, der freie Wettbewerb der
Meinungen sind in der Demokratie unverzichtbar oder – noch einmal mit den Worten des
Bundesverfassungsgerichts, Zitat –:
Grundlage jeder Freiheit überhaupt.
Das ist unsere Überzeugung. Denn wir wollen, dass dieses Land ein Land der Freiheit
bleibt, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
Jahrzehntelang war in der Republik selbstverständlicher Konsens, die Presse als vierte
Gewalt im Staat zu denken und sie als elementare demokratische Institution zu
respektieren.
Auch wenn ein Kommentar kontrovers ist, uns eine Analyse einseitig erscheint, ein Artikel
gefühlt unfair sein mag – da wissen auch wir von der CDU, wovon wir reden –
Demokraten müssen das aushalten. Sie müssen unabhängige Kritik ertragen können.
Deswegen werden wir immer alles dafür tun, dass auch diejenigen, die uns kritisieren, das
Recht und die freie Möglichkeit dazu haben und behalten.
Im 21. Jahrhundert und mit der Übermacht der neuen sozialen Medien ist vieles dennoch
nicht entbehrlich geworden, im Gegenteil. Es bedarf der Presse als professionelle, als
kritische und als mahnende Instanz, je schneller und unmittelbarer Meinungen verbreitet
werden. Die AfD wendet sich aber nun von diesem Konsens ab, von dieser demokratischen
Normalität.
Sie sperrt die Presse per Parteitagsbeschluss aus.
Sie schottet sich ab und entzieht sich damit der öffentlichen Kritik. Sie weist unabhängigen
Journalisten die Tür und erteilt der freien Meinungsbildung damit eine erklärte Absage.
Damit verweigert sie sich einmal mehr der einfachen demokratischen Grundstandards.
Stattdessen dulden Sie nur noch die Öffentlichkeit, die Sie über Ihre Social-Media-Kanäle
selbst erzeugen und kontrollieren können.
– Nein, das nennt man nicht Freiheit, sondern das nennt man gelenkte Demokratie – statt
eines offenen Diskurs. Das ist Tunnelkommunikation statt Meinungsvielfalt. Das ist der
Unterschied.
Mit Facebook gibt es eine Blase, in der nur die eigene Meinung existiert. Das ist Ihre Welt,
eine Welt, in die selten ein Sonnenstrahl fällt.
So hat es Jan Fleischhauer im „Spiegel“ beschrieben.
Hier wird das Deutungsmuster Ihrer eigenen Sprache, Ihrer eigenen Version der Wahrheit
gesendet, ganz ungestört von Gegenrede oder Nachfragen. Da wer-den Fotomontagen
verbreitet, die die Bundeskanzlerin und den Bundespräsidenten auf der Anklagebank der
Nürnberger Prozesse zeigen. Da werden öffentlich-rechtliche Medien als
zwangsfinanziertes Propagandafernsehen bezeichnet und attackiert.
Ich empfehle allen, sich das mal anzuschauen. So sieht dann die Gegenöffentlichkeit aus.
Das ist eine Parallelgesellschaft, nämlich Ihre Parallelgesellschaft.
Dieser Umgang mit Kritik und Öffentlichkeit hat mittlerweile Methode. Sie teilen die Welt
in Freund und Feind, in Eingeweihte und Ausgegrenzte, wir hier drinnen, ihr da draußen.
Das bestimmt das Denken, und das prägt auch Ihre Sprache. Es ist nämlich die Sprache des
Populismus, wie er zurzeit die liberale Demokratie weltweit herausfordert. Das ist wahr.
Wenn Sie sich – wie gestern geschehen, verehrte Kolleginnen und Kollegen – mit großem
Pathos be-sorgt um die Pressefreiheit geäußert haben,
dann ist das auch in diesem Fall eigentlich nur post-faktisch zu nennen. Ich empfehle die
Lektüre des heutigen Artikels in der „Stuttgarter Zeitung“ unter dem Aspekt „Neuer Hüter
der Pressefreiheit“. Andere sagen, da wird der Bock zum Gärtner gemacht, meine Damen
und Herren.
Ja, der Ausschluss der Presse gerade durch eine Partei, wie Sie es gemacht haben, ist
eigentlich ein Widersinn. Denn auch Parteien selbst genießen doch den ausdrücklichen
Schutz unserer Freiheitsordnung. Auch durch sie, nämlich durch die Parteien, findet
demokratische Willensbildung statt. Ich empfehle den Blick in den Artikel 20 des
Grundgesetzes.
Auch sie gestalten ebenso wie die Presse die öffentliche Meinung, und in den Augen des
Grundgesetzes teilen sich die demokratisch konkurrierenden Parteien und die
unabhängigen Medien diesen Verfassungs-auftrag. Sie alle sind Partner im
demokratischen Prozess, und sie stehen alle gemeinsam in der Verantwortung, sich der
kritischen Debatte in der informierten Öffentlichkeit zu stellen. Und das, das dürfen wir
nie aufs Spiel setzen, verehrte Kolleginnen und Kollegen.
60 % der Aussagen auch von Donald Trump im US-Wahlkampf waren nach
Untersuchungen nachweislich falsch.
Und wenn die Wahrheit plötzlich verwischt und zur politischen Verfügungsmasse wird,
dann wird es auch für die Demokratie gefährlich. Denn Demokratie lebt vom freien Streit
der Meinungen. Diese Freiheit muss gelebt, sie muss auch verteidigt werden, und der
Ausschluss der kritischen Öffentlichkeit – Herr Meuthen, ich vermute, Sie wer-den dann
gar nicht sprechen, denn Sie hatten ja eine andere Meinung das müssen Sie ja zugeben –
beim Kehler Parteitag – ja, Herr Fiechtner –, ist ein Bruch der freiheitlichen politischen
Kultur auch in Baden-Württemberg. Es ist eine Abkehr vom offen ausgetragenen
politischen Wettbewerb und eine bewusste Demonstration gegen den Pluralismus.
Es geht hier nicht um das Zufallsergebnis eines aus dem Ruder gelaufenen
Parteitagsbeschlusses, von Satzungen, Finanzen oder sonst etwas, hier sind Prinzipien
berührt, die unsere Freiheitsordnung tragen und die Voraussetzung für jede aufgeklärte
politische Debatte sind.
Die unbedingte Gültigkeit dieser Prinzipien ist übrigens auch ein Stück Lehre aus der
Preisgabe der Weimarer Demokratie an Verführer und Demagogen. Diese Prinzipien sind
deshalb für uns nicht verfügbar, sie sind auch nicht verhandelbar,
sie verpflichten jeden, der sich in dieser Freiheitsordnung bewegt, zumal dann, wenn er
sich um Parlamentsmandate bewirbt.
Wenn wir sehen, dass es um die Liste zur Bundestagswahl ging, dann ist das eine mehr als
öffentliche Angelegenheit. Sie streben mit dieser Liste ja nach öffentlichem Einfluss, Sie
wollen in den Bundestag.
Da will die Öffentlichkeit aber nicht einfach zusehen. – Ja, ja. Sie bezeichnen alle Parteien
hier als Kartell-parteien – das ist Ihr Begriff –, und dabei sind Sie es, die sich wie ein Kartell
verhalten, nämlich als ein Kartell der Desinformation, der Manipulation und auch der
Ressentiments.
Herr Meuthen, lesen Sie es einmal Verfassungsrichter im Ruhestand Di Fabio, kürzlich im
„Handelsblatt“ erschienen, nach. Er sagt zu diesem Populismus, auch zu Parteien in Europa
und zu Ihrer Partei:
Sie schüren Ressentiments und wollen in Netzforen, dass sich Wut eruptiv entlädt gegen alles –
gegen die globalisierte Wirtschaft, gegen Europa und die offene Markt-wirtschaft, gegen die
offene liberale Demokratie und für Nationalismus. Aber eine Politik der Abschottung könnte
für uns dramatische Folgen haben.
So Di Fabio.
Das ist genau der Kern, um den es geht, worüber wir hier sprechen.
Damit, meine Damen und Herren, zeigt sich: Sie sind an politischer Gestaltung nicht
interessiert. Sie wollen kein gesellschaftliches Problem lösen, sondern Sie schaden damit,
auch mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Wir dagegen führen den offenen und fairen
Wettbewerb und den Diskurs. Wir stellen uns den Zumutungen der Freiheit, wir ringen um
das überzeugendste Argument, wir arbeiten an politischen Lösungen für die Menschen in
Deutschland und auch in Baden-Württemberg.
Das Freiheitsrecht, auch die Meinungsfreiheit und Pressefreiheit, ist für uns ein wichtiger
Eckpfeiler unserer freiheitlich demokratischen Verfassung und des Rechtsstaats, dessen
Grundwerte und Grundlagen wir auch mit der heutigen Debatte bestmöglich schützen und
auch in Zukunft verteidigen werden.
Herzlichen Dank.
Herunterladen